1 Einleitung
Durch Migrationsbewegungen aus verschiedenen arabischsprachigen Ländern nach Europa und der damit verbundenen Niederlassung auch in Deutschland mehrte sich nicht nur das Bedürfnis nach Unterricht in Arabisch als Fremdsprache, sondern insbesondere nach herkunftssprachlichem Arabischunterricht. Bereits in der zweiten Generation der Einwanderer/-innen hat sich das Bild in Deutschlands Schulen geändert. Nachdem sich durch den Zuzug vor allem griechischer, italienischer und türkischer Arbeitsmigrant/inn/en der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bereits eine Didaktik auf die Bedürfnisse der Kinder der neu eingewanderten Bevölkerung ausgerichtet hat, wurde diese in den letzten Jahrzehnten weiter ausgebaut und umstrukturiert. „Im Laufe der Jahrzehnte wandelte er [der sog. muttersprachliche Unterricht] sich zu einem Instrument zur Förderung der muttersprachlichen Kompetenz und Vermittlung der Kultur des Herkunftslandes der Eltern“ (Bouras-Ostmann 2016: 485). Für viele Familien, die aus arabischsprachigen Ländern nach Deutschland einwanderten, ist es ein Anliegen, ihre Kinder in einem deutschen Umfeld auch mit ihrer Herkunftskultur und -sprache zu sozialisieren. Da die arabische Sprache in zahlreichen Ländern als Erst- oder Zweitsprache gesprochen wird, die teilweise geographisch, kulturell und auch dialektal weit auseinanderliegen, ergeben sich besondere Herausforderungen oder Chancen für den herkunftssprachlichen Arabischunterricht. In diesem Artikel wird der Frage nachgegangen, wie es sich mit der Heterogenität der Lerngruppen im Unterricht für Arabisch als Herkunftssprache verhält. Von Interesse ist dabei, wie heterogen die Schülerschaft ist, wie diese Heterogenität von den Lehrkräften aufgenommen und bewertet wird, und wie damit in der Unterrichtsgestaltung umgegangen wird. Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, wurde eine Interviewstudie mit vier Lehrkräften aus dem Raum Dresden durchgeführt. Zunächst wird ein kurzer Überblick über den herkunftssprachlichen Unterricht (HSU) an sächsischen Schulen gegeben. Nach einem kurzen Forschungsüberblick zum Umgang mit heterogenen Lerngruppen in der Didaktik, und speziell im Sprachunterricht, wird die verwendete Methodik des qualitativen Interviews und deren Auswertung vorgestellt. Im letzten und umfangreichsten Teil dieses Artikels werden schließlich die qualitativen Analyseergebnisse strukturiert vorgestellt, um auf die Forschungsfragen zu antworten.
2 Rahmenbedingungen des HSU Arabisch an sächsischen Schulen
Seit den 1990er Jahren ist das Themenfeld Mehrsprachigkeit vermehrt in die Schuldebatte in Deutschland eingegangen. Der herkunftssprachliche Unterricht selbst „geht auf eine Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften für Wanderarbeitnehmerkinder von 1977 zurück“ (Bouras-Ostmann 2016: 484). Zunächst ging es bei der Einrichtung des herkunftssprachlichen Unterrichts darum, den Einwanderern/-innen und Geflüchteten die Möglichkeit der Rückkehr ins Herkunftsland offen zu halten. Später spielte der Faktor eine Rolle, die Sprache innerhalb der Familie und die Identität der Kinder stärken zu wollen. Vor dem Hintergrund der jüngeren Bildungsdebatte steht die Förderung des schulischen Erfolgs der Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund im Vordergrund. Gemeint sind Kinder, die „selbst oder [von denen] mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitz[en]” (Statistisches Bundesamt 2016). Wird das familiäre Umfeld, in dem diese Kinder aufwachsen, neben der deutschen Sprache simultan von mindestens einer weiteren Sprache geprägt, so spricht man von lebensweltlicher Mehrsprachigkeit (vgl. Brehmer/Mehlhorn 2018: 10). Um dieses Potenzial gezielt zu nutzen, begann man neben dem Unterricht von Deutsch als Zweitsprache (DaZ) dem HSU mehr Aufmerksamkeit zu widmen. HSU wurde schon seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Rahmen von Konsulatsunterricht angeboten, wobei „neben der Sprache auch Inhalte zu Land und Kultur vermittelt“ werden (Pürckhauer 2020: 3). Neben diesem Angebot der Konsulate und Botschaften, das teilweise in die Kritik kam, ideologischen Einfluss auf die Kinder auszuüben, entstanden und existieren bis heute speziell für die arabische Sprache zusätzlich Angebote der Moscheen in Deutschland. Wenn es keine staatlich organisierte Form des herkunftssprachlichen Unterrichts gibt, müssen Eltern auf die bestehenden Angebote in Moscheen und Konsulaten zurückgreifen, um ihre Kinder in der Herkunftssprache zu fördern – „auch, wenn sie davon nicht unbedingt ideologisch oder religiös überzeugt sind“ (Sammann 2021). Da der Konsulatsunterricht zunehmend in die Kritik geriet, „Einfluss auf die Schüler/innen zu nehmen“ (ebd.) und um eine staatlich initiierte Alternative neben dem herkunftssprachlichen Arabischunterricht an Moscheen vorzuhalten, bieten einzelne Bundesländer seit einigen Jahren verstärkt auch HSU an staatlichen Schulen an.
Sachsen gehört mit seinem Angebot von siebzehn Herkunftssprachen zu den Bundesländern mit dem größten schulischen Angebot im herkunftssprachlichen Bereich (vgl. Pürckhauer 2020). Der HSU in Sachsen ist in drei verschiedenen Formen vorgesehen, wobei er aktuell praktisch nur in einer Form umgesetzt wird. Die Struktur und die Lernziele der verschiedenen Formen sind in der vom Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) herausgegebenen Handreichung „Rahmenpläne für den herkunftssprachlichen Unterricht“ (Sächsisches Bildungsinstitut 2019) festgehalten. Zum einen kann der HSU als klassen-, schul- und schulartübergreifender Unterricht im Wahlbereich, d.h. als zusätzliches Angebot außerhalb der regulären Schulzeit, stattfinden. Der Unterricht wird in der Regel jahrgangsübergreifend für Schüler/innen mit Migrationshintergrund von Klassenstufe 1 bis 10 organisiert. Meistens wird er am Nachmittag angeboten und umfasst zwei Wochenstunden pro Lerngruppe. Die Teilnahme ist freiwillig und unbenotet. Zudem ist kein separater Lehrplan für Arabisch vorgesehen, sondern lediglich die bereits erwähnten Rahmenpläne, die sich allgemein auf sämtliche Herkunftssprachen beziehen. Die zweite Form des HSU ist die Wahl der jeweiligen Herkunftssprache als Ersatz für die zweite Fremdsprache an Gymnasien und Oberschulen. Dieses Angebot sieht einen eigenen Lehrplan vor und beginnt in der 6. Klassenstufe. Theoretisch können die Schüler/innen statt Französisch oder Russisch als zweite Fremdsprache ihre Herkunftssprache wählen, selbst wenn diese keine reguläre zweite Fremdsprache an ihrer Schule ist. Damit diese benotete und im Zeugnis erscheinende Form des Unterrichts zustande kommt, müssen aber genügend Schüler/innen mit gemeinsamer Herkunftssprache in einer Klassenstufe zusammenkommen. Dies ist in Sachsen bisher weder für Arabisch noch für eine andere Herkunftssprache der Fall, sodass es sich hier lediglich um eine theoretische Möglichkeit handelt. Darüber hinaus kann HSU auch im Rahmen der Ganztagsangebote (GTA) der Schulen angeboten werden. Bei GTA handelt es sich um ein freiwilliges Zusatzangebot, das von den einzelnen Schulen für alle Schüler/innen organisiert wird und somit nicht der direkten Kontrolle durch das LaSuB untersteht. In der Schulpraxis und speziell für Arabisch in Sachsen wurden die zwei zuletzt genannten Formen des HSU bislang jedoch noch nicht umgesetzt.
