1 Einleitung
Wie Trautmann (2010) vor mehr als einem Jahrzehnt schon deutlich gemacht hat: Heterogenität ist ein Thema für den Fremdsprachenunterricht. Einerseits gibt es eine fachdidaktische Tradition, die sich mit der Erfassung und dem Umgang mit Heterogenität unter dem Schlagwort „individual differences“ beschäftigt, etwa in Bezug auf Sprachlerneignung im Kontext des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen. Andererseits wird seit einigen Jahren darüber hinaus auch ein breiter verstandener Heterogenitätsdiskurs, welcher schon in der Allgemeindidaktik präsent war, (erneut) aufgegriffen (vgl. Küchler/Roters 2014).
Dabei hat sich die Vielfalt der betrachteten Heterogenitätsdimensionen deutlich erweitert (vgl. Gerlach/Schmidt 2021): Lebensweltliche Mehrsprachigkeit etwa ist ein wichtiges Thema geworden, die Bedürfnisse queerer Lernender werden zunehmend thematisiert und innere Differenzierung ist im Regelschulsystem angekommen. Auch die vielzitierte UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (vgl. UN 2006) beziehungswiese ihre Umsetzung in den verschiedenen Schulsystemen führt dazu, dass Heterogenität bzw. Inklusion in fachdidaktischer Forschung und Lehre vermehrt Aufmerksamkeit erhält. Das scheint logisch: Wenn Schüler*innen, die traditionell an verschiedenen Schultypen unterrichtet worden wären, nun den Rechtsanspruch auf gemeinsamen Unterricht haben, so muss auch der Fremdsprachenunterricht hierauf reagieren. Diese Aufforderung wird auch im Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung reflektiert (vgl. Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung 2021).
In diesem Beitrag möchten wir den Blick auf Neurodiversität als eine relevante Heterogenitätsdimension lenken. Wir konzentrieren uns dabei nicht darauf, zu fragen, welche Folgen mit Neurodiversität zusammenhängende individuelle Unterschiede für den Fremdsprachenunterricht haben. Stattdessen bemühen wir uns um die Frage, was wir aus den Konzepten, Theorien und Forderungen der Neurodiversitätsbewegung für den Fremdsprachenunterricht sowie die Fachdidaktik der Fremdsprachen lernen können, um das Lehren und Lernen von Fremdsprachen inklusiver und gerechter zu gestalten. Das bedeutet, wir nutzen Neurodiversität einmal als Fokussierung auf eine konkrete Heterogenitätsdimension, und andererseits als theoretisches Konzept zur Betrachtung von Heterogenität im Fremdsprachenunterricht.
2 Neurodiversität: Begriffsklärung
Neurodiversität beschreibt eine – fast ausschließlich wertschätzende – Perspektive auf die neurologische Vielfalt von Menschen. Dabei sind zwei Haupt-Lesarten des Begriffs Neurodiversität verbreitet. Häufig liegt der Fokus auf konkreten, auch diagnostizierbaren, neurologischen Typen. So etwa verwendet Baker (2011) den Begriff; sie beschreibt Neurodiversity als „atypical functionalities found in individuals who have identifiable neurological differences and (…) their interactions with individuals considered neurologically typical in the context of public infrastructures built around a presumption of neurotypicality“ (Baker 2011: 22). Es gibt keine abschließende Aufzählung, welche „identifiable neurological differences“ zu Neurodiversität gezählt werden. In der Literatur werden häufig Autismus, Aufmerksamkeits-Defizits-(Hyperaktivitäts)-Störung (AD(H)S) und Legasthenie/Dyslexie/Lese-Rechtschreib-Störung (LRS) genannt; welche weiteren „identifiable neurological differences“ gelistet werden variiert zwischen Autor*innen und Community Stakeholder*innen (ebd.: 18–19).1
Dem konträr gegenüber steht eine Lesart, die alle Permutationen neurologischen Seins unter Neurodiversität fasst, also auch solche Neurotypen, die keinerlei diagnostizierbaren neurologischen Besonderheiten besitzen. Judy Singer etwa bezieht sich auf dieses Verständnis, wenn sie schreibt: „We are ALL <sic> Neurodiverse because no two humans on the planet are exactly alike“ (Singer n.d.). Sie führt weiter aus, dass zwar ein Team neurodiverser als ein anderes Team sein könne, jedoch nie eine einzelne Person neurodiverser als eine andere Person.2
Der Begriff Neurodiversität wird also einerseits genutzt, um als Sammelbegriff für bestimmte Minderheiten-Neurotypen zu fungieren. Andererseits kann er auch genutzt werden, um auf die Heterogenität in der Gesellschaft oder in konkreten Teams zu verweisen. In beiden Fällen ist der Begriff vom Ursprung her positiv konnotiert: Die individuelle Normabweichung wird als natürliche menschliche Variation gewertet, die Heterogenität einer Gruppe als vorteilhaft (z.B. als gesellschaftliche Bereicherung oder als konkreter Wettbewerbsvorteil aus Sicht eines Wirtschaftsunternehmens).
Darüber hinaus wird Neurodiversität oft auch als ein explizit politisches Konzept verstanden. Basierend auf den Annahmen, dass menschliche Variation natürlich und positiv ist und dass alle Neurotypen inhärenten Wert besitzen, werden Forderungen in Bezug auf Respekt und gleiche Rechte und Möglichkeiten aller abgeleitet. Angehörige der sogenannten Neurodiversity-Bewegung setzen sich dabei dafür ein, das Ideal umsetzbar zu machen: „[L]iving fully with neurological differences in the face of potentially overwhelming messages to the contrary“ (Baker 2011: 20). Diese Lesart speist sich zum Teil aus früheren Strömungen von disability rights-Bewegungen (z.B. in Deutschland: Köbsell 2006), die die Probleme neurodivergenter Menschen bewusst als Konsequenz einer exklusiven Gesellschaft sehen und die Forderung nach Teilhabe als emanzipatorisch begreifen.
