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Aufsatz zum Themenschwerpunkt

(Meta-)Narrationen – Beschreibend-reflexive Zugänge zu lebensweltlicher Mehrsprachigkeit in der Lehramtsausbildung

Abstract

Obwohl sprachliche Vielfalt in der Schweiz gesetzlich geregelt ist und gefördert wird, funktioniert ein Grossteil der Kantone einsprachig. Auch im schulischen Kontext dominieren nach wie vor monolingual geprägte Normvorstellungen. In diesem Zusammenhang interessiert uns, wie Menschen mit anderen Erstsprachen als Deutsch in biografisch-narrativen Interviews mit Lehramtsstudierenden über mehrsprachiges Aufwachsen in der Deutschschweiz berichten, und wie dieses ko-konstruierte Wissen von den Studierenden in Metatexten reflektiert wird. Mit Bezug auf narrativ-biographische Zugänge, die wir in der soziolinguistischen und diskursorientierten Erzählforschung verorten, ergründen wir zudem, inwiefern narrativ-sprachbiographische Zugänge in der Hochschullehre helfen, monolingual geprägte Normvorstellungen zu hinterfra-gen und Mehrsprachenkompetenz zu normalisieren.

(Meta) Narratives – Descriptive-reflective approaches to multilingualism in teacher training
Even though Switzerland’s national language policies promote linguistic diversity, most of the country’s cantons function as monolingual entities. This is also evident in educational contexts, where monolingual norms dominate teaching and learning practices. Against this background, we inquire how people with other first languages than German discursively construct their experiences about growing up as multilinguals in biographical-narrative interviews, and how student teachers reflect on this co-constructed knowledge in meta-narratives. Based on sociolinguistic and discourse-oriented language-biographical studies, this work discusses the potential benefits of using narrative, language-biographical approaches with student teachers to question monolingual ideologies and normalize multilingualism.

Keywords: lebensweltliche Mehrsprachigkeit, Lehrpersonenausbildung, monolinguale Normvorstellungen, narrativ-sprachbiografische Erzählforschung, multilingualism, teacher training, monolingual ideologies, narrative language-biographical approach

How to Cite:

Mathier, Marion & Ganguillet, Simone (2024): (Meta-)Narrationen – Beschreibend-reflexive Zugänge zu lebensweltlicher Mehrsprachigkeit in der Lehramtsausbildung. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 29: 2, 23–44. https://doi.org/10.48694/zif.3982

1 Einleitung

Obwohl verschiedene Diskurse in der Schweiz der Mehrsprachigkeit demokratiebildende und identitätsstiftende Bedeutung zuschreiben, ist dieses Konstrukt der mehrsprachigen Bürger*innen «ein Mythos» (Manno 2011: 126). Manno (2011) betont: «On perd de vue qu’il existe à l’intérieur de ce pays institutionnellement plurilingue quatre régions unilingues relativement homogènes séparées par des frontières nettes» (126). Dies widerspiegeln auch die soziodemographischen Angaben der Lehramtsstudierenden unserer Hochschule in einem zweisprachigen Kanton. Im Jahre 2021 wurden 125 Studierende des Instituts Primarstufe zu ihrem soziodemographischen Hintergrund befragt. Dabei gaben 77.6 % der befragten Studierenden an, sich im Alltag lediglich einer Hauptsprache (Deutsch) zu bedienen, 20 % benutzen zwei und 2.4 % drei Hauptsprachen (Institut für Forschung und Evaluation 2021). Das heisst, dass die Mehrheit der Studierenden unserer Hochschule im Studiengang Primarstufe höchstwahrscheinlich aus einer einsprachigen, relativ homogenen Region stammt und sich die lebensweltliche Mehrsprachigkeit dieser zukünftigen Primarlehrpersonen in einem Einwanderungsland wie der Schweiz stark von jener ihrer zukünftigen Lernenden unterscheidet.

Dies sind aber auch jene Lehrpersonen, die gemäss der Didaktik der Mehrsprachigkeit Französisch und Englisch unterrichten, verschiedene Erst- und Migrationssprachen in den Unterricht mit einbeziehen und sprachsensiblen Unterricht gestalten sollen. In einer generalistisch angelegten Ausbildung ist dies ein ziemlich anspruchsvolles Curriculum. Vor diesem Hintergrund interessiert uns, inwiefern sprachbiografisch-narrative Zugänge in der Lehrpersonenausbildung einen ‘dritten Ort’ bilden, um die Sicht auf Mehrsprachigkeit zu erweitern und Studierende besser auf die mehrsprachige Realität im Klassenzimmer vorzubereiten.

In diesem Beitrag1 diskutieren wir einen hochschuldidaktischen Versuch, in dem Studierende des Studiengangs Primarstufe im Rahmen des Moduls ‘Mehrsprachigkeit’ die Rolle der Forschenden übernahmen. In Interviews befragten die Studierenden Personen mit anderen Erstsprachen als Deutsch zu ihrem mehrsprachigen Aufwachsen in der Deutschschweiz und im Anschluss wurden die Schilderungen transkribiert, diskutiert und eingeordnet. Das Datenmaterial, das wir diskursanalytisch untersuchen, besteht aus den von den Studierenden erstellten Interview-Transkripten und dazu entstandenen Metatexten. Folgende Forschungsfragen leiten unser Vorhaben:

  • Welches Wissen wird in biografisch-narrativen Interviews über lebensweltliche Mehrsprachigkeit in der Deutschschweiz von Studierenden und mehrsprachigen Sprecher*innen generiert?

  • Wie positionieren sich Erwachsene in Selbstauskünften als mehrsprachige Sprecher*innen im schulischen und ausserschulischen Raum?

  • Inwiefern (re)produzieren Studierende unserer Hochschule in ihren Metatexten über das Spracherleben der interviewten Personen sprachbezogene Normvorstellungen?

Bevor wir näher auf den Forschungskontext, die Methoden, Analyse und Ergebnisse unseres hochschuldidaktischen Versuchs eingehen, rahmen wir den Beitrag mit einem Exkurs in die Schweizer Sprachen- und Bildungslandschaft und diskurstheoretischen Grundlagen.

2 Die ‘fremden’ Landesprachen und die ‘mehrsprachige’ Schule in der Schweiz

Wie in der Einleitung angetönt, besteht eine Diskrepanz zwischen der offiziell viersprachigen Schweiz und den Sprachpraktiken der Bürger*innen. In der Schweizerischen Bundesverfassung wird festgehalten, dass Rechtsgleichheit zwischen den drei Amtssprachen Deutsch, Französisch und Italienisch herrscht, wobei im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache auch die vierte Landessprache, das Rätoromanische, zur Amtssprache wird2. In der Sprachenverordnung des Bundes werden nicht nur die Förderung der Landesprachen und die Verständigung zwischen den verschiedenen Sprachregionen geregelt, sondern auch die Mehrsprachigkeit auf institutioneller Ebene3. Festgeschrieben ist auch, dass Personen mit anderen Erstsprachen als der schweizerischen Landessprachen Förderung in ihrer jeweiligen Erstsprache erhalten4. Diese Gesetzesgrundlagen erwecken den Anschein, dass Mehrsprachigkeit in der Schweiz auf einem stabilen Fundament steht. Allerdings funktioniert aufgrund des geltenden Territorialitätsprinzips die Mehrheit der 26 Kantone einsprachig (z.B. Coray 2017).

