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Aufsatz außerhalb des Themenschwerpunkts

Der Lernwortschatz in einem DaF-Anfängerlehrbuch: Wortauswahl und Wiederholungsfrequenz

Abstract

Wie ist der Wortschatz in DaF-Lehrbüchern zusammengesetzt und wie häufig werden neue Wörter wiederholt? In diesem Beitrag wird der Lernwortschatz in einem zweisprachigen norwegischen Lehrbuch für den DaF-Anfängerunterricht beschrieben. Zum Vergleich werden ein deutsches DaF-Lehrbuch und eine Wortschatzliste des Goethe-Instituts auf dem Niveau A1 (GER) herangezogen. Die Analyse zeigt ein umfassendes Wortschatzangebot, das jedoch nur teilweise dem Niveau A1 entspricht, bei gleichzeitig niedrigen Wortwiederholungsfrequenzen. Hieraus lässt sich eine vermehrte Verantwortung der Lehrenden für die systematische Wortschatzarbeit im Unterricht ableiten.

Basic vocabulary in a beginners’ textbook for German as a foreign language: word selection and frequency
How is the lexis in GFL-textbooks organized and how often are new words repeated? This paper describes how new vocabulary is implemented in a bilingual Norwegian textbook at beginner level. As a basis for comparison, a German GFL textbook and a basic word list at the A1 level (CEFR) are used. The analysis shows a broad range of lexis that only partially meets the A1 level and that the word repetition frequency is low. From this follows a teachers’ imperative need to ensure systematic vocabulary work in the classroom.

Grunnleggende ordforråd i en lærebok for tysk som fremmedspråk for nybegynnere: ordvalg og -frekvens
Hvordan er ordforrådet i lærebøker for tysk som fremmedspråk satt sammen, og hvor ofte blir nye ord repetert? I dette bidraget beskriver vi det grunnleggende ordforrådet i en tospråklig, norsk lærebok for tysk som fremmedspråk for nybegynnere. Som sammenlikningsgrunnlag bruker vi en tysk lærebok og en ordliste som Goethe-Instituttet har satt sammen for CEFR-nivå A1. Analysen viser at ordforrådet i boken er omfattende, men at det bare delvis faller sammen med nivå A1. Samtidig er ordfrekvensen lav. Vi konkluderer med at lærere som bruker boken må ta et større ansvar for arbeidet med ordforrådet i undervisningen.

Keywords: Lehrwerkanalyse, Deutsch als Fremdsprache, Lernwortschatz, Wortfrequenz, Grundwortschatzlisten, textbook analysis, German as a foreign language, basic vocabulary, word frequency, vocabulary lists, læreverkanalyse, tysk som fremmedspråk, grunnleggende ordforråd, ordfrekvens, ordlister

How to Cite:

Bauer, Karen & Doetjes, Gerard (2023): Der Lernwortschatz in einem DaF-Anfängerlehrbuch: Wortauswahl und Wiederholungsfrequenz. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 28: 1, 311–333. https://doi.org/10.48694/zif.3608.

1 Einleitung

Voraussetzung für kommunikatives Handeln in der Fremdsprache ist die Beherrschung eines situativ angemessenen Wortschatzes. Im Fremdsprachenunterricht sollte daher systematische Wortschatzarbeit einen festen Platz haben. Lehrwerke leisten einen wichtigen Beitrag beim Aufbau des Wortschatzes (vgl. Bubenhofer/Lange/Okamura/Scharloth 2015: 85), da sie in der Regel einen großen Teil des schriftlichen Materials – und somit neue Wörter – zur Verfügung stellen, mit dem sich die Lernenden auseinandersetzen müssen. Auch in Norwegen sind Lehrwerke traditionell ein wichtiger Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts, wobei für den DaF-Unterricht hauptsächlich zweisprachige, d.h. deutsch-norwegische Lehrwerke norwegischer Verlage eingesetzt werden. Bislang gibt es unseres Wissens allerdings keine Studien, die untersuchen, wie der Wortschatz in Lehrwerken für den DaF-Unterricht in norwegischen Schulen zusammengesetzt ist. Aufgrund der bilingualen Konzeption norwegischer Lehrwerke darf angenommen werden, dass insgesamt weniger deutsche Wörter eingeführt werden als in einsprachigen deutschen Lehrwerken, wie sie von deutschen Verlagen für den DaF-Unterricht bereitgestellt werden.

Unter Wortschatz wird im allgemeinen Sprachgebrauch die Gesamtheit aller Wörter einer Sprache verstanden. Wörter definieren wir im Rahmen dieses Beitrags als sprachliche Einheiten, die eine Form- und eine Bedeutungsseite haben (vgl. Tschirner 2010: 236). Unter Grundwortschatz verstehen wir denjenigen Wortschatz, den Anfänger beherrschen sollten, um kommunikative Handlungen auf der Stufe A1/2 entsprechend dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER; Europarat 2001) auszuführen. Als Lernwortschatz bezeichnen wir nach Kötter (2017: 219) die Gesamtheit derjenigen Wörter, die in einem Lehrwerk jeweils als lexikalische Grundlage angeboten wird.

Das Erlernen neuer Wörter ist von verschiedenen Faktoren abhängig, darunter spielt die Wiederholungsfrequenz eine wichtige Rolle. In der Forschung besteht Einigkeit darüber, dass Wörter mehrfach angeboten und bearbeitet werden müssen, um eine gute Grundlage für den Wortschatzerwerb zu schaffen (vgl. Laufer 2009: 342). Auffallend ist, dass es vor allem ältere Studien zum Thema Wortwiederholung gibt, die methodisch stark voneinander abweichen, empirische Schwächen haben und damit begrenzt aussagekräftig sind. Die Frage, wie oft Wörter genau vorkommen müssen, um als relevantes Lernangebot gelten zu können, bleibt daher weiter offen (vgl. Kötter 2017: 16–20). Die systematische Wiederholung neu eingeführter Wörter in Lehrwerken schafft die Voraussetzung für einen nachhaltigen Wortschatzerwerb und kann im Sinne Funks (2004: 44) als Qualitätsmerkmal eines Lehrwerks angesehen werden. In verschiedenen Studien (vgl. Bubenhofer et al. 2015; Lopez-Barrios/Raffo 2016; Lymperakakis/Sapiridou 2012) wird auf die unsystematische Auswahl und Einführung bzw. mangelhafte Wiederholung von Wortschatz in DaF-Lehrwerken hingewiesen.

Ziel der vorliegenden Studie ist die Beschreibung des angebotenen Lernwortschatzes in einem zweisprachigen, deutsch-norwegischen Lehrwerk für den DaF-Anfängerunterricht für Jugendliche. Unsere Studie konzentriert sich auf das Lehrbuch, also nur einen Teilbereich des gesamten Lehrwerkes. Um Aussagen darüber machen zu können, welche Konsequenzen eine zweisprachige Konzeption auf den Lernwortschatz und die Wiederholungsrate haben, wird das Lehrbuch mit einem einsprachigen deutschen Lehrbuch verglichen. Zudem wird der Lernwortschatz mit der A1-Liste für das Goethe-Zertifikat „Fit in Deutsch“ (Hennemann/Werff 2013) abgeglichen. Dabei stehen zwei Fragen im Fokus:

  1. Wie ist der Lernwortschatz in einem deutsch-norwegischen Lehrbuch zusammengesetzt?

  2. Wie oft werden die angebotenen Wörter wiederholt?

Der Artikel beginnt mit einigen grundsätzlichen Überlegungen zum Wortschatzerwerb, wobei der Aspekt der Wortwiederholungsfrequenz im Zentrum steht. Anschließend befassen wir uns mit der Frage, welche Rolle Lehrbücher und Wortlisten beim Aufbau des Wortschatzes spielen. Anschließend beschreiben wir das methodische Vorgehen bei der Analyse des Lernwortschatzes und präsentieren unsere Ergebnisse. Abschließend werden die Ergebnisse und mögliche didaktische Implikationen diskutiert.