Eng hiermit verbunden ist eine Perspektive auf Neurodiversität, die diese nicht nur als neurologische, sondern auch soziale und kulturelle Dimension sieht. Neurodivergente Kultur(en) können analog zu anderen ‚Minderheits‘-Kulturen gesehen werden, die auf Basis einer gemeinsamen Identität jenseits von Normativität zusammenkommen. Im Zusammenhang mit Unterschieden im Hörvermögen z.B. wird oft die Unterscheidung zwischen deaf und Deaf getroffen, wobei das kleingeschriebene Wort eine Beschreibung der Hörfähigkeit darstellt, während das großgeschriebene eine kulturelle Zugehörigkeit benennt (vgl. Kusters/Meulder/O'Brien 2017). Auch aus der Neurodiversitätsbewegung heraus kommen Überlegungen zu neurodivergenten Kulturen, die sich dort herausbilden, wo neurodivergente Menschen zusammenkommen (siehe z.B. Sinclair 2012). Neben die Akzeptanz und Wertschätzung des einzelnen neurodivergenten Individuums, das als Einzelperson an neurodivergenten Kulturen teilhat oder auch nicht teilhat, treten im Idealfall die Akzeptanz, Wertschätzung und Sichtbarkeit neurodivergenter und neurodiverser Kulturen als solchen.
Alle diese Verwendungsformen des Begriffes Neurodiversität haben ihre Existenzberechtigung in den entsprechenden Diskursen. Den Begriff nur auf „Neuro-Minorities“ (Chapman 2020: 220) zu beziehen, kann eine hilfreiche Fokussierung sein, gerade wenn der Begriff in seiner politischen Lesart genutzt wird und zur Solidarisierung verschiedener marginalisierter Gruppen mit verwandten Herausforderungen bei der Interaktion mit einer auf den Mehrheitsneurotyp ausgerichteten Gesellschaft genutzt wird. Wird der Begriff dagegen auf alle Menschen erweitert, und neurologische Vielfalt als analog zu biologischer Vielfalt gesehen, wird die betonte Markiertheit von Minderheiten vermieden, und die bestärkende Normativität der Mehrheitstypen als unmarkiert, unhinterfragt und uneingeordnet problematisiert.
In diesem Artikel folgen wir einer an Baker angelehnten Lesart, die Neurodiversität als Sammelbegriff für eine Reihe konkreter Ausprägungen menschlicher Vielfalt sieht, und den Begriff als inhärent mit Forderungen nach Respekt für und Teilhabe von allen Neurotypen verbunden sieht.
3 Warum eine Neurodiversitäts-Perspektive?
Neurodiversität ist nur selten Thema in der Fremdsprachendidaktik, auch wenn die explizite Nennung im DGFF Positionspapier (2021) eine hohe Relevanz suggeriert. ‚Einzeldiagnosen‘ im Bakerschen Sinne werden selbstverständlich thematisiert, darunter vor allem Legasthenie/Dyslexie/LRS (vgl. Engelen 2016; Engelen 2019; Gerlach 2010; Gerlach 2015; Gerlach 2019; außerhalb von D-A-CH, siehe auch Crombie 1999; Kormos/Csizér/ Sarkadi 2009; Nijakowska 2010; Simon 2000; sowie zahlreiche Publikationen mit Praxisanregungen und -materialien), seltener andere Neurodiversitäts-assoziierte Einzeldiagnosen (z.B. Autismus und AD(H)S, vgl. Blume/Kielwein/Schmidt 2018; Dose 2019; Errens 2017; Janicka 2015; Jesper 2016; international: Leons/Herbert/Gobbo 2009). Auch zu Sprachentwicklungsstörungen (vgl. Ruberg/Rothweiler 2016; Schick/Mayer 2015) und zu intellektueller Behinderung (vgl. Rossa 2015; Steudle 2015), die beide ebenfalls als Neurodiversität gefasst werden können, gibt es eine wachsende Basis an Publikationen. Besonders hervorzuheben sind auch – uns nur aus internationalen Publikationen bekannte – Texte von neurodivergenten Autor*innen, die gleichzeitig Teil der Fachcommunity sind und damit beide Perspektiven einbringen können, etwa Jones (2019) oder Simon (2000).
‚Einzeldiagnosen‘ werden also durchaus thematisiert – auch unter anderen, historisch gebrauchten oder noch heute teilweise gebräuchlichen, Sammelbegriffen als den hier verwendeten (z.B. (Teil-)Lernstörung oder (Teil-)Leistungsschwäche). Neurodiversität als Konzept jedoch ist im deutschsprachigen fachdidaktischen Diskurs kaum vertreten.3
Die Beobachtung, dass ein konkretes Thema wenig Aufmerksamkeit erfährt, ist erst einmal wertneutral. Relevant wird diese Beobachtung erst, wenn ebenfalls festgehalten werden kann, dass das Thema diese Aufmerksamkeit verdienen würde. Die Frage, ob Neurodiversität als Konzept diese Aufmerksamkeit im fachdidaktischen Diskurs verdient, werden wir im Folgenden behandeln.
Inklusion, insbesondere in ihrem weiten Verständnis, nimmt die Heterogenität von Menschen in all ihren Facetten ernst. Man könnte also kritisch fragen, inwiefern es sinnvoll ist, überhaupt über einzelne Heterogenitätsdimensionen zu sprechen. In der fachdidaktischen Inklusionsforschung ist es gängige Praxis, einzelne Heterogenitätsdimensionen in den Blick zu nehmen, auch wenn diese einzelnen Heterogenitätsdimensionen in der schulischen Realität nie in Isolation auftreten, sondern ausschließlich in Form von Personen, die viele verschiedene Eigenschaften in sich vereinen. Diese Betrachtung isolierter Heterogenitätsdimension ist zwar vereinfachend und komplexitätsreduzierend, erlaubt aber gerade daher auch erst die fokussierte Beschäftigung mit Einzelaspekten. Genauso wie wir über Mehrsprachigkeit oder LGBTQIA als isolierte Heterogenitätsdimension gewinnbringend diskutieren und forschen, müsste auch neurologische Heterogenität fokussiert in den Blick genommen werden. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Neurodiversität im Fremdsprachenunterricht steht dabei nicht im Gegensatz zu einer Perspektive auf Inklusion, die viele Heterogenitätsdimensionen und ihre Intersektionen in den Blick nimmt, sondern als explizite Ergänzung dazu – um ein umfassendes Verständnis aller Heterogenitätsdimensionen zu entwickeln, muss auch Neurodiversität als Dimension thematisiert werden.