3 Heterogenität im schulpädagogischen Kontext
Heterogenität als Bezeichnung für Verschiedenartigkeit oder Ungleichheiten ist als Terminus vor allem im wissenschaftlichen und schulpädagogischen Kontext anzutreffen. Als Äquivalente können die Begriffe Diversity, Differenz und Ungleichheit aufgeführt werden (vgl. Mecheril/Vorrink 2014: 89). Obwohl das Thema Heterogenität in der Didaktik bereits untersucht wurde, beschränkt sich der Forschungsgegenstand häufig auf den Fremdsprachenunterricht (vgl. Doff 2016). Heterogene Lerngruppen im HSU wurden dagegen bisher kaum untersucht – sicher auch aufgrund des erschwerten Zugangs zu diesem Forschungsfeld. Deshalb sollen an dieser Stelle zunächst einige grundlegende Erkenntnisse aus der Erforschung der Heterogenität in Lerngruppen im Schulkontext dargestellt werden, bevor diese auf den HSU übertragen werden.
Hinsichtlich sprachlicher oder kultureller Hintergründe werden heterogene Lerngruppen in der Erziehungswissenschaft bereits seit einiger Zeit erforscht. Die Beschäftigung mit darauf bezogenen Fragestellungen hält aber erst seit kurzem auch in den Fachdidaktiken Einzug (vgl. Montanari/Panagiotopoulou 2019: 1). Vor allem im vergangenen Jahrzehnt wurden einige Werke zum Thema Heterogenität in der Didaktik herausgegeben. In der Fremdsprachendidaktik geht es beispielsweise darum, „Heterogenität im Fremdsprachenunterricht nutzbar [zu] machen“ (ebd.: 2). Das lässt darauf schließen, dass heterogene Lerngruppen in der Theorie als positiv und bereichernd wahrgenommen werden. Die Betrachtung der Heterogenität innerhalb einer Lerngruppe als Bereicherung kann unter anderem auf den Ansatz der Kontakthypothese zurückgeführt werden, die „einen der einflussreichsten Ansätze zur Reduzierung von Vorurteilen und Intergruppenkonflikten beschreibt […]. Sie besagt, dass durch persönlichen Kontakt von Mitgliedern aus unterschiedlichen Gruppen Vorurteile und Feindseligkeit abgebaut werden“ (Becker 2004: 77).
Im Sammelband von Becker (2004) werden verschiedene Heterogenitätsdimensionen unterschieden: familiäre Lebensverhältnisse der Schüler/innen, verschiedene Lerntypen, Altersunterschiede sowie der religiöse Hintergrund. In Bezug auf den Altersunterschied der Lernenden sind in der Forschung bereits einige Ansätze zu Unterricht von jahrgangsheterogenen Gruppen zu finden. Für diese Herangehensweise sprechen „soziale Effekte, die notwendige Neugestaltung der Lernkultur, die um Gestaltungsprinzip erhobene Differenzierung und Individualisierung des Unterrichts“ (Dockhorn/Eikmanns-Rote/Godejohann/ Lenzen 2004: 58). Andererseits „erfordert [jahrgangsheterogenes Lernen] ein kaum zu bewältigendes Ausmaß an Differenzierung und Individualisierung und damit einen übermäßigen Arbeitsaufwand“ (ebd.: 59).
Das Innsbrucker Modell der Fremdsprachendidaktik unterscheidet drei wesentliche Aspekte der Heterogenität (vgl. Hinger 2016: 160–166): den demographischen Aspekt, den Aspekt der Sprache und schließlich den Aspekt der Teamarbeit und Lernrückmeldungen. Aus den verschiedenen vorgestellten Herangehensweisen und Ansätzen, die nur einen kleinen Ausschnitt aus der Heterogenitätsforschung abbilden, wird deutlich, dass „die Zahl der Merkmale, nach denen man eine Gruppe als mehr oder weniger heterogen klassifizieren kann, [..] im Prinzip unendlich [ist]“ (Trautmann/Wischer 2011: 37) und dass diese Merkmale unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Im schulischen Kontext können als Dimensionen der Heterogenität der familiäre Hintergrund der Schüler/innen, die Bildungssprache, Flucht, Behinderungen, Intelligenz und Vorwissen sowie das Geschlecht genannt werden (vgl. Vock/Gronostaj 2017: 19–46). Auch im HSU können diese verschiedenen Dimensionen der Heterogenität identifiziert werden und werden oft dadurch verstärkt, dass der HSU „aus organisatorischen Gründen meist in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen statt[findet], in denen Altersunterschiede von fünf Jahren keine Seltenheit sind“ (Brehmer/ Mehlhorn 2018: 72). So bringen die Schüler/innen nicht nur unterschiedliche mündliche und schriftliche Fähigkeiten mit, sondern auch die literalen Kompetenzen, die Bedürfnisse nach verschiedenen Lernformen und die Motivation können sehr stark voneinander abweichen. Insbesondere im herkunftssprachlichen Arabischunterricht kommt hinzu, dass die Kinder oft aus verschiedenen Ländern kommen und zuhause unterschiedliche Dialekte hören bzw. sprechen.
Man kann allgemein zwischen innerer und äußerer Differenzierung unterscheiden. Während äußere Differenzierung Maßnahmen zur Einteilung der Schüler/innen in möglichst homogene Gruppen, z.B. in verschiedene Schularten, Profile und Jahrgangsklassen umfasst, handelt es sich bei der inneren Differenzierung bzw. Binnendifferenzierung um eine „situations- und lernzielgebundene gruppeninterne Differenzierung, die von der Lehrkraft individuell eingesetzt werden kann“ (ebd.). Dabei wird in der Regel innerhalb einer Lerngruppe zwischen verschiedenen Niveaustufen unterschieden, um auf jeden Lernenden individuell eingehen zu können. Nach der Diagnose der jeweiligen Lernstände und Lernfortschritte nehmen die Lehrkräfte je nach Interessen und Leistungsvermögen solch eine Einteilung vor und bereiten unterschiedliches Unterrichtsmaterial vor. Es wurden verschiedene theoretische Modelle und Konzepte für die innere Differenzierung im Unterricht entwickelt, jedoch „ergeben sich in der heutigen Unterrichtsrealität deutliche praktische Probleme“ (Vock/Gronostaj 2017: 68) bei der Bestimmung des jeweiligen Lernstandes sowie der Bereitstellung von passenden Materialien. Diese Problematik sollte bei der Betrachtung der qualitativen Analyseergebnisse in Kap. 5 im Auge behalten werden.
4 Vorstellung der Interviewstudie
Durch eine Interviewstudie mit Lehrkräften wurden die Art der Heterogenität und der Umgang mit heterogenen Lerngruppen im herkunftssprachlichen Arabischunterricht untersucht. Neben den Forschungsfragen, wie sich die Dimensionen der Heterogenität auf die Unterrichtsgestaltung auswirken und wie sie positiv für den Unterricht nutzbar gemacht werden können, bezog sich ein weiteres Erkenntnisinteresse darauf, ob Heterogenität als Herausforderung oder Chance betrachtet wird (vgl. Mecheril/Vorrink 2014: 93). Im Folgenden sollen zunächst das Erhebungsinstrument, die Durchführung der Studie und die Auswertungsmethode erläutert werden, bevor wir zur Darstellung der Forschungsergebnisse kommen.
