1 Einleitung
Mehrsprachige Bilderbücher mit ihrer multimodalen und multilingualen Erzählweise eröffnen Kindern vielfältige Zugänge zu Geschichten. Pädagog:innen und Lehrer:innen in Kindergarten und Grundschule können sie als Erzähl-, Gesprächs- und Schreibanlässe in mehrsprachigen Bildungssituationen im Erst-, Zweit- oder Fremdsprachenunterricht nutzen (vgl. Eder 2009). In der Fachdiskussion werden sie jedoch auch kritisch beleuchtet (vgl. Ballis/Pecher/Schuler 2018). Diskutiert werden die Redundanz wiederholter Texte, der zugrunde liegende Kulturbegriff und das Machtverhältnis zwischen den Sprachen sowie die Frage nach dem Umgang mit dieser Zweisprachigkeit. Hierzu liegen insbesondere familiale Rezeptionsstudien und literaturdidaktische Konzepte vor; empirische Unterrichtsforschungen stellen ein Desiderat dar.
Die Region Südtirol in Norditalien zeichnet sich durch ihre historische und migrationsbedingte innere und äußere Mehrsprachigkeit aus (vgl. Glück/Leonardi/Riehl 2019). Neben den Landessprachen Deutsch, Italienisch und Ladinisch sind weitere Sprachen und Dialekte in der Bevölkerung und somit auch in den Bildungseinrichtungen vorhanden. Die institutionelle Separierung der Sprachgruppen in deutsch- und italienischsprachige Kindergärten und Grundschulen (einzig die ladinischen Bildungsinstitutionen sind mehrsprachig konstituiert) ist historisch-politisch bedingt und spiegelt sich auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen wider. Gleichzeitig wird die Zweisprachigkeit (deutsch-italienisch, in den ladinischen Tälern die Dreisprachigkeit) für die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung vorausgesetzt und für die Arbeit in Kindergärten und Schulen gefördert, so dass Pädagog:innen und Lehrer:innen sich in beiden Landessprachen bewegen können. Dennoch sind Unterrichtssprache und Literaturauswahl weitgehend durch Einsprachigkeit geprägt.
In diesem komplex mehrsprachigen Kontext ist die laufende qualitativ-empirische Studie IMAGO. Bilderbücher – mehrsprachig, gereimt und textlos – in Kindergärten und Grundschulen in Südtirol (Hoffmann 2023) angesiedelt. Untersucht werden Umgangsweisen mit vielfältig erzählenden Bilderbüchern in unterschiedlichen Bildungseinrichtungen im deutsch-italienisch-ladinischen Sprachenkontext. Dazu werden Vorlese-, Gesprächs-, Schreib- und Gestaltungssituationen ethnografisch beobachtet und videografiert sowie fokussierte Interviews mit Kindergarten- und Grundschulkindern, Pädagog:innen und Lehrer:innen geführt. Die gesprächsanalytisch transkribierten Daten werden mithilfe der Key Incident-Analyse (vgl. Kroon/Sturm 2007) interpretiert. Zentrale theoretische Ausgangspunkte sind Mehrsprachigkeit und Materialität (vgl. Gogolin 2021; Kalthoff 2021), empirische Ausgangspunkte bilden die Kinderliteratur- und Rezeptionsforschung. Forschungsleitend sind die Fragen, wie Kinder mehrsprachige, gereimte und textlose Bilderbücher im deutsch-italienisch-ladinischen Sprachenkontext in Kindergarten und Grundschule rezipieren, wie sie dabei von Pädagog:innen und Lehrer:innen unterstützt werden und inwiefern sich sprachlich-literarische Lernprozesse zeigen. Dieser Beitrag fokussiert die Perspektive von Lehrer:innen an deutschsprachigen Grundschulen und fragt nach ihrem Umgang mit mehrsprachigen Bilderbüchern.
Vor dem Hintergrund ausgewählter theoretischer, empirischer, demografischer und bildungspolitischer Bezugspunkte (Kap. 2) sowie des Forschungsdesigns der Studie und des bilingual deutsch-italienischen Bilderbuchangebots (Kap. 3) werden Perspektiven von Lehrer:innen auf den Einsatz mehrsprachiger Bilderbücher im Deutsch- und Italienischunterricht einer deutschsprachigen Grundschule anhand von Interviewausschnitten analysiert (Kap. 4). Erkennbar werden Spannungsfelder zwischen literarästhetischem Potenzial, literaturdidaktischem Anspruch, bildungspolitischen Anforderungen und alltäglicher Unterrichtspraxis in einem offiziell mehrsprachigen Grenzgebiet (Kap. 5).
2 Ausgangspunkte – theoretisch, empirisch, demografisch, bildungspolitisch
In der Studie IMAGO wird der Umgang mit vielfältig erzählenden Bilderbüchern in verschiedenen Bildungskontexten einer mehrsprachigen Region untersucht. Der Fokus dieses Beitrags liegt auf mehrsprachigen Bilderbüchern in der Perspektive von Lehrer:innen an deutschsprachigen Grundschulen. Hierfür sind verschiedene theoretische (Kap. 2.1), empirische (Kap. 2.2), demografische (Kap. 2.3) und bildungspolitische (Kap. 2.4) Ausgangspunkte relevant.
2.1 Mehrsprachigkeit und Materialität
Zentrale theoretische Ausgangspunkte der IMAGO-Studie sind Mehrsprachigkeit und Materialität. Mehrsprachigkeit wird als Ressource aufgefasst, als reichhaltige Möglichkeit, sich auszudrücken und miteinander zu verständigen, ob auf individueller, sozialer oder gesellschaftlicher Ebene (vgl. Gogolin 2021). Sie schließt innere (verschiedene Dialekte, Regiolekte, Soziolekte, Register, Jargons etc.) sowie äußere (verschiedene Sprachen) Mehrsprachigkeit (vgl. Wandruszka 1979) mit ein.
Unter Mehrsprachigkeit wird die Fähigkeit von Gesellschaften, Institutionen, Gruppen und Individuen verstanden, in Raum und Zeit einen regelmäßigen Umgang mit mehr als einer Sprache in ihrem Alltag zu haben. Mehrsprachigkeit beruht auf der grundlegenden menschlichen Fähigkeit, in mehreren Sprachen kommunizieren zu können. Sie ist ein in kulturelle Entwicklungen eingebettetes Phänomen und ist somit durch hohe Kultursensitivität geprägt. (Franceschini 2009: 64)
Mehrsprachigkeit ist aus dieser Perspektive eine Selbstverständlichkeit und gehört zur Sozialität des Menschen dazu. Sie ist Voraussetzung und Ziel sprachlicher Bildung in der Schule, ob im Erst-, Zweit- oder Fremdsprachenunterricht, und darüber hinaus (vgl. Dietrich-Grappin 2020; Fürstenau 2011). Eine ressourcenorientierte Wahrnehmung von Mehrsprachigkeit durch Lehrer:innen, so zeigen aktuelle empirische Studien, ist allerdings noch nicht selbstverständlich, auch nicht bei eigener Mehrsprachigkeit (vgl. Oomen-Welke 2020; Putjata 2021).
Vorlesen und Erzählen sind zentrale Handlungspraxen bei der Aneignung von Literalität im mehrsprachigen Kontext (vgl. Wieler 2017). Materialisieren kann sich Mehrsprachigkeit hörbar in gesprochenen oder gesungenen Worten, in Bezug auf Literatur etwa in Reimen, Rhythmen, Liedern, Dramen oder Filmen, sichtbar in geschriebenen und gedruckten Schriften, wie etwa in Bilderbüchern, Comics, Lyrik, Erzählungen oder Romanen.