Dennoch könnte man immer noch kritisch anmerken, dass es zwar gerechtfertigt sei, einzelne Heterogenitätsdimensionen in den Blick zu nehmen, dies aber nicht auf die Heterogenitätsdimension Neurodiversität zutreffe – entweder, weil diese irrelevant für das Fremdsprachenlernen sei, oder sie sich nicht für eine fachdidaktische Auseinandersetzung anbiete. Die grundlegende Annahme, dass Neurodiversität schulische Erfahrungen, und auch Erfahrungen im Fremdsprachenkontext, mitprägt, ist jedoch etabliert (siehe z.B. Schuster 2020). Auch Schwierigkeiten bzw. Unterschiedlichkeiten in Bezug auf Spracherwerb und -nutzung in der L1 (DLD; ADHS (vgl. Korrel/Mueller/Silk/Anderson/Sciberras 2017); Autismus (vgl. Digard/Sorace/Stanfield/Fletcher-Watson 2020; Kalandadze/Norbury/ Nærland/Næss 2018; Naigles 2016; Stirling/Barrington/Douglas/Delves 2016; Wolk/ Edwards/Brennan 2016) sind gut dokumentiert und erste Forschungsergebnisse verdeutlichen die Relevanz für den L2-/Fremdsprach-Erwerb (vgl. Marashi/Dolatdoost 2016; Tribushinina/Dubinkina-Elgart/Rabkina 2020). Die Entwicklung inter- bzw. transkultureller kommunikativer Kompetenzen kann ebenfalls z.B. durch Autismus beeinflusst werden (vgl. Hillary 2020). Spezifische Effekte auf den Fremdsprachenunterricht können damit angenommen werden. Darüber hinaus betrifft Neurodiversität einen signifikanten Anteil an Lernenden in allen Schulformen.4
Dennoch ließe sich fragen, ob ein Sammelbegriff wie Neurodiversität hier notwendig ist, oder ob nicht fachdidaktische Forschung auf Basis von Einzeldiagnosen ausreicht. Immerhin sind die Einzeldiagnosen, die zur Neurodiversität gezählt werden, vielfach (wenngleich oft unzureichend) in der fachdidaktischen Forschung vertreten, wie dies eben dokumentiert wurde. Hierzu wollen wir zwei weitere Argumente anbringen, einmal unter Rückgriff auf Überlegungen zur Rolle von Partizipation, andererseits zur epistemischen Nützlichkeit des Begriffs.
Um zu verstehen, warum Neurodiversität so relevant für die Fachdidaktik ist, muss man die Entstehung der Neurodiversität-Community in den Blick nehmen. Dies geschieht am besten anhand des Begriffs selbst. Historische Herleitungen von Fachbegriffen sind oft eher von marginalem Interesse außerhalb wissenschaftshistorischer Fragestellungen. Bei dem Konzept Neurodiversität ist jedoch durchaus von Relevanz, dass dieser Begriff innerhalb der autistischen Community, also einer neurodivergenten Community, entstanden ist.5 Der Slogan „Nothing about us without us“ drückt die Forderung von disability rights-Aktivist*innen aus, dass behinderte Menschen aus sowohl ethischen als auch pragmatischen Gründen an allen Entscheidungsprozessen, die sie betreffen, aktiv beteiligt sein sollen (vgl. Pelka 2012: 9). Der wissenschaftliche Diskurs ist zwar selber nicht direkt ein Entscheidungsprozess, beeinflusst aber direkt oder indirekt relevante Entscheidungsprozesse. Zudem prägt er als Diskurs Einstellungen und Überzeugungen in Bezug auf die Gruppen, die er thematisiert und hat auf diesen Wegen ebenfalls einen Einfluss auf die Leben von Menschen. Neben partizipativen Forschungsansätzen, bei denen Personen mit und ohne relevanter lived experience Forschungsfragen, -methoden, -ergebnisse und -interpretationen gemeinsam produzieren (mit Neurodiversitäts-Bezug: Fletcher-Watson/Adams/Brook/ Charman/Crane/Cusack/Leekam/Milton/Parr/Pellicano 2018) sind auch Vorgehensweisen, die aktiv Stimmen einer benachteiligten Community aufgreifen und auf diese Art und Weise deren Wissen und Expertise ernst nehmen, eine Komponente von Teilhabe. Dass dieser Artikel auf einem Grundkonzept basiert, das innerhalb der autistischen Community entstanden ist und heute in verschiedenen Communities neurodivergenter Personen aktiv genutzt und auch theoretisch und wissenschaftlich von Vertreter*innen dieser Communities weiterentwickelt wird, spiegelt die grundlegenden Prinzipien der Teilhabe an diesem Diskurs wider. Wenn Wissensbestände neurodivergenter Gruppen nicht explizit und prominent in den Fachdiskurs einbezogen werden, bedeutet dies den Verzicht auf Partizipation auf Augenhöhe und zudem die verzögerte Rezeption von Ideen, Perspektiven und Konzepten, die den Fremdsprachenunterricht und seine Didaktik konzeptionell und inhaltlich inklusiver gestalten können.
Darüber hinaus ist das Konzept der Neurodiversität auch epistemisch nützlich, da es neue Formen von Wissen verfügbar und nutzbar macht (vgl. Chapman 2020). So ist das Konzept der Neurodiversität hilfreich dabei, existierende Konzeptualisierungen von Inklusion zu hinterfragen. Budde/Blasse/Rißler/Wesemann (2019) etwa kritisieren Bildungssteuerungsmaßnahmen zur Qualitätsverbesserung des Unterrichts für behinderte Schüler*innen aufgrund des traditionellen Verständnisses der inklusiven Beschulung inhärent in diesen Programmen:
Fragen von Macht und Ungleichheit bleiben in [den] Förderlinien ebenso unsichtbar wie über den Unterricht vor Ort hinausweisende z.B. organisationale oder schulstrukturelle Fragen (Budde 2012). Inklusion bzw. die Diagnose von Förderbedarf aufgrund einer ‚Behinderung‘ wiederum wird als personales Wesensmerkmal von Schüler*innen ontologisiert und somit letztendlich als auszugleichende und ausgleichbare ‚Schädigung‘ charakterisiert (Budde et al. 2019: k.S.).