Alle Deutschschweizer Kantone verfolgen das im Lehrplan 21 festgeschriebene Ziel des Aufbaus der funktionalen Mehrsprachigkeit (D-EDK 2016). Diese Sicht auf Mehrsprachigkeit basiert jedoch auf einer «monolingual theoretical infrastructure» (Lüdi/Py 2009: 155), in der Mehrsprachenkompetenz additiv gedacht und nicht als lebensweltliche Realität eines Grossteils der Bevölkerung gesehen wird. Zudem wird im Deutschschweizer Lehrplan 21 Französisch – eine Landessprache – als Fremdsprache konstruiert. Obwohl es im sprachendidaktischen Diskurs üblich ist, von Fremdsprachen zu sprechen, hinterfragen wir, inwiefern dieses Label hilfreich ist, um im schweizerischen Kontext migrationssensible Sprachenkonzepte zu schaffen. Dabei stellen wir nicht das Erlernen einer zweiten Landessprache in Frage, sondern die Art und Weise, wie Sprachen im Lehrplandiskurs beschrieben werden. Wenn schon die Landessprache Französisch, die identitätsstiftende Bedeutung haben soll, als fremd konstruiert wird, bezweifeln wir, dass die diskursiv konstituierten Rahmenbedingungen im Lehrplan Raum schaffen für diversitäts-/migrationssensible Zugänge zu Sprachen. Die Schweiz zählt mittlerweile 9 Millionen Einwohner*innen, wovon gut 39 % der Personen ab 15 Jahren einen Migrationshintergrund aufweisen (BFS 2022). Schätzungsweise sind «mehr als 3 Millionen Personen aller Altersklassen» (BFS 2022: 7) der ständigen Wohnbevölkerung Personen mit Migrationshintergrund. Demnach ist die Schweiz, wie andere Länder Europas, geprägt von Migrationsbewegungen.

Diese gesellschaftlichen Veränderungen bedeuten für den Kontext Schule, dass in einer inklusiven Sprachbildung additive und instrumentelle Sichtweisen auf Sprachen sowie nationalstaatlich gefärbte Auffassungen von Sprache und Identität überwunden werden müssen (z.B. Erling/Moore 2021). Es reicht nicht aus, die funktionale Mehrsprachigkeit in der Schule oder andere Erstsprachen als die Landessprachen in Kursen für heimatliche Sprache und Kultur zu fördern. Bevor wir erläutern, wie wir solche Fragen in der Hochschullehre mit Lehramtsstudierenden aufgreifen, präsentieren wir unseren theoretischen Rahmen.

3 Diskurs, Macht, Subjekt und Spracherleben

Diesem Beitrag liegt ein Diskursverständnis zugrunde, das Sprache und Gesellschaft als dialektisch begreift (z.B. Wodak 2020a). In einem dialektischen Diskursverständnis wird angenommen, dass Diskurse auf Macht, Wissens- und Sozialstrukturen wirken, aber auch, dass diese Strukturen immer in Verbindung zu übergeordneten Diskursformationen stehen. In Bezug auf Foucaults Machtbegriff betont Jäger (2008), dass Diskurse immer auch «institutionalisiert sind, also gewissen – veränderbaren – Regeln unterliegen» (378) und somit «Machtwirkung» (ebd.) besitzen. In diesem Verständnis von Diskurs und Macht ist Macht nichts Statisches (Foucault 2020). Machtverhältnisse bestimmen mit, was in einem gewissen institutionellen und gesellschaftlichen Kontext sagbar/nicht sagbar ist. Innerhalb solcher Machtverhältnisse spielen auch Subjektpositionen eine wichtige Rolle. Wenn von einem Bildungsbegriff ausgegangen wird, der «bestimmte Subjekte ‘bildet’» (Springsits 2016: 247), werden Subjektpositionen «mehr oder weniger (Handlungs-)Macht» (ebd.: 248) angeboten. Das heisst beispielsweise, dass in einem einsprachig geprägten Schulsystem einsprachigen und mehrsprachigen Schüler*innen potenziell verschiedene Subjektpositionen mit mehr oder weniger Handlungsmacht zugesprochen werden. Diese Zuschreibungen hängen zudem von der Wertigkeit der jeweiligen Sprachen ab. In unserem Kontext ist das Beherrschen des Standarddeutschen für den Schulerfolg zentral.

Vor diesem Hintergrund führen wir das Konzept des Spracherlebens (Busch 2013; 2017) ein. Busch (2019) erläutert, dass das Spracherleben «aus soziolinguistischer Warte eine Verbindung zwischen diesen zwei Blickrichtungen her[stellt] – von den Diskursen auf das Subjekt und vom Subjekt auf die Diskurse» (128). Subjekte sind allerdings nicht von Vornherein determiniert, sondern hängen vom Kontext der Subjektivierung ab – es muss demnach ergründet werden, «wie die Machtverhältnisse in den jeweiligen Subjektivierungsprozessen beschaffen sind, welche Freiheitsgrade des Handelns bestehen» (Bosančić 2019: 46). In Bezug auf Subjektwerdung und Sprache werden Kinder beispielsweise relativ unbewusst in das System Sprache eingeführt – und die Regeln der Sprache werden nicht nur verinnerlicht, sondern entfalten auch immer eine gewisse «Wirkmacht» (vgl. Keller/ Bosančić 2017: 39). Sprachliche Regeln geben demnach Interaktionen nicht nur Struktur, sondern wirken auch immer strukturierend (Busch 2019).

Nun muss gefragt werden, was geschieht, wenn diese verinnerlichten sprachlichen Normen irritiert werden. Busch (2019) bezeichnet Normen als

Bezugspunkt, sowohl wenn es um deren ‘freiwillige’ Einübung, Bestätigung und Aneignung geht, als auch wenn es um eine Irritation aufgrund von etwas geht, das als Normverstoß oder als eine von außen herangetragene ‘neue’ Norm erfahren wird. (128)

In Diskursen über Sprache(n) und Sprachgebrauch wird demnach nicht nur Wissen über Sprache generiert und durch sprachliche Normen strukturiert, sondern auch Wissen über Sprecher*innen (Bjegač 2020). Das heisst, Sprecher*innen werden an normativen Vorstellungen ausgerichtet (vgl. Bosančić 2019) – Subjekte werden positioniert.

4 Berichte über mehrsprachiges Aufwachsen in der Deutschschweiz

Ausgehend von der bildungspolitischen Perspektive, Differenzordnungen «als gesellschaftliche Konstruktionen zu begreifen und Möglichkeiten eines zuschreibungsreflexiven Umgangs mit diesen Konstruktionen anzubieten» (Dirim/Mecheril 2018: 19), sollten die Studierenden Personen interviewen, die in der deutschsprachigen Schweiz mehrsprachig aufwuchsen. Dabei interessiert uns, welches Wissen über lebensweltliche Mehrsprachigkeit in der Schweiz im Interviewsetting generiert wird, wie Subjekte positioniert werden und inwiefern die Studierenden in der Auseinandersetzung mit den Interview-Transkripten sprachliche Normvorstellungen hinterfragen. Im vorliegenden Beitrag betrachten wir demzufolge nicht nur die von den Studierenden und deren Interviewpartner*innen generierten Texte, sondern auch die im Anschluss erfolgte Auseinandersetzung. So besteht der zu analysierende Datensatz aus Erzählungen und Meta-Erzählungen.