Mit einem Materialitätsbegriff, der sich nicht nur auf technische Artefakte bezieht, sondern ebenso Schriftzeichen […] und Materialien (bspw. Farbpigmente in der Kunst) konzeptionell einschliesst, wird eine Forschung möglich, die den Eigensinn, die Widerständigkeit und die Performativität des Materiellen ebenso in den Blick nehmen kann, wie das Zusammenspiel von Menschen und Dingen […]. (Kalthoff 2021: 2)
Die Materialisierung von Mehrsprachigkeit in der Schrift, beispielsweise in mehrsprachigen Bilderbüchern, fordert zum Umgang mit ihr auf, zum Aufgreifen und Inszenieren der verwendeten Sprachen, zum Staunen und Verweilen oder aber zur Ausblendung und Nichtbeachtung, jedoch in jedem Fall zu einer Positionierung: „Die Materialität der Dinge hat einen Aufforderungscharakter.“ (Wulf 2019: 25)
2.2 Kinderliteratur- und Rezeptionsforschung zu mehrsprachigen Bilderbüchern
Wirft man einen Blick auf die Kinderliteratur- und Rezeptionsforschung zu mehrsprachigen Bilderbüchern, so lassen sich verschiedene Diskussionslinien ausmachen. Insbesondere ist auf drei größere Publikationen im deutschsprachigen Raum hinzuweisen, in deren Titeln das Themenspektrum der aktuellen Forschung aufscheint: „Mehrsprachige Kinder- und Jugendliteratur für mehrsprachige Lernkontexte“ (Eder 2009), „Mehrsprachigkeit und Kinderliteratur“ (Gawlitzek/Kümmerling-Meibauer 2013) und „Mehrsprachige Kinder- und Jugendliteratur. Überlegungen zur Systematik, Didaktik und Verbreitung“ (Ballis et al. 2018). Bereits in den Titeln wird die Verwobenheit der mehrsprachigen Literatur mit ihren mehrsprachigen Rezeptionskontexten deutlich. Insgesamt lassen sich literaturwissenschaftliche, sprach- und literaturdidaktische sowie rezeptionsorientierte Zugänge finden.
Aus literaturwissenschaftlicher Sicht werden additiv oder parallel mehrsprachige von integrativ oder gemischt mehrsprachigen Bilderbüchern unterschieden (vgl. Eder 2009; Rösch 2013). Während erstere Geschichten in zwei oder mehreren Sprachen parallel erzählen und damit eine doppelte oder mehrfache Textebene enthalten, versuchen letztere, verschiedene Sprachen in einen Text zu integrieren, etwa durch die Sprachen der Figuren (vgl. Kümmerling-Meibauer 2013). Additiv mehrsprachige Bilderbücher werden aus dominanzkritischer Perspektive dafür kritisiert, dass sich in der Darstellung der Sprachen im Schrifttext Machtverhältnisse widerspiegeln, etwa im Druck (größer – kleiner, kräftiger – zurückhaltender) oder der Reihenfolge ihrer Anordnung (links – rechts, oben – unten) (vgl. Daly 2021; Vishek 2019). Weitere Kritik bezieht sich auf die literarästhetische Qualität der visuellen und verbalen Narrationen, die zum Teil hinter dem pädagogischen Anspruch zurückbleibt, sowie die Konstruktion dichotom voneinander getrennter Sprachgruppen und Kulturräume (vgl. Hodaie 2018). In der internationalen Diskussion jedoch werden multilingualen Bilderbüchern insgesamt vielfältige Darstellungsformen und Bildungspotenziale zugesprochen (vgl. Hadaway/Young 2018).
Aus sprach- und literaturdidaktischer Perspektive, dem Großteil der Forschung, werden zum einen Potenziale hervorgehoben, die mehrsprachige Bilderbücher für das sprachliche (Zweit- und Schriftspracherwerb, Language Awareness) und für das literarische Lernen in zwei oder mehreren Sprachen und Schriften bieten (vgl. Daly 2021; Hoffmann 2018b; Nauwerck 2013; Vishek 2019), zum anderen wird ihre Bedeutung für die Sichtbarmachung und Anerkennung migrationsbedingter Familiensprachen und das interkulturelle Lernen aufgezeigt (vgl. Hélot 2011; Ibrahim 2020; Rösch 2013; Scherer/Vach 2019; Vach 2015). Kritisiert werden der unnatürliche bzw. didaktische Charakter dieser Bilderbücher und die Redundanz, die durch die zwei- oder mehrmalige Lektüre in beiden oder mehreren Sprachen entstehen kann. Zur Frage, wie mehrsprachige Bilderbücher in mehrsprachigen Kontexten (Familie, Kindergarten, Grundschule, Universität) tatsächlich rezipiert werden, liegen nur wenige empirische Erkenntnisse vor (vgl. Hoffmann 2018a).
Im Zusammenhang mit rezeptionsorientierter Forschung sei insbesondere auf zwei qualitativ-empirische Studien (in den Kontexten Familie und Universität) verwiesen. Eine laufende Rezeptionsstudie untersucht die Praxen mehrsprachiger Familien mit mehrsprachigen Bilderbüchern im deutsch-russischen Kontext (russischsprachiger Familien in Dresden) anhand von Vorleseinteraktionen (vgl. Vishek 2021; 2023). Beobachtet werden unter anderem gesellige Rezeptionssituationen, die durch ein anfängliches Aushandeln der Sprachen, eine mehrsprachige Gestaltung der Rezeptionssituation insbesondere durch die Kinder und gemeinsam vorgestellte Erfahrungsräume in verschiedenen Sprachen geprägt sind, wenngleich linguistische Vergleiche und semantische Gegenüberstellungen beider Sprachen mitunter nicht vollzogen werden (vgl. Vishek 2021: 431–432, 2023: 135–136). Eine weitere Studie ist im Kontext des Lehramtsstudiums im mehrsprachigen deutsch-französischen Grenzgebiet des Elsass verortet (vgl. Hartmann/Hélot 2021). In Gruppendiskussionen zum potenziellen Umgang mit einem dreisprachigen Bilderbuch (Elsässisch, Deutsch, Französisch) in der Grundschule zeigen Studierende unterschiedliche Zugangsweisen zum Bilderbuch: sprachalternierend (dem Ein:e-Lehrer:in-eine-Sprache-Prinzip folgend als abwechselnde Lektüre in der deutschen und der französischen Sprache), translingual (mit linguistischen Vergleichen auf lexikalischer und syntaktischer Ebene zwischen dem Elsässischen Dialekt und Deutsch bzw. Französisch) und intermodal (das Text-Bild-Zusammenspiel fokussierend) (vgl. ebd., 185–186). Hierin wird die jeweils unterschiedliche Auseinandersetzung mit der sprachtrennenden Bildungspolitik sichtbar. Empirische Untersuchungen zum Umgang mit mehrsprachigen Bilderbüchern in der Grundschule stellen ein Desiderat dar, dem die laufende Studie begegnet.
2.3 Mehrsprachigkeit in der Bevölkerung Südtirols
Südtirol mit seinen (im Jahr 2021) 535.774 Einwohnern (vgl. ASTAT 2023b: 88) ist eine historisch und migrationsbedingt mehrsprachige Region Italiens mit autochthonen und allochthonen Sprachminderheiten (vgl. Ammon 2011; Glück et al. 2019; Rabanus/Bidese/Dal Negro 2019). Zum Verständnis dieser komplex mehrsprachigen Situation wird zunächst ein historisch-politischer Rückblick gegeben, bevor die aktuelle Sprachenvielfalt ausdifferenziert wird.
Seit 1867 Teil des Vielvölkerstaats Österreich-Ungarn gehört Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Vertrag von Saint-Germain 1919 zu Italien. Die Zeit des Faschismus war von einer Italianisierungspolitik geprägt, in der alle Orts- und Straßennamen umbenannt und italienischsprachige Bevölkerung aus dem Süden Italiens im Norden angesiedelt wurde. Mit dem Gentile-Gesetz 1923 wurde in den deutschsprachigen Schulen Südtirols, 1924 auch in den Kindergärten, schrittweise Italienisch als Unterrichts- und Bildungssprache eingeführt, indem das Lehrpersonal ausgetauscht wurde, so dass ab 1929/1930 die Schulen ausschließlich italienischsprachig waren. Mit der ‚Option‘ wurde durch ein Abkommen zwischen Hitler und Mussolini 1939 die deutschsprachige Bevölkerung zur vollständigen Assimilierung oder zur Umsiedlung in den deutschen Sprachraum aufgefordert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf der Pariser Friedenskonferenz der Region Trentino-Südtirol mit dem Gruber-De-Gasperi-Abkommen 1946 ein Minderheitenschutz innerhalb des italienischen Staats zugesprochen, der 1948 im ersten Autonomiestatut in der italienischen Verfassung verankert wurde. Nach weiteren diplomatischen Verhandlungen und Widerständen in der Bevölkerung wurden die Minderheitenrechte im Zweiten Autonomiestatut 1972 deutlich erweitert, in dem u.a. die Zweisprachigkeit (Gleichstellung des Deutschen und Italienischen) der Autonomen Provinz Bozen festgelegt wurde, lokal mit Ladinisch auch die Dreisprachigkeit (vgl. Glück et al. 2019: 247–249).