Ohne explizit eine Neurodiversitätsperspektive zu fordern, machen Budde et al. (ebd.) darauf aufmerksam, dass die vorherrschenden epistemischen Konzeptualisierungen in Hinblick auf die schulische Inklusion unzureichend sind, um die Defizitorientierung von Schüler*innen grundlegend zu hinterfragen. Chapman (2020) führt diesen Gedanken einen Schritt weiter und schildert, wie das Konzept der Neurodiversität konkret eine andere Konzeptualisierung ermöglichen könnte:
From this perspective, a core function of the concept regards how it helps us imagine the world differently to how it currently is. (…) [B]y adopting a neurodiversity perspective, we can alter actual relations; all the way from how we empathise with neurological others on a personal level, to how we design scientific experiments or public spaces. Similarly, within and between neurominorities, it helps us foster not just solidarity and resistance, but also grounds the development of shared vocabularies for making sense of our experiences and increasing our understanding of both each other and ourselves (Chapman 2020: 219).
Erkennbar in dieser Begründung zur Auseinandersetzung mit Neurodiversität ist über den Inklusionsdiskurs hinaus auch eine konzeptuelle Nähe zu kritischen Theorien, die in der deutschen Fremdsprachendidaktik zuletzt verstärkt an Bedeutung gewinnen (siehe etwa Gerlach 2020b). Genauso wie Vertreter*innen kritischer Theorien plädiert Chapman im Grunde dafür, dass wir uns eine andere Welt ausmalen, in der die Exklusion von marginalisierten Menschen verringert wird. Chapman fokussiert auf die vorgestellte Inklusion von neurodivergenten Menschen; bei kritisch-theoretischen Ansätzen werden nach Möglichkeit alle marginalisierten Gruppen (zu denen Gruppen neurodivergenter Personen letztendlich gehören) bedacht. Entsprechend hoffen wir im weiteren Verlauf dieses Artikels zu zeigen, dass es nützlich ist, Neurodiversität nicht nur als Diagnosen-Sammelbegriff zu nutzen, sondern Heterogenität auch unter einer expliziten Neurodiversitätsperspektive zu betrachten, weil dies die Möglichkeit bietet, exkludierende epistemische Modelle grundlegend zu hinterfragen.
4 Jenseits der Defizitperspektive: Eine neurodiversitäts-informierte Perspektive auf den Fremdsprachenunterricht
Der weite Inklusionsbegriff nimmt die Teilhabe aller am Bildungsprozess Beteiligten in den Blick – auch jenseits von sonderpädagogischen Förderbedarfen sowie sonstigen Klassifikationen6 –, und tut dies oft aus einer explizit ressourcenorientierten Perspektive (z.B. Booth/Ainscow 2002). Ein solches Verständnis von Inklusion harmonisiert besonders gut mit einem Verständnis von Neurodiversität, bei dem dieser Begriff nicht ausschließlich als neutrales Sammelbecken von Neurotypen gesehen wird, sondern als explizit politischer Begriff, der inhärent mit der Forderung nach voller und gleichberechtigter Teilhabe, sowie nach Respekt für alle Neurotypen verbunden ist.7
Ein neurodiversitätssensibler Fremdsprachenunterricht beschränkt sich also nicht nur darauf, Nachteilsausgleiche für neurodivergente Lerner*innen bereitzustellen oder Unterricht zu konzipieren, der auch neurodivergenten Lernenden volle und gleichberechtigte Teilnahme am Unterricht und am im Unterricht ermöglichten Lernprozessen erlaubt (z.B. Universal Design for Learning als ein solcher Ansatz, vgl. Krause/Kuhl 2018). Die mit der Neurodiversitätsbewegung eng verbundene Forderung nach Respekt und Gleichberechtigung für Menschen aller Neurotypen (egal, ob sie als kognitive Unterschiedlichkeit und/oder als kulturelle Zugehörigkeit gelesen werden) ist nicht durch Akkommodationen alleine zu erreichen, solange diese aus einer Kultur erwachsen, die die Ziele von Bildung implizit mit der Minimierung von (sichtbarer) Neurodiversität assoziiert (vgl. auch Budde et al. 2019).
Dies bedeutet aber auch nicht, dass unterschiedliche Bedürfnisse und Stärken von Schüler*innen ignoriert werden sollten. Ein breites Inklusionsverständnis ist dann unzureichend, wenn es so (fehl-)verstanden wird, dass spezifische Unterschiede auf Basis von (Herkunfts-)Sprachen, sozioökonomischem Status, kognitiven Fähigkeiten oder sonderpädagogischen Zuschreibungen irrelevant seien. Ein Inklusionsbegriff, der die besonderen Bedarfe von Schüler*innen mit z.B. Traumaerfahrungen, Sehbeeinträchtigung oder Hochbegabung im Namen der Inklusion aller unter einem Gleichheitsmotto ignoriert, wird kaum dafür sensibel sein, was diese Schüler*innen an inhaltlichen, organisatorischen, methodischen oder materialen Anpassungen benötigen, um sich dem Lerngegenstand zu nähern. Das gleiche gilt ebenso für neurodivergente Schüler*innen.
Was das praktisch in Bezug auf Neurodiversität bedeutet, möchten wir im Folgenden anhand von zwei Aspekten ausführen: Der Frage nach kommunikativen Kompetenzen und damit eng verwandten Konzepten im Kontext des sogenannten double empathy problem, sowie der expliziten Thematisierung von Neurodiversität als Unterrichtsinhalt, auch im Zusammenhang mit epistemic injustice. Wir machen dabei jeweils deutlich, inwiefern diese Aspekte direkt einen Kernaspekt des Fremdsprachenunterrichts betreffen.
4.1 Die Ziele des Fremdsprachenunterrichts und das double empathy problem
Das Argument, dass Inklusion allen Lernenden zum Vorteil gereiche, wird oft gemacht, vor allem im Hinblick auf die sozialen Kompetenzen, die Schüler*innen ohne diagnostizierten Sonderförderbedarf im inklusiven Unterricht erwerben können. Fremdsprachenspezifisch erschöpfen sich solche Überlegungen oft im Bereich der (inter-)kulturellen Kommunikation (vgl. Hillary 2020; Küchler/Roters 2014).8
In den hier folgenden Ausführungen argumentieren wir, dass Inklusion auch weitere Kernziele des Fremdsprachenunterrichts darüber hinaus betrifft. Anschließend werden wir aufzeigen, inwiefern Neurodiversität als theoretische Perspektive hier konkrete Konzepte bereitstellt, die auch Relevanz für den Fremdsprachenunterricht haben.