4.1 Forschungskontext und Studiendesign

Die Pädagogische Hochschule, an welcher der hochschuldidaktische Versuch durchgeführt wurde, befindet sich in einem zweisprachigen Kanton (Deutsch und Französisch). Wie eingangs dargestellt wurde, stammt die Mehrheit der Studierenden aus dem deutschsprachigen Kantonsteil und nur eine Minderheit hat einen mehrsprachigen Hintergrund. Im Studienplan 13 der Pädagogischen Hochschule Bern wird festgehalten, dass die Studierenden verpflichtend die Vorlesung ‘Mehrsprachigkeit’ besuchen (vgl. Pädagogische Hochschule Bern 2015). Im Rahmen dieses Moduls setzen sich die Studierenden vertiefter mit Mehrsprachenlernen und Mehrsprachigkeit auseinander. Denn aus der Professionsentwicklung ist bekannt, dass Einstellungen und Überzeugungen von Lehrpersonen wesentlich dazu beitragen, wie Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer bewertet und integriert wird (vgl. Duarte/Günther-van der Meij 2022; Putjata/Brizić/Goltsev/Olfert 2022). Deshalb richten wir den Fokus nicht ausschliesslich auf die Sprachbiographien unserer Studierenden, sondern auch auf das Spracherleben von mehrsprachigen Personen mit Migrationshintergrund in der Deutschschweiz.

Um die oben skizzierten Subjektivierungsprozesse im Kontext des lebensweltlichen Mehrsprachenerwerbs, aber auch ko-konstruiertes Wissen über Sprachen und deren Sprecher*innen zu untersuchen, beziehen wir uns auf methodische Konzepte, die in der soziolinguistischen Erzählforschung und der diskursorientierten Biografieforschung verortet sind. Hier beziehen wir uns einerseits auf das «narrative knowledging» (Barkhuizen 2016: 66), um die ko-konstruierte Wissensgenerierung im Interviewkontext zu untersuchen. Andererseits nutzen wir Selbstauskünfte in biografisch-narrativen Interviews in Anlehnung an die diskursorientierte Biografieforschung (vgl. Bjegač 2020), um Subjektpositionen zu analysieren und den Fokus auf das Spracherleben zu lenken. Vor diesem Hintergrund beauftragten wir die 250 Studierenden des Moduls ‘Mehrsprachigkeit’, ein biografisch-narratives Interview mit einer Person mit Migrationshintergrund aus ihrem Umfeld zu führen. Von 250 eingereichten Arbeiten entsprachen über 100 Interview-Transkripte und Auswertungen unseren Vorgaben. Ausgewählt wurden schliesslich biografisch-narrative Interviews mit Personen, die mehrsprachig aufgewachsen sind und ihre gesamte Schulzeit (oder den grössten Teil davon) in der Deutschschweiz absolvierten. Grundlage dieses Beitrags bildet nun ein kleines Korpus mit 14 Interviewtranskriptionen und entsprechend 14 Meta-Erzählungen von unseren Studierenden.

4.2 Interviewleitfaden und Transkription

Die Studierenden entwickelten selbständig einen Interviewleitfaden, um die Gesprächspartner*innen zum Sprachenlernen und Gebrauch verschiedener Sprachen, zu Sprache und Identität sowie Spracheinstellungen zu befragen. Wir gaben lediglich diese drei Themenfelder vor, denn die Studierenden sollten sich durch das Formulieren der Fragen vertiefter mit den Vorlesungsinhalten auseinandersetzen. Wir hielten die Studierenden auch an, eine Einstiegsfrage zu formulieren, um das Eis zu brechen. Die meisten Studierenden der vorliegenden Stichprobe fragten zu Beginn des Gesprächs nach der Anzahl Sprachen, die ihre Interviewpartner*innen sprechen.

Die Studierenden wurden auch aufgefordert, das Interview aufzunehmen und in Teilen zu transkribieren. Wir hielten sie an, in einem ersten Schritt ein inhaltliches Transkript zu erstellen und anhand dessen für sie interessante, denkwürdige oder lehrreiche Teile auszuwählen und im Detail zu transkribieren. In Anlehnung an Cameron (2001) kommunizierten wir eine einheitliche Transkriptionskonvention5. Diese Transkripte, die auf Schweizerdeutsch verfasst wurden, übertrugen wir für diesen Beitrag ins Standarddeutsche. Dabei wurde versucht, die dialektale Qualität des Transkripts so gut als möglich beizubehalten. Diese Detail-Transkripte dienten schliesslich als Ausgangspunkt für die von den Studierenden erstellten Meta-Erzählungen, die in Standarddeutsch verfasst waren – einzig Tippfehler wurden für diesen Beitrag ausgebessert. Alle Texte wurden anonymisiert und die verwendeten Namen der interviewten Personen sind Pseudonyme. Wenn wir auf die Studierenden verweisen, benutzen wir die Nummern der (Meta-)Narrationen (z.B. Stud1_Int.1).

4.3 Analyse

In einem ersten Schritt untersuchten wir das Datenmaterial nach inhaltsanalytischen Prinzipien (vgl. Mayring 2015). Mit Hilfe der Software MAXQDA (Version 2022) wurden in den transkribierten Interviews und Metatexten Stellen identifiziert, in denen auf Sprachenlernen, Sprachenlernen, Sprachgebrauch, Identität und Spracheinstellungen eingegangen wird. Die markierten Stellen wurden mehrmals gelesen und mit Kodes versehen (z.B. ‘Gesellschaftliche Bewertung’). Ein Kode, wie zum Beispiel ‘gesellschaftliche Bewertung’, steht dabei für einen Abschnitt, in dem die Interviewpartner*innen über die Wertigkeit ihrer Erstsprachen sprechen. Die Kodes beziehen sich in erster Linie auf inhaltliche Elemente.

Basierend auf der inhaltlichen Kodierung arbeiteten wir in einem zweiten Schritt diskursive Sagbarkeitsfelder und Subjektpositionierungen heraus. Durch den Kodierungsprozess kristallisierten sich drei Oberthemen heraus, die in den Interviews diskutiert wurden. Dies sind: Einstellungen gegenüber Mehrsprachigkeit; mehrsprachige Identitäten; Sprachen als Ressourcen. Diese Oberthemen leiten nachfolgend zwei qualitative Detailanalysen (vgl. Rheindorf/Wodak 2017), in denen wir exemplarisch zwei biografische Skizzen und deren Meta-Erzählungen diskutieren. Basierend auf Reisigl und Wodak (2016) sowie Gee (2018) analysieren wir die biografischen Skizzen und Metatexte auf linguistische Indikatoren und «unbewusste» Textplanungsstrategien (Wodak 2020b: 891). Folgende Indikatoren und Strategien stehen dabei im Zentrum:

  • Repräsentationen: Wie werden Subjekte positioniert und Akteur*innen charakterisiert?

  • Diskurse und Identitäten: Wie werden Handlungen dargestellt – dynamisch oder statisch – und wie werden Identitäten diskursiv verhandelt?

  • Referentielle Strategien: Nominalisierungen, oder wie werden soziale Akteure bezeichnet, z.B. kollektive Nennungen, Namen, Berufsgruppen, etc.?

  • Argumentative Strategien: Wie werden die ko-konstruierten Sichtweisen legitimiert?

  • Perspektivierungsstrategien: Aus welcher ideologischen Perspektive werden die Akteur*innen und Prozesse beschrieben?

Indem wir diese Fragen an die (Meta-)texte stellen, ergründen wir, wie die Studierenden gemeinsam mit Ihren Interviewpartner*innen Wissen über mehrsprachiges Aufwachsen im schulischen und ausserschulischen Kontext generieren und reflektieren.

