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Aufsatz zum Themenschwerpunkt

Scaffolding-Verfahren in L2-Erzählsituationen. Eine Analyse am Beispiel mehrsprachiger Kinder aus den ladinischen Tälern Südtirols

Abstract

Im Zentrum des vorliegenden Beitrags stehen die Unterstützungsmaßnahmen (Scaffolding-Verfahren), die erwachsene Gesprächspartnerinnen in L2-Erzählsequenzen von drei- bis sechsjährigen Kindern anwenden. Für die Erzählanalyse stützt sich der Beitrag auf das Prinzip der interaktiven Konstruiertheit, demzufolge die Interaktionspartner/innen gemeinsam verschiedene kommunikative Aufgaben erfüllen, und unterscheidet dabei zwei grundlegende Typen von Scaffolding-Verfahren: interrogative und reparierende Maßnahmen. Als Korpusgrundlage dienen Sprachdaten in der L2 Deutsch und Italienisch, die in den ladinischen Tälern Südtirols erhoben wurden. Die Datenanalyse zeigt, dass unabhängig von der verwendeten Sprache je nach Erwerbsstadium (früh vs. fortgeschritten), Alter der Kinder und Gesprächspartnerinnen unterschiedliche Scaffolding-Verfahren zum Einsatz kommen.

Scaffolding in L2 narrative sequences. An analysis based on the example of plurilingual children from the Ladin valleys in South Tyrol
This paper focuses on the support measures (scaffolding devices) used by adult interlocutors in L2 narrative sequences of children aged three to six. For the narrative analysis, the paper draws on the principle of interactive constructedness, according to which the interaction partners jointly perform various communicative tasks, and distinguishes two basic types of scaffolding strategies: interrogative and reparative measures. Language data in the L2 German and Italian, collected in the Ladin valleys of South Tyrol, serve as the corpus basis. The data analysis shows that irrespective of the language used different scaffolding strategies are employed depending on the acquisitional stage (early vs. advanced), the children’s age and the interaction partners.

Scaffolding te secuenzes naratives tl L2. Na analisa sun la basa de mutons plurilinguai dles valedes ladines dl Südtirol
Te chest articul végnel porté dant n valgugn mecanisms de sostegn (scaffolding) che persones adultes adora te secuenzes naratives tl L2 con mutons/mutans danter i 3 y i 6 agn. L’analisa se baseia sun l prinzip dla cocostruzion interativa. Aldò de chesta proposta realisea i partezipanc ala conversazion deberieda compic comunicatifs, desfarenzian danter metodes de interogazion y de reparazion. L corpus é metù adum da dac linguistics tl todesch y talian L2, abinés adum tl teritore ladin dl Südtirol. L’analisa mostra su che independentamenter dal lingaz rejoné, se desfarenzieia chestes strategies de sostegn aldò dl stade d’acuisizion (prum o avanzé), dl’eté di mutons y dles mutans y dles partneres d’interazion.

Keywords: Scaffolding, Zweitsprache, Erzählkompetenz, second language, narrative competence, secundo lingaz, competenza narativa

How to Cite:

Salzmann, Katharina & Videsott, Ruth (2023): Scaffolding-Verfahren in L2-Erzählsituationen. Eine Analyse am Beispiel mehrsprachiger Kinder aus den ladinischen Tälern Südtirols. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 28: 1, 87–117. https://doi.org/10.48694/zif.3577.

1 Einleitung

Die1 sprachliche und soziale Interaktion mit Erwachsenen und Gleichaltrigen ist von zentraler Bedeutung für den kindlichen Spracherwerb, insbesondere wenn man von der soziokulturellen Position Vygotskijs (1960/1992) ausgeht, nach der das Lernen eine Verinnerlichung gemeinsamen sprachlichen Handelns ist. Nach dieser Vorstellung spielt das sogenannte Scaffolding, d.h. die Unterstützung der Kinder durch gezielte Gesprächsmaßnahmen, eine entscheidende Rolle für den Spracherwerb und die Sprachförderung (vgl. Schramm 2012: 170). Von großer Bedeutung sind interaktive Gesprächsprozesse mit Erwachsenen insbesondere für die Entwicklung der kindlichen Erzählkompetenz. Dies gilt sowohl für den monolingualen Erstspracherwerb (vgl. u.a. Hausendorf/Quasthoff 2005; Quasthoff/Becker 2005) als auch für den Zweitspracherwerb, d.h. bei einem sukzessiven Erwerb einer zweiten Sprache ab bzw. nach dem dritten Lebensjahr (vgl. Grimm/Cristante 2022: 4), da hier das Erzählen vor allem in einem frühen Erwerbsstadium mit zusätzlichen sprachlichen und kognitiven Anforderungen verbunden ist (vgl. Grießhaber 2010: 197–199). In Studien zur kindlichen Erzählfähigkeit in der L2 konnte nachgewiesen werden, dass erwachsene Gesprächspartner/innen unterschiedliche Scaffolding-Verfahren (vgl. Modellierungstechniken in Grimm/Cristante 2022: 70) wie verschiedene Fragetypen und korrektives Feedback einsetzen, die je nach Alter der Kinder, der Erzählart (z.B. Nacherzählung, Erlebniserzählung) und dem Sprachniveau in der L2 variieren können (vgl. Schramm 2012: 178–182).

In Anlehnung an diese Forschungstradition verknüpft der vorliegende Beitrag Erkenntnisse zum kindlichen Erzählen mit der Zweitspracherwerbsforschung. Im Fokus stehen dabei die Unterstützungsmaßnahmen von zwei erwachsenen Gesprächspartnerinnen in interaktiv konstruierten L2-Erzählsequenzen von drei- bis sechsjährigen Kindern aus den ladinischen Tälern Südtirols, eine der wenigen offiziell dreisprachigen (Ladinisch-Deutsch-Italienisch) Regionen Europas. Insbesondere geht der Beitrag der Frage nach, welche Scaffolding-Verfahren in Erwachsenen-Kind-Interaktionen in den Zweitsprachen Deutsch und Italienisch eingesetzt werden und wie die Kinder auf die jeweiligen Verfahren reagieren. Dabei soll untersucht werden, ob und wie sich bestimmte Faktoren (u.a. die Sprache der Interaktion, das Erwerbsstadium in der L2, das Alter der Kinder) auf die verschiedenen Scaffolding-Verfahren auswirken.

Der Beitrag ist folgendermaßen gegliedert: Kapitel 2 ist den theoretischen Grundlagen zur Entwicklung der kindlichen Erzählkompetenz sowie den speziellen Unterstützungsmaßnahmen (Scaffolding) durch erwachsene Interaktionspartner/innen gewidmet. In Kapitel 3 wird der soziolinguistische Kontext der ladinischen Täler eingeführt und das Forschungsprojekt AcuiLad präsentiert, dem die Daten für die vorliegende Studie entnommen sind. In Kapitel 4 werden die verschiedenen Scaffolding-Verfahren näher analysiert, zunächst im Deutschen und anschließend im Italienischen. Die Diskussion der Ergebnisse in Kapitel 5 zeigt zusammenfassend einige Tendenzen bei der Auswahl der Unterstützungsmaßnahmen beim L2-Erzählen auf.

2 Kindliches Erzählen und die Rolle der Erwachsenen

In diesem Abschnitt wird auf den Erwerb der kindlichen Erzählkompetenz eingegangen und es werden verschiedene Verfahren eingeführt, mit denen die Erwachsenen den Erzählprozess in der Interaktion unterstützen können.

2.1 Kindlicher Erzählerwerb

Wenn Kinder mit einer erwachsenen Person an einer narrativen Interaktion beteiligt sind, so kann dies auf zwei unterschiedlichen Ebenen geschehen: i) auf der Ebene der Alltagserzählung oder ii) auf der literarisch-fiktiven Ebene (vgl. Ehlich 1980). Für das literarische Erzählen spielen Bilderbücher eine wichtige Rolle. Diese eignen sich insbesondere zur Förderung des Erzählens und dienen zugleich auch als gute Erzählimpulse (vgl. z.B. Dannerer 2018: 100). Gerade bei textlosen Bilderbüchern beteiligen sich Kinder aktiv an der Rezeptionssituation und werden dadurch eingeladen, durch die rein visuellen Informationen Handlungszusammenhänge zu erkennen und diese zu interpretieren (vgl. Stark/Uhl 2016: 3–5). In der Terminologie Ehlichs (2013: 202) wird die Erzählfähigkeit zur diskursiven Basisqualifikation gezählt, wobei darunter insbesondere der Erwerb von sprachlichen Kooperationsmitteln verstanden wird, so eben das aktionale Handeln, die Narration und der kommunikative Aufbau von Spiel- und Phantasiewelten (vgl. Guckelsberger/Reich 2008: 83).

Erzählen ist Teil des Spracherwerbsprozesses und ist folglich – je nach Erwerbsart (L1, L2) – durch unterschiedliche Verlaufsmerkmale gekennzeichnet. Im Kindergarten- bzw. Vorschulalter erwerben die Kinder erste Fähigkeiten des mündlichen Erzählens, die die Grundlage für den Ausbau des schriftlichen und mündlichen Erzählens im Grundschulalter sowohl in der Erst- als auch in der Zweitsprache darstellen. Umso bedeutsamer ist es, dass die Förderung der Erzählfähigkeit bereits im Vorschulalter beginnt und das Erzählen und der Erzählerwerb gefördert werden (vgl. auch Grießhaber 2010: 105).