2 Grundsätzliche Überlegungen zum Erlernen neuer Wörter

In der Forschung zum Wortschatzerwerb herrscht schon länger Einigkeit darüber, dass Wörter mehrfach wiederholt werden müssen, damit sie rezeptiv und produktiv verwendet werden können (vgl. Hulstijn/Hollander/Greidanus 1996; Laufer 2009; Nation/Wang 1999). Russell kam beispielsweise schon in den 1970’ern zu dem Schluss, dass systematische Wiederholungen direkt am Ende einer Lerneinheit, gefolgt von Wiederholungen nach einem Tag, einer Woche, einem Monat und schließlich nach sechs Monaten das Abflachen der Vergessenskurve deutlich verringern (Russell 1979: 149). Die bewusste Wahrnehmung eines Wortes (vgl. Nation 1998), die Verarbeitungstiefe (vgl. Craik/Lockhart 1972; Leow/Mercer 2015; Lockhart/Craik 1990) und die Absicht bzw. Notwendigkeit ein Wort zu erlernen (vgl. Nation 2001: 382) sind weitere Faktoren, die den Wortschatzerwerb beeinflussen.

Während Hören und Lesen inzidentelles rezeptives Lernen von Wörtern ermöglichen können, führt erst eine aktive Auseinandersetzung zu einer tieferen Verarbeitung und schafft damit die Voraussetzung für die Verankerung im Langzeitgedächtnis (vgl. Schmitt 2008: 335). Rezeptiv erlernte Wörter werden Nation (2001: 32) zufolge deutlich schneller vergessen als Wörter, die auch produktiv umgesetzt werden. Die bei Nation (2001) vorgeschlagenen Lernstrategien scheinen aus fachdidaktischer Sicht sinnvoll zu sein, sind allerdings nicht evidenzbasiert erforscht; vielmehr ist die empirische Studienlage im Bereich des Wortschatzerwerbs lückenhaft. So kommen verschiedene Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn es um die Frage geht, wie oft ein Wort angeboten werden muss, damit von einer lernwirksamen Wiederholungsrate gesprochen werden kann. In verschiedenen älteren Arbeiten reichen die Angaben von sieben Wiederholungen bei McCarthy (1990: 117), mindestens acht bei Waring/Takaki (2003: 130), zehn bei Webb (2007: 64) bis zu 16 bei Saragi/Nation/Meister (1978: 74).1 Diese stark voneinander abweichenden Wiederholungsraten lassen sich zum einen durch Unterschiede und Schwächen im Forschungsdesign erklären2, zum anderen durch abweichende Auffassungen darüber, wann ein Wort als gelernt angesehen werden kann. Insgesamt scheint es sinnvoll zu sein, die Suche nach einer optimalen Wiederholungsrate nicht weiter zu verfolgen und stattdessen von einer gewissen Bandbreite an notwendigen Wiederholungen auszugehen, wobei die Tatsache berücksichtigt werden muss, dass der Wortschatzerwerb von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst wird (vgl. hierzu u.a. Saragi/Nation/Meister 1978: 76; Chen/Truscott 2010: 710).

Eine weitere wichtige Rolle beim Wortschatzerwerb spielt die Lernlast eines Wortes (vgl. Nation 2008: 99). Während Kognate eine geringere Lernlast haben (vgl. Hufeisen/Marx 2014: 7), können Schwierigkeiten beim Erlernen anderer, komplexer Wörter auftreten. Dies gilt zum Beispiel für Wörter mit unterschiedlichen Bedeutungen oder die Deklination von Verben, Adjektiven, Pronomina und Artikeln. Das Norwegische nimmt nur in sehr begrenztem Rahmen entsprechende grammatische Markierungen vor und der Formenreichtum des Deutschen kann deshalb für norwegische Lerner:innen eine Herausforderung sein.

Lehrwerke können beim Wortschatzaufbau einen wichtigen Beitrag leisten, sofern sie Wörter mehrfach und auf unterschiedliche Weise, zudem gekoppelt an geeignete Übungen (vgl. Paribakth/Wesche 1999: 216) zur Verfügung stellen. Zudem gibt das aktive Nachschlagen von Wortbedeutungen einen Lernvorteil gegenüber dem Erraten aus dem Kontext oder der Benutzung eines Glossars (Hulstijn et al. (1996: 336).

3 Welche Rolle spielen Lehrbücher im Unterricht?

Im Fremdsprachenunterricht hat der Einsatz von Lehrbüchern eine lange Tradition und auch in Norwegen spielen Lehrbücher als Teil von größeren Lehrwerken eine wichtige Rolle im DaF-Unterricht (vgl. Lindemann 2020). Lernprozesse werden zu einem großen Teil vom Lehrbuch gesteuert (Guerrettaz/Johnston 2013; Rösler/Schart 2016). Konzeptionell finden sich zwei gegenläufige Tendenzen: Auf der einen Seite stehen deterministische Lehrbücher, die den Lernprozess und die Progression mehr oder weniger direkt steuern. Auf der anderen Seite stehen Lehrbücher, die eine Textauswahl kombiniert mit verschiedenen Aufgabentypen anbieten. Hier werden Lernangebote zu verschiedenen Themenbereichen gemacht, aus denen Lehrende passendes Material für die Lernenden auswählen können. Rösler (2012: 47) verortet diese „Lehrbuch-als-Steinbruch“-Tradition in die 1980er Jahre und gibt zu bedenken, dass dieses Konzept hohe Anforderungen an die Lehrenden stellt. Lehrkräften, die mit dieser Form von Lehrbüchern arbeiten, wird das Monitoring der sprachlichen und inhaltlichen Progression übertragen, was einen erheblichen planerischen Mehraufwand mit sich bringt. In der Praxis bedeutet dies, dass DaF-Lehrkräfte, die mit Lehrwerken aus letztgenannter Kategorie arbeiten, selbst eine größere Verantwortung für den systematischen Aufbau des Wortschatzes der Lernenden übernehmen müssen. Deterministischen Lehrbüchern dagegen kann der Vorwurf gemacht werden, dass sie den Unterricht zu stark steuern; gleichwohl erlauben sie den Schüler:innen, die selbständige Arbeit mit den Büchern, sofern entsprechende Strategien in den Büchern angeboten werden.

Im Bereich DaF ist die Lehrbuch- bzw. Lehrwerkanalyse nach wie vor ein wichtiger Forschungsbereich (vgl. Maijala 2019: 714). Allerdings ist die von Funk (2004: 44) vorgeschlagene Untersuchung von DaF-Lehrwerken anhand von Qualitätsmerkmalen offensichtlich kaum weiterverfolgt worden. Untersuchungen zu Einzelthemen (s. z.B. Doetjes/Gooskens 2021; Haukås/Malmquist/Valfridsson 2016; Maijala 2019) lassen vermuten, dass eine umfassende kriteriengeleitete Lehrwerkanalyse aufgrund ihrer Komplexität sehr aufwändig ist.

Neuere Untersuchungen zum Wortschatzaufbau in DaF-Lehrwerken sind im deutschsprachigen als auch im norwegischen Sprachraum selten. Eine ältere Bestandsaufnahme zur Wortschatzarbeit in verschiedenen Sprachlehrwerken kam zu dem Schluss, dass Lehrwerke der systematischen Arbeit mit neuen Wörtern mehr Platz einräumen als dies noch in den 1980er Jahren der Fall war (vgl. Bohn/Schreiter 2000: 58).

Vereinzelt beschäftigten sich Studien mit der Frage, welcher Wortschatz mit welcher Wiederholungsfrequenz in DaF-Lehrbüchern angeboten wird. Eine Untersuchung verschiedener japanischer Deutschlehrbücher kam zu dem Ergebnis, dass unklar bleibt, welcher Wortschatz vermittelt werden soll und welche grundsätzlichen Annahmen zum Wortschatzerwerb bei der konzeptionellen Gestaltung der Bücher zugrunde gelegt wurden (vgl. Bubenhofer/Lange/Okamura/Scharloth 2011). López-Barrio/Raffo (2016) gingen in ihrer Studie eines DaF-Anfängerlehrbuchs der Frage nach, welcher Wortschatz in Verbindung mit welchen lexikalischen Feldern angeboten wird. Sie kamen zu dem Schluss, dass Lernende nur in geringem Grad Wörter verwenden, die ihnen im Lehrbuch angeboten wurden und vermuten, dass der Lernwortschatz im Buch nicht oft genug wiederholt wird (vgl. ebd.: 368–369).