5 Ergebnisse

5.1 Sprachliche Normvorstellungen und Übertrittsentscheide: Beispiel Anna

Biografische Angaben

Anna wurde in der Schweiz geboren, ist zum Zeitpunkt des Interviews 20 Jahre alt und studiert Medizin. Sie gibt an, Tamilisch und Deutsch zu sprechen und berichtet chronologisch über ihr Spracherleben. Wie bei vielen der interviewten Personen im Korpus wird der Eintritt in den Kindergarten als erstes prägendes Erlebnis konstituiert. Anna erzählt, dass sie bis zum Schuleintritt kaum mit der deutschen Sprache in Kontakt gekommen ist, da ihr Umfeld aus Tamilisch sprechenden Menschen bestand. Sie betont, dass sie besser Deutsch als Tamilisch kann, aber beide Sprachen Teil von ihr sind. Französisch und Englisch, findet sie, beherrscht sie nicht so gut. Weiter erzählt Anna, dass sie sich der Schweiz zugehörig fühlt und die Verbindung zu Sri Lanka eigentlich nur noch durch ihre Eltern besteht.

Spracherleben in der Schule – Selbst- und Fremdpositionierungen

Anna definiert den Schuleintritt als Moment, in dem sie realisiert, dass sie eine andere Sprache spricht als die Mehrheit der Kinder. Sie konstruiert dieses «Anderssein» nicht als problematisch, obwohl die Unterstufenlehrperson Anna wöchentlich vor dem Unterricht in die Schule «bestellt» (Interview 1, Ausschnitt 1, Zeile 1), um das 4-Kasus-System der deutschen Sprache zu üben.

Interview 1, Ausschnitt 1: Annas Spracherleben auf der Unterstufe

1 Die Lehrerin in der Unterstufe hat mich jeweils einmal die Woche früher in die Schule bestellt
2 und sie hat mit mir die Fälle geübt und mich dadurch sehr gut unterstützt.
3 Ihre Hilfe hat mir für meine spätere Schulkarriere sehr viel gebracht, denn ich kann die Fälle
4 heute besser als meine tamilischen Freunde <lacht>.

Anna fühlt sie sich in dieser Situation nicht abgegrenzt, sondern «sehr gut unterstützt» (ebd., Zeile 2). Der Fokus auf den «Fällen» in Zeile 2 gibt einen ersten Hinweis darauf, dass grammatikalische Korrektheit die sprachlichen Normvorstellungen und somit auch die Handlungsabsichten der Lehrperson prägen. In Zeile 3 stellt Anna sogar einen kausalen Zusammenhang her zwischen der von der Lehrperson angebotenen Hilfe und ihrer Schulkarriere. Anna konstruiert das Beherrschen der vier Fälle als Erfolgsargument, mit dem sie sich von ihren tamilischen Freund*innen abhebt. Auch wenn die Äusserung in Zeile 4 mit einem Lachen endet, konstituiert das diskursiv hervorgebrachte Wissen, dass die grammatikalisch korrekte Verwendung der deutschen Sprache mitentscheidend für den Verlauf ihrer Schulkarriere war, Annas soziale Wirklichkeit. Anna positioniert sich in Bezug auf eine von aussen herangetragene Norm (vgl. Busch 2019).

Obwohl auch die Lehrperson auf der Unterstufe durch die Hilfsangebote Annas Deutschkompetenzen an sprachlichen Normvorstellungen misst und somit eine Differenzkategorie konstruiert, ändert sich Annas Spracherleben auf der Mittelstufe. In Ausschnitt 2 bieten die Lehrpersonen in den höheren Schulstufen Anna auch generell andere Subjektpositionen an als einsprachigen Lernenden (vgl. Springsits 2016).

Interview 1, Ausschnitt 2: Fremdpositionierungen in den höheren Schulstufen

1 Während der Mittelstufe machte ich jedoch nicht mehr so gute Erfahrungen. Es kam mir so vor,
2 als ob bei meinen schulischen Problemen die Schuld jeweils auf die mangelnden
3 Sprachkenntnisse geschoben wurden. So zum Beispiel bei Mathematikaufgaben. Manchmal
4 kam es mir so vor, als sehen die Lehrpersonen jeweils nur die Grenzen, welche ich aufgrund
5 meiner anderen Muttersprache zu erwarten habe. Sie sagten mir zum Beispiel, dass ich die
6 Sekundarschule mit meinen sprachlichen Schwierigkeiten nicht schaffen werde. Dasselbe war
7 auch wieder beim Übertritt ins Gymnasium der Fall. Die Lehrpersonen sind nie konkret auf
8 meine Erstsprache eingegangen, sondern haben den Mangel gesehen, dass Deutsch nicht meine
9 Erstsprache ist.

In den Zeilen 1 bis 3 stellt Anna einen kausalen Zusammenhang zwischen «schulischen Problemen» (Zeile 2) und «mangelnden Sprachkenntnissen» (Zeile 2-3) her. Als Beispiel nennt sie das Fach Mathematik (Zeile 3). In Zeile 4 verwendet Anna generalisierend die Berufsgruppe «Lehrpersonen», vermutlich um hervorzuheben, dass ein Grossteil ihrer Lehrpersonen ab der Mittelstufe ihre Mehrsprachigkeit problematisierten. Die Verwendung des Wortes «Grenzen» (Zeile 4) verdeutlicht, dass die Lehrpersonen das mehrsprachige – nicht deutschsprachige – Subjekt einschränken (vgl. Dirim/Mecheril 2018). Die erste Einschränkung wird am Übergang von der Primar- auf die Sekundarstufe verortet und wiederum wird ein kausaler Zusammenhang zwischen «sprachlichen Schwierigkeiten» (Zeile 6) und Schulerfolg hergestellt. Die zweite Einschränkung des Subjekts erfährt Anna am Übergang von der Sekundarschule ins Gymnasium. In den Zeilen 7 bis 9 kommt erneut zum Ausdruck, dass Schulerfolg diskursiv eng mit dem Beherrschen der Schulsprache verknüpft ist. Anna wird positioniert als Subjekt, das durch den «Mangel» (Zeile 8), nicht Deutsch als Erstsprache zu haben, von gewissen Subjektpositionen, wie zum Beispiel jener der Gymnasiums-Absolventin, ausgeschlossen wird.

Nachdem Anna ihr Spracherleben geschildert hat, wird sie von ihrer Interviewpartnerin aufgefordert, über ihre Schulzeit «im Nachhinein» (Stud1_Int.1) nachzudenken. Obwohl Anna zu Beginn des Interviews ihre Sprachhandlungsfähigkeit in der deutschen Sprache nicht explizit problematisiert, wird in Ausschnitt 3 ersichtlich, dass sie diese doch als sehr einschränkend erlebte.