Die drei Landessprachen Südtirols sind Deutsch, Italienisch und Ladinisch. Bei der letzten Volkszählung 2011 erklärten sich 62,3 % der Bevölkerung der deutschen Sprachgruppe zugehörig, 23,4 % der italienischen Sprachgruppe, 4,1 % der ladinischen Sprachgruppe und 10,2 % machten „die ungültigen Erklärungen, die zeitweilig abwesenden Personen und die ansässigen Ausländer“ aus (vgl. ASTAT 2023b: 118). 9,7% der Bevölkerung sind nicht-italienischer Staatsbürgerschaft und kommen aus Albanien, Deutschland, Pakistan, Rumänien, Marokko, aus dem Kosovo und anderen Ländern (Stand aus dem Jahr 2021) (vgl. ASTAT 2023a: 5–6), so dass die sprachliche Vielfalt ausgeprägt ist – obgleich über die jeweiligen Sprachen anhand der Nationalität keine genauen Angaben gemacht werden können.
Die drei Bildungssysteme (deutsch, italienisch, ladinisch) sind getrennt voneinander organisiert. Die deutsch- und die italienischsprachigen Schulen sind monolingual ausgerichtet (mit der jeweils anderen Sprache als zweiter Sprache), lediglich die ladinischsprachigen Schulen arbeiten nach einem paritätischen System in allen drei Sprachen (vgl. Glück et al. 2019: 251–252). Im Artikel 19, Absatz 1 des zweiten Autonomiestatuts von 1972 ist einem monolingualen Habitus (vgl. Gogolin 1994) folgend rechtlich festgelegt, dass der
Unterricht in den Kindergärten, Grund- und Sekundarschulen in der Muttersprache der Schüler, das heißt in italienischer oder deutscher Sprache, von Lehrkräften erteilt [wird], für welche die betreffende Sprache ebenfalls Muttersprache ist. (Südtiroler Landesregierung 2023: 135)
Die strikte Trennung der Schulsysteme und weiterer Bildungsinstitutionen geht mit einer Separierung der Gesellschaft in verschiedene Sprachgruppen einher, zwischen denen es nur wenige soziale Berührungspunkte gibt, sowie mit einem zunehmend zu beobachtenden Rückgang an zweitsprachigen Kompetenzen (vgl. Vettori/Colombo/Abel 2021).
Die innere Mehrsprachigkeit des Deutschen in Südtirol zeichnet sich durch ein Dialekt-Standard-Kontinuum aus (vgl. Ammon 2011: 406; Glück et al. 2019: 256; Rabanus et al. 2019: 1100–1101). Neben regionalen Varietäten der deutschen Standardsprache in öffentlichen Institutionen und den Medien ist der sprachliche Umgang in privaten Kontexten (auch in der digitalen Kommunikation) insbesondere von verschiedenen dialektalen Varietäten geprägt (vgl. Alber 2022: 13–48). Im Kontext von Schule und Unterricht entstand in den 1980er Jahren eine dialektorientierte Didaktik, die den Dialekt als sprachliche Ressource der Kinder anerkennt und diese von dort aus an schriftsprachliche Ausdrucksformen heranführen will (vgl. Lanthaler 2007: 223–224).
2.4 Mehrsprachigkeit in den Rahmenrichtlinien deutschsprachiger Grundschulen
Die fünfjährige deutschsprachige Grundschule in Südtirol umfasst die Sprachfächer Deutsch, Italienisch und Englisch. Dabei zeigt sich in der Verteilung der Jahresstundenkontingente in den Rahmenrichtlinien (vgl. Deutsche Bildungsdirektion 2021) eine im Laufe der Schuljahre sukzessive Verschiebung des Schwerpunktes von der deutschen zur italienischen Sprache, wobei die deutsche Sprache insgesamt die meisten Stunden umfasst (s. Abb. 1).
In den je einführenden Texten zu den Sprachen in den 2021 überarbeiteten Rahmenrichtlinien von 2009 kann man die unterschiedlichen Zielsetzungen der einzelnen Sprachfächer gut erkennen. In Bezug auf Deutsch wird auf die von „verschiedenen Dialekten“ dominierte, „von den zwei anderen Landessprachen sowie von mannigfaltigen Kontakten zu anderen Sprachen“ (Deutsche Bildungsdirektion 2021: 38) charakterisierte sprachliche Situation hingewiesen, die nicht explizit als mehrsprachig bezeichnet wird. Daraus wird – „neben anderen sprachlichen Aufgaben“ Italienisch und Englisch betreffend – die „zentrale Aufgabe“ für die Schule abgeleitet, „das Hochdeutsche mit großer Sorgfalt zu pflegen und immer weiter zu entwickeln“ sowie durch erweiterte Medienangebote eine „Hörkultur im Hochdeutschen“ (ebd.) zu entfalten, also eine monolinguale Haltung eingenommen. Sprache wird u.a. als „kulturelle Leistung“ betrachtet, der Dialog als Möglichkeit, „sich selbst immer besser zu verstehen, anderen in Achtung zu begegnen und fremden Kulturen offen gegenüberzutreten“ (ebd.). Der dieser Perspektive zugrunde liegende Kulturbegriff ist ein geschlossener, abgrenzender, der Eigenes und Fremdes unterscheidet und damit Differenzen konstituiert. Die Sprachen werden separat betrachtet, wenn auch in sprachübergreifender gemeinsamer Reflexion: „Über eine kontinuierliche Sprachreflexion lernen Schülerinnen und Schüler Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Erst-, Zweit- und Drittsprache kennen.“ (ebd.)
Italienisch als „Zweite Sprache“ wird als „Kommunikationsmittel zwischen den Sprachgruppen“ zum Abbau von „Vorurteile[n] und Diskriminierungen“, zur „persönliche[n] Bereicherung“ und gesellschaftlichen Teilhabe sowie zum Aufbau eines „europäischen Bewusstseins“ (ebd., 45) betrachtet. Unterrichtsgegenstand sind „Elemente der italienischen Kultur“, die der Erweiterung des „menschlichen, sozialen und kulturellen Horizont[s]“ dienen und dadurch zu „Respekt vor den anderen und ihrer Werte“ führen sowie eine „Basis für interkulturelle Zusammenarbeit und interkulturelles Verständnis“ (ebd.) schaffen sollen. Trotz des europäischen Gedankens und des interkulturellen Rahmens wird auch hier ein homogener Kulturbegriff zugrunde gelegt, der eine italienische einer deutschen Kultur gegenüberstellt. Auch den abschließend vorgeschlagenen „Kontakte[n] und Partnerschaften mit italienischsprachigen Klassen“ (ebd.) liegt ein Verständnis homogen einsprachiger Klassengemeinschaften zugrunde.
Beim Fach Englisch wird in den Rahmenrichtlinien eine verstärkt internationale Perspektive eingenommen. Es wird ausgehend von der zunehmenden lebensweltlichen Existenz der „verschiedenen Sprachen“ der schulische Auftrag zur „Vermittlung sprachlicher und interkultureller Kompetenzen“ (ebd., 52) formuliert. Dies wird mit „globale[n] Aspekten“ und einer „europäische[n] Dimension des Sprachenlernens“ sowie mit dem „Gelingen internationaler Kommunikation“ (ebd.) verbunden. Diese globale, europäische und internationale Ausrichtung wird auf Grundlage des „Europäischen Referenzrahmens für Sprachen“ und des „Europäischen Sprachenportfolios“ entwickelt, wobei Englisch als „Lingua Franca“ und „Interkulturelle Aspekte“ als „durchgehendes Grundprinzip“ (ebd.) angeführt werden.