4.1 Methodischer Hintergrund und Umsetzung
Eine Untergruppe des qualitativen Interviews, die in unserer Forschung Anwendung fand, ist das Leitfadeninterview, welches die Möglichkeit bietet, bestimmte Themen zur Sprache zu bringen, aber dennoch der interviewten Person Freiheit in der Formulierung und Schwerpunktsetzung lässt. Da ein solches Interview einem alltäglichen Gespräch gleichen soll, werden die vorformulierten Fragen offen gestellt und an den Gesprächsverlauf angepasst, sodass die Befragten nicht in eine Interviewsituation gedrängt werden (vgl. Strübing 2018: 103). Dadurch kann die Tendenz zu sozial erwünschten Antworten verringert und stattdessen eigenstrukturiertes Erzählen ermöglicht werden. Eine besondere Form des Leitfadeninterviews stellt das Experteninterview dar. Dabei werden Menschen befragt, „die ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen, und Experteninterviews sind eine Methode dieses Wissen zu erschließen“ (Laudel/Gläser 2004: 10). Im Gegensatz zu anderen Arten der Interviewführung ist ein leitfadengestütztes Experteninterview darauf ausgerichtet, sachliche Informationen vom Gesprächspartner zu erfahren, der für ein bestimmtes Gebiet als Experte/Expertin gilt.
Zur systematischen Durchführung dient ein halbstandardisierter Interviewleitfaden, in dem die Forschungsfrage der Untersuchung operationalisiert wird. Dies geschieht durch die Formulierung „konkrete[r] Interviewfragen, die im Hinblick auf die Erfahrungswelt der Experten nachvollziehbar und beantwortbar sind“ (Kaiser 2014: 52). Offen und allgemein formulierte Fragen werden verschiedenen Kategorien zugeteilt, denen sich dann je nach Gesprächsverlauf entsprechende Vertiefungsfragen unterordnen lassen, die ein genaueres Nachfragen zu einem angesprochenen Thema ermöglichen.
Die vier diesem Leitfaden zugrunde liegenden Themenschwerpunkte umfassen den beruflichen Hintergrund der Lehrperson selbst, die Rahmenbedingungen des herkunftssprachlichen Unterrichts, die Zusammensetzung der Lerngruppen, sowie zuletzt die Unterrichtsmethoden, die den Umgang mit der Heterogenität der Lerngruppe beschreiben. Jeder Kategorie wurden verschiedene Vertiefungsfragen untergeordnet, die gezieltes und flexibles Nachfragen erlauben (vgl. den Interviewleitfaden im Anhang).
4.2 Durchführung der Studie
Im Rahmen der diesem Artikel zugrundeliegenden empirischen Untersuchung nahmen im September und Oktober 2021 insgesamt vier Lehrkräfte für den herkunftssprachlichen Unterricht Arabisch aus dem Großraum Dresden an der Befragung teil. Die Lehrkräfte wurden im Vorfeld persönlich angefragt, ob sie für ein Gespräch zum Thema herkunftssprachlicher Arabischunterricht zur Verfügung stünden und mit einer Aufzeichnung des Gespräches einverstanden seien. Jeder einzelne Gesprächstermin fand über die Plattform Zoom statt und wurde nach Einverständnis der Lehrkraft durch Aufnahme der Videokonferenz audiografiert. Das Gespräch mit Lehrkraft A am 16.09.2021 sowie das Gespräch mit Lehrkraft B am 23.09.2021 dauerte etwa eine Stunde. Das Gespräch mit Lehrkraft C am 16.10.2021 wurde aufgrund einer technisch bedingten Unterbrechung in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Videokonferenzen zweigeteilt aufgenommen und hatte insgesamt eine Länge von 52 Minuten. Das vierte Gespräch mit Lehrkraft D, das am 24.09.2021 stattfand, war etwas kürzer und dauerte nur etwa 46 Minuten.
Die vier Befragten kommen aus Syrien (s. Tabelle 1) und sprechen Arabisch als Erstsprache. Obwohl alle befragten Lehrkräfte auch über ausreichende bis gute Deutschkenntnisse verfügen, wurden die Interviews von den Autor/inn/en dieses Beitrags überwiegend in arabischer Sprache geführt, um einen besseren Redefluss und präzisere Aussagen zu gewährleisten. Die audiografierten Gespräche wurden in Form einer Grobtranskription wortgetreu und zusammenhängend verschriftet.
4.3 Auswertung der Interviews
Als Grundlage für die systematische Interpretation der Interviews dient die qualitative Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring. Die Analyse wird an den vollständigen Interviews durchgeführt, wodurch sich keine Einschränkung des Materials ergibt. Dies ist besonders wichtig, um den Text als Ganzes zu verstehen und Sinnzusammenhänge der befragten Person ausfindig zu machen. Die Analyse beruht auf dem audiografierten und transkribierten Tonmaterial. Bei der Transkription wurde auf die Kennzeichnung von paraverbalen Mitteln wie Hervorhebungen und intonatorischen Besonderheiten verzichtet. Es wurden lediglich Pausen, die durch Füllwörter gefüllt wurden, kenntlich gemacht. Dies lässt sich damit begründen, dass sich die Analyse hauptsächlich auf die gesagten Inhalte fokussiert. Dabei erstreckte sich die systematische Transkription nicht auf das gesamte Material, sondern auf die für die Beantwortung der Forschungsfragen bedeutungstragenden Ausschnitte aus den Interviews. Diese Transkriptionen dienen als Grundlage für die qualitative Inhaltsanalyse.
Die im Vorhinein formulierten Forschungsfragen bestimmen die Auswertung des Materials, sodass es sich um deduktive Analysekategorien handelt. Im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse ist das vorliegende Material stets in seinem Kommunikationszusammenhang zu verstehen (vgl. Mayring 2015: 50). Zum Zweck einer vordergründig inhaltlichen Analyse kann auf die Analysetechnik der Zusammenfassung innerhalb der qualitativen Inhaltsanalyse zurückgegriffen werden. Die Zusammenfassung zeichnet sich vor allem durch die Reduzierung des Materials aus (vgl. ebd.: 67). Diese muss jedoch nachvollziehbar und wiederholbar sein, indem sie vorab festgelegten Regeln folgt (vgl. ebd.: 51). Das komplette transkribierte Material wird berücksichtigt und Schritt für Schritt abstrahiert, um zu einer am Material begründeten Beantwortung der Forschungsfrage zu kommen. Zunächst bedarf es der Definition sogenannter Kodiereinheiten, welche Einheiten aus dem Text darstellen, die zu einer Paraphrase umgeschrieben werden. Im Rahmen der Forschung zu Heterogenität im herkunftssprachlichen Arabischunterricht handelt es sich dabei um Aussagen über den eigenen professionellen Hintergrund der Lehrkräfte, ihre Lehrerfahrung, ihre Wahrnehmung und Beurteilung der Lerngruppe sowie ihre Strategien der Differenzierung im Unterricht. Im Detail sind folgende Analyseschritte nach der qualitativen Inhaltsanalyse vorgesehen: In der Paraphrasierung werden Kodiereinheiten auf ihren Inhalt beschränkt und in einfache grammatische Formen umgeschrieben. Daraufhin ist das Abstraktionsniveau zu bestimmen, welches sich nach dem Ausgangsmaterial richtet. Die Paraphrasen, die unter diesem Niveau liegen, werden verallgemeinert. Anschließend werden in der Phase der Reduktion bedeutungsgleiche Paraphrasen gestrichen und redundante ausgelassen, um die sich aufeinander beziehenden Paraphrasen schließlich zusammenzufassen und zu abstrahieren. Daraus werden Kategorien gebildet, deren Bezug zum Ausgangstext im letzten Schritt der Analyse durch Überprüfung sichergestellt wird.
Die Ergebnisse dieser mehrschrittigen Analysearbeit sollen im Folgenden dargestellt werden, um die eingangs gestellten Forschungsfragen beantworten zu können. Bei den nachfolgend dargestellten Analyseergebnissen wird auf die Aussagen der vier Lehrkräfte Bezug genommen, indem diese in anonymisierter Form als Lehrkraft A, B, C und D bezeichnet werden.