Doch welchen Wortschatz sollten Lehrbücher vermitteln? Frequenzorientierte Ansätze versuchen mithilfe empirischer Analysen einen Grundwortschatz zusammen zu stellen (vgl. Tschirner 2008). Als Datengrundlage dienen z.B. Zeitungskorpora. Allerdings ist die Frage zu stellen, inwieweit frequenzorientierte Ansätze den kommunikativen Bedürfnissen und Lebenswirklichkeiten von jugendlichen Lernenden entsprechen, z.B. in Bezug auf den Schulalltag, Freundschaften und Essensgewohnheiten. Ein kommunikativ-pragmatisch bzw. handlungsorientierter Ansatz, wie er etwa im Wortschatzinventar „Profile Deutsch“ (Glaboniat/Müller/Rusch/Schmitz/Wertenschlag 2005) realisiert ist, scheint besser geeignet zu sein, die Interessen von jugendlichen Lerner:innen zu treffen.

Bubenhofer et al. (2015: 86) erheben den berechtigten Einwand, dass der kommunikativ-pragmatische Ansatz nicht empirisch fundiert ist und die Auswahlkriterien für die Zusammenstellung von Grundwortschätzen nicht transparent sind. Dieser Aspekt führt, auch mit Blick auf die internationale Vergleichbarkeit von Sprachleistungen, zu der Frage, welchen Wortschatz Jugendliche auf A1-Niveau beherrschen sollten. Anfänglich waren Wortlisten als Teil der einzelnen GER-Niveaubeschreibungen vorgesehen, letztlich wurden diese jedoch wieder entfernt (vgl. Milton/Alexiou 2009: 194). Valide Sprachstandbeschreibungen sollten jedoch auch Wortschatzkenntnisse einbeziehen (vgl. ebd.: 211). Das Goethe-Institut stellt im Rahmen seiner Zertifikatsprüfungen Wortlisten auf verschiedenen Niveaustufen zur Verfügung und betont dabei, dass diese Listen einen Überblick über das Anspruchsniveau geben, jedoch weniger geeignet sind für das Einüben und Festigen von Wortschatz. Für das Anfängerniveau A1 enthält die Liste insgesamt etwa 650 Wörter, von denen die Hälfte von den Lernenden aktiv beherrscht werden sollte (vgl. Hennemann/Werff 2013: 61). Im Rahmen dieser Studie nehmen wir bei der Untersuchung des Wortschatzes in zwei DaF-Anfängerlehrbüchern Bezug zur Wortschatzliste „Fit in Deutsch 1“ für das Niveau A1 (Hennemann/Werff 2013; weiter im Text A1-Liste).

4 Material

Als Datengrundlage der vorliegenden Fallstudie dient das norwegische Lehrbuch Leute 8 für den DaF-Anfängerunterricht in der 8. Klasse (Fiebig/Johansen/Biesalski 2017; weiter im Text Leute).3 Arbeitsbücher und andere Zusatzmaterialien wurden nicht berücksichtigt. Wir gehen von der Annahme aus, dass das Lehrbuch den Lernwortschatz des Lehrwerks ausreichend abbildet. Als Vergleichsgrundlage ziehen wir das Lehrbuch aus dem einsprachigen, deutschen Lehrwerk Klasse! A1 heran (Fleer/Koenig/Koithan/Mayr-Sieber 2018; weiter im Text Klasse).

Klasse besteht aus zwei Teilheften, die mit den Niveaustufen A1.1 und A1.2 gekennzeichnet sind. Wie bei norwegischen Lehrbüchern üblich, ist Leute nicht mit einer europäischen Niveaustufe gekennzeichnet. Die kommunikativen Handlungen, die in diesem Lehrbuch im Zentrum stehen, entsprechen nach unserer Einschätzung dem GER-Niveau A1. Die Themen, die in den Büchern behandelt werden, sind zudem ähnlich gelagert: Die Schüler:innen sollen lernen, über sich selbst und die eigene Familie zu sprechen und sich miteinander u.a. über ihre Wohnsituation, ihre Freizeitaktivitäten und über Essen zu unterhalten. Leute ist zweisprachig: Neben der Zielsprache Deutsch wird an zahlreichen Stellen Norwegisch eingesetzt. Der deutschsprachige Textanteil ist folglich deutlich geringer als in Klasse. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass Arbeitsaufträge und Grammatikerklärungen konsequent auf Norwegisch gegeben werden, zum anderen stellt Leute allen Lesetexten ein deutsch-norwegisches Glossar an die Seite, wodurch der Anteil norwegischer Wörter zusätzlich erhöht wird.

Während Klasse aus zwölf kürzeren Kapiteln besteht, umfasst Leute sechs längere Kapitel. Klasse wechselt außerdem zwischen Themenkapiteln und sogenannten Plateaukapiteln, in denen der wichtigste Lernstoff der jeweils letzten drei Kapiteln nochmals aufgearbeitet wird. In Leute finden sich größere thematische Einheiten, in denen Lebenswelten aus der Sicht der Lernenden präsentiert werden, beispielsweise das Kapitel Das finde ich gut, in dem u.a. mit Essen, Film und Musik gearbeitet wird. Leute arbeitet im Vergleich zu Klasse mit größeren Einheiten und weniger variierten Arbeits- und Sozialformen, wobei Aufgaben auf Norwegisch formuliert und in größeren Blöcken konzentriert sind. Es gibt wenige Angebote zu Lernstrategien und nur begrenzte Angebote zur Selbstevaluation, die sich auf ein knappes Repertoire an Kann-Beschreibungen begrenzen. Bei diesem Konzept liegt die Verantwortung für die systematische Progression und die sinnvolle Kopplung von Aufgaben an das Textmaterial bei den Lehrkräften (vgl. Rösler 2012). In der Lehrerhandreichung wird dies allerdings nicht hervorgehoben (vgl. Aschehoug o.J.). Klasse arbeitet mit kleineren, aufeinander aufbauenden Lerneinheiten, in denen kurze Texte und variierte Aufgabentypen abgewechselt werden, wodurch eine konstante Förderung der Lese-, Schreib-, Hör- und Sprechfertigkeiten ermöglicht wird. Zudem erhalten die Lernenden zahlreiche variierte Angebote zu Lernstrategien und zur Selbstevaluation.

5 Methode

Um Aussagen über den Lernwortschatz von Leute machen zu können, wurde der gesamte deutsche Wortbestand des Lehrbuchs analysiert. Dabei wurde ähnlich wie bei Bubenhofer et al. (2011) einem korpuslinguistischen Ansatz gefolgt mit dem Ziel, ein Wortschatzprofil für das Lehrbuch zu erstellen. Der gleiche Ansatz wurde benutzt, um mithilfe vom deutschsprachigen Lehrbuch Klasse eine Vergleichsgrundlage zu schaffen. Die beiden Lehrbücher stellen somit je einen Teilkorpus dar (vgl. Lüdeling/Walter 2009: 12). Die hier vorgelegte Fallstudie kann als Vorstudie zu einer größer angelegten korpuslinguistischen Untersuchung norwegischer DaF-Lehrwerken gesehen werden. Im weiteren Verlauf werden die einzelnen Schritte, die beim Aufbau des Korpus gegangen wurden, dargelegt.

Schritt 1: Aus Leute wurden von 143 Lehrbuchseiten 12731 Wörter in eine Excel-Tabelle überführt, aus Klasse 35211 Wörter von insgesamt 133 Lehrbuchseiten. Vorblatt, Inhaltsverzeichnis, Wortlisten am Ende der Bücher sowie norwegische Wörter wurden nicht mit aufgenommen. Im nächsten Schritt wurde für jedes Wort die Wortklasse bestimmt. Für die Analyse wurden nur Substantive, Verben und Adjektive berücksichtigt. Diese drei Inhaltswortklassen machen insgesamt etwas weniger als 50 % des Materials aus (Klasse: N=15474; Leute: N=5969). Die übrigen Wortklassen wurden nicht mit einbezogen.