Die sprachspezifischen bildungspolitischen Zielsetzungen der drei Sprachen Deutsch, Italienisch und Englisch sind also sehr verschieden und reichen von einer eher abgrenzenden, sprachtrennenden und konservierenden Haltung (Deutsch) über eine stärker interkulturelle Ausrichtung (Italienisch) bis zu einer europäischen und globalen Verständigungsorientierung (Englisch). Insgesamt liegt dem Sprachenverständnis ein homogener Kulturbegriff zugrunde. Mehrsprachigkeit als individuelle und gesellschaftliche Ressource wird nicht explizit erwähnt und auch die Herkunftssprachen von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund finden keine Beachtung. Anders verhält sich dies bei dem zuvor erschienenen und sich auf den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001) beziehenden Sprachenkonzept für die deutschen Kindergärten und Schulen in Südtirol (Deutsches Schulamt/Pädagogisches Institut 2007), das sich als „verbindliche Grundlage“ (ebd., 6) und „wichtiger Bezugspunkt“ (ebd., 31) für die curriculare Weiterentwicklung von Kindergärten und Schulen in Südtirol versteht und die Mehrsprachigkeit ins Zentrum stellt: „Die Bemühungen um Sprachförderung orientieren sich am Ziel der Mehrsprachigkeit.“ (ebd., 5) In diesem Sinne ist 2015 ein Maßnahmenpaket zur Förderung der Mehrsprachigkeit in der deutschen Schule 2016–2020 (Landesregierung 2015) verabschiedet worden, in dessen einleitender Rahmung allerdings das Spannungsverhältnis der sprachlichen Orientierungen zum Ausdruck kommt:
Mehrsprachigkeit wird als Reichtum angesehen, als kultureller Schatz und als Chance für vielfältige Kommunikation. Die deutsche Schule in Südtirol ist sich aber bei aller Wertschätzung und Förderung der Mehrsprachigkeit stets bewusst, dass die deutsche Sprache, insbesondere das Hochdeutsche, für die Südtiroler und Südtirolerinnen von besonderer Bedeutung ist. (Landesregierung 2015: 3–4)
3 Forschungsdesign – IMAGO
Das Forschungsdesign der Studie IMAGO ist an anderer Stelle ausführlich beschrieben (Hoffmann 2023: 64–68). Da dieser Beitrag den Umgang von Lehrer:innen mit mehrsprachigen Bilderbüchern an deutschsprachigen Grundschulen fokussiert, werden vor dem Hintergrund der methodischen Gesamtanlage der Studie insbesondere die Lerngruppe der deutschsprachigen Grundschule (Kap. 3.1), die Methodik der Interviews und deren Auswertung (Kap. 3.2) sowie die Auswahl der mehrsprachigen Bilderbücher (Kap. 3.3) vorgestellt.
3.1 Sample
Das Sample besteht aus insgesamt sechs deutsch-, italienisch- und ladinischsprachigen Kindergärten und Grundschulen (jeweils eine Einrichtung pro Sprache und Bildungsinstitution). Dieser Beitrag fokussiert die deutschsprachige Grundschule. Die Schule befindet sich im städtischen Raum und verfolgt ein reformpädagogisches Konzept. Die Klasse ist jahrgangsgemischt (1/2/3), hat 21 Kinder (7 pro Jahrgang), davon 11 Mädchen und 10 Jungen, und ist in vielerlei Hinsicht heterogen (Alter, Geschlecht, Sprachen, Förderschwerpunkte u.a.). Sie zeichnet sich durch eine äußere (Deutsch, Italienisch, Portugiesisch, Ungarisch) und eine innere Mehrsprachigkeit (Standarddeutsch, Tiroler Dialekte) aus. Einige Kinder wachsen in ihren Familien mehrsprachig auf (Tiroler Dialekt – Italienisch (6), Tiroler Dialekt – Standarddeutsch (2), Tiroler Dialekt – Ungarisch (1), Tiroler Dialekt – Portugiesisch (1)), in anderen Familien wird überwiegend ein Tiroler Dialekt (9), Italienisch (1) oder Standarddeutsch (1) gesprochen. Manche Kinder mit Tiroler Dialekt als Familiensprache haben vor der deutschsprachigen Grundschule einen italienischsprachigen Kindergarten besucht. In der Klasse unterrichten eine Deutschlehrerin als Klassenlehrerin und eine Italienischlehrerin als Fachlehrerin, die in diesem Beitrag im Zentrum stehen.
3.2 Bilderbuchauswahl
In der IMAGO-Studie werden von jeder der Erzählformen (mehrsprachig, gereimt, textlos) vier bis fünf Bilderbücher ausgewählt und den Pädagog:innen und Lehrer:innen in einer Bücherkiste zur Verfügung gestellt (zur Gesamtauswahl vgl. Hoffmann 2023: 67–68). Diese haben jeweils ein Buch einer jeden Erzählform ausgewählt und ein didaktisches Arrangement dazu gestaltet, das eine gemeinsame Rezeptionssituation und eine Anschlussaufgabe (z.B. Zeichnen, Schreiben, Gestalten …) enthalten sollte. In der didaktischen Umsetzung waren sie frei.
Betrachtet man das relativ überschaubare mehrsprachige Bilderbuchangebot im deutsch-italienisch-ladinischen Sprachenkontext, so sind insbesondere additiv mehrsprachige Bilderbücher zu finden, viele von ihnen in ihrer Erzählweise stärker einer pädagogischen Intention als einem literarästhetischen Anspruch verpflichtet. Die von uns für das Projekt ausgewählten und den Lehrer:innen und Pädagog:innen zur Auswahl stehenden mehrsprachigen Bilderbücher (deutsch/italienisch/ladinisch) sind folgende (s. Abb. 2):
Die ausgewählten Bilderbücher zeichnen sich durch ihre Erfahrungshaftigkeit (vgl. Dehn/Merklinger/Schüler 2014) aus. Sie erzählen vom Anderssein und Fragenstellen, von Einsamkeit und Traurigkeit, von Mut, Neugierde und Klugheit, von Gemeinschaft und Spiel oder von Schein und Sein und können Kindern Möglichkeiten für den Umgang mit ihren handlungsleitenden Themen geben. Drei der Bilderbücher sind zweisprachig deutsch-italienisch: Das Allerwichtigste/La cosa più importante (Abbatiello 2010), Die Heuleeule/La Civetta Disperetta (Friester/Goossens 2014) und Armstrong. Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond/Armstrong. L'avventurosa storia del primo topo sulla luna (Kuhlmann 2019), eines ist dreisprachig deutsch-italienisch-ladinisch: Miteinander Insieme Deboriada (Pädagogische Institute/Wolfsgruber 2009) und eines ist zweisprachig italienisch-ladinisch: Dov'e Finito Max?/Olá é Pa Max Rové? (Erlacher 2021). Die Bilderbücher wurden in den letzten 15 Jahren in renommierten Verlagen in Deutschland und Italien publiziert, sind von anerkannten Autor:innen und Illustrator:innen gestaltet und zum Teil auch als mehrsprachige Ausgaben in Kombination mit weiteren Sprachen erschienen.
3.3 Datenerhebung, -aufbereitung und -analyse
In der ethnografisch ausgerichteten Studie werden neben teilnehmenden Beobachtungen der Unterrichts- bzw. Bildungspraxis mit den unterschiedlich erzählenden Bilderbüchern fokussierte Interviews (vgl. Hopf 2015) mit Kindern, Pädagog:innen und Lehrer:innen geführt. Letztere werden vor dem Projekt nach ihrer alltäglichen Unterrichtspraxis, ihrer Bilderbuchauswahl sowie ihren literatur- und sprachdidaktischen Perspektiven und nach dem Projekt nach ihren Erfahrungen im IMAGO-Projekt befragt. Die Interviews werden als Gespräche in einem ruhigen Raum der Bildungsinstitution geführt, mit Tonband aufgezeichnet und anschließend mit dem gesprächsanalytischen Transkriptionssystem GAT 2 (vgl. Selting et al. 2009) transkribiert. Dieses gibt sowohl Einblicke in die Art der individuellen Bedeutungskonstruktion als auch die interaktive Gestaltung der Gesprächssituation und ist in der deutschdidaktischen Unterrichtsforschung weit verbreitet (ebd.).