Meng/Kraft/Nietsche (1991) haben in ihrer Studie über die Entwicklung der Erzählfertigkeiten von Kindern in der Erstsprache im Vorschulalter beobachtet, dass Kinder im dritten Lebensjahr noch nicht in der Lage sind, das Hörerwissen so einzuschätzen, dass sie folglich auch für die Erzählung relevante Ereignisse beurteilen können. Dadurch können diese jungen Sprecher/innen noch nicht alle Aspekte der Erzählung verbalisieren (vgl. Grießhaber 2010: 112–113). Eine aktive Partizipation des/der Erwachsenen ist aus diesem Grund notwendig, um das Gelingen der kommunikativen Aufgaben des Erzählens zu ermöglichen. Dies wird auch in der gesamten Grundschulzeit noch wichtig sein, da sich die Erzählkompetenz noch weiter entwickeln muss, im Sinne der Aneignung struktureller Anforderungen des Erzählens (vgl. ebd.: 114).

Im Gegensatz zur Erstsprache geht man beim Erzählerwerb in der Zweitsprache tendenziell nicht von einem Stufenmodell aus, sondern von einer „Nicht-Linearität der Entwicklungsverläufe“ (Dannerer 2018: 98). Die Partizipation seitens der Erwachsenen fördert dabei den Transferprozess von in der Erstsprache verarbeitetem Erfahrungswissen in die Zweitsprache (vgl. z.B. Grießhaber 2010: 198). Gerade in einem mehrsprachig-territorialen Kontext leistet das Erzählen in der oder in den Zweitsprache(n) neben seiner spracherwerbsunterstützenden Natur auch einen bedeutenden Beitrag für eine plurikulturelle Sozialisation (vgl. Hoffmann 2008).

Für die Analyse des Erzählens gehen Hausendorf und Quasthoff (2005) über die Textstruktur (vgl. z.B. Labov/Waletzky 1967) hinaus und schlagen ein Modell der interaktiven Konstruiertheit vor. Dieses beruht auf dem Prinzip der Ko-Konstruktion, sprich dem Interagieren mindestens zweier Personen. Gemeinsam erledigen diese beiden Akteure fünf kommunikative Aufgaben des Erzählens: i) Darstellen von Inhalts- und Formrelevanz; ii) Thematisieren; iii) Elaborieren; iv) Dramatisieren; v) Abschließen und Überleiten.2 Gerade in der Kind-Erwachsenen-Erzählsituation hat die erwachsene Person die Aufgabe, durch ihr „Mehrwissen“ eventuelle „Leerstellen“ (Grießhaber 2010: 110) zu füllen.

Beobachtet man Scaffolding-Verfahren in L2-Erzählsituationen, so ist zum einen die Berücksichtigung eines nicht-linearen Entwicklungsverlaufs im Erzählerwerb sowie des Transferprozesses von der Erst- in die Zweitsprache von großer Relevanz, insbesondere weil bei den in diesem Beitrag untersuchten Kindern unterschiedliche Erwerbsstadien in den Zweitsprachen vorliegen. Zugleich stellt das Prinzip der Ko-Konstruktion von Erzählsituationen ein zentrales Kriterium dar, anhand dessen die Unterstützungsmaßnahmen seitens der erwachsenen Gesprächspartner/innen untersucht werden können.

2.2 Scaffolding-Verfahren

Das Modell der interaktiven Konstruiertheit lehnt sich an die Konzeption des Scaffolding an (vgl. u.a. Hausendorf/Quasthoff 2005: 282–288; Schramm 2012: 169–170), der zufolge die erwachsenen Gesprächspartner/innen die Kinder mit einer Art Baugerüst (scaffold) unterstützen, das in spezifischer Weise an deren Entwicklungsstand angepasst ist und im Laufe des Lernprozesses nach und nach abgebaut wird („Zone der nächstfolgenden Entwicklung“, engl. zone of proximal development; Vygotskij (1978: 84–85). Das Scaffolding dient erstens dazu, die Aufmerksamkeit des kindlichen Gegenübers auf bestimmte Gegenstände oder Handlungen zu lenken, wodurch die für das Kind interaktiv möglichen Folgezüge auf effektive Weise eingeschränkt werden. Zweitens bieten die Aktivitäten der kompetenteren Interaktionspartner/innen ein Modell zur Vervollständigung bzw. Nachahmung, an dem sich das Kind in seinen eigenen Aktivitäten orientieren kann (vgl. Hausendorf/Quasthoff 2005: 285).

In gesprächsanalytischer Perspektive können zwei grundlegende Typen von Scaffolding-Verfahren unterschieden werden (s. u.a. Kern/Quasthoff 2005; Schramm 2012): i) interrogative Verfahren, bei denen der/die erwachsene Interaktionspartner/in eine Frage stellt oder einen Vorschlag formuliert und somit eine Antwort bzw. Reaktion des Kindes elizitiert; ii) reparierende Verfahren, bei denen der/die erwachsene Interaktionspartner/in auf eine kindliche Äußerung reagiert (auch in Form von Feedback) und diese bearbeitet. Für die Darstellung der Scaffolding-Verfahren lehnen wir uns in erster Linie an die von Schramm (2012) benutzten Kategorienbezeichnungen an.

Bei den Scaffolding-Verfahren, die ein Fragemuster aufweisen (interrogative Verfahren), finden sich zunächst didaktische Fragen, bei denen die erwachsene Person die Antwort auf ihre Frage bereits kennt und diese mit einem bestimmten didaktischen Zweck formuliert, z.B. um ein Wort zu elizitieren oder um die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Aspekt der Erzählung zu lenken (vgl. Schramm 2012: 174). In ihrer den Spracherwerbsprozess unterstützenden Funktion können didaktische, oder genauer, didaktisch zu interpretierende Fragen in Erwachsenen-Kind-Gesprächen auch außerhalb der Bildungseinrichtungen auftreten. Bei der didaktischen Frage wird eine Äußerungsabsicht des/der Erwachsenen an das Kind delegiert, dies ist in der Regel der Fall bei Nacherzählungen und Bildgeschichten (z.B. „Und was hat er da gemacht?“ (Kern/Quasthoff 2005: 26)). Davon zu unterscheiden sind genuine Fragen, die häufiger bei Erlebniserzählungen auftreten und mit denen der/die erwachsene Gesprächspartner/in den/die kindliche/n Erzähler/in narrativ unterstützt (z.B. „Was habt ihr mit dem Roller gemacht?“ (Schramm 2012: 77)). Mit dieser Art von Scaffolding verfolgt die erwachsene Person zwar spezifische Vorstellungen in Bezug auf die narrativen Strukturen, gibt dem Kind dabei aber nicht den propositionalen Gehalt der Antwort vor (vgl. Schramm 2012: 176–177). In der Literatur (vgl. Kern/Quasthoff 2005; Quasthoff/Stude 2018) werden zudem weitere Fragetypen unterschieden, u.a. Nachfragen, die auf eine Auflösung nach einem Abbruch oder auf eine Klärung bei Verständnisschwierigkeiten abzielen (z.B. „Weißt du wie’s weitergeht?“ (Kern/Quasthoff 2005: 19)). Eine weitere Unterstützungsmaßnahme sind inhaltliche Erweiterungsvorschläge, mit denen primär narratives Scaffolding geleistet wird, und die häufig durch Fragepartikeln wie ne gekennzeichnet sind (z.B. „Vielleicht einen mit dicken Reifen, ne?“ (Schramm 2012: 177)).

Bei den reparierenden Verfahren wird traditionell unterschieden zwischen selbst- und fremdinitiierten sowie selbst- und fremddurchgeführten Reparaturen. So handelt es sich z.B. um eine selbstinitiierte Fremdreparatur, wenn sich das Kind bei einer möglichen Wortschatzlücke unterbricht, fragt, wie ein bestimmter Gegenstand auf Deutsch heißt (z.B. „äh wie heißen die?“) und die erwachsene Person anschließend die Antwort liefert („Papierschiffchen“ (Schramm 2012: 171–172)). Fremdinitiierte Reparaturen kommen hingegen zustande, wenn die erwachsene Person das Kind auf eine nicht-zielsprachlich formulierte Äußerung oder eine Inkongruenz in der narrativen Struktur aufmerksam macht, z.B. sagt das Kind „Denn ist er in, in [sic!] Ufer hingesteigt“, woraufhin der/die Erwachsene durch die Frage „Was ist mit dem Ufer?“ eine Reparatur einleitet. Anschließend kann der/die erwachsene Gesprächspartner/in durch das Verfahren des Lückenlassens (engl. Prompt, vgl. Chlosta/Schäfer/Bauer 2020: 365)3, d.h. durch das allmähliche Produzieren einer unvollständigen Äußerung mit Frageintonation („Er hat ihn? ((gestikuliert Ziehen)) Ans Ufer?“) fortfahren, um auf diese Weise eine von dem Kind durchgeführte Selbstreparatur („gezo-gezogen“) in die Wege zu leiten (Schramm 2012: 172–173).