Die Ziele des Fremdsprachenunterrichts werden heute primär kommunikativ verstanden, z.B. als kommunikative Kompetenz (vgl. Piepho 1974), funktionale kommunikative Kompetenz (vgl. Kultusministerkonferenz 2004), interkulturelle kommunikative Kompetenz (vgl. Byram 1997), Diskursfähigkeit (vgl. Hallet 2008) oder symbolische Kompetenz (vgl. Kramsch 2006). Alle diese Begriffe – so unterschiedlich sie im Detail sein mögen – betrachten die Entwicklung der Fähigkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe in (fremd-)sprachlich vermittelter Weise als (ein Teil-)Kernziel. Die KMK etwa versteht (funktionale) kommunikative Kompetenzen als das Zusammenwirken von kommunikativen Fertigkeiten, dem Verfügen über sprachliche Mittel, interkulturellen sowie methodischen Kompetenzen. Das Hessische Kultusministerium sieht die kommunikative Kompetenz als Ziel, das Schüler*innen „zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigt“ indem diese Schüler*innen „die Fähigkeit [entwickeln], in verschiedenen Kommunikationssituationen ihre Absichten adressatenbezogen angemessen zu verwirklichen“ (Hessisches Kultusministerium 2018: 11)
Auch Diskursfähigkeit hat die zwischenmenschliche Verständigung als Ziel, addiert hier jedoch noch eine explizite Meta-Diskurs Ebene:
In Anknüpfung an Piephos Diskurs-Begriff gehört zu einer im Fremdsprachenunterricht zu entwickelnden Diskursfähigkeit (…) auch die Fähigkeit, über kommunikative und diskursive Prozesse zu reflektieren und zu sprechen. In dieser metakommunikativen und metadiskursiven Kompetenz liegt ein wichtiges problem- und konfliktlösendes Potenzial, das Geltungsansprüche, Diskursregeln oder Legitimitätsfragen zwischen Kommunikationsakteuren gewaltfrei klären kann (Hallet 2008: 92).
Der kommunikative Kern, der bei allen diesen Begriffen weiterhin grundlegend ist, kann aus unterschiedlichen Gründen besondere Herausforderungen für viele neurodivergente Menschen bergen. Ein Aspekt ist dabei das sogenannte double empathy problem.
Traditionell wurde angenommen, dass kommunikative Schwierigkeiten von Autist*innen u.a. mit fehlender Empathie zu tun hätten. Umgangssprachlich wird mit Empathie oft die Fähigkeit gemeint, mit anderen Personen mitzufühlen. In anderen Worten: Umgangssprachlich ist eine Person empathisch, die auf die Trauer oder den Schmerz oder die Freude einer anderen Person ebenfalls mit Trauer, Schmerz oder Freude reagiert. Im Kontext des double empathy problems geht es nicht um diese emotionale Empathie, sondern primär um die Fähigkeit, die inneren Zustände einer Person zu erkennen (kognitive Empathie). Zu dieser Perspektivübernahme gehört es auch, einschätzen zu können, was eine andere Person bereits weiß, und was sie nicht wissen kann (mentalising, mental perspective taking) (vgl. Fletcher-Watson/Happé 2019: 71–74). Dies scheint für Autist*innen in Bezug auf neurotypische Personen mit besonderen Herausforderungen verbunden zu sein (und, wie Milton (2012) argumentiert, auch in der umgekehrten Reihung). Im Gegensatz hierzu wird angenommen, dass sich Autist*innen ohne Alexithymie (Herausforderungen in Bezug auf die Fähigkeit zur Wahrnehmung und Identifikation eigener innerer Zustände; kann mit Autismus zusammen auftreten) in ihrer Fähigkeit zur emotionalen Empathie nicht von der der neurotypischen Population unterscheiden (vgl. Bird/Cook 2013).
Erfolgreiche dialogische Kommunikation, erfolgreiches Geschichtenerzählen etc. verlangen jedoch gerade diesen mit der kognitiven Empathie verbundenen Einblick in das Vorwissen, die Motivationen und die Kommunikationsgewohnheiten der Gesprächspartner*innen. Hieraus resultierende kommunikative Schwierigkeiten allein dem*der Autist*in zuzuschreiben, ist jedoch problematisch, wenn gleichzeitig eine mangelnde Einsicht der neurotypischen Person in die neurodivergente Person vorliegt. Milton hat in diesem Zusammenhang den Begriff double empathy problem geprägt: „a disjuncture in reciprocity between two differently disposed social actors which becomes more marked the wider the disjuncture in dispositional perceptions of the lifeworld“ (Milton 2012: 884).
In anderen Worten entsteht das double empathy problem dadurch, dass verschiedene Personen interagieren, die sich z.B. in ihren Kommunikationsgewohnheiten und -bedürfnissen unterscheiden und jeweils keinen Einblick in die Kommunikationsgewohnheiten und -bedürfnisse des*der anderen besitzen.
Empirische Evidenz für das double empathy problem liefern Untersuchungen, wonach neurotypische Menschen auf der Basis von Mikrointeraktionen den Austausch mit autistischen Peers explizit ablehnen (vgl. Sasson/Faso/Nugent/Lovell/Kennedy/Grossman 2017) oder implizit zurückweisen (vgl. Bottema-Beutel/Kapp/Lester/Sasson/Hand 2020). Analog konnten Crompton/Sharp/Axbey/Fletcher-Watson/Flynn/Ropar (2020) zeigen, dass Autist*innen Details einer Geschichte ähnlich erfolgreich an Kommunikationspartner*innen weitergeben konnten wie neurotypische Proband*innen, solange sie in jeweils Neurotyp-homogenen Ketten kommunizierten. Erst wenn die Versuchspersonen – und dies betraf sowohl autistische wie auch neurotypische Versuchspersonen – in Neurotyp-heterogenen Settings Geschichtendetails weitergeben mussten, sank die Qualität der Informationsweitergabe.
Was bedeutet dies nur für den Fremdsprachenunterricht? Ein Fremdsprachenunterricht, der Schüler*innen „zur gesellschaftlichen Teilhabe befähig[en]“ (Hessisches Kultusministerium 2018: 11) will, muss sie darauf vorbereiten, mit Menschen zu kommunizieren, deren „perceptions of the lifeworld“ (Milton 2012: 884) anders sind als ihre eigenen. Dies trifft auf alle Lernenden zu, egal ob sie einem Mehrheits- oder einem Minderheiten-Neurotyp angehören. Damit sind nicht nur allgemeine (durchaus für die interkulturelle Kommunikation erstrebenswerte) Tugenden wie Toleranz und Offenheit gemeint, sondern konkrete Kommunikations- und Kollaborationsstrategien, wie sie zum Erreichen einer Vielzahl von fremdsprachlichen Diskurszielen notwendig sind.