Aus den Interaktionen und Interviews werden mithilfe der Key Incident-Analyse (vgl. Kroon/Sturm 2007) einzelne key incidents ausgewählt, die auf allgemeine Strukturen verweisen, und mithilfe der ethnografischen Gesprächsanalyse (vgl. Deppermann 2000) interpretiert werden. Die Analysen haben eine emblematische Form und setzen sich aus drei Teilen zusammen: einer Überschrift (lemma), die aus einem Zitat des Transkriptausschnitts besteht, und dem Transkriptausschnitt selbst (pictura). Beide zusammen bilden ein „Geheimnis“, das in einer Interpretation (epigram) aufzulösen gesucht wird (Kroon/Sturm 2007: 107). Bei der Auswahl der key incidents in diesem Beitrag lag der Fokus auf dem Umgang der Lehrer:innen mit Mehrsprachigkeit und dem mehrsprachigen Bilderbuchangebot.
4 Analysen – Interviews
An der deutschsprachigen Grundschule wurden von der Deutsch- und der Italienischlehrerin ein textloses Bilderbuch und zwei gereimte Bilderbücher (eines in deutscher, eines in italienischer Sprache) ausgewählt, aber kein mehrsprachiges. Bereits im Vorfeld der Datenerhebung gab es hierzu einen längeren E-Mail-Austausch mit der Deutschlehrerin, die die mehrsprachigen Bilderbücher infrage stellte. Dem ethnografischen Forschungsansatz folgend ließen wir uns auf die Situation ein und machten diese Auswahl zum Gesprächsthema in den Interviews.
Vor dem Hintergrund der Frage, wie Lehrer:innen an deutschsprachigen Grundschulen im mehrsprachigen Südtirol mit mehrsprachigen Bilderbüchern umgehen, werden jeweils drei key incidents aus den Interviews mit der Deutschlehrerin (Kap. 4.1) und mit der Italienischlehrerin (Kap. 4.2) ausgewählt und gesprächsanalytisch interpretiert1. Hierin zeigen sich Spannungsfelder auf unterschiedlichen Ebenen, zwischen denen die Lehrerinnen sich bewegen.
4.1 Interview Deutschlehrerin
In den drei folgenden key incidents spricht die Deutschlehrerin zum einen die politischen Regelungen zum Umgang mit Mehrsprachigkeit an deutschsprachigen Grundschulen in Südtirol an (Kap. 4.1.1), zum anderen die Funktion von Bilderbüchern zum Deutschlernen im Rahmen des DaZ-Erwerbs (Kap. 4.1.2). Des Weiteren geht sie auf Sprachangebote und Sprachvielfalt in Bezug auf die deutsche Sprache ein (Kap. 4.1.3). Die Interviewsituation war eine innersprachlich mehrsprachige (Tiroler Dialekt und Standarddeutsch auf Seiten der Lehrerin, Standarddeutsch auf Seiten der Interviewerin), wobei das Gespräch im Standard, der verbindenden Sprache der beiden Gesprächspartnerinnen und der für den schulischen und öffentlichen Kontext gebräuchlichen Sprache, geführt wurde.
4.1.1 Mehrsprachigkeit – politische Regelung („geschichte der schrift“ – „vorlesen“)
Ausganspunkt des Gesprächsausschnitts ist der Verweis der Interviewerin auf die dem Interview vorausgegangene Korrespondenz zu mehrsprachigen Bilderbüchern. Die Deutschlehrerin greift diesen auf und stellt ausführlich ihre Perspektive und ihre Handlungspraxis dar.
„italienisch wie gesagt also da mischen wir eigentlich wirklich nicht“
In dem längeren Gesprächsausschnitt zeichnet die Deutschlehrerin das klare Bild einer strikten Trennung zwischen der italienischen und der deutschen Sprache, das sie mit der politischen Regelung begründet. Innerhalb dieses Bildes gibt es klare Zuschreibungen: „italienisch ist die sache des italienischlehrers oder der italienischlehrerin“ (56), „dass also italienisch NUR muttersprachler unterrichten und deutsch auch nur muttersprachlerinnen“ (56). Diese eindeutige Verantwortungsaufteilung entlang der Sprachgrenzen, die im zweiten Autonomiestatut politisch geregelt ist, lässt eine mehrsprachige Unterrichtspraxis unmöglich erscheinen.
Ihre Entscheidung, kein mehrsprachiges Bilderbuch für das Projekt ausgewählt zu haben, begründet die Deutschlehrerin auf mehreren Ebenen:
- auf der Ebene des sprachdidaktischen Kontexts („wir verwenden sie wenn wir eh (.) die geschichte der schrift und die geschichte der sprachen machen“ (56)),
- der sprachlichen Zusammensetzung der Klasse („für_s vorlesen haben wir in der klasse einfach eine sehr einsprachige eh (.) situation“ (56)),
- der alltäglichen Unterrichtspraxis („da mischen wir eigentlich wirklich nicht, also italienisch ist die sache des italienischlehrers oder der italienischlehrerin“ (56)),
- der politischen Rahmenbedingungen („weil das bei uns eigentlich auch sehr strikt geregelt ist“ (56)),
- der eigenen Sprachkompetenzen („weil ich auch weiß dass meine aussprache nicht akzentfrei ist und dass ich fehler mache“ (56)),
- sowie der Handlungspraxis der Italienischlehrerin („ebenso also liest sie in italienisch vor oder macht dinge mit italienischen büchern“ (56)).
Vor dem Hintergrund dieser klaren Sprachtrennung auf allen Ebenen (der Kontexte und Voraussetzungen, der Zuständigkeiten und Regelungen, der Kompetenzen und Handlungspraxen) scheint ein mehrsprachiges Bilderbuch als Unterrichtsgegenstand fraglich und irritierend. Umgekehrt stellt ein Bilderbuch, in dem sich die Mehrsprachigkeit durch die Texte in der Schrift materialisiert (vgl. Kalthoff 2021), mit seiner bloßen Existenz die einsprachige Unterrichtspraxis in einer mehrsprachigen Region in Frage bzw. fordert zu ausführlichen Erläuterung seiner Nichtverwendung auf.
Es lassen sich verschiedene Spannungsfelder erkennen: zwischen einem sachorientierten (auf sprachgeschichtliche und schriftkulturelle Aspekte ausgerichteten) und einem literarischen (auf das Vorlesen fokussierten) Zugang zu mehrsprachigen Bilderbüchern, zwischen den Zuständigkeiten von Deutsch- und Italienischlehrer:innen, zwischen erst- und zweitsprachige Sprachkompetenzen.
4.1.2 DaZ – Bilderbücher zum Deutschlernen („literarisches erlebnis“ – „didaktisches mittel“)
Im weiteren Verlauf des Gesprächs, als von der Interviewerin verschiedene Möglichkeiten des didaktischen Umgangs mit mehrsprachigen Bilderbüchern angesprochen werden, führt die Deutschlehrerin ihre Perspektive weiter aus.