Tab. 1: Übersicht über das untersuchte Material

Leute Klasse
Seitenzahl 143 133
Kapitel 6 12 + 4 Plateaukap.
Wörter 12731 35211
Substantive, Verben und Adjektive 5969 15474
Anteil an der Gesamtwörterzahl 47 % 44 %

Schritt 2: Anschließend wurden die unterschiedlichen Varianten von Wörtern zu Einzelformen zusammengefasst, d.h. dass Singular-, Plural- sowie Dativ- und Genitivformen von Substantiven unter der Singularform, unterschiedliche Verbformen unter der Infinitivform und unterschiedliche Adjektivbeugungen unter der unflektierten Form subsumiert wurden. Substantivierte Verben wurden zu den Verben, substantivierte Adjektive zu den Adjektiven gerechnet (vgl. Doetjes/Gooskens 2021: 27).

Schritt 3: Anschließend wurde mithilfe eines Wortstatistikprogrammes (https://www.onlinewebtoolkit.com/word-frequency-counter) für jedes Wort die Wortwiederholungsfrequenz festgestellt.

Schritt 4: Als letzten Bearbeitungsschritt wurden alle Wörter einem Themenbereich zugeordnet, wobei die thematische Organisation der A1-Liste zugrunde gelegt wurde. Wörter, die semantisch offen sind und sich deshalb schwer einem bestimmten Thema zuordnen lassen, wie zum Beispiel ‚sein‘ und ‚haben‘, wurden deshalb nicht erfasst. In einigen Fällen wurde ein Wort dem Thema zugeordnet, das aus der Perspektive des Anfängerunterrichts am relevantesten erschien. Ein Beispiel hierfür ist ‚heißen‘, das im Material gehäuft in Verbindung mit Personennamen verwendet wird („Ich heiße…“) und daher dem Thema persönliche Beziehungen zugeordnet wurde.

Abschließend weisen wir darauf hin, dass eine Fallstudie, wie sie hier vorgelegt wird, zwar eine tiefergehende Analyse eines Lehrbuches erlaubt, dass die Aussagekraft der Studie aber gleichzeitig begrenzt ist. Ein Vergleich unterschiedlicher norwegischer und ggf. deutscher DaF-Anfängerlehrbücher im Hinblick auf den Umfang und die Frequenz des Wortschatzes setzt eine breitere Lehrbuchauswahl voraus und verbleibt ein Desiderat für weitere korpuslinguistische Forschungen.

6 Wortschatzprofil von Leute

Die Analyse beginnt mit einer generellen Beschreibung des Lernwortschatzes in Leute. Anschließend werden drei thematische Bereiche näher untersucht, die typischerweise im Anfängerunterricht auf Niveau A1 angeboten werden: persönliche Beziehungen, Essen/Trinken und Lernen/Schule. Somit werden in der Analyse sowohl das persönliche als auch das schulische Umfeld berücksichtigt (vgl. Hennemann/Werff 2013: 10). Klasse und die A1-Liste werden in der Analyse als Vergleichsgrundlage herangezogen.

6.1 Der Lernwortschatz in Leute – ein Überblick

In diesem Abschnitt wird der von uns in Leute identifizierte Lernwortschatz beschrieben. Wie Tabelle 2 zeigt, finden sich in Leute bei einer Gesamtzahl von 5969 Substantiven, Verben und Adjektiven 1272 Einzelformen. Bei einer Gesamtzahl von 15474 Substantiven, Verben und Adjektiven kommen in Klasse 1432 Einzelformen vor. Auffällig ist, dass in Leute kaum weniger Einzelwörter vorkommen als in Klasse, auch wenn die Gesamtwortzahl in Leute deutlich niedriger ist. Dies bedeutet, dass Leute eine niedrigere Wiederholungsfrequenz aufweist als Klasse. In Klasse treten 598 Wörter mehr als fünfmal auf, 354 Wörter sogar mehr als zehnmal. Diese Zahlen fallen in Leute niedriger aus: 261 Wörter kommen mehr als fünfmal vor, davon 105 Wörter mehr als zehnmal.

Tab. 2: Übersicht über die Zahl der Substantive, Verben und Adjektive bzw. Einzelformen in den untersuchten Lehrbüchern. Der Anteil der Einzelformen, die mehr als fünf- bzw. zehnmal vorkommen, ist zusätzlich angegeben.

Leute Anteil Klasse Anteil
Substantive, Verben und Adjektive 5969 15474
Einzelformen 1272 1432
Einzelformen, mehr als fünfmal 261 21 % 598 42 %
Einzelformen, mehr als zehnmal 105 8 % 354 25 %

Um die Frage zu beantworten, wie der Lernwortschatz zusammengesetzt ist, wurden die Wörter Themen zugeordnet, s. Tabelle 3. Eine solche Zuordnung erlaubt einen übergeordneten Blick auf den Wortschatz, den die Lehrwerke versuchen zu vermitteln.4

Themen, die in Leute einen wichtigen Platz einnehmen, sind Essen/Trinken (485 Wörter, was einem Anteil von 8 % an der Gesamtwortzahl entspricht), persönliche Beziehungen (448 Wörter, 8 %) und Freizeit (348 Wörter, 6 %). In Klasse sind diese Themen ebenfalls häufig vertreten, obwohl auffällt, dass insgesamt ein etwas geringerer Anteil der Wörter (5 %) unter persönliche Beziehungen eingeordnet werden kann. Auffällig ist weiter, dass Wörter, die den Bereichen Lernen/Schule und Lernen/Deutsch zugeordnet werden können, in Klasse insgesamt etwa 20 % der Gesamtwörterzahl ausmachen; der entsprechende Anteil in Leute ist mit etwa 10 % (570 Wörter) deutlich niedriger. Diesen Bereichen wurden Wörter zugeordnet, die die Schüler:innen für ein Gespräch über ihren Schulalltag bzw. spezifisch für das Lernen der Fremdsprache Deutsch benötigen. Auffällig ist, dass Schüler:innen in Leute relativ wenige Wörter aus der Kategorie Lernen/Schule antreffen. Zusätzlich zu diesen Themen treffen die Schüler:innen auch auf Wörter aus anderen Bereichen, wie z.B. Einkaufen, Farben, Reisen/Verkehr, Sport, Tiere, Wohnen und Zeitangaben.

Tab. 3: Themenbereiche in Leute und Klasse. Für jeden Bereich sind die Gesamtwörterzahl, die Zahl der Einzelformen sowie die Zahl der Wörter angegeben, die mehr als fünf- bzw. zehnmal vorkommen. Grün markierte Themenbereiche werden näher untersucht. Die Tabelle ist geordnet nach der Wortfrequenz in Leute.

Themenbereich Leute Klasse
Ges. Einz. >5 >10 Ges. Einz. >5 >10
Essen/Trinken 485 152 24 11 1038 132 56 31
Lernen/Deutsch 466 29 6 4 1905 112 51 30
Pers. Beziehungen 448 49 23 18 757 53 37 24
Freizeit 348 112 19 5 806 89 30 23
Wohnen 305 93 18 4 514 54 25 13
Sprachen 203 40 10 4 190 15 7 4
Reisen/Verkehr 200 52 10 4 588 85 25 15
Zeitangaben 199 45 10 8 631 48 32 21
Sich treffen/sprechen 144 54 10 2 322 45 16 10
Sport 127 54 6 2 428 79 17 13
Musik 117 45 4 2 258 37 14 8
Körper/Gesundheit 106 29 - - 238 49 21 6
Lernen/Schule 104 25 8 2 1242 112 53 28
Tiere 102 42 6 1 159 19 9 6
Farben 93 20 5 3 118 22 9 3
Kleidung 29 15 1 - 143 27 13 3
Arbeit/Beruf 26 14 - - 182 31 9 3
Einkaufen 26 11 1 - 294 38 15 7

Im Folgenden wenden wir uns drei ausgewählten Themenbereichen zu: persönliche Beziehungen, Essen/Trinken und Lernen/Schule. Wir decken sowohl das persönliche als auch das schulische Umfeld ab. Die ersten beiden Themen wurden ausgewählt, weil sie typisch für den kommunikativ orientierten DaF-Anfängerunterricht und daher auch auf der A1-Liste zu finden sind. Wir gehen auf die Frage ein, welche Wörter vorkommen und wie oft diese wiederholt werden (siehe Tabelle 3 oben). Wörter, die im Material mehr als fünf- beziehungsweise mehr als zehnmal vorkommen, werden in der Analyse graphisch hervorgehoben.