Diskursfähigkeit, d.h. die „Fähigkeit, über kommunikative und diskursive Prozesse zu reflektieren und zu sprechen“ (Hallet 2008: 92), ist für die effektive Kommunikation in einer heterogenen, globalisierten Welt unverzichtbar. Gleichzeitig kann sie in heterogenen, inklusiven Settings besonders gut eingeübt werden, weil hier vielfältige Gelegenheiten geboten werden, mit Mitschüler*innen verschiedener Kommunikationsbedürfnisse und -präferenzen zusammenzuarbeiten.9
4.2 Neurodiversität als Thema des Fremdsprachenunterrichts
In der Regel werden kommunikative Kompetenzen, und dabei natürlich auch Diskursfähigkeit, bei der Arbeit mit Inhaltsfeldern erworben. Diese Inhaltsfelder – in den Kerncurricula abstrakt formuliert, im Unterricht auf konkrete Themen heruntergebrochen – ‚transportieren‘ dabei nicht nur Kommunikationsanlässe und sprachliche Mittel, sondern sind ebenfalls inhaltliche Lernmöglichkeiten, die Schüler*innen etwa erlauben, eigene Erfahrungen mit Vorurteilen zu reflektieren oder verschiedene mit der Fremdsprache assoziierte Kulturen kennenzulernen.
Auch mit dem Caveat, dass Lehrwerke und kommerziell bereitgestellte Lehrmaterialien nicht die vollständige Unterrichtsrealität abbilden: Betrachtet man den relativ geringen Umfang und die geringe Bandbreite der Thematisierung von (fast ausschließlich sichtbarer) Behinderung in Lehrwerken allgemein, der in den wenigen vorhandenen Studien zu verschiedenen Schulformen und Altersgruppen dokumentiert wird (für den Englischunterricht: Alter 2020; Alter/König/Merse 2021; Heinemann 2020), darf davon ausgegangen werden, dass Neurodiversität als Heterogenitätsdimension kaum thematisiert wird.10
‚Neurodiversität als Thema des Fremdsprachenunterrichts‘ soll dabei nicht unbedingt heißen, dass neben die Einheiten zu ‚Umweltschutz‘ oder ‚California‘ nun auch Einheiten zu ‚Neurodiversität‘ oder ‚ADHS‘ treten müssen, obwohl dies nicht unbedingt auszuschließen ist. Seburn (2021: 110–148) etwa unterscheidet zwischen einem „usualization approach“ und einem „disruptive approach“. Bei einem usualization approach – vielleicht am besten als Normalisierungsansatz übersetzbar – wird die Vielfalt der im Material vertretenen und im Unterricht sichtbaren Stimmen erhöht, ohne dass hiermit tiefgreifende inhaltliche Änderungen verbunden wären – der Fokus liegt weiterhin auf den Themen und den an ihnen eingeübten sprachlichen Mitteln und kommunikativen Teilfertigkeiten. Auf Neurodiversität bezogen könnte dies z.B. heißen, dass in einer Einheit zu „Aufgaben im Haushalt“ oder „Hobbies“ die Stimmen von realen Personen oder fiktiven Figuren11 mit unterschiedlichen Neurotypen eingebracht werden. Der disruptive approach dagegen geht hier weiter: Er ergänzt nicht nur weitere Stimmen, sondern macht sie, auch im Sinne einer kritischen Fremdsprachendidaktik (vgl. Akbari 2007; Gerlach 2020a), zum Thema:
[The disruptive approach; Ergänzung der Autor*innen] highlight(…)[s] particular characteristics and experiences of marginalized individuals to help learners make connections to themselves, question things we may take for granted, and suggest improvements to some of these things (Seburn 2021: 117).
Ein schlecht umgesetzter Normalisierungsansatz könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass neurodivergente Personen zwar symbolisch vertreten sind, jedoch als Karikaturen ihrer selbst oder als auf neurotypisch-konforme Aspekte reduzierte Hüllen. Bei einem gut umgesetzten Normalisierungsansatz ist aber, genau wie bei einem Disruptions-fokussierten Ansatz, das Potential vorhanden, dass Schüler*innen eigene Erfahrung sowie die Erfahrungen der Menschen in ihrer Umgebung widergespiegelt bekommen. Es wird allgemein angenommen, und ist anekdotisch belegt, dass dies vorteilhafte motivationale Effekte hat (im Kontext von LGBTQ-Repräsentation, siehe etwa Bollas 2021). Effekte von Repräsentation in Bezug auf den Abbau von Vorurteilen werden ebenfalls angenommen.
Das Konzept der epistemic justice zeigt auf, inwiefern Sprache selbst, insbesondere die sprachlichen Mittel, seine eigenen Alltagserfahrungen zu verbalisieren, eine wichtige Rolle spielt. Legault et al. (2021) definieren das Konzept folgendermaßen:
Epistemic injustices are situations where persons who do not belong to a dominant social group are denied (or simply not offered) access to or participation in the shared epistemic resources. The various concepts and knowledge base available do not represent their lived experience (hermeneutic injustice), and their testimony is given less weight to shape the collective epistemic resources (testimonial injustice) (Legault et al. 2021: k.S.).
Auch ein kritischer oder neurodiversitätssensibler Fremdsprachenunterricht kann epistemic injustice nicht allumfänglich beseitigen – gerade testimonial injustice ist nicht durch adäquaten Wortschatz, gutes Leseverstehen oder effektiven Einsatz von Kommunikationsstrategien aus der Welt geschafft. Die systematische Inklusion einer Vielfalt von Stimmen und Erfahrungen – gerade auch durch own voices Texte – hat aber zumindest das Potential, hermeneutic injustice abzumildern.
Im idealen Fall wird Repräsentation so zu einem Bestandteil eines Unterrichts, bei dem neurodivergente Stimmen kontinuierlich sichtbar werden, in dem neben neurotypischen Kultur(en) auch neurodivergente Kultur(en) sichtbar sind, neurodivergente Vorbilder existieren und neurodivergente Schüler*innen sich für ihre Belange einsetzen können und dabei auch aktive Unterstützung durch Lehrende erfahren („Education for the Other“, Kumashiro 2000). In anderen Worten wird der Fremdsprachenunterricht Teil eines „affirming space where Otherness (…) is embraced, where ‘normalcy’ (…) is not presumed, where students will have an audience for their Othered voice(s), and where the Other will have role models“ (Kumashiro 2000: 28).