„da arbeiten wir ganz viel mit bilderbüchern weil sich_s einfach wunderbar anbietet ((…)) zum deutschlernen“
Anders als im vorherigen key incident, in dem die Begründung für die Nichtauswahl mehrsprachiger Bilderbücher im Vordergrund stand, geht es in diesem Auszug vor allem darum, in welcher Form sie im (erweiterten) schulischen Kontext Verwendung finden könnten. Und während zuvor die politische Sprachtrennung Ausgangspunkt der Argumentation war, ist es nun die damit verbundene Förderung der deutschen Sprache, „da arbeiten wir ganz viel mit bilderbüchern weil sich_s einfach wunderbar anbietet ((…)) zum deutschlernen“ (71). Auch in diesem Gesprächsausschnitt bewegt sich die Lehrerin in ihren Erläuterungen zum Umgang mit (mehrsprachigen) Bilderbüchern auf verschiedenen Ebenen:
- der Unterscheidung zwischen Freizeit- und Unterrichtslektüre („in der bibiliothek haben wir viele italienische bücher und auch mehrsprachige ((…)) die kinder können zugreifen wo sie wollen“ (71)),
- der Qualität des mehrsprachigen Buchangebots („wir haben_s jetzt bis jetzt im unterricht ((…)) nie forciert (.) weil ((…)) das angebot auch ((…)) bis jetzt nicht besonders (.) toll war“ (71)),
- der Bedeutung literarischer Erlebnisse bei Bilderbüchern („es ist jetzt nicht dieses literarische erlebnis das ich jetzt eigentlich suche wenn ich bilderbücher einsetze“ (71)),
- des Nutzens als didaktisches Mittel zum Deutschlernen („ein didaktisches (.) mittel ((…)) weil sich_s einfach wunderbar anbietet ((…)) zum deutschlernen“ (71)) sowie
- der eigenen Offenheit („wenn ich da jetzt mehr darüber nachdenke dann entdecke ich meine liebe zu der mehrsprachigkeit“ (71)).
Mit der Kritik an der Qualität der mehrsprachigen Bilderbuchgeschichten, die diese nicht zu einem literarischen Erlebnis werden lassen, bei zeitgleicher Hervorhebung ihrer Eignung als didaktisches Mittel beim DaZ-Erwerb wird die Argumentation in sprach- und literaturdidaktischer Hinsicht vertieft – weniger die sprachenpolitischen Rahmenbedingungen als die Anwendungsmöglichkeiten des Bilderbuchangebots stehen nun im Zentrum. Wenngleich (implizit) die Multimodalität (vgl. Naujok 2023) von Bilderbüchern für den (Zweit-)Spracherwerb positiv gewürdigt wird, so scheinen mehrsprachige Bilderbücher keine Erfahrungen narrativer Resonanz (vgl. Rosa 2020) bei der Lehrerin ausgelöst zu haben.
Insgesamt lassen sich mehrere Spannungsfelder nachzeichnen: zwischen (mehrsprachiger) Freizeitlektüre in der Bibliothek und (einsprachiger) Schullektüre im Unterricht, zwischen Literatur als literarischem Erlebnis oder als didaktischem Mittel, zwischen Deutsch (als Erstsprache) sprechen und Deutsch (als Zweitsprache) lernen.
4.1.3 Sprachangebote und Sprachvielfalt – im Deutschen („die deutsche sprache“ – „nicht andere“)
Nach ihrem Verständnis des schulischen Sprachauftrags befragt, erläutert die Deutschlehrerin ihre Perspektive.
„möglichst viel sprachangebote und sprachvielfalt ((…)) aber eben für die (.) deutsche sprache“
In Ihren Ausführungen fokussiert die Lehrerin die deutsche Sprache, was bereits in der Rahmung des Gesprächsbeitrags deutlich wird („die deutsche sprache den kindern also nahezubringen ((…)) nicht andere“ (139)), und stellt sehr detailreich die unterschiedlichen Aspekte der für sie bedeutsamen Sprachförderung innerhalb der deutschen Sprache dar. Dabei geht sie insbesondere ein auf:
- linguistische Aspekte („wortschatz“, „satzstrukturen“, „grammatische inhalte“, „rechtschreibung“ (139)),
- literarische Aspekte („vielfältige stilmittel“, „redewendungen“, „bildhaften vergleiche“ (139)),
- einen affektiven Zugang zur Sprache („die liebe zum zum (.) geschriebenen und auch gesprochenen wort“ (139)) sowie
- eine innersprachliche Vielfalt („möglichst viel sprachangebote und sprachvielfalt“ (139)).
In ihrer Darstellung zeigt sich ihre Rolle als engagierte sprachliche Begleiterin und Unterstützerin der Kinder („nahezubringen“, „zu entwickeln“, „hinzuführen“, „zu wecken, „anzubieten“, „zu vermitteln“ (139)). Während sie innerhalb der deutschen Sprache die Vielfalt betont, grenzt sie diese nach außen hin zu anderen Sprachen ab. Hier zeigt sich ein Spannungsverhältnis im Umgang mit innerer und äußerer Mehrsprachigkeit (vgl. Franceschini 2009).
4.2 Interview Italienischlehrerin
In den ausgewählten key incidents aus dem Interview mit der Italienischlehrerin der deutschsprachigen Grundschule kommen die mehrsprachige Schule zwischen Wunsch und Realität (Kap. 4.2.1), eine inoffizielle mehrsprachige Unterrichtspraxis (Kap. 4.2.2) sowie eine mehrsprachige Klasse mit den Herzenssprachen der Kinder (Kap. 4.2.3) zur Sprache.
Die Ausgangssituation des Gesprächs ist innerlich und äußerlich mehrsprachig, Italienisch und Deutsch als Zweitsprache (Tiroler Dialekt und Standard) auf Seiten der Italienischlehrerin, Deutsch (Standard) und Italienisch als Fremdsprache auf Seiten der Interviewerin. Diese bietet zunächst der Lehrerin die Wahl der Sprache an, auch, das Gespräch mehrsprachig zu führen (Interviewerin Deutsch – Lehrerin Italienisch). Die Lehrerin entscheidet sich jedoch für die deutsche Sprache (Standard), wobei an einzelnen Stellen im weiteren Gesprächsverlauf beide auch ins Italienische wechseln.
4.2.1 Mehrsprachige Schule – Wunsch und Realität („es wäre schön ((…)) dreisprachig“ – „aber wir sind das nicht“)
Relativ zu Beginn des Interviews auf die Frage nach ihren Erfahrungen mit mehrsprachigen Bilderbüchern gibt die Italienischlehrerin einen Einblick in ihre Handlungspraxis.
„zweitsprachig ist es sowieso ((…)) aber die bücher sind einfach einsprachig“
Ihre Ausführungen auf die Frage nach den mehrsprachigen Bilderbüchern rahmt die Italienischlehrerin als Spannungsverhältnis zwischen Wunsch und Realität, zwischen eigener Handlungspraxis und schulischen Rahmenbedingen, immer wieder mit einem „aber“ (20) miteinander verbunden und metaphorisch durch einen „rahmen“ (20) dargestellt, der die Grenzen der eigenen Möglichkeiten aufzeigt. Dabei stellt sie mit „und“, „denn“, „deswegen“ (20) Konditionalgefüge auf bezüglich:
- des Unterrichtsfachs Italienisch als zweite Sprache („ich unterrichte eine zweite sprache und ich muss mich einfach auf diese zweitsprache konzentrieren“ (20)),
- der Grundschule als öffentliche Institution („denn wir in einer öffentliche grundschule ((…)) uns wird gesagt okay das sind die ziele was du erreichen musst,“ (20)) sowie
- der einsprachigen Konstitution der deutschsprachigen Grundschule („zweisprachig oder ((…)) dreisprachig ((…)) wir sind das nicht und deswegen muss ich auch in diesen rahmen drinnen bleiben“ (20)).
Neben dieser realen, klar geregelten Welt entwirft die Lehrerin wiederholt eine mögliche andere, die aber, auch durch die Wahl des Konjunktivs, im Möglichkeitsraum verbleibt („es wäre schön (.) eh zweisprachig oder dreispr dreisprachig eine schule zu haben“ (20)). Allerdings ist auch diese Utopie bereits Teil der alltäglichen Unterrichtspraxis, wovon die Lehrerin in einem längeren Beispiel erzählt, das sich auf die mehrsprachige Unterrichtspraxis innerhalb des Italienischunterrichts bezieht („wenn die kinder nicht verstehen das dann auf deutsch erkläre weil sonst hat es auch keinen sinn“ (20)). Ihr ist es wichtig „in einen beZUG [zu] kommen mit der person“ (20) und sinnvoll zu handeln. Eine Beziehung mit den Kindern aufzubauen, sich mit ihnen zu verständigen, sie als Person wahrzunehmen, sind die Grundlagen ihrer sprachlichen Handlungspraxis. Insofern verbleibt sie bei der Wahl der Unterrichtsgegenstände im Rahmen der Zielvorgaben („die bücher sind einfach einsprachig was ich ihnen lese“ (20)), in der didaktischen Einbindung ins Gespräch jedoch scheint ein flexibler Umgang mit Mehrsprachigkeit auf („zweitsprachig ist es sowieso“ (20)).
