1 Einleitung
Das Beherrschen schriftbezogener Handlungen wie das Verstehen von Texten oder das Verfassen von orthographisch korrekten Bewerbungsschreiben ist in Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt unerlässlich für Bildungserfolg und gesellschaftliche Teilhabe (vgl. Nimz/Möhlmann 2021). Der Erwerb dieser Fähigkeit, d.h. der Schriftspracherwerb, umfasst sowohl produktive (schreibbezogene) als auch rezeptive (lesebezogene) Fähigkeiten und bezieht sich auf verschiedene sprachliche Teilebenen. So befasst sich die sprachwissenschaftliche bzw. sprachdidaktische Forschung mit Aspekten wie der Lesegeschwindigkeit (vgl. Duzy/Souvignier/Ehm/Gold 2014; Huschka/Emde/Brandenburg 2020), dem Textverständnis (vgl. Lenhard 2013; Pestana/Lambelet/Vanhove 2017) oder der Orthographie (vgl. Alves/Limpo/Joshi 2020) bzw. dem Schreibprozess (vgl. Bachmann/Becker-Mrotzek 2017; Lindauer 2021) und der textuellen Struktur (vgl. Becker-Mrotzek/Grabowski 2022).
Fortgeschrittener Schriftspracherwerb, wie in der vorliegenden Studie untersucht, bezieht sich auf den Erwerb schriftsprachlicher Fähigkeiten in der Sekundarstufe I (SekI). Dies sind Fähigkeiten, die geschriebene Sprache nutzen, insbesondere solche, die konzeptionell schriftliche Aspekte (vgl. Koch/Oesterreicher 1985) bzw. literate Strukturen (vgl. Maas 2010) beinhalten. In der SekI können durch eine zunehmende Automatisierung hierarchieniedriger Prozesse (z.B. Dekodieren auf Wortebene im Lesen oder Verschriften einzelner Sätze, vgl. Philipp 2017a: 48) immer mehr hierarchiehohe Prozesse (z.B. die Aktivierung von Vorwissen und darauf beruhende Textreflexion beim Textverständnis, vgl. Philipp 2017b: 72) verwendet werden, um komplexere schriftsprachliche Leistungen wie Textverständnis oder orthographisch korrektes Schreiben zu erbringen. Im Vergleich zum Schriftspracherwerb im Elementar- und Primarbereich finden sich allerdings weniger Untersuchungen in der SekI und darüber hinaus (vgl. aber zur Rechtschreibentwicklung in der SekI Betzel 2015; Müller/Schroeder 2022; und zum Textverständnis in der SekII Thiede 2022).
Insbesondere die Entwicklung schriftsprachlicher Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder und Jugendlicher wurde bisher seltener untersucht als die einsprachiger Lernender (vgl. aber u.a. Grießhaber/Schmölzer-Eibinger/Roll/Schramm 2018; Kalkavan-Aydin 2022; Nimz 2022). Da aber Mehrsprachigkeit im (Laut-)Spracherwerb eine besondere Rolle spielt (vgl. Kauschke 2012: 121; Klein 2000: 541–542), liegt die Vermutung nahe, dass mehrsprachige Fähigkeiten auch einen Einfluss auf das Verfassen und Verstehen von Texten, die Orthographie und andere schriftsprachliche Fähigkeiten haben. Bisherige Forschungsergebnisse zeichnen jedoch ein heterogenes Bild, das keine eindeutigen Schlüsse zum Einfluss von Mehrsprachigkeit auf den fortgeschrittenen Schriftspracherwerb zulässt. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass Mehrsprachigkeit uneinheitlich definiert wird. Sprachverwendung, Sprachkompetenz, Spracherwerbsumstände und Herkunft werden unterschiedlich stark in verschiedenen Auffassungen von Mehrsprachigkeit berücksichtigt (vgl. Bulut/Bredthauer 2022; Marian/Hayakawa 2021). In der vorliegenden Studie wird Mehrsprachigkeit gebrauchsorientiert anhand der aktuellen Sprachverwendung und der Erwerbsumstände operationalisiert (vgl. Edwards 2013; Gogolin/Hansen/McMonagle/Rauch 2020: 3); es werden sowohl simultan als auch sukzessiv mehrsprachige Schüler:innen untersucht. Da jedoch in bisherigen Literacy-Studien Mehrsprachigkeit oftmals nur über die Sprachverwendung ohne Berücksichtigung der Erwerbsumstände operationalisiert wird, werden auch Ergebnisse dieser Forschung dargestellt, da auch sie Einblick in den Zusammenhang von sprachlichem Hintergrund und Schriftsprachleistungen geben können.