6.2 Persönliche Beziehungen

Das Thema persönliche Beziehungen wird in Anfängerlehrwerken für den kommunikativen Fremdsprachenunterricht üblicherweise intensiv bearbeitet. Die Analyse zeigt, dass in Leute insgesamt 49 Einzelformen auftreten (siehe Tabelle 4), wovon 23 mehr als fünfmal vorkommen. In Klasse kommen zum Vergleich 53 Einzelformen vor, wovon 37 mehr als fünfmal auftreten. Die meisten Wörter, die in Leute regelmäßig vorkommen, sind auch auf der A1-Liste vertreten. Das Bild in Klasse ist ähnlich; es treten hauptsächlich Wörter auf, die auch auf der A1-Liste stehen. Interessant ist, dass sowohl Leute als Klasse ‚Oma‘ und ‚Opa‘ einführen, obwohl diese Wörter nicht auf der A1-Liste vorkommen; in der A1-Liste finden sich hingegen die eher altmodischen Ausdrücke ‚Großmutter‘ und ‚Großvater‘. Die Analyse der häufigsten Wörter zeigt, dass sich Leute zu einem großen Teil auf den gleichen Wortschatz bezieht, wie Klasse. Das Verb ‚heißen‘ sowie typische Wortpaare, wie ‚Mutter‘, und ‚Vater‘, ,Bruder‘ und ‚Schwester‘ sowie ‚Junge‘ und ‚Mädchen‘, kommen in beiden Büchern relativ oft vor. Wir treffen in Leute auch häufig auf die Anredeformen ‚Frau‘ und ‚Herr‘, was für norwegische Lernende Anlass geben kann, sich mit kulturellen Unterschieden zwischen Skandinavien und dem deutschsprachigen Raum zu befassen. Im Norwegischen werden solche Höflichkeitsformen nur sehr selten verwendet.

Tab. 4: Frequente Wörter in Leute und Klasse, Thema: Persönliche Beziehungen, Wortfrequenz in Klammern. Wörter, die auf der A1-Liste vorkommen, sind fett markiert.

Leute Klasse
Wörter > 10 heißen (60), Frau, Vater (35), Freund (33), Oma (26), Leute (20), Opa (17), Familie (15), Herr, Junge, Sohn (14), Bruder, Mann, Mädchen (12), Kind, Mutter, Name, Schwester (11) heißen (96), Freund (50), Mutter (44), Eltern (42), Person (41), Vater (34), Bruder, Partner (27), Familie (26), Gruppe (25), Schwester (23), Name (22), Partnerin (21), Freundin (20), Oma (17), Opa (16), Tante (15), Cousin, Mama, Onkel (14), Frau, Herr (13), Kind (12), Großeltern (10)
Wörter > 5 Baby, Eltern, geboren, Mensch, Papa Cousine, Geschwister, Großmutter, Jugendliche, Junge, Leute, Mann, Mensch, Mädchen, Papa, Paar, Sohn, Tochter

Ein Vergleich von Leute mit Klasse im Bereich persönliche Beziehungen zeigt, dass Klasse (s. Tabelle 4) einen etwas umfangreicheren Wortschatz anbietet als Leute: Lernende, die mit Klasse arbeiten, treffen auch häufiger auf Verwandtschaftsbezeichnungen, wie ‚Cousin‘ und ‚Tante‘; diese Wörter stehen allerdings nicht auf der A1-Liste. Andererseits fehlt in Klasse das Wort ‚Baby‘, welches in Leute mehrfach auftritt. ‚Partner‘ und ‚Partnerin‘ sind ebenso Wörter, die im Bereich der persönlichen Beziehungen relevant sind. Diese beiden Wörter kommen in Klasse vermehrt in Verbindungen mit Partneraufgaben vor; in Leute fehlen sie. Fast alle personenbezogenen Wörter im analysierten Material sind Substantive; zusätzlich finden sich in den Lehrwerken auch sehr oft persönliche Pronomina – ‚ich‘ kommt in Leute beispielsweise mehr als 400-mal vor, in Klasse sogar mehr als 800-mal. Festzuhalten ist, dass der Lernwortschatz im Bereich persönliche Beziehungen in Leute abgesehen von der Wiederholungsfrequenz keine auffälligen Unterschiede zu Klasse aufweist. Wie in Tabelle 4 fett markiert, findet sich ein relativ großer Teil der Wörter, die in Leute mehr als fünfmal vorkommen, auch auf der A1-Liste.

6.3 Essen und Trinken

Die Lernenden treffen in Leute eine breite Auswahl an Wörtern an, die mit dem Thema Essen/Trinken in Verbindung gebracht werden. Insgesamt kommen 152 Einzelformen vor. In Klasse ist diese Zahl mit 132 Einzelformen etwas niedriger. Dies ist auffällig, da die Gesamtzahl der Wörter in Leute niedriger ist als in Klasse. Klasse weist, wie Tabelle 5 zeigt, jedoch deutlich mehr Wörter auf, die regelmäßig wiederholt werden. Viele Wörter kommen in Leute nur ein oder zweimal vor. Beispiele hierfür sind ‚Rhabarbersaft‘, ‚Rucola‘ und ‚Röstzwiebel‘. Wir können zudem feststellen, dass die häufigsten Wörter in Klasse im Vergleich zu Leute auch öfter auf der A1-Liste vorkommen. Diese Wörter sind in Tabelle 5 fett markiert. Auffällig ist, dass von den elf Wörtern, die in Leute mehr als zehnmal vorkommen, sechs nicht auf der A1-Liste stehen, darunter ‚Flammkuchen‘, ‚Tomatensoße‘ und ‚Zwiebel‘.

Tab. 5: Frequente Wörter in Leute und Klasse, Thema: Essen/Trinken, Wortfrequenz in Klammern. Wörter, die auf der A1-Liste vorkommen, sind fett markiert.

Leute Klasse
Wörter > 10 essen (40), Käse (19), Pizza (16), Tomatensoße (15), lecker (13), Teig (12), Zwiebel (12), Ei, Flammkuchen (11), Knoblauch, Wasser (10) essen (146), Pizza (57), trinken (42), Cola (28), Apfel (26), Kuchen (25), Salat (25), Schokolade (24), Brötchen (23), Eis (20), Wasser (19), schmecken (18), frühstücken, Obst, Zucker (17), Currywurst, Küche, Tee (16), Banane, lecker, Restaurant (15), Fisch, Hamburger, Orangensaft (14), Brot, Ei (12), kochen, Käse (11), Kaffee, Nudel und Salami (10)
Wörter > 5 Ananas, Backblech, backen, Gramm, kneten, kochen, Küche, Marone, Paprika, Pfeffer, Salami, Schmand, Teelöffel Abendessen, Apfelsaft, backen, Café, Cafeteria, Donut, Flasche, Fleisch, Frühstück, Gemüse, Getränke, Kakao, Karotte, Kartoffel, Koch, Lebensmittel, Lieblingsessen, Mehl, Milch, Mittagessen, Müsli, Saft, Spaghetti, Tasse, Wiener

Erwähnenswert ist, dass in beiden Büchern vorrangig Substantive gehäuft vorkommen und dass deutlich mehr Wörter für den Bereich Essen als für Trinken bzw. Getränke auftreten. Der Oberbegriff Essen hat sowohl in Leute als in Klasse die höchste Frequenz, wobei angemerkt werden muss, dass es dabei um die Gesamtzahl aller Erscheinungsformen dieses Wortes geht. Weiterhin bemerkenswert ist in beiden Lehrbüchern das gehäufte Auftreten von ‚Pizza‘. In Leute finden sich zudem zahlreiche Wörter in Verbindung mit dem Stichwort ‚Flammkuchen‘; die Schüler:innen arbeiten mit einem Rezept für dieses Gericht, das als deutsche Alternative für Pizza präsentiert wird.