4.2.2 Mehrsprachige Unterrichtspraxis – inoffiziell („nicht über bücher“ – „sondern über ((…)) montessori“)
Vor dem Hintergrund der einsprachig italienischen Bücher gibt die Lehrerin weitere Einblicke in die Sprachpraxis des Unterrichts.
„lara macht zum beispiel ein teil ((…)) und dann mach ich ein teil auf italienisch“
Nachdem die Italienischlehrerin zuvor über die mehrsprachige Unterrichtspraxis in ihrem eigenen Italienischunterricht gesprochen hatte, geht sie in diesem Auszug auf die mehrsprachige Zusammenarbeit mit der Deutschlehrerin ein in Bezug auf
- die fachdidaktische bzw. pädagogische Ausrichtung („nicht auf BÜcher bezogen sondern ((…)) auf die kosmische erziehung der montessori pädagogik“ (22)) sowie
- die sprachliche Gestaltung („lara macht zum beispiel ein teil von der kosmische erziehung ((…)) und dann mach ich ein teil auf italienisch“ (22)).
In diesen inoffiziellen Projekten teilen sich die Lehrerinnen die fachlichen Inhalte auf und unterrichten sie in ihren jeweiligen Sprachen. Das Spannungsfeld zwischen Einsprachigkeit und Mehrsprachigkeit wird hier aufgelöst durch den Wechsel der Bezugsfelder (von der Literaturdidaktik zur Kosmischen Erziehung) sowie die jeweiligen Zugänge zu den Sprachen (Deutschlehrerin deutsch – Italienischlehrerin italienisch).
4.2.3 Mehrsprachige Klasse – Herzenssprache („einsprachig“ – „zweisprachig“)
Im weiteren Gesprächsverlauf spricht die Interviewerin die Italienischlehrerin auf ihre Perspektive auf die Mehrsprachigkeit in der Klasse an.
„sehr wichtig dass jeder_s kind sich ausdrücken kann mit seine herzenssprache“
Im Gegensatz zur Deutschlehrerin, die von einer eher einsprachigen Situation in der Klasse spricht, stellt sich diese in der Perspektive der Italienischlehrerin anders dar. In ihrer Ausdifferenzierung bewegt sich die Lehrerin sowohl auf deskriptiver als auch auf normativer Ebene hinsichtlich:
- der individuellen sprachlichen Ausgangssituation („kinder die nur einsprachig sind italienisch (.) nur einsprachig deutsch und kinder die zweitsprachig sind“ (33)),
- des Rechts der Kinder auf Selbstausdruck („in einer unterstufe ist es sehr wichtig dass jeder_s kind sich ausdrücken kann mit seine herzenssprache“ (33)) sowie
- demokratischer Interaktionsstrukturen („ein: gerechtes UMgang zwischen ich und die kinder“ (33)).
Trotz dieser Flexibilität im Umgang mit Sprachen und der differenzierten Wahrnehmung individueller Ein- und Mehrsprachigkeit (wobei weitere, familienbedingte Sprachen nicht genannt werden) verbleibt die Italienischlehrerin in ihrer abschließenden Rahmung im Spannungsfeld von Mehr- und Einsprachigkeit („ich nimm alles wahr in diesem sinn aber ich muss ja italienisch unterrichten“ (33)).
5 Fazit – Spannungsfelder, Desiderate und Handlungsspielräume
Ausgehend von der Forschungsfrage, wie Lehrer:innen an deutschsprachigen Grundschulen im mehrsprachigen Südtirol mit mehrsprachigen Bilderbüchern umgehen, zeigt sich in den Analysen folgendes Bild: Die sich in den Bilderbüchern materialisierende Mehrsprachigkeit fordert in einer um ihre Mehrsprachigkeit ringenden Region zur Auseinandersetzung mit der unterrichtlichen Sprachpraxis heraus. Die Lehrerinnen bewegen sich in verschiedenen Spannungsfeldern, was den politischen Rahmen (deutsch – italienisch) (Kap. 5.1), die Sprachlichkeit der Schule (Wunsch – Realität) (Kap. 5.2), die Wahrnehmung der Kinder (einsprachig – mehrsprachig) (Kap. 5.3), den Umgang mit Bilderbüchern (literarisches Erlebnis – didaktisches Mittel) (Kap. 5.4) sowie die (mehrsprachige) Gestaltung der Unterrichtspraxis (Literaturdidaktik – Montessoripädagogik) (Kap. 5.5) anbetrifft. In diesen Spannungsfeldern werden Desiderate, aber auch Handlungsspielräume deutlich.
5.1 Politischer Rahmen: Deutsch – Italienisch
Der politische Rahmen, juristisch verankert im zweiten Autonomiestatut und den Rahmenrichtlinien für die deutschsprachigen Grundschulen, ist in der Unterrichtspraxis in Südtirol allgegenwärtig, wie die Interviews zeigen. Bereits die institutionelle Ausgangssituation der sprachlich getrennten Schulen, die curriculare Aufteilung in sprachlich getrennte Unterrichtsfächer und die Muttersprachlichkeit als Voraussetzung für den jeweiligen Sprachunterricht sorgen für eine Dichotomie zwischen Deutsch und Italienisch mit klaren Zuständigkeiten und Zugangsbeschränkungen. Die eigenen sprachlichen Handlungsspielräume werden von den Lehrerinnen innerhalb dieses (metaphorischen) Rahmens wahrgenommen. Den politischen Rahmen weiter zu denken und ihn für mehrsprachige Begegnungsräume zu öffnen, wäre ein Schritt zu einer Mehrsprachigkeitsdidaktik in einer Grenzregion.
5.2 Mehrsprachige Schule: Wunsch und Realität
Insbesondere im Interview mit der Italienischlehrerin wird ein Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch und der Realität einer zwei- oder mehrsprachigen Schule sichtbar. Während die mehrsprachige Schule im Konjunktiv des Möglichkeitsraums und Sehnsuchtsorts verbleibt, ist die einsprachige Schule mit ihrer zweiten Sprache mit dem Indikativ in der realen Lebenswelt verankert. Im Interview mit der Deutschlehrerin zeigt sich dieses Spannungsverhältnis nicht in dieser Form, wenngleich vor dem Hintergrund einer einsprachigen Bildungspolitik und Unterrichtspraxis unter Verwendung von Fiktionalitätssignalen zumindest die Möglichkeit einer Öffnung zur Mehrsprachigkeit formuliert wird. Mögliche Welten zu imaginieren, könnte im Rahmen einer mehrsprachigen Literaturdidaktik umgesetzt werden.
5.3 Wahrnehmung der Kinder: einsprachig – mehrsprachig
Die Kinder der Lerngruppe werden von beiden Lehrerinnen unterschiedlich wahrgenommen. Während sich aus Perspektive der Deutschlehrerin die Klasse eher einsprachig (mit Deutsch als Erstsprache) zusammensetzt, stellt sie sich für die Italienischlehrerin eher mehrsprachig (einsprachig Deutsch, einsprachig Italienisch, mehrsprachig) dar. Dies mag insofern nicht verwundern, als dass die Italienisch-Zweitsprachkenntnisse der Kinder (aus mehrsprachigen Familien oder mit Besuch des italienischsprachigen Kindergartens) sich aufgrund der sprachlichen Trennung der Unterrichtsfächer und Lehrpersonen vermutlich vorwiegend im Italienischunterricht bzw. der Italienischlehrerin gegenüber zeigen. Mehrsprachige Handlungsspielräume in den Unterricht zu integrieren, etwa durch mehrsprachige Bilderbücher, würde es Kindern ermöglich, sich mit ihren vielfältigen Sprachrepertoires zu zeigen.