Im mehrsprachigen Kontext treten Reparaturen zudem häufig nach Code-Switching-Phänomenen auf, die ein typisches Verhalten Mehrsprachiger sind (vgl. Grimm/Cristante 2022: 44). Bei Kindern, die mehr als eine Sprache beherrschen, erfüllt das Mischverhalten zentrale Diskursfunktionen und ist zudem eine wichtige Strategie, um nicht nur lexikalische, sondern auch strukturelle Lücken der sich langsamer entwickelnden Sprache auszugleichen (Platzhalter- oder Joker-Strategie nach Tracy 2008: 118). Trotzdem ist es von großer Bedeutung, die Kinder durch gezielte Scaffolding-Verfahren zur Verwendung der von dem/der erwachsenen Gesprächspartner/in gewählten Sprache hinzuführen, indem die erwachsene Person z.B. die deutsch-italienisch gemischte Äußerung „Giulia hat ausbevuto“ (Tracy 2008: 114) ins Deutsche übersetzt und paraphrasiert „Ah, sie hat ausgetrunken“.

Zu den Möglichkeiten des Feedbacks zählen schließlich hörerseitige Gesprächspartikeln (z.B. hm mit fallender Intonation, aha, genau) und evaluierende Adjektive (z.B. toll), mit denen der/die erwachsene Gesprächspartner/in Bewertungen abgibt (affektive Markierungen nach Schramm 2012: 175).

Zusammenfassend wurden in diesem Kapitel die folgenden Scaffolding-Maßnahmen vorgestellt: i) interrogative Verfahren, insbesondere didaktische und genuine Fragen, Nachfragen und inhaltliche Erweiterungsvorschläge; ii) reparierende Verfahren, insbesondere Selbst- und Fremdreparaturen, die jeweils selbst- bzw. fremdinitiiert sein können, das Lückenlassen (prompts) und verschiedene Typen von Feedback. Bevor wir zur Korpusanalyse der dargestellten Unterstützungsmaßnahmen übergehen, soll zunächst näher auf die soziolinguistischen Besonderheiten der ladinischen Täler und auf die Koordinaten des Forschungsprojekts AcuiLad eingegangen werden.

3 Soziolinguistischer Kontext und Forschungsdesign

Der vorliegende Beitrag untersucht Sprachdaten von Kindern aus einem besonderen soziolinguistischen Kontext, und zwar den ladinischen Tälern Gadertal und Grödental in Südtirol (Norditalien). Historisch betrachtet ist das Ladinische als Minderheitensprache dem engen und steten Kontakt mit den beiden Nachbarsprachen Deutsch (Südtiroler Dialekte wie auch Standarddeutsch) sowie Italienisch ausgesetzt. Aus diesem Grund sind die ladinischen Bildungsinstitutionen von mehrsprachigen Ansätzen gekennzeichnet, wobei das Schulmodell paritätisch aufgebaut ist: 50 % der Fächer wird auf Deutsch unterrichtet, 50 % auf Italienisch. Hinzu kommen in allen Schulstufen jeweils zwei Wochenstunden Ladinischunterricht (vgl. dazu z.B. Verra 2020). Neben dieser eher strukturierten institutionellen Mehrsprachigkeit ist der soziolinguistische Kontext im ladinischen Gebiet als sehr heterogen einzuordnen. Für Kinder mit Ladinisch als einziger Erstsprache findet der Erwerb der beiden Zweitsprachen Deutsch und Italienisch sehr früh statt, sodass man von einem sukzessiven frühkindlichen Spracherwerb sprechen kann. Andere Kinder wachsen mit zwei oder mehreren Erstsprachen in der Familie auf, wobei Ladinisch oft – aber nicht immer – eine dieser Sprachen ist. Italienisch und/oder Deutsch (Südtiroler Dialekte) stellen dabei die häufigsten Erstsprachen in diesen Familien dar. Die ladinischen Täler sind daher sehr stark durch die lebensweltliche Mehrsprachigkeit geprägt und der anderswo dominierende monolinguale Habitus (vgl. Gogolin 1988; 1994) ist nicht vorherrschend. Der Eintritt in die Institution (in diesem Fall Kindergarten) gewährt einen strukturellen Zugang zu allen drei Sprachen (Deutsch, Italienisch, Ladinisch), zumal alle Sprachen Verwendung finden (so zumindest in den programmierten Aktivitäten wie Morgenkreis, Lieder, Geschichten, usw.), wobei ausgehend vom soziolinguistischen Kontext der Gruppe eine Sprache als Kommunikationssprache fungiert.

Grundsätzlich verfügen ladinischsprachige Kinder somit bereits sehr früh über eine rezeptive Kompetenz in den beiden Zweitsprachen. Was die produktive Kompetenz anbelangt, ist oft ein fortgeschrittenes Erwerbsstadium in einer der Zweitsprachen zu beobachten, während die andere Zweitsprache in einem frühen Erwerbsstadium anzusiedeln ist (vgl. auch Tracy/Gawlitzek-Maiwald 2000: 497).4 Beim ersten Fall liegt durchaus eine produktive Kompetenz vor, während beim zweiten Fall verstärkt die rezeptive Kompetenz zum Vorschein kommt. Medien und Tourismus dienen dabei als wichtige Inputquelle für die Sprachentwicklung. Da es kaum Medienangebote (Fernseh- oder Radiosendungen) in ladinischer Sprache gibt, überwiegt in diesem Bereich Deutsch bzw. Italienisch. Zudem sind sowohl das Gader- wie auch das Grödental touristische Hochburgen, was u.a. den direkten Zugang zu den großen Sprachen erleichtert. Eine klare Abgrenzung zwischen Erstsprach- und frühem Zweitspracherwerb ist somit nicht immer möglich. Tracy (2007: 87) weist darauf hin, dass „scharfe Grenzen zwischen L1, 2 L1 und frühem L2-Erwerb verwischen“. Gerade bei Kindern mit Ladinisch als Erstsprache kann man sich fragen, ob generell der Verlauf des Erwerbs einer der beiden Zweitsprachen nicht fast parallel zur Erstsprache verläuft (vgl. Ahrenholz 2020: 7; Thoma/Tracy 2006; Meisel 2004).

Die in diesem Beitrag präsentierten Daten sind dem Projekt AcuiLad entnommen.5 Dabei handelt es sich um Sprachaufnahmen von insgesamt 42 Kindern im Kindergartenalter (3–6 Jahre) aus den ladinischen Tälern in Südtirol. Die Daten wurden bei den Kindern zu Hause erhoben. Insgesamt waren zwei erwachsene Personen in die Datensammlung und deren Transkription involviert, eine Grödnerin (E1) für die grödnerischen Kinder sowie eine Gadertalerin (E2) für die Kinder im Gadertal. Bei der Auswahl der beiden Mitarbeiterinnen wurde vor allem auf ihr Sprachenrepertoire (Erstsprache Ladinisch, also Gadertalisch für die erste und Grödnerisch für die zweite Mitarbeiterin) sowie auf die Erfahrung im Umgang mit Kindern geachtet. Während E2 umfassende praktische Erfahrungen mit Kindern sammeln konnte, aber über keine professionelle Ausbildung zur Kindergartenpädagogin verfügt, ist E1 eine diplomierte pädagogische Fachkraft an einem ladinischen Kindergarten.

Das Gesamtprojekt verfolgte das Ziel, die wichtigsten Entwicklungsschritte des Erst- und Zweitspracherwerbs in den drei offiziellen Sprachen Südtirols Ladinisch, Deutsch und Italienisch bei ladinischen Kindern, sprich in einer mehrsprachigen Region, zu beschreiben. Dafür wurden die Gespräche mit den Kindern mehrsprachig gestaltet. So spricht die erwachsene Person mit dem jeweiligen Kind in allen drei Sprachen. Der erste Teil des Gesprächs beruht dabei auf dem Erzählen von Alltagserlebnissen in der Erstsprache bzw. in der vom Kind selbst gewählten Erstsprache im Falle von simultaner Zwei- oder Mehrsprachigkeit, um das Kind in die Erzählung zu involvieren. Der Sprachwechsel in die beiden anderen Sprachen entfaltet sich durch das gemeinsame Anschauen von verschiedenen Bilderbüchern, die aufgrund einer den Kindern vertrauten Handlung ausgewählt wurden. Es handelt sich dabei um die italienischsprachige Bilderbuchreihe Pimpa, insbesondere die Bücher Pimpa e la lumachina blu (Tullio-Altan 2009a) und Pimpa e il pupazzo Max (Tullio-Altan 2009b), um das deutschsprachige Pappbilderbuch Vorher und Nachher (Rübel/Rübel 2017), das auf jeweils einer Doppelseite eine kurze Geschichte erzählt, sowie um das textlose Bilderbuch von Thé Tjong-Khing, Die Torte ist weg (Tjong-Khing 2017). Dieses Buch eignet sich insbesondere als Erzählanlass, weil die visuell dargestellten Szenen auf jeder Doppelseite verschiedene Geschichten aus der Perspektive unterschiedlicher Figuren erzählen, deren Handlungsstränge miteinander verwoben sind. Darüber hinaus haben die Kinder während der Interaktion mit den erwachsenen Gesprächspartnerinnen über weitere, eigene Bücher gesprochen.