In Klasse wird ein relativ breiter Wortschatz aufgebaut, der um übergeordnete Begriffe wie Frühstück und Mittagessen gruppiert ist. Schüler:innen, die Klasse verwenden, treffen vermehrt auf typische Wörter zum Themenbereich Frühstück wie ‚Brot‘, ‚Brötchen‘, ‚Ei‘, ‚Käse‘, ‚Saft‘ und ‚Tee‘. Solche Wörter, die sich auch in der A1-Liste finden, werden deutlich seltener in Leute angetroffen, wo nur ‚Käse‘ und ‚Ei ‘ mehr als fünfmal vorkommen. In beiden Büchern kommen schließlich regelmäßig Komposita vor, in manchen Fällen durchaus gehäuft; ‚Tomatensoße‘ kommt z.B. in Leute fünfzehnmal vor, ‚Orangensaft‘ vierzehnmal in Klasse. Auffällig ist, dass ‚Brot‘ und ‚Brötchen‘, die beide auf der A1-Liste stehen, in Leute nur als Teil von Komposita (‚Abendbrot‘, ‚Alpenbrot‘, ‚Fischbrötchen‘) vorkommen. Kaffee, Tee und Saft kommen je einmal vor, Saft zusätzlich auch in drei Komposita (‚Apfel-‘, Rhabarber-‘ und ‚Zitronensaft‘). Festgehalten werden kann, dass der Wortschatz in Bezug auf das Thema Essen/Trinken in den untersuchten Lehrwerken nur teilweise deckungsgleich ist. Lernende, die mit Leute arbeiten, treffen jedoch einen spezialisierteren Lernwortschatz an; der Lernwortschatz in Klasse ist breiter aufgestellt. Wörter, die in Klasse häufig vorkommen, finden sich oft auch auf der A1-Liste wieder; bei Leute ist dies in geringerem Maße der Fall.

6.4 Lernen/Schule

Während typische Themen für den kommunikativ orientierten DaF-Anfängerunterricht, wie persönliche Beziehungen und Essen/Trinken, in beiden untersuchten Lehrbüchern relativ ausführlich behandelt werden, nimmt das Thema Lernen/Schule in Leute nur wenig Platz ein; im einsprachigen Lehrbuch Klasse kommen deutlich mehr Wörter vor, die die Schüler:innen für die Kommunikation im schulischen Umfeld benötigen. Tabelle 6 gibt eine Übersicht über häufig vorkommende Wörter, die dem Thema zugeordnet wurden. Insgesamt treten in Leute 25 Einzelformen auf, wovon acht Wörter mehr als fünfmal auftreten. In Klasse treffen wir dahingegen 112 Einzelformen an, wovon 53 Wörter mehr als fünfmal vorkommen. Auch hier dominieren die Substantive.

Tab. 6: Frequente Wörter in Leute und Klasse, Thema: Lernen/Schule. Wortfrequenz in Klammern. Wörter, die auf der A1-Liste vorkommen, sind fett markiert.

Leute Klasse
Wörter > 10 lernen (19), Schule (17) Schule (104), lernen (84), Frage (68), Klasse (64), Buch, fragen (54), Hausaufgabe (48), antworten (42), Mathe (41), Lehrerin (34), Antwort, Lehrer (33), notieren (32), Beispiel (31), Schüler (30), Heft (29), S. (27), Tabelle (25), Kapitel (24), Bio/Biologie (16), Aufgabe (15), Geschichte, markieren (13), Füller, Tafel (12), Kuli, Schere, Stift (10)
Wörter > 5 Antwort, Beispiel, Buch, Frage, Hausarbeit, Schüler AG, Bibliothek, Bleistift, Ethik, Fach, formulieren, Informatik, Klassenzimmer, korrigieren, Lieblingsfach, Lineal, Mathetest, Notiz, Pause, Physik, Radiergummi, Rolle, Schulfach, Schulfest, Schulparty, Schultasche, Schülerin, Stunde, Stundenplan

Wie aus der Tabelle 6 ersichtlich, treten Wörter, die in Leute frequent vorkommen (‚lernen‘, ‚Schule‘ und ‚Schüler‘, ‚Frage‘ und ‚Antwort‘, ‚Buch‘, ‚Beispiel‘ und ‚Hausarbeit‘) mit einer Ausnahme auch in Klasse häufig auf; anstatt von ‚Hausarbeit‘ wird in Klasse ‚Hausaufgabe‘ verwendet. Im Norwegischen wird hierfür hauptsächlich ‚hjemmelekse‘ (dt. Hauslektion) verwendet, ‚hjemmearbeid‘ (dt. Hausarbeit) kommt jedoch auch vor. Es geht hier um Wörter, die in der Regel auch auf der A1-Liste vorkommen. In Leute kommt nur ‚Schüler‘ regelmäßig vor, ‚Schülerin‘ nicht. Auch hier scheint möglicherweise das Norwegische durch, wo ‚elev‘ für beide Geschlechter verwendet wird. Weiter fällt auf, dass Klasse auch in diesem Bereich einen relativ breiten Wortschatz aufbaut: Schulfächer (‚Mathe‘, ‚Bio‘ usw.), Wörter für Gegenstände, die man im Klassenzimmer antrifft (‚Tafel‘, ‚Schere‘ usw.), Wörter, die man beim Lernen benötigt (‚Heft‘, ‚notieren‘, ‚formulieren‘ usw.) und Wörter, die gebraucht werden, um den Schulalltag zu beschreiben (‚Stundenplan‘, ‚Schulparty‘ usw.). Solche Wörter kommen in Leute deutlich seltener vor. In Leute finden wird z.B. ‚Geschichte‘, ‚Klassenzimmer‘ und ‚schulfrei‘; diese Wörter kommen im Lehrbuch aber selten vor.

Zusätzlich zu den bereits genannten Schulfächern finden in beiden Lehrbüchern auch Sprachfächer wie Deutsch, Englisch und Französisch regelmäßig Erwähnung; diese Wörter wurden für die Analyse beim Thema Sprachen eingeordnet, sind für das Thema Lernen/Schule aber genauso relevant. Auch bei anderen Themen finden sich Wörter, die auch bei einem Gespräch über die Schule relevant sein können. Beispielsweise kommt ‚Computer‘ in Leute siebenmal und in Klasse einundzwanzigmal vor (Themenüberschneidung mit dem Bereich Freizeit). ‚Tisch‘ und ‚Stuhl‘ treten in Leute sieben- bzw. achtmal und in Klasse einundzwanzig- bzw. fünfzehnmal auf (Themenüberschneidung mit Wohnen). Solche Wörter, die sich an der Schnittfläche zwischen unterschiedlichen Themen befinden, sind wichtig; sie ermöglichen den Schüler:innen neues Vokabular in unterschiedlichen kommunikativen Zusammenhängen zu verwenden.

7 Ergebnisse

Aus der Analyse treten zwei zentrale Ergebnisse hervor:

  1. DaF-Lehrkräfte und Lernende treffen in Leute einen umfangreichen Lernwortschatz an, der zu einem großen Teil relevant ist für das GER-Niveau A1. Leute wiederholt Wörter jedoch seltener als Klasse, das als Vergleichsgrundlage herangezogen wurde.

  2. Der Lernwortschatz in Leute unterscheidet sich deutlich von Klasse: In Leute wird sowohl beim Thema Essen/Trinken als bei Lernen/Schule ein relativ kleiner Wortschatz aufgebaut, der Wortschatz in Klasse ist deutlich breiter und näher an der A1-Liste für „Fit in Deutsch“. Der Lernwortschatz ist im Bereich der persönlichen Beziehungen jedoch relativ ähnlich.