Gleichzeitig kann Repräsentation zu einer „Education about the Other“ beitragen (Kumashiro 2000: 31–35), die auch die Bedürfnisse neurotypischer Lernenden mit in den Blick nimmt und zu verhindern versucht, dass (nicht-marginalisierte) Lernende gar kein oder nur stereotypen-behaftetes Wissen über marginalisierte Gruppen haben. Hiermit können dann auch kulturdidaktische Zielsetzung verfolgt werden.
5 Ausblick
Neurodiversität ist kein vollständig neues Thema in der Fachdidaktik der Fremdsprachen. Erkenntnisse aus den Bezugswissenschaften zu neurodiversitätsbezogenen Einzeldiagnosen kommen stetig in den fachdidaktischen Diskursen an und werden zunehmend mit fachdidaktischer Forschung ergänzt. Überlegungen, wie Neurodiversität selbst zum Thema des Fremdsprachenunterrichts werden kann, stehen jedoch noch am Anfang. Dabei geht es selbstverständlich nicht um die Vermittlung klinisch-diagnostischer Informationen an Schüler*innen, sondern um Unterricht, der Schüler*innen aller Neurotypen dabei unterstützt, an ganz verschiedenen, auch durch Heterogenität geprägten, Kommunikationssituationen teilzuhaben und diese mitzugestalten. Gerade zur Frage des double empathy problems oder der epistemic injustice, und dazu, wie (interkulturelle) kommunikative Kompetenz verstanden werden sollte, wenn sie auch die Vielfalt der Neurotypen sowie neurodivergenter Kulturen mit einbezieht, sind noch viele Fragen offen. Eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist aber notwendig, wenn wir einen wirklich inklusiven Fremdsprachenunterricht anstreben: Einen Fremdsprachenunterricht, der Lehr-/Lernszenarien nutzt, die allen Lernenden erlauben, zielsprachliche Lernziele zu erreichen, und der dabei auch explizit Ziele in Bezug auf die Bereitschaft und die (sprachliche) Fähigkeit zur (aktiven und/oder rezeptiven) Teilnahme an neurodivergenten Kulturen, der Interaktion mit Personen unterschiedlicher Neurotypen und der Zusammenarbeit in Neurotyp-heterogenen Gruppen mitdenkt. Um auch den Prinzipien der Neurodiversität-Bewegung gerecht zu werden, müsste dies partizipativ, also im Dialog mit neurodivergenten Menschen, stattfinden. Ein solcher Ansatz diente auch der Weiterentwicklung der Lernendenorientierung, wenn neuro-typische und neuro-atypische Fremdsprachenlernende gehört werden.
Der nächste, noch weitestgehend ausstehende Arbeitsschritt wäre, auf dieser Basis und unter Rückgriff auf die Wissensbestände der Fremdsprachendidaktiken, ihrer Bezugswissenschaften sowie der Erfahrungen von (auch neurodivergenten) Stakeholder*innen Konzepte und Materialien für neurodiversitätssensiblen Fremdsprachenunterricht zu entwickeln sowie bereits existierende Konzepte und Materialien unter einer explizit neurodiversitätssensiblen Perspektive zu evaluieren. Hier wäre es ein erster Schritt, auf Texte von und über neurodivergenten Menschen zurückzugreifen, wie etwa für den Englischunterricht den Graphic novel „Nelson beats the odds“ von Sidney (2015), der die Erlebnisse eines Jungen mit ADHS auf einer amerikanischen Middle und High School schildert, oder „A kind of spark“ von McNicoll (2020), in dem sich eine autistische Schülerin dafür einsetzt, dass in ihrem Heimatdorf eine Gedenkplakette errichtet wird für diejenigen Personen, die als Hexen hingerichtet wurden, weil sie ‚anders‘ waren.
6 Schlusswort
Chapman versteht, wie bereits oben ausgeführt, Neurodiversität als konzeptionelles Werkzeug, das uns helfen kann „to both reimagine pathologised and dehumanised kinds in a more humane and compassionate way and reimagine the world in a way that is less hostile to such kinds“ (Chapman 2020: 219). Es geht uns sowie Chapman nicht nur um die Beachtung (menschen)rechtlicher Normen wie etwa in der UN-Behindertenrechtskonvention oder um bildungsrelevante Ziele. Es geht ebenso um die Frage, wie wir eine Gesellschaft realisieren können, die die prinzipielle Teilhabe aller Menschen als Voraussetzung für epistemische Gerechtigkeit versteht. Eine Neurodiversitätsperspektive möchte auch vermeiden, dass „Fragen nach Gerechtigkeit, nach Wohlbefinden und/oder nach Teilhabe (…) hinter leistungsorientierten Kriterien [verschwinden]“ (Budde et al. 2019: k.S.).
Wir argumentieren in diesem Artikel, dass ein neurodiversitätssensibler Fremdsprachenunterricht allen Fremdsprachenlernenden hinsichtlich der kommunikativen, interkulturellen und kritischen Ziele des kontemporären Fremdsprachenunterrichts zugutekommt. Die Perspektive der Neurodiversität ist weder bloß eine weitere Heterogenitätsdimension, noch ersetzt sie eine Betrachtung von Einzeldiagnosen oder anderen individuellen Unterschieden. Vielmehr eröffnet eine Berücksichtigung von Neurodiversität – nicht zuletzt aufgrund der politischen und sozialen bzw. kulturellen Elemente des Begriffs – neue Partizipationslogiken und epistemische Möglichkeiten.