Für die folgende Analyse wurde ein Teilkorpus zusammengestellt, um die unterschiedlichen Scaffolding-Verfahren in der Erwachsenen-Kind-Interaktion beim fiktiven Erzählen in den Zweitsprachen Deutsch und Italienisch zu untersuchen. Es wurden acht Kinder ausgewählt, vier aus dem Gadertal und vier aus dem Grödental, wobei für jedes Kind Erzählpassagen in nur einer Zweitsprache untersucht werden. Für die Analyse zum Deutschen als Zweitsprache werden die Erzählsituationen mit den Kindern Paul, Ilaria, Francesco und Petra (K1–K4) herangezogen, für das Italienische als Zweitsprache jene von Karin, Raffael, Giulia und Robert (K5–K8).

Tabelle 1: Zusammensetzung des Korpus

Ausgehend von diesem Korpusdesign können verschiedene Einflussfaktoren auf die Scaffolding-Verfahren untersucht werden, u.a. die Sprache der Interaktion, das Erwerbsstadium in der L2, das Alter der Kinder oder der Gesprächsstil der jeweiligen erwachsenen Interaktionspartnerin.

4 Analyse

Im Folgenden werden die deutschsprachigen und italienischsprachigen Erzählsequenzen der ausgewählten Kinder im Hinblick auf die Frage- und Reparatursequenzen mit unterstützender Funktion analysiert, um der Frage nachzugehen, welche Scaffolding-Verfahren in den Gesprächen in der L2 Deutsch und der L2 Italienisch zum Einsatz kommen. Die angewandte Analysemethode stützt sich dabei zugleich auf gesprächsanalytische und spracherwerbstheoretische Kriterien (s. u.a. Hausendorf/Quasthoff 2005; Schramm 2012).

4.1 Scaffolding-Verfahren im Deutschen als Zweitsprache

Von den vier Kindern, die für die Analyse des Deutschen als Zweitsprache ausgewählt wurden, befinden sich zwei im Vorschulalter (Paul, Petra) und zwei im ersten Kindergartenjahr (Ilaria, Francesco). Bei Paul (5;5) liegt im Deutschen eine gut entwickelte produktive Kompetenz vor (fortgeschrittenes Erwerbsstadium). Auch Ilaria (3;2) hat im Deutschen das frühe, primär rezeptive Erwerbsstadium bereits verlassen. Der Fokus der im Folgenden vorgestellten Unterstützungsmaßnahmen liegt bei beiden Kindern überwiegend auf interrogativen Verfahren, die sich primär auf die Inhaltsebene der Erzählung beziehen.

In der folgenden Erzählsequenz von Paul stellt die erwachsene Gesprächspartnerin E1, die Projektmitarbeiterin mit pädagogischer Ausbildung, zahlreiche didaktische Fragen, um die Aufmerksamkeit des Jungen auf verschiedene Figuren des ausgewählten Bilderbuchs – in diesem Fall ein persönliches Buch von Paul – zu lenken, deren Handlungen zu elizitieren und so den Erzählprozess zu unterstützen, wie in (1) ersichtlich ist.

(1) Paul

Die didaktisch angelegte Frage (was bauen die kinder?) wird von dem Jungen auf Deutsch beantwortet (Z. 02) und hilft ihm anschließend dabei, der Erzählung selbstständig weitere Elemente hinzuzufügen, wie z.B. den Iglu und das Eichhörnchen mit seiner Mütze. Auf diese Weise wird in der Erwachsenen-Kind-Interaktion der kommunikativen Aufgabe des Elaborierens (vgl. Hausendorf/Quasthoff 2005: 130–131) nachgekommen. Da der Fokus der Unterstützungsmaßnahmen auf der Inhaltsebene liegt, werden Abweichungen von der zielsprachlichen Grammatik (Kasusfehler:8 *ein schneemann; Genusfehler: *der eichhörnchen) nicht thematisiert.

Auch in der folgenden Erzählsequenz von Ilaria formuliert die Erwachsene mehrere didaktische Fragen, die wie bei Paul ein Gerüst für die inhaltliche Gestaltung und Elaborierung der Erzählung bieten und bei richtiger Antwort häufig durch ein positives Feedback (z.B. giusto ‘richtig’, genau) bestärkt werden. In (2) sprechen die Interaktionspartnerin E2 und das Mädchen über eine Sequenz aus dem Bilderbuch Vorher und Nachher (Rübel/Rübel 2017), in dem ein Mädchen an einem Ententeich steht und versucht, Steine ins Wasser zu werfen. Im ersten Bild (vorher) schafft es die Figur nicht, die Steine zu heben. Im zweiten Bild (nachher) gelingt es ihr, die Steine ins Wasser zu werfen.

(2) Ilaria

Durch die didaktischen Fragen, die häufig in kombinierter Form auftreten (z.B. was siehst du hier? und hier? sowie und was macht das kind?), gelingt es der Erwachsenen, Details der Geschichte zu elizitieren, wie z.B., dass die Figur auf dem Bild Steine nimmt und es zunächst nicht schafft, sie in den Teich zu werfen (nemmt des und schåfft ned des kind).10 Auf die Frage zu dem zweiten Bild und was passiert hier? erzählt Ilaria mit längeren Pausen, dass das Kind die Steine schließlich doch ins Wasser wirft (und nåcha tut ini des). Es handelt sich um ein gutes Beispiel dafür, wie „risikofreudige“ Sprecher/innen (Schramm 2007: 210) zum Zweck der Kommunikation versuchen, sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden sprachlichen Mitteln in der Zweitsprache auszudrücken. Um sich auf die Steine zu beziehen, verwendet das Mädchen zwei Mal (Z. 07 und Z.14) die Proform des, die von der Erwachsenen schließlich in Zeile 15 durch die lexikalische Vollform (genau die steine) explizit gemacht und somit dekontextualisiert wird. Durch diesen Zug macht sie die Erzählung verständlicher und leistet narratives Scaffolding (vgl. Schramm 2012: 173). Das lexikalische Explizitmachen von Proformen (das, da usw.) könnte als typisches Verfahren bei jüngeren Kindern angesehen werden, da es in den Sequenzen von Paul keine Anwendung findet.

Bei Ilaria finden sich auch genuine Fragen (3), die nicht direkt während der Erzählsequenzen, sondern in einer Art Metadiskurs, u.a. bei der Auswahl der Bilderbücher, auftreten. In dem folgenden Ausschnitt sprechen das Mädchen und die erwachsene Gesprächspartnerin über das Foto-Pappbilderbuch Mein liebstes Tierbuch (Coppenrath 2011), das Ilaria aus ihrer Spielekiste holt.

(3) Ilaria

Die Erwachsene fragt in dem Gesprächsausschnitt, ob sie sich das Buch anschauen kann (Z. 02), liest dann den Titel des Buches vor (Z. 05) und schließt eine affektive Markierung (vgl. Schramm 2012: 175) mit wow an. Mit der Frage, wer Ilaria das Buch geschenkt habe (Z. 07), stellt die Gesprächspartnerin den Gegenstand als inhaltlich relevant für eine kurze Alltagserzählung dar.11 Das Mädchen entzieht sich jedoch mit einem einfachen niemand dem Zugzwang einer ausführlicheren Antwort und auch auf Nachfrage der Erwachsenen (niemand?) – diese ist auf eine Auflösung orientiert (vgl. Quasthoff/Stude 2018: 263) – bleibt eine Antwort aus.

Bei den reparierenden Verfahren finden sich in den Ausschnitten von Paul und Ilaria vor allem fremdinitiierte Fremdreparaturen, die zum Teil unterschiedliche Formen annehmen, was auch auf den individuellen Reparaturstil der beiden Gesprächspartnerinnen zurückzuführen sein könnte. Bei Paul werden Reparaturen der sprachlichen Form von der Mitarbeiterin mit pädagogischer Ausbildung nebenbei durchgeführt, ohne dabei die Aufmerksamkeit auf Abweichungen von der Normgrammatik zu lenken, wie exemplarisch durch den folgenden Transkriptausschnitt (4) zu einem von Pauls persönlichen Bilderbüchern veranschaulicht wird.

(4) Paul

Die lernersprachliche Äußerung surf mit eine katze – die Personalendung am Verb und die Dativendung am unbestimmten Artikel sind akustisch nicht wahrzunehmen – wird von der Erwachsenen zu einer grammatisch vollständigen und korrekten Äußerung oh die möchte auch ein bisschen surfen umformuliert und auf diese Weise nur indirekt repariert, wobei die Äußerung der Erwachsenen auch keinen Verbesserungston (vgl. Schramm 2007: 215) aufweist.

Auch bei Code-Switching-Phänomenen12, d.h. bei dem Wechsel in eine andere Sprache, wendet die Gesprächspartnerin von Paul dieselbe Strategie an: Die ladinischen Äußerungen werden von der Erwachsenen meist im Standarddeutschen paraphrasiert und auf diese Weise indirekt (vgl. Chlosta et al. 2020: 364), d.h. ohne auf die Verwendung der anderen Sprache aufmerksam zu machen, repariert. Im Mittelpunkt von Gesprächsausschnitt (5) steht eine Sequenz aus Pauls persönlichem Bilderbuch, in der verschiedene Tiere am Strand zu sehen sind, die Boot fahren oder surfen. Paul beschreibt die Handlungen der Tiere abwechselnd auf Ladinisch und Deutsch.