5 Analyseergebnisse
Die qualitative Analyse der leitfadengestützten Interviews mit den befragten Lehrkräften ergibt einen praxisnahen Einblick in den herkunftssprachlichen Arabischunterricht an sächsischen Schulen. Bei der Auswertung der Interviews wird deutlich, dass interviewübergreifend immer wieder bestimmte Aspekte von den Lehrkräften in Bezug auf die Heterogenität von Lerngruppen benannt und differenziert dargestellt werden. Auf dieser Grundlage werden im Folgenden die Ergebnisse unter vereinheitlichten subsumierten Kategorien präsentiert.
Die Analyse erfolgt kategoriengeleitet in der Reihenfolge der thematischen Blöcke im Interviewleitfaden.
5.1 Persönlicher Hintergrund
Die vier befragten Lehrkräfte unterrichten Arabisch als Herkunftssprache in unterschiedlichem zeitlichem Umfang an Grund- und Oberschulen im Wahlbereich. Meist umfasst der Unterricht zwei Wochenstunden pro Klasse.
Alle vier Lehrkräfte haben sowohl ihren Schulabschluss als auch einen Bachelorabschluss in ihrem arabischsprachigen Heimatland Syrien absolviert. In Bezug auf ihre Profession und die Lehrerfahrung haben die befragten Lehrkräfte ähnliche Hintergründe. Zwei von ihnen haben ein Studium der arabischen Sprache und Literatur absolviert und bereits in Syrien praktische Lehrerfahrung in Schulen gesammelt. Die anderen zwei Lehrkräfte haben ein Studium der englischen Sprache und Literatur absolviert und in ihrem Heimatland bereits eine Lehrtätigkeit ausgeübt bzw. in Deutschland begonnen, Arabisch zu unterrichten. Lehrkraft A ist die einzige der vier befragten Lehrkräfte, die nicht auf Lehrerfahrungen aus ihrem Heimatland zurückgreifen kann, da sie erst in Deutschland mit der Lehrtätigkeit begonnen hat. Tabelle 1 fasst die wichtigsten Informationen zu den Befragten zusammen:
Lehrkraft A | Lehrkraft B | Lehrkraft C | Lehrkraft D | |
---|---|---|---|---|
Herkunftsland | Syrien | Syrien | Syrien | Syrien |
Studium | Englische Literatur | Arabische Sprache und Literatur | Arabische Literatur | Anglistik |
Frühere Unterrichtserfahrung | keine | Mehrere Jahre Arabisch unterrichtet | Drei Jahre an Schulen unterrichtet | Mehrere Jahre Englisch unterrichtet |
HSU-Lehrkraft | Seit 2017 | Seit 2017/2018 | Seit 2019 | Seit 2019 |
Interview am | 16.09.2021 | 23.09.2021 | 16.10.2021 | 24.09.2021 |
Unterrichtete Lerngruppen (2021/2022) | 1x Grundschule (1.-2. Klasse), 1x Grundschule (3.-4. Klasse) |
1x Grundschule (1.-4. Klasse), 1x Oberschule (5.-9. Klasse) |
3x Grundschule (1.-4. Klasse), 1x Oberschule (5.-9. Klasse) |
2x Grundschule (1.-4. Klasse), 2x Oberschule (5.-9. Klasse) |
In Deutschland sind die vier Lehrkräfte im HSU für die arabische Sprache in verschiedenen sächsischen Schulen im Gebiet Dresden, Meißen, Großenhain und Riesa tätig. Die Lehrkräfte unterrichten Lerngruppen von unterschiedlicher Größe. Lehrkraft D unterrichtet Klassen, die zwischen 10 und 20 Schüler/innen variieren (vgl. Int D: 6:37)1. Im Unterricht der Lehrkraft C befinden sich teilweise nur drei Schüler/innen (vgl. Int C: 11:00). Lehrkraft A hingegen unterrichtete zu Beginn des Schuljahres 20 Schüler/innen, jedoch vergrößerte sich die Gruppe bis zum Ende des Schuljahres auf 40 Schüler/innen (vgl. Int A: 13:13). Die Lerngruppen der Lehrkraft B unterscheiden sich in Bezug auf die Anzahl je nach dem Alter der Schüler/innen bzw. der Schulform (vgl. Int B: 21:00). In der Oberschule befinden sich in der Regel fünf bis sechs Schüler/innen, wohingegen 10 bis 14 Schüler/innen an dem Unterricht in der Grundschule teilnehmen (vgl. ebd.: 22:09). Die Lehrkraft führt dies auf die Entscheidungskraft der Eltern zurück: In der Grundschule können die Eltern den Kindern die Teilnahme am Unterricht noch vorschreiben, in den höheren Klassen hingegen wissen die Schüler/innen, dass der Unterricht nicht verpflichtend ist und entscheiden damit oft selbst, ob sie weiter am Unterricht teilnehmen wollen (vgl. ebd.: 21:00). Dieses Ergebnis deckt sich mit bekannten Beobachtungen zum Unterricht für andere Herkunftssprachen, dass es nach dem Übergang in die weiterführenden Schulen zu einem starken Einbruch der Lernerzahlen im HSU kommt (vgl. u.a. Lengyel/Neumann 2016; Mehlhorn 2017; Reich 2016).
5.2 Lerngruppen und Formen der Heterogenität
Bei der Beschreibung der Lerngruppen thematisieren die Lehrkräfte die Heterogenität der Lerngruppen besonders in Bezug auf Vorkenntnisse und das Sprachniveau der Schüler/innen. Die befragten Lehrkräfte geben allesamt an, dass sich im herkunftssprachlichen Arabischunterricht zwei unterschiedliche Lerngruppen ausmachen lassen. Eine Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Sprache im familiären Umfeld zwar hört, aber kaum spricht und die Herkunftssprache somit teilweise nur rezeptiv beherrscht. Diese Asymmetrien zwischen rezeptiven und produktiven Fähigkeiten wurden in verschiedenen Herkunftssprachen als typisches Phänomen beobachtet (vgl. Anstatt 2018: 15). Diese Schüler/innen kommen mit geringen sprachlichen Vorkenntnissen in den HSU, man könnte sie als basilektale Sprecher/innen (vgl. Polinsky/Kagan 2007) oder rezeptive Bilinguale (vgl. Anstatt 2018: 15) bezeichnen. Demgegenüber stehen die Schüler/innen, die die arabische Sprache auch produktiv verwenden. In ihrem familiären Umfeld wird oft fast ausschließlich in der Herkunftssprache kommuniziert, sodass diese Schüler/innen Arabisch nicht nur verstehen, sondern es auch sprechen. Diese leistungsstärkeren Lernenden können als mesolektale und akrolektale Sprecher/innen bezeichnet werden (vgl. Polinsky/Kagan 2007, zit. nach Brehmer/Mehlhorn 2018: 32). Lehrkraft C zufolge hängt dies auch damit zusammen, dass einige dieser Schüler/innen zusätzlich außerhalb der Schule gefördert werden und dadurch die Sprache besser beherrschen als andere:
(1)
هناك أطفال لديهم أكثر من مكان لتعلم اللغة العربية، في المسجد أو في مدرسة خاصة على سبيل المثال.
Es gibt Kinder, die haben mehr als nur einen Ort, um Arabisch zu lernen, beispielsweise in der Moschee oder in einer speziellen Schule. (Int C: 24:30/1) 2
Daraus ergeben sich auch Unterschiede in Bezug auf die Vorerfahrungen der Schüler/innen mit dem Arabischlernen. Zwischen den genannten Lerngruppen besteht ein großer sprachlicher Kompetenzunterschied. Lehrkraft D formuliert dies folgendermaßen:
(2)
هناك طلاب يلعبون أكثر مما يتعلمون، هناك من يكتبون بشكل أفضل من غيرهم (...) وهناك من لا يتكلمون العربية اطلاقاً كالأكراد مثلاً أو من يكون أحد والديه المانيّاً.