5.4 Umgang mit Bilderbüchern: Literarisches Erlebnis – Didaktisches Mittel
Mehrsprachige Bilderbücher werden von beiden Lehrerinnen im Rahmen des Projekts nicht gewählt und spielen auch nur eine untergeordnete Rolle in ihrer alltäglichen Unterrichtspraxis. Kritisiert wird vor allem ihre Qualität, die sie nicht zum literarischen Erlebnis werden lässt, sondern auf ihre Funktion als didaktisches Mittel zum Zweitsprachlernen reduziert. Das Spannungsverhältnis zwischen Bilderbüchern als literarischem Erlebnis und als didaktischem Mittel zeigt neben den vielfältigen Verwendungsweisen auch den didaktischen Anspruch an Bilderbuchlektüren auf. Während die Bilderbuchauswahl eher einsprachig ausfällt, so zeigt sich jedoch Mehrsprachigkeit im sprachlichen Umgang mit ihnen, ist also nicht in der (durch die Schrift materialisierten) Sprachlichkeit des Bilderbuchs, sondern in der (sich im Klang materialisierenden) Sprachlichkeit der Rezeptionssituation zu finden. Mehrsprachige Bilderbücher könnten aber auch Anlass sein, nicht nur Zielsprachen zu erwerben, sondern im Sinne einer migrationssensiblen Zweit- und Fremdsprachendidaktik auch Familiensprachen sichtbar zu machen und Sprachen zueinander in Beziehung zu setzen.
5.5 Sprachliche Unterrichtspraxis: Literaturdidaktik – Montessoripädagogik
Innerhalb der sprachlichen Gestaltung der alltäglichen Unterrichtspraxis zeigt sich in den Interviews ein Spannungsverhältnis zwischen der (jeweils eher einsprachig ausgerichteten) Literaturdidaktik und der (durchaus mehrsprachig umgesetzten) Montessori-Pädagogik. Während im literaturdidaktischen Kontext eher einsprachige Bilderbücher gewählt und in erster Linie zum Sprachenlernen (insbesondere für den Zweitspracherwerb) genutzt werden, werden im Rahmen der Montessori-Pädagogik die verschiedenen Sprachen stärker aufeinander bezogen, sei es in der (linguistischen) Auseinandersetzung mit Sprachen und mit der Schrift (dies auch anhand mehrsprachiger Bilderbücher), sei es in einer sprachübergreifenden Zusammenarbeit der beiden Kolleginnen im Rahmen der kosmischen Erziehung, in der sie sich in unterschiedlichen Sprachen den verschiedenen Themengebieten nähern. Diese sich ergänzenden Annäherungen in verschiedenen Sprachen auf mehrsprachige Bilderbücher zu übertragen, die parallel in Sprach- oder Sachfächern zum Thema gemacht werden, wäre eine weitere Möglichkeit des Umgangs mit Mehrsprachigkeit.
Innerhalb all dieser Spannungsfelder zwischen Einsprachigkeit und Mehrsprachigkeit auf den unterschiedlichen Ebenen (bildungspolitisch, institutionell, personell, literaturdidaktisch oder unterrichtspraktisch) werden in den Aussagen der Lehrerinnen immer wieder Handlungsspielräume deutlich, die die verschiedenen Sprachen in ihrem Zusammenspiel fruchtbar aufeinander beziehen (ob als fiktiver Möglichkeitsraum, als sprachliche Ressource der Kinder, als linguistischer Gegenstand, als verständigungsorientierte Interaktionspraxis oder fächerübergreifende Kooperation). Diese (mehrsprachigen) Handlungsräume noch stärker zu nutzen und sie weiter aus dem Möglichkeitsraum in die Alltagsrealität zu holen, könnte (nicht nur) in einer mehrsprachigen Grenzregion wie Südtirol ein Schritt zu einem mehrsprachigen europäischen Selbstverständnis sein, wie es bereits im Sprachenkonzept als Ziel formuliert wird:
Als Ziel der obligatorischen Bildungszeit wird eine funktionale Mehrsprachigkeit angestrebt und nicht eine perfekte Zweisprachigkeit. […] Sie strebt ein vielfältiges, dynamisches Repertoire an mit unterschiedlich weit fortgeschrittenen Teilkompetenzen in den einzelnen Fertigkeiten in verschiedenen Sprachen. (Deutsches Schulamt/Pädagogisches Institut 2007: 13)
Über die innere und äußere lebensweltlich mehrsprachige Situation in Südtirol und den grundschulischen Kontext hinaus wäre die empirische Erforschung der Bildungspotenziale mehrsprachiger Bilderbücher für sprachlich-literarisch-ästhetische Lernprozesse im Unterrichtsalltag weiterführend, um im Rahmen der Lehrer:innenprofessionalisierung auf diese – nicht nur theoretisch-konzeptionell entwickelten – Potenziale aufmerksam zu machen und sie im Rahmen einer Mehrsprachigkeitsdidaktik, ob in Grenzregionen oder anderen mehrsprachigen Kontexten, im Standard-, Zweit- oder Fremdsprachenunterricht nutzen zu können.
Notes
- Die Namen und Geschlechter der Lehrerinnen sind in den Transkripten anonymisiert, es werden Pseudonyme sowie die weibliche Form benutzt. Die Deutschlehrerin (Lara) wird mit LD, die Italienischlehrerin (Giovanna) mit LI, die Interviewerin mit I abgekürzt. Eine Transkriptionslegende befindet sich im Anhang. [^]
- Das italienische Wort obiettivi bedeutet Ziele.
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Vishek, Svetlana (2023): Mehrsprachiges Erzählen im deutsch-russischen Bilderbuch Lindbergh von Torben Kuhlmann und dessen Rezeption im Rahmen einer mehrsprachigen Vorlesesituation. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 28: 1, 119–139. http://doi.org/10.48694/zif.3597 (18.07.2024).
Wandruszka, Mario (1979): Die Mehrsprachigkeit des Menschen. München/Zürich: Piper.
Wieler, Petra (2017): Vorlesen, Erzählen – ein- und mehrsprachige Kinder auf dem Weg zur Literalität. In: Ahrenholz, Bernt & Oomen-Welke, Ingelore (Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, 341–352.
Wulf, Christoph (2019): Schweigendes Wissen als Herausforderung. Ikonische, performative und materiale Perspektiven. In: Uhlig, Bettina; Lieber, Gabriele & Pieper, Irene (Hrsg.): Erzählen zwischen Bild und Text. München: kopaed, 19–30.
Transkriptionskonventionen (in Anlehnung an GAT 2, Selting et al. 2009)
[ ] | Überlappungen und Simultansprechen |
(.) / (-) / (--) / (---) | kürzere Pausen bis zu einer Sekunde |
(1.0) | Pausen in Sekunden |
haben_s | Verschleifungen |
: / :: / ::: | Dehnungen |
beZUG | Fokusakzent |
? / - / . | Tonhöhe steigend, gleichbleibend, fallend |
((lacht)) | (außersprachliche) Handlungen |
<<Anführungszeichen symbolisierend> unoffizielle projekte> | sprachbegleitende Handlungen, interpretierende Kommentare |
(ma) | vermuteter Wortlaut |
( ) | Unverständliches |
((…)) | Auslassungen |
Kurzbio
Prof. Dr. Jeanette Hoffmann (PhD) ist Professorin (Ordinaria) für Didaktik der Deutschen Literatur an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen (Italien). Sie promovierte an der Freien Universität Berlin (Deutschland) mit der mehrfach preisgekrönten Studie Literarische Gespräche im interkulturellen Kontext (Hoffmann 2011). Von 2013–2019 war sie Professorin für Grundschulpäda-gogik/Deutsch an der Technischen Universität Dresden (Deutschland). Ihre Forschungsinteressen sind Grafisches Erzählen, Literarisches Lernen und Sprachbildung, Kinder- und Jugendliteratur und ihre Di-daktik, Lese- und Mediensozialisation, Interkulturelles Lernen und Mehrsprachigkeit, Empirische Re-zeptions-, Unterrichts- und Professionsforschung.
Anschrift:
Prof. Dr. Jeanette Hoffmann
Freie Universität Bozen
Fakultät für Bildungswissenschaften
Regensburger Allee 16
39042 Brixen (BZ)
Italien