(5) Paul

In diesem Ausschnitt sieht man, wie die erwachsene Gesprächspartnerin die anderssprachigen Äußerungen (Z. 01 und 09) wie auch die dialektalen Formen (Z. 05: dei auch) im Deutschen nicht nur umformuliert, sondern auch kommentiert (Z. 02: hm möchte auch mit dem schiff fahren) und durch zusätzliche Elemente (z.B. Z. 07 mit dem tretboot) ausbaut. Paul reagiert jeweils mit der Antwortpartikel ja auf die Paraphrasen und Expansionen der Erwachsenen.

Etwas anders gestalten sich die Fremdreparaturen der Mitarbeiterin ohne pädagogische Ausbildung in den Erzählsequenzen von Ilaria. Insgesamt werden Code-Switching-Phänomene von der Mitarbeiterin E2 deutlich seltener übersetzt oder paraphrasiert. So wird eine richtige Antwort häufig auch bei Code-Switching – hier ins Italienische – durch positives Feedback verstärkt, was unter Umständen auch durch das jüngere Alter bedingt sein könnte. In einigen wenigen Fällen findet jedoch eine Reparatur des Code-Switching statt, wie durch den Gesprächsausschnitt (6) veranschaulicht wird, in dem sich Ilaria erneut das Bilderbuch Mein liebstes Tierbuch (Coppenrath 2011) ansieht.

(6) Ilaria

In diesem Ausschnitt werden die Wortschatzkenntnisse von Ilaria (das hier kennst du, oder?) sowie das Code-Switching in Zeile 04 explizit thematisiert (zu Formen der expliziten Reparatur s. Chlosta et al. 2020: 364), wie durch die Frage, ob sie weiß, wie man pesce auf Deutsch sagt (Z. 05). Auf die Verneinung der Frage durch das Kind fügt die Erwachsene die richtige Antwort (fisch sagt man) hinzu.

Francesco (5;11) und Petra (3;9), die beide mit der Projektmitarbeiterin E1 gesprochen haben, befinden sich hingegen in einem frühen Erwerbsstadium des Deutschen als L2 und besitzen eine überwiegend rezeptive Kompetenz. Sie produzieren vor allem Einwort-Äußerungen, die häufig Code-Switching-Phänomene aufweisen. Trotz des Altersunterschieds nehmen die Scaffolding-Verfahren eine sehr ähnliche Gestalt an. Insgesamt zeigt sich, dass der Fokus der Unterstützungsmaßnahmen durch die erwachsene Gesprächspartnerin bei diesen Kindern aufgrund des elementaren Sprachniveaus auf der lexikalischen Ebene liegt, insbesondere auf dem zielsprachlichen Benennen von Gegenständen und Handlungen, wobei die Erwachsene in vielen Fällen selbst die Antwort auf ihre Fragen zur Verfügung stellt, wie in (7) ersichtlich ist. Im folgenden Ausschnitt, der wie die anderen Beispiele von Francesco und Petra auf dem Bilderbuch Vorher und Nachher (Rübel/Rübel 2017) beruht, sprechen der Junge und die Interaktionspartnerin über eine Bildersequenz, in der zuerst ein blühender Apfelbaum und danach ein Baum mit reifen Äpfeln zu sehen ist.

(7) Francesco

In diesem Beispiel wiederholt Francesco einen Teil der didaktischen Frage aus Z. 02 (gewachsen), da er diese möglicherweise nicht verstanden hat. Die Erwachsene liefert dann selbst die Antwort (viele äpfel), die mit der Fragepartikel gell (standarddt. ‘nicht wahr?) – diese erfüllt eine wichtige Kontaktfunktion – versehen wird.

Petra antwortet auf die meisten didaktischen Fragen der Erwachsenen mit dem italienischen Satz io non lo so [dt. ich weiß es nicht], was ein umfassendes Scaffolding von Seiten der Gesprächspartnerin notwendig macht. In (8) geht es um eine Sequenz aus dem Buch Vorher und nachher (Rübel/Rübel 2017), in der eine zunächst weiße Wand rosa angemalt wird.

(8) Petra

Die Erwachsene formuliert in diesem Ausschnitt nicht nur die didaktischen Fragen (z.B. was machen sie? welche farbe ist denn das?), sondern stellt in den meisten Fällen auch eine Modellantwort zur Verfügung (mit dem pinsel tun sie malen?), die häufig mit einer steigenden Tonhöhenbewegung versehen wird, um bei Petra eine Reaktion (Z. 05 ja) hervorzurufen. Interessant ist, dass die Motivation bzw. die Fähigkeit des Mädchens sich auf Deutsch auszudrücken zwar gering ist, dass es aber sehr wohl eine rezeptive Grundkompetenz zu besitzen scheint. Dies zeigt sich daran, dass Petra genuine Fragen (z.B. gefällt dir auch rosa? in Z. 12) sehr wohl mit der Antwortpartikel ja beantwortet.

Eine weitere häufig belegte Scaffolding-Strategie bei Kindern in einem frühen Erwerbsstadium ist die Reparatur von Code-Switching-Phänomenen, wobei die erwachsene Gesprächspartnerin die anderssprachigen Äußerungen wörtlich ins Deutsche übersetzt und im Unterschied zu dem Gespräch mit Paul nicht paraphrasiert.13 Außerdem ist die Übersetzung häufig durch eine Frageintonation gekennzeichnet. Mit diesem prosodischen Mittel möchte die Erwachsene die Aufmerksamkeit auf die Reparatur lenken, um so die Verständnissicherung zu garantieren und den Erwerbsprozess zu fördern. Eine indirekte Reparatur läuft nämlich bei einem frühen Erwerbsstadium Gefahr, von den Kindern nicht wahrgenommen zu werden (vgl. Chlosta et al. 2020: 364). Dieses Verfahren wird durch den folgenden Transkriptausschnitt zu einer weiteren Sequenz aus dem Bilderbuch Vorher und nachher (Rübel/Rübel 2017) veranschaulicht, in der ein Vater ein Loch in die Wand bohrt, um anschließend ein Bücherregal zu montieren.

(9) Francesco

In (9) sieht man, wie die Erwachsene die italienischsprachige Antwort von Francesco in Z. 02 (im Italienischen befindet sich der Junge in einem fortgeschrittenen Spracherwerbsstadium) wörtlich durch Frageintonation markiert ins Deutsche übersetzt. Der Junge wiederholt die reparierende Übersetzung der Erwachsenen ebenfalls mit Frageintonation (bohrt ein loch?) – dieses Nachsagen könnte auf einen Verinnerlichungsprozess des Gelernten hindeuten –, woraufhin ihn die Erwachsene durch die Rezeptionspartikel hm_hm bestärkt.

In den Erzählsequenzen von Petra, die hier in der L1 Ladinisch antwortet, wird das Code-Switching des Mädchens von der Interaktionspartnerin ebenfalls durch das Verfahren der wörtlichen Übersetzung mit Frageintonation (im wasser?) repariert (10). Auch in diesem Beispiel zu dem Bilderbuch Vorher und nachher (Rübel/Rübel 2017), in dem es um Kinder geht, die sich nach anfänglicher Angst doch trauen, ins Wasser zu springen, wird die rezeptive Deutsch-Kompetenz des Mädchens deutlich; für die produktive Kompetenz schöpft es – wie auch die anderen Kinder – aus dem gesamten Sprachenrepertoire.

(10) Petra

Zusammenfassend gehen aus den Analysen der vorgestellten zehn Interaktionssequenzen je nach Erwerbsstadium des Kindes in der L2 Deutsch deutliche Unterschiede bei den Scaffolding-Verfahren der Erwachsenen hervor. Bei Kindern in einem fortgeschrittenen Erwerbsstadium überwiegen Fragen, die sich auf die Inhaltsebene beziehen, sowie indirekte Reparaturen (u.a. Paraphrasen). Bei Kindern in einem frühen Erwerbsstadium finden vor allem direkte Reparaturen, die sich auf die lexikalische Ebene beziehen (u.a. wörtliches Übersetzen), Anwendung. Auch das Alter der Kinder scheint eine Rolle zu spielen. So ist das Dekontextualisieren von Proformen eine typische Maßnahme bei jüngeren Kindern, die sowohl zum Ausbau des Wortschatzes als auch der Erzählkompetenz beiträgt. Nicht zuletzt wirkt sich auch der individuelle Gesprächsstil der Interaktionspartnerinnen auf die Unterstützungsmaßnahmen aus. Während die Projektmitarbeiterin mit pädagogischer Ausbildung Code-Switching-Phänomene in andere Sprachen oder Varietäten (Ladinisch, Italienisch, Dialekt) durch Paraphrasen und Übersetzen repariert, bestätigt die andere Projektmitarbeiterin inhaltlich korrekte Aussagen trotz Code-Switching-Phänomene mit positivem Feedback.

4.2 Scaffolding-Verfahren im Italienischen als Zweitsprache

Bei den vier untersuchten Kindern für Italienisch als Zweitsprache befinden sich drei im Vorschulalter (Karin, Raffael und Giulia), d.h. sie besuchen das letzte Kindergartenjahr, während Robert erst vor kurzem in den Kindergarten eingetreten ist.