Es gibt Schüler, die spielen mehr, als dass sie lernen, es gibt Schüler, die besser schreiben als andere […] und es gibt die, die überhaupt kein Arabisch sprechen, wie beispielsweise Kurden oder Kinder, von denen ein Elternteil deutsch ist. (Int D: 15:14)
Die Lehrkräfte stehen hier vor der großen Herausforderung, mit den großen Kompetenzunterschieden und der Unter- bzw. Überforderung einzelner Lernender umzugehen. Die Leistungsstärkeren sind aufgrund ihrer Vorkenntnisse und ihres höheren Lerntempos oft unterfordert, wohingegen die Leistungsschwächeren aufgrund mangelnden Vorwissens und durch die aktive Teilnahme von flüssig Arabisch sprechenden Mitlernenden sowie durch den Komplexitätsgrad des Lernstoffs überfordert sind. Lehrkraft B kommentiert das folgendermaßen:
(3)
هناك بعض الصعوبات في التعامل بنفس الطريقة مع كل المستويات [اللغة] الموجودة بالصف.
Ich hatte ein wenig Schwierigkeiten, allen [Sprach-]niveaus in der Klasse mit den gleichen Methoden gerecht zu werden. (Int B: 19:57)
Die befragten Lehrkräfte sprechen darüber hinaus in den Interviews mehrere der von Trautmann und Wischer (2011: 52) erwähnten Heterogenitätsdimensionen wie Vorkenntnisse und Intelligenzgrad, kulturelle und ethnische Zugehörigkeit, soziale Unterschiede, Alter, Herkunft, Migration und Flucht an. Am häufigsten und in allen Interviews werden die unterschiedlichen sprachlichen Vorkenntnisse thematisiert, aber auch das familiäre Umfeld, das den Lernfortschritt der Schüler/innen beeinflusst. Diesbezüglich betonen die Lehrkräfte, dass das Engagement der Eltern eine relevante Rolle für den Lernfortschritt der Kinder darstellt. Zeigen sich die Eltern engagiert und unterstützen ihre Kinder bei Hausaufgaben, oder sprechen mit ihnen Arabisch als Familiensprache, so wirke sich dies, den Erfahrungen der Lehrkräfte zufolge, positiv auf die Sprachkompetenz der Schüler/innen aus. Wenn sich die Lehrkräfte mit den Eltern über das Lernverhalten der Kinder austauschen können, fördere das auch den Lernerfolg (vgl. Int. B: 45:53). Das Engagement und die Kommunikation mit den Eltern sehen viele Lehrkräfte daher als verbesserungswürdig an (vgl. Int. C: 17:19).
Neben der Heterogenität in Bezug auf sprachliches Vorwissen wird von den Lehrkräften als weiterer Aspekt die unterschiedliche Herkunft der Schüler/innen aus verschiedenen arabischsprachigen Ländern genannt. Dies stellt einen für den Arabischunterricht typischen Aspekt dar, da die arabische Sprache geographisch weit verbreitet ist und damit einhergehend auch zur Ausprägung vieler unterschiedlicher Dialekte geführt hat. Die Lehrkräfte geben diesen Aspekt als relevant für die Unterrichtssituation an. Dabei wird von allen Lehrkräften angemerkt, dass sich die Herkunft der Kinder bzw. ihrer Familien mehrheitlich auf die Länder Syrien und Irak konzentriert und somit der syrische und irakische Dialekt unter ihren Lernenden vorherrschend ist. Lehrkraft B gibt an, dass darüber hinaus an ihrem Unterricht auch Schüler/innen aus dem Jemen, Libyen und Algerien teilnehmen. Aus den Schilderungen der Lehrkraft C wird die Unterschiedlichkeit der Dialekte deutlich, indem Lehrkraft C beschreibt, Schwierigkeiten im Verständnis des marokkanischen Dialekts zu haben (vgl. Int. C Teil 2 1:50).
Neben dem Herkunftsland sind auch das direkte Umfeld, in dem die Schüler/innen sozialisiert sind, sowie ihre soziale Herkunft von Relevanz. Lehrkraft B führt diesbezüglich aus:
(4)
أغلب الأطفال (...) عندهم نفس الظروف تقريباً وهم يشبهون بعضهم حتى بالتصرفات (...) حصلت نقاشات مثلاً بين الطلاب وكانوا كلهم سوريين ولكن طلاب حلب لا يعرفون شيئاً عن طلاب المدن الأخرى، عن عادات وتقاليد الناس الآخرين، فكنت أحاول بالنهاية أن أعلمهم أننا كلنا عرب ونتكلم اللغة العربية.
Es gab Diskussionen. Beispielsweise kommen die Schüler alle aus Syrien, aber die Schüler aus Aleppo wissen nichts über die Schüler aus anderen Städten, über die Traditionen und Gewohnheiten anderer Menschen. Deshalb habe ich versucht, ihnen schlussendlich klarzumachen, dass wir alle Araber sind und wir die arabische Sprache sprechen. (Int. B: 36:57)
Lehrkraft B ergänzt zudem die Religionszugehörigkeit als Faktor, der zur Heterogenität im Klassenzimmer beiträgt:
(5)
خاصة هناك في دروس لغة المنشأ العربية يأتي المسيحي مع المسلم مع الطوائف الأخرى ويكون من واجب المعلم أن يتكلم أحيانا عن هذه الاشياء ويوضح أنه يوجد طوائف أخرى مختلفة.
Vor allem im herkunftssprachlichen Unterricht kommt der Christ mit dem Muslim und Anhängern anderer Konfessionen zusammen, und dann gehört es manchmal zu den Aufgaben der Lehrkraft, über diese Dinge zu sprechen und deutlich zu machen, dass es unterschiedliche Konfessionen gibt. (ebd.: 39:31)
Hier wird deutlich, dass der HSU über das reine Unterrichten der arabischen Sprache hinausgeht und dass der Lehrkraft dabei eine entscheidende Rolle als Kulturmittler/in zukommt.
Weiterhin wird von den Lehrkräften festgestellt, dass sich die Heterogenität der Schüler/innen auch auf deren Alter bezieht. In den Grundschulen lernen Schüler/innen der ersten bis vierten Klasse gemeinsam, während der jahrgangsübergreifende HSU in der Oberschule sogar Fünft- bis Zehntklässler/innen umfasst. Dies stellt die Lehrkräfte vor besondere Herausforderungen, einen binnendifferenzierenden – für alle vertretenen Altersgruppen geeigneten – Unterricht zu gestalten (vgl. Kap. 5.3).
Eine weitere von Trautmann und Wischer (2011: 41) aufgeführte Heterogenitätsdimension betrifft das Lerntempo der Schüler/innen. Einige lernen schneller, andere benötigen für denselben Lernstoff mehr Zeit. Dazu führt Lehrkraft D aus:
(6)
لكل طالب درجة تركيز أو ذكاء وقدرة استيعاب من غير الممكن أن يكونوا الطلاب في مستوى واحد.
Jeder Schüler hat eine bestimmte Konzentrationsfähigkeit oder Intelligenzgrad und Aufnahmefähigkeit. Es ist unmöglich, dass die Schüler auf einem [Sprach-] Niveau sind. (Int. D: 10:24)
5.3 Strategien für den Umgang mit der Heterogenität
In den heterogenen Lerngruppen des HSU werden die Lehrkräfte mit den äußerst diversen herkunftssprachlichen Kompetenzen der Schüler/innen sowie allen weiteren genannten Heterogenitätsaspekten konfrontiert und stehen zunächst vor der Herausforderung, die Schüler/innen auf ihrem Sprachniveau abzuholen. Zum Umgang damit geben die vier befragten Lehrkräfte verschiedene unterrichtsbezogene Strategien an, die im Folgenden zusammenfassend dargestellt werden.
Drei der vier befragten Lehrkräfte (Lehrkraft B, C und D) setzen auf die individuelle Förderung der Schüler/innen. Dabei orientieren sie sich an dem entsprechenden Sprachniveau der Lernenden und stellen auf dieser Grundlage Arbeitsblätter zusammen, die in ihrem Schwierigkeitsgrad variieren:
(7)
أوزع أوراق مختلفة حسب المستوى. على سبيل المثال أوزع للأطفال الذين لا يجيدون القراءة والكتابة أوراق لحرف واحد. وللآخرين أوزع نصوص. يحدث ذلك في المجموعة الواحدة.