Interview 1, Ausschnitt 3: Selbstdeutung als mehrsprachige Sprecherin und Strategien

1 Zu Beginn war es sehr schwer, da ich in den Kindergarten kam und nur sehr wenig Deutsch
2 konnte. Zudem hat es mir Mühe gemacht, von den Lehrpersonen zu hören, dass ich es nicht
3 schaffen werde, weil Deutsch eben nicht meine Muttersprache ist. Ich sehe aber einen grossen
4 Fortschritt, den ich in der Sprache gemacht habe. Aber ich denke die Schule wäre mir leichter
5 gefallen, wenn meine Muttersprache Deutsch gewesen wäre. Da ich wegen
6 schlechter/unpassender Formulierungen jeweils schlechte Noten bekommen habe, habe ich
7 begonnen ganze Sätze auswendig zu lernen, um dieses Problem vorzubeugen. So habe ich im
8 Gymnasium z.B. Sätze für die Geoprüfung ohne grosses Verständnis auswendig gelernt und
9 dann in der Prüfung niedergeschrieben. Dass ich mich nicht richtig ausdrücken konnte, hat
10 mir schon Mühe bereitet.

In Zeile 1 und 2 erzählt Anna, dass sie trotz der in Ausschnitt 1 dargestellten positiven Erlebnisse auf der Unterstufe das «wenig Deutsch» (Zeile 1) als schwierig erlebt. Anna betont, dass die Fremdpositionierungen der Lehrpersonen ihr «Mühe» (Zeile 2) bereiteten. Dennoch übernimmt sie in den folgenden Selbstpositionierungen dieselben Normen und kausalen Zusammenhänge zwischen Deutschkompetenzen und Schulerfolg wie ihre Lehrpersonen. Bjegač (2020) betont in Bezug auf Selbstpositionierungen mehrsprachiger Sprecher*innen, dass sich diese oft an einer monolingualen, deutschsprachigen Norm orientieren. Dies kommt auch in Zeilen 3 bis 5 zur Geltung. Anna betont den «grossen Fortschritt, den [sie] in der Sprache gemacht [hat]» (Zeile 3–4) und ordnet ein, dass ihr die Schule «leichter gefallen [wäre]» (Zeile 4–5) mit Deutsch als Erstsprache. Um diesem von aussen herangetragenen, aber auch selbstgedeuteten Problem des nicht genügend Deutschkönnens entgegenzuwirken, entwickelte Anna die Strategie, «ganze Sätze auswendig zu lernen» (Zeile 7). Dass Anna Sätze «ohne grosses Verständnis auswendig gelernt» (Zeile 8) und «in der Prüfung niedergeschrieben» (Zeile 9) hat, weist darauf hin, dass sich Deutsch für sie auch noch nach der gesamten Schulzeit wie eine Sprache anfühlte, in der sie sich «nicht richtig ausdrücken konnte» (Zeile 9). Womöglich besteht hier eine Diskrepanz zwischen Annas subjektivem Empfinden, das von Lehrpersonen, die «Sprache als Differenzmerkmal» verstehen (Khakpour/Dirim 2022: 320), verstärkt wird, und ihrer tatsächlichen Ausdrucksfähigkeit.

In Zusammenhang mit dieser sprachbezogenen Positionierung drückt Anna aus, dass korrekter Sprachgebrauch als wichtiger erachtet wurde als Inhalte (Zeile 6–7). Gleichzeitig impliziert Anna, dass das Auswendiglernen ohne Verständnis zu erfolgreichen Resultaten führte. Hier könnte man einerseits die Wichtigkeit der schulsprachlichen Kompetenzen für den Bildungserfolg herausstreichen, andererseits aber auch die bewährten Beurteilungsformate im Schulsystem kritisch hinterfragen.

Meta-Erzählung Studentin (Interview 1)

In der Meta-Erzählung berichtet die Studentin, dass ihr Annas Erzählung half, die Vorlesungsinhalte/Theorien zur Mehrsprachigkeit besser einzuordnen. In Ausschnitt 4 ordnet die Studentin die Fremdpositionierungen ein, um das von Anna erlebte Lehrpersonenhandeln zu evaluieren und Handlungsabsichten für ihre zukünftige Berufspraxis abzuleiten.

Meta-Erzählung 1, Ausschnitt 4: Evaluation Fremdpositionierungen

1 Dass Anna (auch) wegen der sprachlichen Barriere schulische Schwierigkeiten hatte, haben die
2 Lehrpersonen schon früh «diagnostiziert». Für Anna war dieses «abstempeln» aber eher
3 hinderlich für ihre Leistungen. Sie erzählte, dass die Lehrpersonen ihr vieles nicht zugetraut
4 haben, nur weil Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Ich denke es ist sehr wichtig, dass sich
5 die Lehrperson mit dem Aussprechen von Vorhersagen zurückhält. Denn Aussagen, dass das
6 Kind es schulisch nicht weit bringen wird, nützen nichts und wirken sich negativ auf das
7 Selbstkonzept des Schülers/der Schülerin aus.

Zu Beginn fokussiert die Studentin den kausalen Zusammenhang zwischen «sprachliche[r] Barriere» und «schulischen «Schwierigkeiten» (Zeile 1). Indem sie diesen Zusammenhang als «hinderlich für ihre Leistungen» (Zeile 3) beschreibt, hebt sie hervor, dass Annas Subjektposition eingeschränkt wurde. Dies wird verstärkt durch das in Anführungszeichen verwendete Verb «diagnostizieren» (Zeile 2). Weiter charakterisiert die Studentin den hergestellten Zusammenhang zwischen Erstsprache und Schulerfolg als «Vorhersage» (Zeile 5), um dann sogleich Sagbarkeitsfelder für Lehrpersonen zu definieren – nämlich, «dass sich die Lehrperson mit dem Aussprechen von Vorhersagen zurückhält» (Zeile 5). Indem die Studentin in Zeile 4 in die erste Person Singular wechselt und ihre Aussage mit «sehr wichtig» verstärkt, impliziert sie, dass die von ihr konstruierten Sagbarkeitsfelder in Bezug auf Sprache und Schulerfolg auch in ihrer projizierten Rolle als zukünftige Lehrperson Gültigkeit haben. Um die Gültigkeit ihrer Aussage zu unterstreichen, wechselt die Studentin in Zeile 5 in die dritte Person Plural – «Aussagen» (Zeile 5) wird zum Subjekt, um sich als neutrale Expertin zu positionieren und sich auf das gemeinsam generierte Wissen zu berufen. Dies unterstreicht die Studentin, indem sie einen kausalen Zusammenhang zwischen den genannten Aussagen (Zeile 5) und dem «Selbstkonzept» (Zeile 7) der Schüler*innen herstellt.

Während die Studentin die eingeschränkten Subjektpositionen in der Meta-Erzählung klar herausarbeitet, geschieht diese Bewusstwerdung in Bezug auf monolingual geprägte Normvorstellungen weniger eindeutig.

Meta-Erzählung 1, Ausschnitt 5: Monolingual geprägte Normvorstellungen

1 Ich finde das Beispiel von Anna ein sehr ermutigendes für Kinder, welche nicht die
2 Muttersprache Deutsch haben. Mit einer unterstützenden Lehrerperson in der Unterstufe und
3 einem sehr grossen Willen, hat sie es trotz anderen Vorhersagen geschafft und studiert nun an
4 der Universität Medizin. Mich als zukünftige Lehrperson ermutigt dieses Fallbeispiel im
5 Umgang mit Kindern, welche nicht die Muttersprache Deutsch haben. Es motiviert mich mit
6 ihnen Deutsch zu üben, sie zu unterstützen und sie zu ermutigen. Zudem möchte ich die
7 Mehrsprachigkeit des jeweiligen Kindes auch im Unterricht anerkennen.