Bei Karin (5;9) und Raffael (5;8) ist im Italienischen durchaus eine produktive Sprachkompetenz zu beobachten. Obwohl beide Kinder unterschiedliche Gesprächspartnerinnen haben, beschränken sich die Scaffolding-Verfahren beider Erwachsenen auf die Darstellung des Ereignisrahmens oder die Initiierung eines Vorfalls bzw. einer Handlung (Darstellung von Inhaltsrelevanz) sowie auf das Elaborieren und Dramatisieren (vgl. Hausendorf/Quasthoff 2005: 149–152). Grundsätzlich werden hierfür interrogative Verfahren eingesetzt, meist didaktische Fragen, da die Erwachsene und das Kind das gleiche Wissen auf der inhaltlichen Ebene teilen. Durch klassische W-Fragen ersuchen die beiden erwachsenen Personen die Kinder, Ereignisse aus der italienischsprachigen Pappbilderbuchserie Pimpa zu beschreiben, zu kommentieren oder einfach weiter zusammen zu erzählen, um die Makrostruktur der Erzählung zu vervollständigen.14

Aus einer interaktionalen Perspektive kann dabei das Fragemuster durch den Gebrauch spezifischer Gesprächspartikeln auch ein positives Feedback seitens der Erwachsenen enthalten. Im Ausschnitt in (11) versucht Karin zwei Szenen aus dem Buch Pimpa e la lumachina blu (Tullio-Altan 2009a) zu beschreiben: Pimpa putzt sich gerade die Zähne, als draußen am Fenster im Regen eine kleine Schnecke mit einem zerbrochenen Schneckenhaus auftaucht.

(11) Karin

Die Antworten auf die Fragen werden von der Erwachsenen durch die Partikeln und giusto stets als positiv bewertet. Dieses Unterstützungsmuster kann durch eine Serie aufeinanderfolgender Fragen gekennzeichnet sein, um auf die genauen Handlungen im Bilderbuch einzugehen, wie auch die folgende Gesprächssituation mit Raffael zeigt (12). Als Grundlage dient eine Szene aus Pimpa e il pupazzo Max (Tullio-Altan 2009b), in der es um einen Schneemann geht, dessen Hut durch den starken Wind wegfliegt.

(12) Raffael

Durch einen Diskursmarker (vediamo) fordert die erwachsene Gesprächspartnerin Raffael auf, auf die abgebildete Handlung einzugehen und unterstützt die genaue Beschreibung des Ereignisses durch Fragen, die das Thema elaborieren sollen.

In den beiden Beispielen (11) und (12) ist die erste einführende Frage meistens grammatisch wie auch semantisch vollständig, während die darauffolgenden eine elliptische Form in der syntaktischen Struktur aufweisen (cosa sta succedendo qua? vs. e fuori? in 11; cosa fanno allora? vs. e adesso? in 12). Beide Muster zielen auf das Fortführen der Erzählung ab.

Solche didaktischen Fragen als Unterstützungsverfahren haben auch die Funktion, inhaltliche Erweiterungsvorschläge zu bieten. Dies kann dann eintreten, wenn das Kind allein nicht mehr weitererzählt, wie in (11) und (12). Zudem werden diese Mechanismen auch eingesetzt, wenn das Kind auf eine konkrete inhaltliche Frage nicht reagiert. Dies ist der Fall im Gesprächsausschnitt in (13), wo die Schilderung der bereits erläuterten Szene in (11) fortgeführt wird. Durch den Diskursmarker boh15 signalisiert das Kind eine mögliche Ungewissheit. Dabei wird die Frage von der Erwachsenen absichtlich so formuliert, dass sie eine falsche Antwort enthält (13), um auf diese Weise das inhaltliche Wissen abzufragen und das Kind zum Weitererzählen anzuregen. Oft werden diese Fragen von Fragepartikeln (no?) begleitet.

(13) Karin

Die von der erwachsenen Gesprächspartnerin eingesetzten interrogativen Verfahren können aber auch als Feedback verstanden werden, gerade wenn sie affektive oder evaluative Markierungen (vgl. Schramm 2012: 175) enthalten. Dies ist Beispiel (14) zu entnehmen, wo Raffael die Szene mit dem weggeflogenen Hut (s. Beispiel 12) ergänzt und seiner Gesprächspartnerin erklärt, warum auf einmal zwei Schneemänner abgebildet sind.

(14) Raffael

Die Frage wird nämlich mit einer evaluativen Partikel (ah) eingeführt. Damit deutet die Erwachsene auf eine mögliche alternative Interpretation des Ereignisses hin.

Im Gegensatz zu Karin und Raffael ist bei Giulia (5;10) im Italienischen ein frühes Erwerbsstadium zu erkennen. Dadurch verändern sich auch die Scaffolding-Verfahren der erwachsenen Person. Im folgenden kurzen Ausschnitt (15) betrachten die beiden Gesprächspartnerinnen gemeinsam das Buch Die Torte ist weg! (Tjong-Khing 2017) und kommentieren die Szene, wo ein kleines Schweinchen mit seinem Luftballon auf einen Berg geklettert ist und gerade dabei ist, hinunterzufallen.

(15) Giulia

Durch den Sprachwechsel ins Italienische seitens der erwachsenen Person greift Giulia systematisch entweder auf das Deutsche oder das Ladinische zurück. In erster Linie sind daher unterstützende Maßnahmen auf der sprachlichen Ebene zu erkennen. Folglich bietet die Interaktionspartnerin ihrem kindlichen Gegenüber Paraphrasierungen ins Italienische als Fremdreparaturverfahren zu den Äußerungen auf Deutsch oder Ladinisch (15, quello è andato sulla montagna). Solche Code-Switching- oder Übersetzungsverfahren können u.a. auch als Strategien der Verständigungssicherung bezeichnet werden (verifiche di comprensione im Italienischen, vgl. Pallotti 2006: 133). Eng damit verbunden ist auch die Strategie des Lückenlassens16 (15, ha tirato un…?), wodurch erwartet wird, dass das Kind ins Italienische wechselt (Z. 07). Grundsätzlich liegt kein interrogatives Verfahren vor, sondern eine unvollständige Äußerung mit einer verstärkten Intonation, um die Vervollständigung der Äußerung zu elizitieren (vgl. Margutti 2006: 322). Danach wird die kindliche Äußerung von der erwachsenen Interaktionspartnerin nochmals wiederholt und folglich bewertet, wobei das Adjektiv grande elidiert wird (Z. 08). Die Wiederholung (un salto) dient demnach als positive Bewertung des Lückenschließens (Z. 06–07) und weniger als Feedback zur gesamten kindlichen Aussage.

Wiederholungen können auch als Reparaturverfahren eingesetzt werden, wie im Gespräch mit Giulia in Ausschnitt (16). Die Erzählgrundlage ist dabei eine andere als im vorhergehenden Beispiel (15): Hier wurde das Buch Pimpa e la lumachina blu (Tullio-Altan 2009a) ausgesucht; die Aufmerksamkeit wird auf das Bild gelenkt, wo Pimpa in ihrem Bett schläft.

(16) Giulia

In Zeile 05 wiederholt die erwachsene Person die kindliche Aussage und repariert die Präposition in der Nominalphrase von da ‘von’ zu in ‘in’, ohne jedoch auf die elliptische Struktur der Aussage einzugehen (03: sta sta 04: dal letto). Darauf folgt (Z. 07) eine Reparatur auf lexikalischer Ebene des lautmalerischen Ausdrucks nina für ‘schlafen’.

In diesen beiden Gesprächssituationen mit Giulia zeigt sich, dass dem Gebrauch von unvollständigen Äußerungen mit steigender Frageintonation meist didaktische Fragen vorausgehen. Das Lückenlassen als Reparaturverfahren wird nämlich als letzte Strategie eingesetzt, nachdem Giulia entweder vom vorausgehenden Inhalt abweicht (15, Z. 05) oder eine sprachlich unverständliche Antwort gibt (16, Z. 4). Reparaturen sind in dieser Konversation immer fremdinitiiert, d.h. durch die Erwachsene eingeleitet.

Der folgende Gesprächsausschnitt (17), erneut zwischen Giulia und E2, erweitert das Spektrum des Lückenlassens. Ausgehend von einer spezifischen Szene im Bilderbuch Die Torte ist weg ersucht die Gesprächspartnerin das Kind, die Farbe eines dargestellten Luftballons zu nennen.

(17) Giulia

Auf die erste Frage der erwachsenen Gesprächspartnerin (di che colore è il palloncino?) reagiert Giulia zunächst mit einer grammatisch korrekten Aussage, die jedoch semantisch nicht auf die Frage eingeht (piccolo). Daraufhin führt die Interaktionspartnerin eine Serie von Antwortmöglichkeiten an, die falsche Farben angeben, wodurch das Kind zur Benennung der richtigen Farbe ermutigt werden soll. Schließlich wird die Wortschatzlücke durch die Erwachsene mithilfe einer sprachlichen Unterstützung mit Frageintonation (Z. 07 und 08) gefüllt.

Die narrative Interaktion in dieser Sequenz verläuft anders bei der im Folgenden vorgestellten von Robert (18), dem dreijährigen Jungen aus dem Gadertal. Als Erzählanlass für die Konversation mit der erwachsenen Person dient ein Bilderbuch, das er aus seiner persönlichen Bibliothek selbst ausgesucht hat und das der Interaktionspartnerin unbekannt ist.