Ich verteile unterschiedliche Arbeitsblätter, je nach Sprachniveau. Ich verteile den Kindern, die noch nicht lesen und schreiben können, Arbeitsblätter mit nur einem Buchstaben und den anderen gebe ich Texte. Das findet innerhalb von einer Gruppe statt. (Int. C: 10:32/2)
Aufgrund des Fehlens von Lehrmaterial gezielt für den Unterricht von Arabisch als Herkunftssprache in Deutschland stellen sich die Lehrkräfte ihr Lehrmaterial eigenständig zusammen. Dabei ist nicht nur das Vorwissen ausschlaggebend, sondern auch das individuelle Lerntempo der Schüler/innen. Lehrkraft B macht zu Beginn des Schuljahres einen Einstufungstest mit den Schüler/innen, um das Sprachniveau zu bestimmen (vgl. Int. B: 17:06). Lehrkraft A orientiert sich an dem Lerntempo der Kinder, indem sie denjenigen, die schnell arbeiten, zusätzliche Arbeitsblätter mit Aufgaben gibt (vgl. Int. A: 42:10).
Lehrkraft D und C begegnen der Heterogenität in Bezug auf das sprachliche Vorwissen der Schüler/innen, indem sie eine interne Gruppeneinteilung in unterschiedliche Sprachniveaus vornehmen:
(8)
أوزع المجموعات حسب الطلاب الذين يجيدون الكتابة والقراءة بالعربية (حسب المستوى). الأعمار لا تلعب أي دور في تقسيم المجموعات.
Ich teile die Gruppen entsprechend nach den Schülern auf, die auf Arabisch schon schreiben und lesen können. Das Alter spielt überhaupt keine Rolle bei der Gruppeneinteilung. (Int. C: 11:46/1)
Lehrkraft D dagegen bildet zwei Gruppen und unterrichtet diese getrennt voneinander mit ihrem jeweiligen Sprachniveau entsprechenden Materialien. Diese äußere Differenzierung hat teilweise zur Folge, dass die Unterrichtszeit für den HSU Arabisch für die Schüler/innen jeweils um die Hälfte reduziert wird, da den Lehrkräften nur eine bestimmte und festgelegte Unterrichtszeit zur Verfügung steht. Dies ist jedoch im Unterricht der Lehrkraft C anders. Sie berichtet, dass beiden Gruppen zwei Unterrichtsstunden zur Verfügung stehen (vgl. Int. C: 14:32/1).
Aus den Erläuterungen der Lehrkräfte wird deutlich, dass die Sprachniveaus innerhalb der Gruppen trotz der Einteilung in zwei Gruppen heterogen bleiben. Dies stellt die Schüler/innen vor Herausforderungen. So formuliert Lehrkraft C:
(9)
لأن الطالب الذي يجيد القراءة والكتابة يعرف الإجابة عن الأسئلة المطروحة وبالتالي الطالب الذي لا يجيد الكتابة لا يتفاعل مع الآخرين.
Der Schüler, der lesen und schreiben kann, kann auf die gestellten Fragen antworten, wohingegen der Schüler, der nicht schreiben kann, nicht mit den anderen interagieren kann. (Int. C: 22:43/1)
Die Heterogenität des Sprachniveaus wird jedoch von den Lehrkräften (B, C und D) auch als Potenzial für kooperative Lernformen genutzt. So werden die leistungsstärkeren Schüler/innen als Sprachexpert/inn/en eingesetzt, die den leistungsschwächeren beim Lernen helfen können. Dies beschreibt Lehrkraft B eindrücklich wie folgt:
(10)
كنت أستفيد من الأطفال الذين يجيدون العربية جيدا. يجلس مثلا طالب يعرف أن يقرأ بجانب طالب مبتدئ بالقراءة ويتعاونون على قراءة الدرس ليستفيد الطلاب من بعضهم البعض.
Ich habe von den Schülern profitiert, die die arabische Sprache gut beherrschen. Es setzt sich zum Beispiel ein Schüler, der gut lesen kann, neben einen Schüler, der noch Anfänger im Lesen ist, und dann kann er ihm beim Lesen helfen, sodass die Schüler voneinander profitieren können. (Int. B: 18:51)
Aufgrund der großen Altersdifferenz teilt Lehrkraft A die Schüler/innen in zwei verschiedene Altersgruppen ein und richtet die Gruppeneinteilung somit nicht nach den sprachlichen Kenntnissen. Vordergründig ist dabei die Erfahrung, dass die jüngeren Schüler/innen in einer Gruppe nicht so gut mit den älteren Lernenden Schritt halten können. Dementsprechend ergibt sich eine Einteilung in Erst- und Zweitklässler/innen sowie Dritt- und Viertklässler/innen. Bemerkt sie jedoch, dass ein Kind in der zweiten Gruppe nicht mitkommt, teilt sie es für den Unterricht mit den jüngeren ein. Dabei hat sie jedoch die Erfahrung gemacht, dass sich die älteren Kinder ungern in die Gruppe der jüngeren integrieren und sich schnell langweilen, sodass die Lehrkraft die Aufteilung bei Bedarf wieder rückgängig macht (vgl. Int. A: 11:20).
Die Einteilung in zwei Lerngruppen ist den Lehrkräften zufolge mit Mehrarbeit und zusätzlichem Zeitaufwand verbunden, da statt für eine Gruppe Unterricht für zwei Gruppen vorbereitet werden muss.
(11)
هناك صعوبة في إيجاد النص المناسب وذلك يتطلب وقت كثير في التحضير.
Es bestehen Schwierigkeiten dabei, den passenden Text zu finden und es braucht viel Zeit bei der Vorbereitung. (vgl. Int. D: 31:07)
Dabei fehlt es den Lehrkräften auch an Lehrmaterial und passenden, konkret auf den HSU Arabisch zugeschnittenen Lehrplänen.
Die Heterogenität in Bezug auf die Dialekte des Arabischen wird von allen Lehrkräften thematisiert. Dabei bezieht Lehrkraft B die Kompetenz der Schüler/innen ein, indem sie sie danach fragt, wie ein bestimmtes Wort in ihrem jeweiligen Dialekt genannt wird. Dabei sieht sie die Vielfalt der Varietäten nicht vordergründig als Problem:
(12)
انا لا أعمل على تعديل الاختلاف، أنا أجد الاختلاف تنوع واضافة لأنك تتقبل الأشخاص مثل ما هم.
Ich arbeite nicht daran, die [Dialekt-] Unterschiede zu begradigen. Ich sehe die Heterogenität als Vielfalt und Bereicherung, da ich die Menschen akzeptiere, wie sie sind. (Int. B: 49:25)
Lehrkraft A, C und D verwiesen darauf, dass sie in ihrem Unterricht neben dem Hocharabischen hauptsächlich den syrischen Dialekt verwenden, da mit diesem auch Schüler/innen, die mit einem anderen Dialekt wie beispielsweise dem Libyschen vertraut sind, meist keine Verständnisschwierigkeiten haben. Lehrkraft D merkt an, dass sie neben den individuellen arabischen Dialekten auch teilweise Deutsch in den Unterricht integriert (vgl. Int. D: 20:50). Lehrkraft B hingegen verweist darauf, dass die Unterrichtssprache das Hocharabische ist. Trotzdem reagiert sie auf Aussagen der Schüler/innen auch im Dialekt (vgl. Int. B: 58:28). Auf das Verhältnis zwischen Dialekt und Hocharabisch geht Lehrkraft A ein. Sie bezieht sich auf ihre Erfahrungen mit ihren eigenen Kindern. Diese hatten beim Arabischunterricht in der Schule Schwierigkeiten, das Hocharabisch der Lehrkraft zu verstehen. Daraus zieht sie die Lehre, für ihren Unterricht den Dialekt zu nutzen und auf das Hocharabische im Gesprochenen zu verzichten (vgl. Int. A: 33:17). Ihre Begründung lautet wie folgt:
(13)
يجب التحدث إلى الأطفال بلغة مقربة لهم، أي اللغة التي من الممكن أن يفهموها، اللغة التي يتكلموها في البيت. فإذا تحدثت معهم باللغة الفصحى [...] هذا يعني أن الطفل سيتعلم لغة جديدة كلياً.