Leute ist zweisprachig Deutsch-Norwegisch und enthält dadurch zwangsläufig deutlich weniger deutsche Wörter als einsprachige Lehrbücher, wie das zum Vergleich herangezogene Klasse. Lehrkräfte und Lernende treffen in Leute dennoch in etwa gleich viele unterschiedliche Substantive, Verben und Adjektive an als in Klasse; in Klasse kommen etwas mehr als 1400 Einzelformen vor, in Leute etwas weniger als 1300. Bereits im Anfängerunterricht werden Schüler:innen, die Leute verwenden, mit vielen unterschiedlichen, kommunikativ relevanten Themen bekannt gemacht, was sich im Lernwortschatz deutlich spiegelt. Sie lernen u.a. über sich und ihr persönliches Umfeld (persönliche Beziehungen, Wohnen) und über Themen, wie Essen, Freizeit und Sport zu sprechen und sie bekommen die Gelegenheit, den dafür notwendigen Wortschatz aufzubauen. Bei der Wortauswahl lassen sich zahlreiche Übereinstimmungen mit der A1-Liste des Goethe-Instituts erkennen (Hennemann/Werff 2013; s. Tabelle 4, 5 und 6).

Dennoch zeigt die Analyse zwei wichtige Aspekte, die für Lehrkräfte bei der Auswahl ihres Lehrwerks eine Rolle spielen können. Dies betrifft zum einen die Wortwiederholungsrate, zum anderen die Breite des Lernwortschatzes. Die Wortwiederholungsrate, die als wichtiger Faktor für einen nachhaltigen Wortschatzerwerb angesehen wird (vgl. Laufer 2009; Webb 2007), ist in Leute durchgehend niedriger als in Klasse. Leute ist dadurch in geringerem Maße zum selbständigen Arbeiten geeignet als Klasse, wo die von uns gefundenen Wiederholungsfrequenzen auf einen systematisch organisierten Lernwortschatz hindeuten. In Leute werden relativ wenige Wörter mehr als zehnmal wiederholt; viele Wörter kommen dagegen nur ein- oder zweimal vor. Die Frequenz einzelner Wörter in Leute ist somit an zahlreichen Stellen wohl zu niedrig, um als relevantes Lernangebot gelten zu können (vgl. Bubenhofer 2015; Lopez-Barrios/Raffo 2016; Lymperakakis/Sapiridou 2012). Dies ist primär auf die Zweisprachigkeit des Lehrwerks zurückzuführen, da auf Norwegisch formulierte Arbeitsaufträge und Grammatikerklärungen sowie deutsch-norwegische Wortlisten viel Raum einnehmen. Die Textfülle im Sinne der „Steinbruch-Tradition“ (Rösler 2012: 47) und die vermehrte Verwendung authentischer Texte in Leute scheinen mitverantwortlich dafür zu sein, dass zahlreiche Wörter zwar einmalig eingeführt werden, dann jedoch nicht mehr wiederholt werden. Solche „Eintagsfliegen“ (Schmitt 2008: 335) haben eine geringe Chance im Langzeitgedächtnis der Schüler:innen aufgenommen zu werden.

Obwohl Leute relativ ausführlich auf Themen eingeht, die für DaF-Anfänger von kommunikativer Relevanz sind, bestehen deutliche Unterschiede zu Klasse. Das schulische Umfeld wird in Leute zwar thematisiert, ist jedoch deutlich weniger präsent als im deutschsprachigen Lehrbuch. Für Lehrkräfte, die ihren Schüler:innen deutsche Schulbegriffe beibringen möchten, bedeutet dies, dass sie zusätzliche Texte und Aufgaben bereitstellen müssen, in denen die betreffenden Wörter wiederholt aufgegriffen werden. Solche Texte würden auch ein Gespräch über etwaige Unterschiede zwischen der Schule in Deutschland und Norwegen ermöglichen. So fällt zum Beispiel in Klasse auf, dass das Wort ‚Füller‘ zwölfmal wiederholt wird. In Leute kommt dieses Wort nicht vor, obwohl es für die Schüler:innen durchaus interessant sein kann, Einblicke über den traditionellen Einsatz von Füllfederhaltern in deutschen Schulen zu bekommen. Dies könnte als Ausgangspunkt für einen interkulturellen Vergleich dienen – Füller sind in Norwegen unbekannt– und/oder Ausgangspunkt sein für eine Diskussion über die Vor- und Nachteile von handschriftlichen und digitalen Notizen.

Beim Thema Essen/Trinken treten in Leute bei einer geringeren Gesamtwortzahl als in Klasse mehr Einzelwörter auf, die jedoch in der Regel eher selten wiederholt werden. Es fällt auf, dass in Leute ein im Verhältnis zu Klasse relativ kleiner Wortschatz im Bereich Essen/Trinken aufgebaut wird, der nur in Teilen mit der A1-Liste überlappt. In Klasse hingegen wird diesbezüglich ein weiter gefächerter Wortschatz aufgebaut. Der Wortschatz in Klasse überlappt daher in größerem Maße mit der A1-Liste als dies in Leute der Fall ist. Ein genauer Blick auf Kapitel 4 in Leute, Das finde ich gut, das insgesamt 20 Seiten beschlagnahmt, zeigt, wie die Lehrbuchautor:innen Lehrkräften ganz im Sinne der oben angesprochenen „Steinbruch-Tradition“ ein breites Text- und Themenangebot machen. Im Laufe des Kapitels werden z.B. eine Pizzeria, ein Kino, ein Filmfestival und ein Filmthemenpark besucht. Zudem diskutieren Jugendliche ihre Essens- und Filmvorzüge sowie ein Kinobesuch, es finden sich Texte über Rock’n Roll, Beethoven, Nicole Seiberts Ein bisschen Frieden und ein Mädchen mit einem Alphorn und wir machen Bekanntschaften mit insgesamt sechs Gleichaltrigen, die über ihre Heimatstädte Salzburg, Lübeck und Stuttgart berichten. Dieses Kapitel trägt stark dazu bei, dass der Lernwortschatz zum Thema Essen/Trinken in Leute zwar umfangreich ist – sogar umfangreicher als in Klasse. Gleichzeitig führt ein rasches Wechseln zwischen verschiedenen Subthemen dazu, dass die zahlreich eingeführten Wörter kaum wiederholt werden. In einem sechszeiligen Text über Salzburg im Landeskunde-Teil des Kapitels kommen beispielsweise ‚Mozartkugeln‘, ‚Pistazien‘, ‚Nougat‘ und ‚Marzipan‘ je einmal vor. Der Text ist zwar nicht authentisch, zielt jedoch offensichtlich darauf ab, den Schüler:innen ein Bild von Salzburg (und Österreich) zu vermitteln und setzt dabei Wörter ein, die zwar (teilweise) kognat und daher leicht lernbar, aber nicht direkt relevant für eine kommunikative Kernkompetenz auf Niveau A1 sind. Die betreffenden Wörter werden im weiteren Verlauf des Buches nicht oder nur sporadisch wiederholt.

Zu vermuten ist, dass Leute und Klasse beim Thema persönliche Beziehungen einen ähnlichen Lernwortschatz vor Augen hatten; die identifizierten Lernwortschätze decken sich zudem zum großen Teil mit der A1-Liste. Das ist in diesem Bereich auch eher zu erwarten als bei Essen/Trinken, wo mehr inhaltliche Variation möglich ist. Dennoch gibt es auch hier Unterschiede, so kommt in Leute ‚Baby‘ mehrfach vor, während dieses Wort in Klasse nicht auftritt. In Klasse treffen wir z.B. ‚Cousin‘ und ‚Tante‘ an; diese fehlen wiederum in Leute. Es werden also etwas unterschiedliche Schwerpunkte gelegt. Interessant ist es, dass Leute im umfassenden Kapitel 5 (Das sind meine Leute) die klassische Perspektive auf die Familie stark erweitert. Die Schüler:innen treffen am Anfang des Kapitels zwar einen Stammbaum an und lernen, wie sie ihre engere Familie (d.h. ‚Mutter‘, ‚Vater‘, ‚Oma‘, ‚Opa‘ usw.) beschreiben können. Das Kapitel wechselt, ganz im Sinne der „Steinbruch-Tradition“ (Rösler 2012: 47), jedoch rasch zum Thema Freunde und schlägt hier den Bogen zum Grammatik-Thema Duzen und Siezen, indem auch die Eltern der Freunde vorgestellt werden. Im gleichen Kapitel geht es auch um Haustiere, um eine Band und um drei unterschiedliche Personen (Miriam Dattke, Bertha von Suttner und Konrad Zuse), womit sich die Autor:innen vom Thema des Kapitels deutlich wegbewegen. Zudem treffen wir einen verliebten Schüler und einen verliebten Lehrer an, und wir stiften Bekanntschaft mit einem Jungen, dessen Vater eine neue Familie gegründet hat. Hier treffen wir neben dem bereits erwähnten ‚Baby‘ auch einige Male Wörter, wie ‚Stiefschwester‘ und ‚Patchwork-Familie‘ an.