(18) Robert

Zum Sprachenrepertoire von Robert kann festgehalten werden, dass in beiden Zweitsprachen eine rezeptive Kompetenz vorliegt, wobei er im Deutschen das primär rezeptive Erwerbsstadium bereits verlassen hat. Sobald die erwachsene Gesprächspartnerin vom Ladinischen ins Italienische wechselt, reagiert das Kind nur sporadisch auf die Fragen. Es überwiegen interrogative Scaffolding-Maßnahmen, zum Beispiel didaktische Fragen, um Robert zum Sprechen zu bewegen und dann auf die unterschiedlichen Handlungen im Buch einzugehen (18). Zudem wird durch den Gebrauch von Diskursmarkern versucht, ihn in die Konversation zu involvieren und eine gemeinsame Interaktion zu gestalten (proviamo a capire). Aufgrund der geringen produktiven Sprachkenntnisse führt die Erwachsene auch Fragen mit einer Modellantwort an und versucht dabei, eine Reaktion des Jungen hervorzurufen (si sta lavando? nascondendo?).17 Die Reparatur erfolgt in diesem Fall nicht auf der inhaltlichen Ebene, sondern auf der rein sprachlichen. Das ist in den Zeilen 10 und 11 deutlich zu erkennen. Auf die Frage cosa fa il gatto? folgt die ladinische Bezeichnung für Katze (l mino). Die Erwachsene bewertet den Inhalt der kindlichen Äußerung nicht, schließt hingegen eine zusätzliche Frage an. Dabei bietet sie ihrem Gegenüber die italienische Entsprechung für l mino (il gattino) und versucht das Thema der Erzählung durch die Fragestellung fortzuführen. Das Eingehen auf das Thema entfaltet sich in Zeile 15, wobei die Erwachsene diesmal die Wiederholung der kindlichen Äußerung als positives Feedback nicht ins Italienische übersetzt, sondern im Ladinischen wiedergibt. Ein analoges Verfahren ist auch in Zeile 20 zu finden. Grundsätzlich handelt es sich – vor dem Hintergrund unseres Korpus – um eine untypische Maßnahme, die jedoch bei jüngeren Kindern durchaus Verwendung finden kann. Dadurch stellt die erwachsene Person sicher, dass das Kind ihr positives Feedback verstanden hat (jo n vicel; e al á ares). Dies tritt insbesondere dann auf, wenn auch das Lückenlassen beim Kind keine Reaktion auslöst (Z. 18).

Das Zurückgreifen auf die Sprache, die das Kind in der italienischen Konversation systematisch verwendet (Ladinisch), kommt nicht nur in den bereits erläuterten Feedback-Kontexten vor. Im folgenden Beispiel (19) stellt die Gesprächspartnerin einige Fragen an Robert zu einer anderen Szene im Bilderbuch, wo ein brennendes Haus dargestellt ist.

(19) Robert

Die Erwachsene wechselt ins Ladinische, nachdem Robert nicht inhaltlich auf die Frage eingegangen ist (boh!18). Dabei formuliert sie eine didaktische Frage mit der möglichen Antwortmöglichkeit (füch éle), gefolgt von einer Gesprächspartikel (o?). Diese dient dazu, das Verständnis seitens des Jungen zu überprüfen. Dieser bejaht die Frage, woraufhin die Erwachsene ihre ladinische Äußerung erweitert (n grüm d füch).

Betrachtet man die neun ausgewählten Erzählsituationen in der L2 Italienisch insgesamt, so kann festgehalten werden, dass das Erwerbsstadium im Italienischen die verschiedenen Scaffolding-Verfahren der erwachsenen Interaktionspartnerinnen prägt. Das Vorhandensein eines fortgeschrittenen Erwerbsstadiums führt vermehrt zu Unterstützungsmaßnahmen, die zum Elaborieren und zur Weiterentwicklung von Handlungen auf der inhaltlichen Ebene dienen. An diese schließen oft Feedbackverfahren an, die die kindlichen Aussagen bewerten. Bei Kindern in einem frühen Erwerbsstadium werden grundsätzlich Reparaturen eingesetzt, die direkt auf die lexikalische Struktur der Aussagen eingehen. Dabei verwendet die erwachsene Gesprächspartnerin in den meisten Fällen das Verfahren des Lückenlassens, wodurch eine direkte Reaktion des Kindes hervorgerufen werden soll. Schließlich scheint auch das Alter der Kinder einen Einfluss auf die Gesprächssituation und folglich auf die Unterstützungsmaßnahmen zu haben, insbesondere beim Vorhandensein eines früheren Erwerbsstadiums. Während beim größeren Kind (Giulia) Code-Switching-Phänomene entweder paraphrasiert oder nicht bewertet werden, kommt es beim Gespräch mit Robert, dem jüngeren Kind, vor, dass die Erwachsene selbst in die vom Kind ausgewählte Sprache switcht.

5 Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

In diesem Beitrag sind wir der Frage nachgegangen, welche Scaffolding-Verfahren in L2-Erzählsequenzen bei ladinischsprachigen Kindergartenkindern zur Anwendung kommen. Ausgehend von der vorliegenden Analyse können einige Tendenzen in Bezug auf das Vorkommen der Unterstützungsmaßnahmen aufgezeigt werden: Im Folgenden wird näher darauf eingegangen, wie die Faktoren i) Sprache der Interaktion, ii) Erwerbsstadium in der L2 (fortgeschritten vs. früh), iii) Alter der Kinder und iv) individueller Gesprächsstil der erwachsenen Interaktionspartnerinnen diese Maßnahmen beeinflussen.

Zunächst scheint die Sprache der Interaktion die Scaffolding-Verfahren nicht wesentlich zu beeinflussen, da das Deutsche und Italienische als Zweitsprache einen in vielen Aspekten ähnlichen soziolinguistischen Status besitzen und prinzipiell über dieselben Mechanismen verfügen (u.a. interrogative Verfahren wie didaktische Fragen und reparierende Verfahren wie Übersetzen bei Code-Switching), auch wenn diese nicht immer mit derselben Häufigkeit auftreten. Ein nicht zu unterschätzender Unterschied zeigt sich lediglich darin, dass sich das Deutsche als Zweitsprache aus zwei Varietäten zusammensetzt, dem Standarddeutschen und einer dialektalen Varietät, was bei Verwendung des Dialekts seitens der Kinder zu einem verstärkten Übersetzen in den Standard durch die erwachsene Gesprächspartnerin führen kann.

Wesentlich beeinflusst wird die narrative Interaktion mit der erwachsenen Person hingegen vom Erwerbsstadium in der L2. Im Falle eines fortgeschrittenen Erwerbsstadiums mit einer produktiven Sprachkompetenz überwiegen narrative Unterstützungsmaßnahmen, insbesondere didaktische Fragen und inhaltliche Erweiterungsvorschläge, die dazu dienen, die Aufmerksamkeit der Kinder auf bestimmte Gegenstände oder Handlungen zu richten und so das Darstellen von Inhaltsrelevanz sowie das Elaborieren zu fördern. Dabei ist zu beobachten, dass sich die erwachsene Interaktionspartnerin nicht primär um ein grammatikalisches Modell in Form von vollständigen Sätzen bemüht, sondern den Fokus auf die inhaltliche Verständigung legt. Reparaturverfahren finden sich in Form von Umformulierungen u.a. bei lernersprachlichen Produktionen und Äußerungen, die Code-Switching-Phänomene aufweisen, d.h. jene Fälle, in denen die Erwachsene eine Sprache verwendet und das Kind eine andere. Die Reparaturen werden meist indirekt durch Paraphrasen durchgeführt, ohne die Aufmerksamkeit auf die zu reparierende Äußerung zu lenken.

Bei Kindern in einem frühen Erwerbsstadium der L2 beziehen sich die meisten Scaffolding-Aktivitäten weniger auf die narrative als auf die rein sprachliche Leistung der Kinder, insbesondere auf deren lexikalische Kompetenz. Dabei überwiegen Reparaturverfahren, u.a. das Lückenlassen, das zur-Verfügung-Stellen einer Modellantwort bei fehlender oder nicht entsprechender Antwort sowie das wörtliche Übersetzen. Diese Scaffolding-Verfahren dienen vor allem dazu, den Kindern ein Modell zur Nachahmung zur Verfügung zu stellen. Alle Arten von Reparaturen werden häufig mit einer Frageintonation realisiert, wobei dieses prosodische Mittel bei den Kindern eine zumindest mentale Reaktion auslösen und so im Sinne Vygotskijs (1960/1992) zur Verinnerlichung gemeinsamen sprachlichen Handelns beitragen soll. Dem Übersetzen einzelner Wörter kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da das Fördern von Sprachwechsel und Code-Switching vor allem in einem frühen Erwerbsstadium einen wesentlichen Beitrag zur Verständnissicherung und zum Wortschatzausbau leisten kann. Die Code-Switching-Phänomene zeigen zudem, dass alle Kinder ihr individuelles Sprachenrepertoire voll ausschöpfen – es wird sowohl in die L1 Ladinisch als auch in die andere L2 geswitcht. Daran zeigt sich, dass die Kinder im Sinne einer fließenden Mehrsprachigkeit, bei der die Grenzen zwischen den Sprachen verwischen, strategisch vorgehen, um den kommunikativen Aufgaben des Erzählens gerecht zu werden.