Notes
- Genauso wie keine abschließende Definition von Neurodiversität allgemein anerkannt ist, gibt es keinen Konsens über die Begriffe, um konkrete Neurotypen bzw. die Menschen, die als neurodivergent gelten, zu bezeichnen. Wir sind uns dieses Diskurses bewusst, verzichten hier jedoch auf eine ausführliche Abhandlung hierzu (s. dazu Bottema-Beutel/Kapp/Lester/Sasson/Hand 2020; vgl. Vivanti 2020). [^]
- Die Verwendung der Adjektive neurodivers und neurodivergent variiert teilweise. Wir nutzen hier neurodivers, um das Vorhandensein mehrerer Neurotypen zu benennen, sowie neurodivergent, wenn es um Personen oder Gruppen geht, die nicht dem Mehrheits-Neurotyp angehören (die also nicht neurotypisch sind). [^]
- Unseres Wissens nach taucht der Begriff nur in folgenden Texten aus der D-A-CH Community auf: Alter/König/Merse (2021); Buendgens-Kosten/Niesen (2019); Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (2021); Gerlach/Schmidt (2021). International sind z.B. Smith (2020) und Burke (2020) hervorzuheben. [^]
- Da es keine abschließende Definition von Neurodiversität gibt, ist es auch unmöglich zu präzisieren, wie viele neurodivergente Lernende es gibt. Dennoch kann zumindest grob anhand der Zahlen von mit nur Autismus, AD(H)S und Legasthenie/Dyslexie/LRS diagnostizierten Schulkindern geschätzt werden, dass neurodivergente Lernende keine Seltenheit sind. Statistisch gesehen ist mit mehreren neurodivergenten Schüler*innen pro durchschnittlicher Schulklasse zu rechnen. Allerdings sind im deutschen Schulsystem diese sogenannten atypischen Neurotypen wie andere Schüler*innen mit sonderpädagogischen Bedarfen nicht proportional verteilt, sondern nach wie vor in sogenannten Förderschulen und im Sekundarbereich in Real-, Gesamt-, Haupt-, und Oberschulen und Berufskollegien überrepräsentiert (eine weiterführende Diskussion hierzu siehe Werning (2017)). [^]
- Neurodiversity als Begriff und Konzept entstand gegen Ende der 1990er Jahre in der Online Community „InLv“, kurz für „Independent Living on the Autistic Spectrum“ (Dekker 2020). Die erste Verwendung des Begriffs – auf InLv – wird auf Judy Singer (2017a: 19), die erste Verwendung in einer (journalistischen) Publikation auf Harvey Blume (1998), die erste wissenschaftliche Verwendung wiederum auf Judy Singer (2017b) zurückgeführt. Heute ist der Begriff neurodiversity (eingedeutscht als Neurodiversität) sowohl in Fach- als auch in Laiendiskursen, vor allem in der englischsprachigen Welt, zunehmend verbreitet (siehe etwa Armstrong 2012; Hendrickx 2009; Kapp 2020; Milton 2020; Rosqvist/Chown/ Stenning 2020). [^]
- Wir sind uns bewusst, dass wir in diesem Artikel aktiv Klassifikationen und Kategorisierungen nutzen, die in der Literatur – aus gutem Grund – auch kritisch gesehen werden. Diesen Widerspruch können wir im Rahmen dieses Texts nicht auflösen. [^]
- Besonders relevant sind hier ebenfalls Diskurse zu anderen Heterogentitätsdimensionen, die bereits heute weitestgehend auf eine Defizitperspektive verzichten. Wer z.B. über die Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identitäten als Heterogenitätsdimension spricht, sieht diese (es ist zu hoffen) nicht als individuelle Defizite, die im Unterricht aufzufangen oder zu kompensieren sind. [^]
- Eine Ausnahme hierzu wären z.B. die Überlegungen von Rössler/Schädlich (2019: 23) zu „Sprachmittlung als Beitrag zur barrierefreien Kommunikation auch im Fremdsprachenunterricht“. Die Autorinnen sehen im inklusiven Fremdsprachenunterricht besondere Chancen, um die Fähigkeit einzuüben, komplexe Zusammenhänge addressat*innengerecht zu sprachmitteln. [^]
- Vgl. hierzu auch die Überlegungen von Rössler/Schädlich (2019) zur Sprachmittlung, die sich auf den erweiterten Mediation-Begriff aus dem Begleitband des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen beziehen (vgl. Council of Europe 2018). [^]
- Eine Ausnahme könnte hier das Vorkommen prominenter neurodiversitärer Personen sein, ggf. ohne explizite Thematisierung ihrer Neurodivergenz. Hierzu zählt etwa Greta Thunberg, über die zum Zeitpunkt, an dem wir dies schreiben, 19 Unterrichtsmaterialien für den Englischunterricht auf einer populären Schulportal-Website angeboten werden. Alter et al. (2021) nennen zudem das Beispiel eines Models mit Trisonomie 21 in einem Englischlehrbuch. Eine weitere Ausnahme mag aktuell auch der Roman „The curious incident of the dog in the night-time“ darstellen, der zurzeit in einigen Bundesländern in der Oberstufe gelesen wird. Der Protagonist wird im Roman selber nicht, dafür aber teilweise in Begleitmaterialien, explizit als autistisch identifiziert. [^]
- Wobei auch bei fiktiven Figuren die folgende Aussage von Seburn (2021) relevant bleibt: „No materials should create space for learners to discuss their characteristics, their attitudes, their cultural practices, or most of all their rights, without being informed directly by voices from within“ (26). [^]
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Kurzbio
Dr. Jules Bündgens-Kosten ist wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und arbeitet dort zu den Themen „Computer-assisted Language Learning“, vor allem mit Fokus auf Mehrsprachigkeit, und „Inclusive education in the EFL classroom“, u.a. im Rahmen des Erasmus+ Projekts „ELLeN: English Language Learning and Neurodiversity“.
Carolyn Blume ist Junior-Professorin für digitales Lehren und Lernen am Dortmunder Kompetenzzentrum für Lehrer*innenbildung und Lehr-/Lernforschung (DoKoLL) an der TU Dortmund. In ihrer Forschung und Lehre beschäftigt sie sich mit Themen der Inklusion und der Digitalisierung im schulischen Englischunterricht. Insbesondere untersucht sie die Einstellungen von angehenden und praktizierenden Lehrkräften und deren Kompetenzentwicklung in allen Phasen der Lehrer*innenaus- und -weiterbildung.
Anschrift:
Dr. Jules Bündgens-Kosten
Goethe-Universität Frankfurt
IEAS, Sprachlehrforschung und Didaktik
Norbert-Wollheim-Platz 1
60323 Frankfurt am Main
buendgens-kosten@em.uni-frankfurt.de
JProf.‘in Dr. phil. Carolyn Blume
Technische Universität Dortmund
Dortmunder Kompetenzzentrum für Lehrer*innenbildung und Lehr-/Lernforschung (DoKoLL)
Emil-Figge-Straße 50
44227 Dortmund