Mit den Kindern muss eine Sprache gesprochen werden, die ihnen nahe ist. Also eine Sprache, die sie verstehen können, eine Sprache, die sie zuhause sprechen. Wenn du mit ihnen Hocharabisch sprichst, […] dann lernt das Kind eine neue Sprache. (Int. A: 38:34)
Eine weitere Strategie, von der Lehrkraft C Gebrauch macht, ist der enge Kontakt zu den Eltern, um Einfluss auf die außerschulische Unterstützung nehmen zu können. Dabei tauscht sich die Lehrkraft mit den Eltern über die Fortschritte ihrer Kinder aus und gibt Hinweise zur Verbesserung des Sprachniveaus (vgl. Int. C: 15:10/2).
Aus den ausführlichen Beschreibungen der Lehrkräfte wird deutlich, dass insbesondere der Aspekt des variierenden Sprachniveaus thematisiert wird – offenbar eine der größten Herausforderungen für die Lehrkräfte im herkunftssprachlichen Arabischunterricht. Alle Lehrkräfte begegnen dem durch eine Aufteilung der Gruppen, womit die Heterogenität jedoch nur teilweise eingegrenzt werden kann. Für viele Lehrkräfte muss auch nach der Gruppeneinteilung innerhalb einer Gruppe zwischen den Lernenden differenziert werden und individuell auf ihr jeweiliges Sprachniveau eingegangen werden. Dies wird jedoch nicht nur als Problem angesehen, sondern auch als Chance genutzt. Bei den von den Lehrkräften in der Praxis eingesetzten Strategien überwiegen solche zur Binnendifferenzierung. So nehmen sie eine Gruppeneinteilung vor, durch die sie mit unterschiedlichen Arbeitsblättern und Aufgaben auf die verschiedenen Niveaustufen, Lernfortschritte und das individuelle Leistungsvermögen der Schüler/innen eingehen (vgl. Kap. 3).
Es wird jedoch auch deutlich, dass die angewendeten Strategien mit zusätzlichem Zeitaufwand bei der Unterrichtsvorbereitung für die verschiedenen Gruppen verbunden sind. Unterstützung in Bezug auf den Umgang mit Heterogenität, beispielsweise in Form von Fortbildungen, erfahren die Lehrkräfte eigenen Angaben zufolge nicht. Vielmehr hat sich ein Austausch zwischen den Arabischlehrenden etabliert, bei dem Probleme und Erfahrungen zum Umgang mit Schwierigkeiten und Materialsuche geteilt werden.
Alle Lehrkräfte betonen, dass den Kindern und ihren Familien der Erhalt der arabischen Sprache sehr wichtig ist und dass der HSU einen großen Teil dazu beiträgt, aber dass auch die Familien selbst eine wichtige Rolle spielen, indem sie mit den Kindern zuhause sprechen und sie zum Sprachgebrauch ermutigen. Lehrkraft D hat beobachtet, dass sich die Kinder im herkunftssprachlichen Arabischunterricht wohlfühlen:
(14)
ألاحظ بأن الأطفال يشعرون بالارتياح عندما يسمعون لغتهم الأصلية في المدرسة.
Ich merke, dass sich die Kinder wohlfühlen, wenn sie ihre Herkunftssprache in der Schule hören. (Int. D: 40:50)
Zur Heterogenität der Lerngruppen merken die Lehrkräfte jedoch an, dass diese zwar Herausforderungen für die Unterrichtsgestaltung mit sich bringt, jedoch auch eine Bereicherung darstellt. Lehrkraft D formuliert dies folgendermaßen:
(15)
لا يمكن أن نقول عن الاختلاف أنه أمر سلبي أو إيجابي. ولكن الأطفال يتعلمون أكثر من الاختلاف.
Wir können über die Heterogenität nicht sagen, dass sie ein negativer oder positiver Aspekt ist. Aber die Kinder lernen mehr von dieser Heterogenität. (Int. D: 22:06)
Lehrkraft B fasst dies für sich persönlich wie folgt zusammen:
(16)
بالنسبة لي أحب هذا الاختلاف جدا. أنا بطبيعتي أحب التعامل مع ناس مختلفين.
Ich persönlich mag diese Heterogenität sehr. Von Natur aus mag ich es, mit unterschiedlichen Menschen umzugehen. (Int. B: 48:39)
6 Zusammenfassung und Ausblick
Die in diesem Artikel dargestellten Interviewergebnisse lassen einige Schlussfolgerungen für den herkunftssprachlichen Arabischunterricht zu. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die befragten Lehrkräfte aus ihrer Unterrichtserfahrung verschiedene Aspekte der Heterogenität bei ihren Lernenden beobachten. Die größte Herausforderung stellen dabei die unterschiedlichen herkunftssprachlichen Kompetenzen der Lernenden dar, welche durch mehrere Faktoren bedingt sind. Zum einen liegen dem strukturelle Ursachen zugrunde, was sich beispielsweise dadurch äußert, dass Kinder verschiedenen Alters im HSU in einer Gruppe gemeinsam lernen. Zum anderen kommen die unterschiedlichen Vorkenntnisse durch die individuellen Sprachlernbiografien, verschiedenen kulturellen Hintergründe und den unterschiedlichen Sprachgebrauch der Kinder im familiären Kontext zustande. Der Einfluss der Eltern und deren Mitwirkung spielt nach Ansicht der Lehrkräfte eine entscheidende Rolle für den unterschiedlichen Lernfortschritt der Schüler/innen. Dies deckt sich mit den Forschungsergebnissen für andere Herkunftssprachen (vgl. u.a. Brehmer/Mehlhorn 2018). Betont werden zudem die verschiedenen arabischen Herkunftsländer und -regionen, ethnische und Religionszugehörigkeiten.
In der Analyse des Umgangs der Lehrkräfte mit den vorhandenen und benannten Heterogenitätsaspekten wird deutlich, dass alle vier Lehrkräfte in ihrem Unterrichtsalltag praktische Strategien der Binnendifferenzierung anwenden. So findet eine zeitlich versetzte oder synchrone Gruppenteilung in zwei Niveaustufen statt. Aufgrund der Heterogenität der Gruppen sowie der Struktur des HSU wird das Lehrmaterial von den Lehrkräften individuell zusammengestellt und an die jeweilige Lerngruppe angepasst. Dabei werden den geteilten Untergruppen jeweils unterschiedliche Aufgaben und Arbeitsblätter zugeteilt. Obwohl damit nur bestimmten Heterogenitätsaspekten in begrenztem Maß entgegengewirkt werden kann, bleibt eine gewisse Heterogenität in der Lerngruppe bestehen, welche die Lehrkräfte jedoch größtenteils als Bereicherung für den Unterricht wahrnehmen. Sie nutzen die bestehenden Heterogenitätsaspekte für eine aktive Gestaltung des Unterrichts mit kooperativen Lernformen. So werden die Schüler/innen zur gegenseitigen Hilfe ermutigt, und die in den unterschiedlichen Herkunftsländern und Familien gesprochenen Dialekte werden in den Unterricht eingebaut, um den Kindern die Vielfalt der arabischen Varietäten näherzubringen und diese miteinander zu vergleichen. Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass von den Lehrkräften im herkunftssprachlichen Arabischunterricht eine vielfältig heterogene Schülerschaft wahrgenommen wird, diese Heterogenität jedoch überwiegend positiv eingeschätzt und gewinnbringend in den Unterricht integriert wird.