Indem die Studentin in Zeile 1 das «Beispiel von Anna» als ein «sehr ermutigendes» charakterisiert, impliziert sie, dass Lernende mit anderen Erstsprachen als Deutsch nach wie vor die Ausnahme sind. Gleichzeitig spricht sie diesen Kindern andere Subjektpositionen zu als Kindern mit Deutsch als Erstsprache. Dies wird deutlich in der Erklärung, warum Annas Beispiel ermutigend ist. Die Studentin listet eine «unterstützende Lehrperson» (Zeile 2) und «einen sehr grossen Willen» (Zeile 3) als Erfolgsfaktoren auf, die nötig waren, um die einschränkenden Fremdzuschreibungen und eingeschränkten Subjektpositionen zu überwinden. Obwohl Anna im transkribierten Text nicht auf ihr Medizinstudium eingeht, verweist die Studentin in Zeile 4 darauf, um zu betonen, dass es Anna trotz nicht deutscher «Muttersprache» (Zeile 2) geschafft hat. Somit übernimmt sie eine einschränkende Subjektposition und konstruiert den Erfolg als Ausnahme.

Dass die Studentin Schüler*innen mit anderen Erstsprachen als Deutsch tendenziell an einer monolingualen Norm misst, wird in Zeilen 4 bis 7 noch etwas deutlicher. Durch die pronominale Verwendung der Verben «ermutigen» (Zeile 4) und «motivieren» (Zeile 5) setzt die Studentin das «Fallbeispiel» (Zeile 4) in Subjektposition, um hervorzuheben, dass das mit Anna generierte Wissen «im Umgang mit Kindern, welche nicht die Muttersprache Deutsch haben» (Zeile 5) als Grundlage für ihr zukünftiges Handeln dient. Obwohl die Aussagen «Deutsch zu üben», «unterstützten» und «ermutigen» (Zeile 6) gut gemeint sind, hebt die Studentin Sprache als Differenzkategorie hervor und schreibt der Lehrperson durch die Verbprozesse Handlungsmacht zu. Dies wird verstärkt durch «möchte ich die Mehrsprachigkeit des jeweiligen Kindes auch im Unterricht anerkennen» (Zeilen 6–7), wobei zum Ausdruck kommt, dass Mehrsprachigkeit als etwas erlebt wird, das speziell in Erwägung gezogen und nicht als Grundlage für mehrsprachigen Kompetenzerwerb betrachtet wird.

5.2 Mehrsprachigkeit als Kapital: Beispiel Belinda

Biografische Angaben

Belinda wurde in der Schweiz geboren, ist zum Zeitpunkt des Interviews 26 Jahre alt und arbeitet als Flugbegleiterin. Sie gibt an, brasilianisches Portugiesisch, Deutsch, Spanisch und Englisch zu sprechen. Weiter versteht sie Französisch und Italienisch, spricht diese Sprachen aber nicht fliessend. Belinda ist zweisprachig aufgewachsen – mit ihrer Mutter spricht sie Portugiesisch, mit ihrem Vater Deutsch. Belinda betont, dass sie ein grosses Interesse an Sprachen hat. Sie habe Bücher, um Französisch oder Italienisch zu vertiefen, und Filme schaue sie in der Originalversion mit Untertiteln. Da Belinda bei einer Ferien-Airline arbeitet, die meist Schweizer Passagiere befördert, brauche sie nicht so viele verschiedene Sprachen im Beruf wie anfänglich erhofft.

Selbst- und Fremdpositionierungen als mehrsprachige Sprecherin

Wie Anna erlebt auch Belinda bei Eintritt ins Schulsystem, dass ihre Mehrsprachigkeit problematisiert wird, und überträgt die einschränkende Subjektposition, die mehrsprachige Ressourcen nicht valorisiert und als hinderlich für die Entwicklung des Kindes betrachtet, auf sich. Anders als Anna geht Belinda jedoch im Verlauf des Interviews nicht mehr auf Fremdpositionierungen von Seiten der Lehrpersonen ein. Vielmehr nutzt Belinda die Diskussion mit der Studentin, um sich als mehrsprachige Sprecherin im Erwachsenenalter zu positionieren, die Mehrsprachigkeit als unabdingbare Ressource konstruiert. Allerdings ist Belindas Sicht auf Mehrsprachigkeit eher selektiv.

Interview 3, Ausschnitt 1: Englisch/Sprachen als Ressource

1 Ja, ich finde einfach Sprachen, ja, man muss mehrere Sprachen können, sicherlich das
2 Englische, das ist für mich, ich finde das ist etwas, das man heutzutage können muss. Ich merke
3 auch immer, wenn ich im Ausland bin, also wenn du die Sprache nicht kannst, bist du einfach
4 aufgeschmissen, da sage ich immer, dann musst du gar nicht ins Ausland.

Obwohl Belinda betont, dass man «mehrere Sprachen können» (Interview 3, Ausschnitt 1, Zeile 1) muss, wird ersichtlich, dass sie Mehrsprachigkeit über das Beherrschen der englischen Sprache konstituiert. In Zeile 2 konstruiert Belinda Englisch als «etwas, das man heutzutage können muss». Obwohl nicht klar ist, ob Belinda Englisch als ökonomische oder kommunikative Ressource betrachtet, verweist die allgemein gehaltene Formulierung auf den «globalen Wert» (Park/Wee 2021: 64) der englischen Sprache. Indem Belinda im zweiten Satz von einer allgemeinen Perspektive wieder in die erste Person Singular wechselt, wird der Fokus vom Englischen auf «Sprache» allgemein gelenkt – «ich finde» und «ich merke» (Zeile 2). Durch diese kognitiven Prozesse konstruiert Belinda Sprachen auch als symbolisches Kapital (Bourdieu 2001), das für sie neue Welten eröffnet. Dies unterstreicht Belinda durch «wenn du die Sprache nicht kannst, bist du einfach aufgeschmissen» (Zeilen 3-4) und «dann musst du gar nicht ins Ausland» (Zeile 4). Indem Belinda fehlende Sprachkompetenzen nutzt, um monolinguale Subjekte diskursiv einzuschränken, schreibt sie sprachlich gewandten Subjekten ein gewisses Prestige zu (vgl. Park/Wee 2021).

In diesem instrumentellen Sinn konstruiert Belinda das schulische Sprachenlernen auch als guten Einstieg ins Leben.

Interview 3, Ausschnitt 2: Schulisches Sprachenlernen als guter Einstieg

1 Ich finde, das ist ein sehr guter Einstieg – fürs Leben, also mmh, ich, mmh, ich war vor zwei
2 Jahren in Amerika, für drei Monate in Kalifornien, um Englisch zu lernen, weil ich dies nötig
3 hatte für, mmh, für meinen Beruf, und mmh, ich weiss noch, als ich dort anfing, also musste ich
4 einen Test machen, dass sie mich anschliessend zuordnen können, in welches Sprachlevel, das
5 ich komme. Und wirklich, da holte ich wieder das Schulenglisch hervor. Einfach halt die
6 kleinen Sachen, die man in der Schule lernt. Oder auch beim Franz, also, ich kann noch
7 gewisse Sätze, oder auch mit Passagieren auf dem Flugzeug, wenn sie aus der Westschweiz
8 kommen mit Franz, und da kommen die Wörter einfach, die ich damals in der Schule gelernt
9 habe […] aber mmh, es ist wirklich ein guter Einstieg fürs Leben, finde ich.