In geringerem Maße wirkt sich auch das Alter der Kinder auf die Maßnahmen zur narrativen Unterstützung aus. So sind bei jüngeren Kindern spezifische Verfahren zur Verständnissicherung auszumachen, wie das Explizitmachen von Proformen durch lexikalische Vollformen oder ein stärkerer Rückgriff auf die L1 Ladinisch seitens der Gesprächspartnerin. Nicht zuletzt konnten Unterschiede im individuellen Scaffolding-Stil der Projektmitarbeiterinnen festgestellt werden. So zeigte sich, dass die zur Kindergartenpädagogin für den mehrsprachigen Kontext ausgebildete Projektmitarbeiterin Code-Switching-Phänomene systematisch durch Paraphrasen oder wörtliche Übersetzungen repariert, während die Gesprächspartnerin, die keine spezifische pädagogische oder sprachdidaktische Ausbildung genossen hat, dazu tendiert, Code-Switching-Phänomene entweder nicht zu reparieren oder diese explizit durch Metakommentare zu thematisieren. Interessant ist dabei, dass die erste Gesprächspartnerin auch Sprachwechsel in den deutschsprachigen Dialekt repariert, wodurch sie ein Modell nicht nur für die korrekte Sprachwahl, sondern auch für die Verwendung des Standarddeutschen bietet. Die Ergebnisse weisen daher auf die große Bedeutung der Professionalisierung pädagogischer Fachkräfte hin, u.a. in Bezug auf Aspekte der Kind-Erwachsenen-Interaktion und insbesondere hinsichtlich der Gestaltung der Sprachförderung in mehrsprachigen Kontexten. In diesem Zusammenhang ist auch der Einsatz von Bilderbüchern für den kindlichen Erzählerwerb in der Zweitsprache ein zentraler Aspekt, den es in der Diskussion rund um den hier dargestellten Untersuchungsgegenstand des Scaffolding sowie in der Professionalisierung selbst zu berücksichtigen gilt.

In zukünftigen Studien könnte der Frage nachgegangen werden, welche Scaffolding-Maßnahmen im frühen Zweitspracherwerb besonders wirksam sind, um so die kindliche Sprach- und Erzählkompetenz möglichst effizient zu fördern. Außerdem bleibt zu klären, inwiefern das Ladinische als Zweitsprache in analogen Kontexten gleiche Merkmale wie die großen Sprachen Deutsch und Italienisch aufweist, oder ob die Besonderheit der Minderheitensprache unterschiedliche Strategien in der Erwachsenen-Kind-Interaktion bewirken kann.

Notes

  1. Der Beitrag ist in enger Zusammenarbeit der beiden Autorinnen entstanden. Die Kapitel 1, 2.2 und 4.1 sind Katharina Salzmann zuzuordnen, die Kapitel 2.1, 3 und 4.2 Ruth Videsott. Kapitel 5 wurde von den Autorinnen gemeinsam verfasst. [^]
  2. Daneben gibt es auch andere Konzepte, die die Erzählstruktur beschreiben, so z.B. der kognitive Ansatz und der dialogorientierte Ansatz (vgl. Hausendorf/Quasthoff 2005: 12–17). [^]
  3. Chlosta/Schäfer/Baur (2020: 365) definieren prompts als virtuelle, intonatorisch erzeugte Lücken, die zur Selbstreparatur auffordern. [^]
  4. Tracy/Gawlitzek-Maiwald (2000: 497) sprechen diesbezüglich von einer dominanten Sprache, die stärker entwickelt ist als die andere. [^]
  5. AcuiLad (First and multilingual acquisition processes at kindergarten age: the example of the Ladin valleys in South Tyrol) ist ein von der Freien Universität Bozen finanziertes Forschungsprojekt unter der wissenschaftlichen Leitung von Ruth Videsott und Katharina Salzmann, das eine Laufzeit von 22 Monaten hatte (September 2019 bis Juni 2021). [^]
  6. Die Abkürzung K steht für Kind, E für Erwachsene.
  7. Die Beispiele werden nach den Transkriptionskonventionen GAT 2 auf der Stufe des Basistranskripts verschriftlicht (vgl. Selting/Auer/Barth-Weingarten et al. 2009).
  8. Der Begriff ‘Fehler’ bezeichnet in der Spracherwerbsforschung „wertungsfrei eine entwicklungsbedingte Abweichung von der zielsprachlichen Norm“ (Grimm/Cristante 2022: 37) und soll hier keine defizitorientierte Perspektive suggerieren. [^]
  9. Die Übersetzungen ins Deutsche werden durch Kursivdruck und in einfachen Anführungszeichen in den jeweils darunterliegenden Zeilen gekennzeichnet.
  10. An diesem Beispiel sieht man zudem, dass die Projektmitarbeiterinnen mit den Kindern relativ standardnah sprechen (wie dies auch im institutionellen Kontext der schulischen Einrichtungen üblich ist), während die Kinder häufig eine dialektal geprägte Variante des Deutschen sprechen, vor allem wenn sie auch außerhalb der Bildungseinrichtungen Kontakt zu Deutschsprachigen haben und einen teilweise ungesteuerten Erwerb durchlaufen. Zur Verwendung des Dialekts bei Kindern mit deutscher Zweitsprache in Südtirol vgl. u.a. Franceschini/Saxalber (2016: 40–41). [^]
  11. Zum Darstellen von Inhaltsrelevanz und den jeweiligen Reaktionen der Kinder vgl. Hausendorf/Quasthoff (2005: 149–152). [^]
  12. Während Code-Switching im Zweitsprachenunterricht traditionell als Fehler registriert wurde (vgl. Chlosta et al. 2020: 357–358), wird es in der neueren Spracherwerbsforschung als wichtige Strategie für mehrsprachige Sprecher/innen betrachtet, die nicht zwangsläufig auf Wortschatzlücken zurückzuführen ist (vgl. Grimm/Cristante 2022: 44). Zum Code-Switching bei Kindern der Fersentaler Minderheit im Trentino vgl. Ricci Garotti (2012: 175). [^]
  13. In manchen Fällen liefert die Erwachsene nicht sofort die vollständige Übersetzung, sondern verwendet zunächst die Strategie des Lückenlassens (engl. prompts), um das deutsche Wort zu elizitieren (vgl. die italienischen Beispiele 16 und 17 in Abschnitt 4.2). [^]
  14. Strategien, um das Kind zum Weitererzählen zu motivieren, können auch als topic proposal bezeichnet werden, sprich als Fragen, die die Funktion haben, das Thema der Erzählung fortzuführen (vgl. Kern/Quasthoff 2005: 20–21). [^]
  15. In dem für diesen Beitrag relevanten soziolinguistischen Kontext kann boh als Diskursmarker im kommunikativen Kontext mehrere Funktionen übernehmen: i) turn-taking; ii) Lücken füllen, wenn der Sprecher/die Sprecherin Schwierigkeiten im Diskursaufbau hat; iii) Zweifel, Unsicherheit oder Ungewissheit dem Hörer/der Hörerin gegenüber ausdrücken (vgl. Leonardi 2021: 48–52). [^]
  16. Diese Strategie, auch Eliciting Completion Device (vgl. Margutti 2006: 322–328) genannt, gehört grundsätzlich zu den meistverwendeten Unterstützungsverfahren in der Klasseninteraktion mit Schülern/Schülerinnen. [^]
  17. s. dazu auch Beispiel (8) für die L2 Deutsch. [^]
  18. Boh! hat in diesem Zusammenhang offensichtlich die Funktion, Ungewissheit auszudrücken (vgl. Leonardi 2021). [^]

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Kurzbio:

Dr. Katharina Salzmann (PhD) ist Junior-Professorin (RTDb) für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Trient (Italien). Die Promotion erlangte sie 2015 an der Universität Pisa (Italien), von 2018–2022 war sie als Dozentin an der Freien Universität Bozen (Italien) im bildungswissenschaftlichen Studiengang tätig. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen: kindlicher Erst- und Zweitspracherwerb, universitäre DaF-Didaktik mit italophonen Lernenden, Wissenschaftssprache, Syntax und Pragmatik der gesprochenen Sprache, auch in kontrastiver Perspektive Deutsch-Italienisch.

Dr. Ruth Videsott (PhD) ist Forscherin (RTDa) für rätoromanische Linguistik und Didaktik an der Freien Universität Bozen (Italien). Ihre Promotion in romanistischer Sprachwissenschaft erlangte sie an der Universität Wien (Österreich). Im Mittelpunkt ihrer aktuellen Forschungstätigkeiten liegen vor allem soziolinguistische Schwerpunkte sowie Themen zum Spracherwerb in mehrsprachigen Kontexten und zur Didaktik von Minderheitensprachen mit besonderer Berücksichtigung des Dolomitenladinischen.

Anschrift:

Dr. Katharina Salzmann

Università degli Studi di Trento

Dipartimento di Lettere e Filosofia

Via Tommaso Gar 14

38122 Trento (TN)

Italia

katharina.salzmann@unitn.it

Dr. Ruth Videsott

Freie Universität Bozen

Fakultät für Bildungswissenschaften

Regensburger Allee 16

39042 Brixen (BZ)

Italien

ruth.videsott@unibz.it

Authors

  • Katharina Salzmann (Università di Trento)
  • Ruth Videsott

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  • Themenschwerpunkt: Erzählen in multilingualen und interkulturellen Kontexten

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