Aufgrund der geringen Zahl von befragten Lehrenden und des regional eingegrenzten Rahmens der Interviews können die dargestellten Analyseergebnisse nicht verallgemeinert werden. Zudem handelt es sich um die subjektive Sicht der Befragten auf ihre Lernenden und ihren Unterricht und nicht um Forschung im Arabischunterricht selbst. Sie stellen jedoch exemplarisch einen wichtigen ersten Schritt dar, um die Heterogenitätsforschung auf den Bereich der Herkunftssprachen und speziell auf den Arabischunterricht auszuweiten. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass noch weiterer Forschungsbedarf zu herkunftssprachlichem Arabischunterricht besteht. Dabei könnte zum einen das Spektrum erweitert werden und mehr Lehrkräfte befragt werden, um repräsentative Aussagen zu generieren und darüber hinaus auf weiterführende Fragestellungen ausgeweitet werden, um noch tiefere Einblicke in die Praxis des herkunftssprachlichen Arabischunterricht zu erhalten.
Notes
- Bei den Zeitmarken handelt es sich um Angaben in Minuten und Sekunden im Verlauf der transkribierten Interviews. [^]
- Alle wörtlichen arabischsprachigen Zitate wurden der besseren Nachvollziehbarkeit wegen von den Autor/innen ins Deutsche übersetzt. [^]
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Anhang
دليل المقابلات
الموضوع: التمايز في مجموعات متعلمي لغة المنشأ العربية HSU في ساكسونيا
- - ما هي الدرجة التعليمية الحاصل عليها المعلم ومن أي بلد؟
- - متى بدأ المعلم بتدريس لغة المنشأ العربية في ألمانيا وما الحافز الذي دفعه إلى ذلك؟
- - ماذا تعني اللغة المنشأ بالنسبة له؟
- - (هل يزاول حاليًا عملاً آخر أم أنه يرى في تدريس اللغة العربية وظيفته الأساسية؟)
- - ما هي التحديات التي تواجه المعلم بشكل خاص في تدريس لغة المنشأ (بالمقارنة مع لغات أجنبية أخرى)؟
- - كيف يتم تشكيل المجموعات، ما هو المهم في ذلك وهل ينتمي التلاميذ إلى مستوى صفيّ واحد؟
- - ما هو حجم المجموعة، أي كم عدد الأطفال في المجموعة الواحدة؟
- - كيف يسير الدرس النموذجي؟
- - ما هي المدة المحددة للدرس وكيف يقسّم الوقت؟
- - ما هو المحور الرئيسي للدرس؟ (محو الأمية- تعليم القراءة والكتابة أم التواصل وما إلى ذلك)
- - ما هي أوجه التشابه بين التلاميذ؟
- - ما هي أوجه الاختلاف بين التلاميذ؟
- - من أي البلدان هم ومنذ متى يتواجدون في ألمانيا؟
- - ما هي المعارف المسبقة التي يتمتع بها التلاميذ؟
- - هل يقدّم لهم الدعم داخل الأسرة؟
- - هل ينتج عن ذلك مزايا أو مساوئ؟ إذا كان الأمر كذلك فما هي؟
- - ما هي الأساليب التي يستخدمها لمعالجة الفوارق بين الطلاب؟ (مثل التعليم الجماعي أو التعليم الموازي أو الواجبات المختلفة)
- - ما هي اللغات المستخدمة في التدريس، وإذا ما تضمنت اللهجات ما هي وكيف؟
- - إلى أي مدى تساعد خلفية المعلم في معالجة مختلف مشاكل التلاميذ؟
- - هل يحصل المعلم على دعم لمواجهة هذه المشاكل، من أين وممّن؟ (مثل التوجيه أو طرق التعامل مع الفوارق بين التلاميذ؟)
- - هل يرجو المعلم أو يسعى لمزيد من الدعم؟
Interviewleitfaden
Oberthema: Differenzierung von Lerngruppen im herkunftssprachlichen Arabischunterricht in Sachsen
1. Zur Person
Leitfrage: Welchen persönlichen/kulturellen/professionellen/sprachlichen Hintergrund bringt die Lehrkraft mit?
– Woher kommen Sie und welche Ausbildung haben Sie?
– Wann haben Sie hier in Deutschland mit dem HSU Arabisch angefangen und was hat Sie dazu motiviert?
– Was bedeutet für Sie ihre Muttersprache?
– (Machen Sie zurzeit noch etwas anderes oder sehen Sie den Arabischunterricht als Ihren Hauptberuf?)
– Was fordert Sie beim HSU besonders heraus (evtl. auch im Vergleich zum fremdsprachlichen Arabischunterricht)?
2. Struktur
Leitfrage: Wie sind die Rahmenbedingungen des HSU? (Zeit, Umfang, Gruppen)
– Wie werden die Gruppen zusammengestellt, auf was wird dabei Wert gelegt? Kommen die Kinder aus einer Klassenstufe?
– Wieviel Kinder werden in einer Gruppe unterrichtet?
– Wie läuft eine typische Unterrichtsstunde ab?
– Wie lang ist eine Unterrichtsstunde und wie wird diese untergliedert?
– Was steht in Ihrem Unterricht im Vordergrund? (Alphabetisierung, Literatur, Kommunikation etc.)
3. Lerngruppen
Leitfrage: Welche verschiedenen Ebenen der Heterogenität treten innerhalb der Lerngruppe auf?
– Welche Gemeinsamkeiten weisen die Schüler/innen auf?
– Welche Unterschiede gibt es zwischen den Schüler/innen innerhalb einer Gruppe?
– Aus welchen Ländern kommen die Kinder und wie lange sind sie schon in Deutschland?
– Welches Vorwissen bringen die Kinder mit?
– Werden die Kinder von zuhause unterstützt?
– Ergeben sich daraus Vorteile (Ressourcen) oder Nachteile (Probleme)? Wenn ja, welche?
4. Unterrichtsmethoden
Leitfrage: Wie geht die Lehrkraft mit der Heterogenität der Lerngruppe im Unterricht praktisch um?
– Mit welchen Methoden versuchen Sie, auf die Unterschiede zwischen den Schüler/innen einzugehen? (z.B. Gruppenbildung, Parallelunterricht, verschiedene Aufgaben)
– In welcher Sprache führen Sie den Unterricht? Wenn Sie Dialekte mit einbinden, auf welche Weise und welche Dialekte?
– Inwieweit hilft Ihnen Ihr eigener Hintergrund, um auf die verschiedenen Probleme der Schüler/innen einzugehen?
– Bekommen Sie Unterstützung für diese Probleme und wo/von wem? (z.B. Anleitung oder Methoden für den Umgang mit den Unterschieden zwischen den Schüler/innen im HSU?)
– Wünschen Sie sich und suchen Sie mehr Unterstützung?
Kurzbio
Marie Alsalaitah ist allgemein beeidigte Übersetzerin für die arabische und französische Sprache und zudem als Dolmetscherin im sozialen Bereich tätig. Ihre Forschungsinteressen liegen hauptsächlich im Bereich der Fremdsprachendidaktik sowie der translationsorientierten Rechtsvergleichung und Terminologiearbeit.
Laura Schalück ist Absolventin des Masterstudiengangs Arabistik und Islamwissenschaft am Orientalischen Institut der Universität Leipzig und beeidigte Dolmetscherin und Übersetzerin für die arabische Sprache. Ihr Forschungsinteresse gilt den Bezügen von Sprache und Identitätsbildung sowie dem Forschungskontext Syrien.
Bahi Ismail absolvierte den Masterstudiengang Arabistik und Islamwissenschaft am Orientalischen Institut der Universität Leipzig, ist Lehrer für Arabisch als Fremd- und Herkunftssprache und Dolmetscher und Übersetzer für die arabische Sprache. Sein Forschungsinteresse gilt neben der Sprachvermittlung auch der kulturellen Übersetzung und dem Kulturtransfer.