In Ausschnitt 2 erklärt Belinda, dass die Grundlagen, die sie im Französisch und Englisch in der Schule lernte, in ihrem Beruf nützlich sind. Dies wird sichtbar in der Erinnerung an den Sprachaufenthalt in den USA, wo Belinda einen Einstufungstest absolvieren musste. Da konnte sie «das Schulenglisch» hervorholen (Zeile 5). Belinda reaktivierte eine Wissensbasis, die sie in der Vergangenheit aufgebaut hatte – «die kleinen Sachen, die man in der Schule lernt» (Zeilen 5–6) – und in einem bestimmten Moment zukunftsorientiert «für [ihren] Beruf» (Zeile 3) einsetzte (vgl. Biesta/Tedder 2007). Um dies zu untermauern, fügt Belinda an, dass sie sich auch beim Kommunizieren mit französischsprachigen Fluggästen auf das Schulfranzösisch verlassen kann. Dass Belinda dies allem Anschein nach mit Leichtigkeit tut, wird, wie auch schon beim Englisch, durch ihre Wortwahl «da kommen die Wörter einfach, die ich damals in der Schule gelernt habe» (Zeile 8) deutlich. Mit diesen beiden Beispielen positioniert sich Belinda als aktive und erfolgreiche Sprachenlernende. Das schulische Sprachenwissen von Belinda gehört gemäss Pirhonen (2022) zum «action repertoire» (621), in dem Sprachenlernen bewusst durch das handelnde Subjekt konstruiert wird. Das heisst, dass sich Belinda eine aktive Rolle in der Entwicklung ihrer Mehrsprachenkompetenzen zuschreibt.

Meta-Erzählung Studentin (Interview 3)

Wie die Studentin in Kapitel 5.1 nutzt die Gesprächspartnerin von Belinda die Meta-Erzählung, um die Schilderungen in Bezug zum Kontext Schule und Unterricht zu setzen. In Ausschnitt 3 positioniert die Studentin Belinda einerseits als Expertin, um von diesem Wissen auf Herausforderungen und Erwartungen auf der Makroebene zu schliessen, andererseits als Beispiel, um zukünftige Handlungsperspektiven abzuleiten.

Meta-Erzählung 3, Ausschnitt 3: «Institutional voices»

1 Auch was sie erzählt über den Umgang der Lehrer mit ihrer Zweisprachigkeit zeigte mir, dass
2 viele Lehrpersonen meist überfordert sind mit solchen Kindern und wahrscheinlich auch nicht
3 so recht wissen, wie sie diese Schüler und Schülerinnen in ihrer Muttersprache fördern können,
4 aber auch dem Anspruch der Schule und der Gesellschaft gerecht zu werden, dass diese SuS gut
5 Deutsch lernen […].
6 Mit all diesen Sprachen die Belinda spricht, sehe ich für sie darin einen unglaublichen
7 Mehrwert. Als Lehrperson für meinen beruflichen Alltag möchte ich sicher mitnehmen, dass es
8 für mehrsprachige Kinder wichtig ist, Verständnis zu zeigen. Es ist wichtig, dass sie ihre
9 Sprachstrukturen und ihr Wissen beibehalten und festigen können.

Während Belinda im Interview Lehrpersonen selten explizit erwähnt, schreibt die Studentin das Problematisieren der Zweisprachigkeit den Lehrpersonen zu. Durch die Wortwahl «zeigte mir, dass viele Lehrpersonen meist überfordert sind mit solchen Kindern» (Zeilen 1-2) und «auch nicht so recht wissen, wie sie diese Schüler und Schülerinnen in ihrer Muttersprache fördern können» (Zeilen 2-3) stellt die Studentin einen kausalen Zusammenhang zwischen Belindas Spracherleben auf der Unterstufe und aktuellem Lehrpersonenhandeln her. Hierbei beruft sich die Studentin auf das im Interview ko-konstruierte Wissen, indem sie durch das Verb «zeigte mir» (Zeile 1), Wahrheitsansprüche – wie z.B., dass Lehrpersonen mit Zweisprachigkeit überfordert sind – geltend macht (cf. Reisigl/Wodak 2016) und dieses neu gewonnene Expertinnen-Wissen in einen übergeordneten, institutionellen Diskurs einordnet. Dies wird deutlich in Zeilen 4 und 5, in denen die Studentin beschreibt, dass die Schule und die Gesellschaft Interesse daran haben, «dass diese SuS gut Deutsch lernen». Obwohl die Studentin den Umgang der Lehrpersonen mit Mehrsprachigkeit zu problematisieren scheint, wird dieser Anspruch durch die Berufung auf eine sogenannte «institutional voice» (Razfar 2012: 72) – «dem Anspruch der Schule und der Gesellschaft» (Zeile 4) – wieder abgeschwächt. Diese sogenannte institutionelle Stimme legitimiert die Förderung von kompetenten Deutsch-Sprecher*innen, denn «diese SuS» (Zeile 4) unterscheiden sich von anderen – monolingualen – Lernenden.

Trotzdem scheint die Studentin sensibilisiert dafür zu sein, dass mehrsprachiges Aufwachsen Kinder nicht überfordert. Mit Bezug auf Ossner (2008) streicht die Studentin andernorts in ihrer Meta-Erzählung heraus, dass die Förderung der Erstsprache genauso wichtig ist wie die Förderung der Zweit- und Schulsprache. In Ausschnitt 3 valorisiert sie dies einerseits mit der Formulierung «mit all diesen Sprachen […] sehe ich für sie einen unglaublichen Mehrwert», andererseits verwendet die Studentin das ko-konstruierte Wissen, um daraus Handlungsabsichten für ihre Berufspraxis abzuleiten. Sie möchte nicht nur «Verständnis zeigen» (Zeile 8), sondern auch die «Sprachstrukturen» und das «Wissen» (Zeile 9) der Lernenden fördern. Obwohl diese Absichten vage bleiben, deutet in der Meta-Erzählung der Studentin einiges darauf hin, dass eine vertiefte Auseinandersetzung mit Mehrsprachigkeit stattfand.

6 Diskussion und Schlussfolgerungen

Mit unserer ersten Forschungsfrage wollten wir ergründen, welches Wissen in biografisch-narrativen Interviews über die lebensweltliche Mehrsprachigkeit in der Deutschschweiz von Studierenden und mehrsprachigen Sprecher*innen generiert wird. Dieses narrative knowledging in den exemplarisch ausgewählten Interviews zeigt auf, dass die Schule in diesem spezifischen Erinnerungskontext einen massgeblichen Einfluss auf das Spracherleben hat. Indem die interviewten Personen generalisierend von Lehrpersonen sprechen, werden nicht nur institutionelle Machtverhältnisse rekonstruiert, sondern auch bestimmte Subjektpositionen eingenommen. So werden referentielle Strategien angewendet, um schulische Sprachverhältnisse zu erinnern. In diesem Zusammenhang nimmt die erste Interviewpartnerin häufiger einschränkende Subjektpositionen ein als die Interviewpartnerin in Interview 3, obwohl in beiden Erzählungen Mehrsprachigkeit im schulischen Kontext problematisiert wird. Auch in anderen Erzählungen nehmen die interviewten Sprecher*innen eingeschränkte Subjektpositionen ein, wenn es um Deutschkenntnisse im schulischen Kontext geht – nicht nur Lehrpersonen schränken Subjekte ein, sondern auch Mitschüler*innen, die mehrsprachige Kinder hänseln oder auslachen.