Insgesamt bedeutet dies, dass auch beim Thema persönliche Beziehungen Wörter oft nur ein- oder zweimal vorkommen und dass sich Lehrkräfte genau überlegen müssen, wie sie den Wortschatz mit Blick auf die Interessen und Bedürfnisse der Schüler:innen erweitern und konsolidieren möchten.

8 Abschließende Bemerkungen

In dieser Fallstudie wurde ein Wortschatzprofil für das deutsch-norwegische DaF-Anfängerlehrbuch Leute erstellt, wobei besonders auf die Themen Essen/Trinken, persönliche Beziehungen und Lernen/Schule eingegangen wurde. Es wurde untersucht, wie der Lernwortschatz zusammengesetzt ist und wie oft die neu eingeführten Wörter wiederholt werden. Das Lehrbuch beschäftigt sich mit Themen, die typisch für den kommunikativ orientierten Deutschunterricht sind. Diese Themen spiegeln sich in der Wortauswahl. Im Vergleich mit dem einsprachigen deutschen Lehrbuch Klasse fällt jedoch auf, dass Wörter in Leute in der Regel seltener wiederholt werden, wodurch die Lehrkräfte eine größere Verantwortung für die systematische Arbeit mit dem Wortschatz übernehmen müssen.

Ein Desiderat für weitere Forschung wäre eine umfassende, vergleichende korpuslinguistische Analyse des Lernwortschatzes in einschlägigen norwegischen DaF-Lehrwerken für Anfänger:innen und Fortgeschrittene. Die Ergebnisse einer solchen umfassenden Analyse sollte DaF-Lehrkräften zugänglich gemacht werden. Die vorliegende Fallstudie zeigt zudem, dass es wichtig ist, dass DaF-Lehrkräfte in ihrer Ausbildung und im Kontakt mit Kolleg:innen einen Blick dafür entwickeln, wie genau ihr Lehrwerk mit dem Wortschatz umgeht: Welcher Wortschatz wird aufgebaut, welche Wörter kommen zwar vor, werden aber (zu) wenig wiederholt und welche Wörter fehlen und müssten folglich von der Lehrkraft selbst ergänzt werden? Für Anfängerlehrbücher im Fremdsprachenunterricht gilt immer, dass der Platz begrenzt ist und dass der Lernwortschatz durch die Textauswahl beeinflusst wird. Es wäre daher wünschenswert, dass Lehrwerkautor:innen transparent machen, welche Kriterien bei der Gestaltung des Lernwortschatzes in einem Lehrbuch zugrunde gelegt wurden und welche Lernziele damit verfolgt werden.

Ein weiteres Desiderat für die Wortschatzerwerbsforschung im Bereich DaF wäre eine umfassende, kriteriengeleitete Lehrwerksanalyse, so wie sie von Funk (2004) eingefordert wurde. Eine solche Analyse sollte zusätzlich zu einer Analyse der Lernwortschatzes, so wie wir sie vorgenommen haben, auch auf die Arbeitsweisen in den betreffenden Lehrwerken, auf die angebotenen Lernstrategien sowie auf die Relevanz für die kommunikative Handlungskompetenz der Schüler:innen eingehen (vgl. hierzu Funk 2004: 47). Im Sinne einer internationalen Vergleichbarkeit von Lernleistungen, die auch Wortschatzkenntnisse umfassen, scheint es wie von Milton & Alexiou (2009: 211) gefordert, darüber hinaus erstrebenswert zu sein, formalisierte Wortschatzlisten, wie etwa die von uns herangezogene A1-Liste, bei der Gestaltung von Lehrbüchern als Referenzwerkzeug hinzuziehen. Lehrwerkautor:innen sollten daher nicht nur den GER, sondern auch ergänzende Grundwortschatzlisten konsultieren und abwägen, inwieweit sich der Wortschatz in authentischen Texten mit diesen Grundwortschatzlisten deckt. Lernwortschätze sollten mit den Interessen und der sprachlichen Lebenswirklichkeit der Lernenden übereinstimmen. Daher erscheint es bei der Textgestaltung von Lehrwerken sinnvoll, nicht nur Korpora der deutschen Sprache, sondern auch Studien aus dem Bereich der Jugendsprache (vgl. Wichmann 2016) hinzuzuziehen. Eine Aufgabe für weitere Forschung wäre es zu ermitteln, welche Wörter norwegische DaF-Lernende tatsächlich brauchen, um auf Deutsch kommunizieren zu können. Durch die Verwendung von authentischem Textmaterial, das den Interessen der jugendlichen Lerner:innen entspricht, können Identifikationsmöglichkeiten geboten und damit Wege für den Erwerb einer relevanten kommunikativen Kompetenz in der Fremdsprache gebahnt werden.

Notes

  1. Wir beziehen uns hier auf Nation (1982: 17), der die Ergebnisse von Saragi et al. (1978) interpretiert hat. Die betreffende Zahl wird bei Saragi et al. (1978) nicht explizit genannt. [^]
  2. In einigen Studien wurden unterschiedliche erwachsene Lerner beim Erlernen einer Kunstsprache beobachtet. Weitere Schwächen liegen in den kleinen Kohortgrößen, dem Fehlen von Kontrollgruppen und Langzeitbeobachtungen, die valide Aussagen darüber zulassen würden, ob Wörter wirklich als gelernt angesehen werden können (vgl. hierzu auch Kötter 2017: 16–20). [^]
  3. Norwegische Schüler:innen lernen Englisch ab der 1. Klasse. Ab der 8. Klasse besteht die Möglichkeit, eine zweite Fremdsprache zu lernen. In der Regel geht es dabei um Deutsch, Französisch oder Spanisch. [^]
  4. Hochfrequente Verben wie ‚sein‘, und ‚haben‘ machen in beiden Lehrbüchern einen relativ großen Teil des Wortschatzes aus; ‚sein‘ findet sich beispielsweise in Leute fast 500-mal und in Klasse fast 1000-mal. Die betreffenden Verben wurden hier wegen ihrer großen Einsatzmöglichkeit keinem bestimmten Thema zugeordnet. [^]

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Kurzbio

Karen Bauer ist assoziierte Professorin für Fremdsprachendidaktik am Institut für Lehrerbildung an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens (NTNU). Arbeitsschwerpunkte: Wortschatzerwerb, Lehrbuchforschung, ästhetische Lehr- und Lernprozesse im Fremdsprachenunterricht, fremdsprachliche Schreibforschung.

Gerard Doetjes ist Direktor des norwegischen Fremdsprachenzentrums in Halden sowie assoziierter Professor für Fremdsprachendidaktik am Institut für Lehrerbildung und Schulforschung an der Universität Oslo (UiO). Arbeitsschwerpunkte: Wortschatzerwerb, inklusiver Fremdsprachenunterricht, die Position von Fremdsprachen als Schulfach, Kohärenz in der Fremdsprachenlehrerbildung.

Anschrift:

Karen Bauer

NTNU

Institutt for lærerutdanning

Fakultet for samfunns- og utdanningsvitenskap

Gunnerus gate 1

7491 Trondheim

Norwegen

karen.bauer@ntnu.no

 

Gerard Doetjes

Universitetet i Oslo

Institutt for lærerutdanning og skolforskning

Pb. 1099 Blindern

0319 Oslo

Norwegen

gerked@ils.uio.no

Authors

  • Karen Bauer
  • Gerard Doetjes (University of Oslo)

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