Mit unserer zweiten Forschungsfrage untersuchten wir, wie sich Erwachsene in Selbstauskünften als mehrsprachige Sprecher*innen im schulischen und ausserschulischen Raum positionieren. Bjegač (2020) stellt in ihrer Studie zu mehrsprachigen Jugendlichen fest, dass fallübergreifend zwei «sprachbezogene Selbstpositionierungen herausgearbeitet werden: die ‘fast-aber-nicht-ganz’ Positionierung […] sowie die voraussetzungsvolle und idealisierte Positionierung als Mehrsprachige» (187). Im schulischen Raum positioniert sich vor allem Anna als «fast-aber-nicht-ganz» monolinguale Deutschsprecherin. Indem sie Auswendiglernstrategien anwendet, um schulisch erfolgreich zu sein und «richtiges Deutsch» zu generieren, orientiert sie sich an monolingualen Normen. Anna positioniert sich in diesen Ausschnitten auch klar als aktives Subjekt, das viel investiert, um eine Identität als Deutschsprechende aufzubauen und im monolingual geprägten Schulfeld erfolgreich zu sein. In Erinnerung an die Unterstufe nimmt auch Belinda eine «fast-aber-nicht-ganz» Position ein, die sie wie Anna mit gewissen Strategien konstituiert – Belinda drückt dies durch einen dynamischen Lernprozess aus – sie wusste mit der Zeit, wann sie Deutsch sprechen musste. In beiden Beispielen übernehmen die interviewten Personen also eine aktive Rolle, wenn es darum geht, sich als monolingual deutschsprechende Subjekte zu positionieren und den vorherrschenden sprachlichen Normen zu entsprechen.

Während Anna nicht explizit auf den ausserschulischen Raum eingeht, wird bei Belinda in den berufsbezogenen Erzählungen eine idealisierende Sicht auf Mehrsprachigkeit herausgearbeitet. Die Leichtigkeit, mit der Belinda in der Schule und als Erwachsene Sprachen lernt, wird nicht explizit ihrem mehrsprachigen Hintergrund zugeschrieben, sondern den Französisch- und Englischkenntnissen, die sie während der Schulzeit aktiv aufbaute. Auf diese Ressourcen kann sie in ihrem Berufsalltag zurückzugreifen. Obwohl Belinda sich in der Schule an die monolinguale Norm anpasste und diese nicht hinterfragte, positioniert sie sich als Erwachsene explizit als mehrsprachige Sprecherin, da sie die Sprachen im Beruf einsetzen kann.

Mit Bezug auf die dritte Forschungsfrage – inwiefern Studierende unserer Hochschule in ihren Metatexten über das Spracherleben der interviewten Personen sprachbezogene Normvorstellungen (re)produzieren – halten wir fest, dass sich die Studierenden in den Meta-Erzählungen 1 und 3 einerseits der Problematik von Fremdzuschreibungen bewusstwerden. Andererseits wenden sie ähnliche Argumentationsstrategien wie ihre Interviewpartnerinnen an, um kausale Zusammenhänge zwischen mehrsprachigen Lernenden, monolingualen Normen und Schulerfolg herzustellen. Studentin 1 repräsentiert Anna als «ermutigendes Beispiel» und Studentin 3 schreibt Belinda durch ihre Mehrsprachigkeit einen «unglaublichen Mehrwehrt zu». Mit diesen Repräsentationen übernehmen die Studierenden nicht nur die von den Interviewpartnerinnen konstituierten Selbst- und Fremdpositionierungen, sondern nutzen diese auch als Grundlage für das Ableiten zukünftiger Handlungsabsichten. So wird auch deutlich, dass im Rahmen dieser Arbeit institutionell geprägte Sagbarkeitsfelder dominieren. Unsere Studierenden scheinen sich auf eine institutionell gefärbte Stimme zu berufen, um zukünftige Handlungsabsichten aus dem im Interview und in der Reflexion generierten Wissen abzuleiten. Obwohl die beiden Studierenden in ihren Meta-Erzählungen problematische Perspektiven auf Mehrsprachigkeit herausarbeiten, hinterfragen sie monolingual geprägte Normen kaum. Diese Tendenzen sind auch in weiteren Metatexten ersichtlich, allerdings ist die Mikroanalyse der Meta-Erzählungen noch nicht vollständig abgeschlossen.

Mittels des skizzierten hochschuldidaktischen Versuchs sehen wir eine Möglichkeit, wie es Busch (2019: 127) formuliert, «Diskursperspektive und Erlebnisperspektive zueinander in Bezug zu setzen». Einerseits kann das narrative knowledging als dritter Lernort verstanden werden, in dem Studierende und mehrsprachige Personen gemeinsam Wissen über Mehrsprachigkeit generieren. Andererseits erlaubt das Interview- und Reflexionssetting, mehrsprachigen Kompetenzaufbau situativ zu verhandeln, um der Instrumentalisierung von Sprachen auf verschiedenen Ebenen (Bildungs- und Subjektperspektive) entgegenzuwirken und dominante bzw. dominierende Spracheinstellungen kritisch zu hinterfragen. Dennoch müsste in weiteren Versuchen die kritisch-reflexive Ebene vertiefter angegangen werden, damit unsere Studierenden besser in der Lage sind, ihre Spracheinstelllungen, Meinungen und Überzeugungen zu hinterfragen und potenziell problematische Machtverhältnisse zwischen der Institution Schule und verschiedenen Subjektpositionen zu erkennen.

Notes

  1. Ein besonderer Dank gilt unseren Hilfsassistentinnen Shivani König und Virginia Kopp, die uns bei der Datenaufbereitung und während des Kodier-Prozesses unterstützten. [^]
  2. Vgl. Art. 4 und Art. 70 der Bundesverfassung (Schweizerische Eidgenossenschaft 2022a). [^]
  3. Vgl. Art. 9 und Art. 10 der Sprachenverordnung, SpV, SR 441.11 (Schweizerische Eidgenossenschaft 2022b). [^]
  4. Vgl. Art. 11 der Sprachenverordnung, SpV, SR 441.11 (Schweizerische Eidgenossenschaft 2022b). [^]
  5. Sie umfasste die folgenden Regeln: 1) Wortwiederholungen, Zögern, Selbstkorrekturen und Füllwörter beibehalten; 2) Sprechpausen durch (.) markieren; 3) fallende Intonation mit einem Punkt und steigende Intonation mit einem Fragezeichen kennzeichnen; 4) Paralinguistische Informationen in eckigen Klammern angeben, z.B. <lacht>. Die für diesen Beitrag ausgewählten Transkripte hielten lediglich Füllwörter wie mmh und vereinzelt paralinguistische Informationen fest. [^]

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Kurzbio

Dr. Marion Mathier ist Dozentin für Französisch und Englisch am Institut Primarstufe der Pädagogischen Hochschule Bern. Ihre Forschungsinteressen umfassen policy analysis, kritische Diskursanalyse und kritische Soziolinguistik mit einem besonderen Schwerpunkt auf Maschine-Mensch-Interaktionen.

Dr. Simone Ganguillet arbeitet als Dozentin in den Bereichen Französisch und Mehrsprachigkeit am Institut Primarstufe der Pädagogischen Hochschule Bern. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Mobilitätserfahrungen, bilingualer und differenzierter Unterricht sowie comparative education.

Anschrift:

marion.mathier@phbern.ch

simone.ganguillet@phbern.ch

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Pädagogische Hochschule Bern

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Themenschwerpunkt: Migrationssensibler Fremdsprachenunterricht – Voraussetzungen, Ziele und Lerngelegenheiten am sogenannten dritten Ort

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