Darüber hinaus haben neben dem sprachlichen Hintergrund viele weitere Faktoren (z.B. der sozioökonomische Status, die Lesemotivation) einen Einfluss auf die schriftsprachlichen Leistungen und deren Entwicklung (vgl. Hesse/Göbel/Hartig 2008; Miyamoto/Pfost/Artelt 2018). Dass je nach Untersuchung verschiedene und auch unterschiedlich viele Faktoren berücksichtigt werden, führt ebenfalls zu bisher uneindeutigen Forschungsergebnissen bezüglich des fortgeschrittenen Schriftspracherwerbs allgemein und demjenigen simultan und sukzessiv Mehrsprachiger im Besonderen.
Die folgende Untersuchung widmet sich daher diesem Forschungsdesiderat, um weitere Erkenntnisse im Bereich des mehrsprachigen fortgeschrittenen Schriftspracherwerbs zu erlangen. Dazu werden longitudinale Daten aus der SekI (5. bis 9. Klasse) von einsprachigen, simultan und sukzessiv mehrsprachigen Schüler:innen (SuS) aus fünf Schultypen sekundäranalytisch ausgewertet. Um verschiedene Facetten des Schriftspracherwerbs abbilden zu können, werden Daten zum Textverständnis und zur orthographischen Leistung im Deutschen unter Berücksichtigung der kognitiven Grundfertigkeiten, des deutschen Wortschatzes, des Schultyps, der Lesequantität, der Bücheranzahl im Haushalt sowie der Einstellung zum Lesen und zur Rechtschreibung untersucht. Folgende Fragestellungen sollen dadurch beantwortet werden:
Ist im Verlauf der SekI (5. bis 9. Klasse) eine Steigerung des Textverständnisses und der Orthographieleistung im Deutschen zu beobachten?
Unterscheiden sich diese Leistungen zwischen simultan mehrsprachigen, sukzessiv mehrsprachigen und einsprachigen SuS?
Welche Faktoren sind entscheidend für das Textverständnis und die Orthographieleistung im Deutschen im fortgeschrittenen Schriftspracherwerb?
Zunächst werden bisherige Forschungsergebnisse zusammengefasst, bevor die Stichprobe der vorliegenden Studie sowie die Erhebungsmethoden erläutert werden. Daran anschließend folgen die Ergebnisse der Datenanalyse sowie ein Ausblick auf weitere mögliche Untersuchungen. Da sich die vorliegende Studie auf schriftsprachliche Leistungen in der Schulsprache beschränkt und nicht das gesamtschriftsprachliche Repertoire der Proband:innen untersucht, wird auch lediglich Forschung referenziert, die sich ebenfalls auf die schriftsprachlichen Fähigkeiten in der Schulsprache beschränkt.
2 Hintergrund
Insgesamt ist eine Steigerung schriftsprachlicher Leistungen im Verlauf der schulischen Bildung zu beobachten (vgl. Betzel 2015 für die Steigerung von satzinterner Großschreibung in der SekI; Rau/Schwippert 2015 für Steigerung von Textverständnis in der SekI). Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass es sich bei den meisten schriftsprachbezogenen Fähigkeiten um lese- oder schreibbasierte Leistungen handelt, welche, im Gegensatz zu mündlicher Sprache, größtenteils gesteuert im Schulunterricht erworben werden. Andererseits steigt mit dem vermehrten Schulbesuch auch der Input an Schriftsprache sowie die Notwendigkeit, schriftnahe Register, feststehende Textstrukturen und schreib- sowie lesebezogene Problemlösestrategien anzuwenden (vgl. Bredel/Fuhrhop/Noack 2017: 74; Niederdorfer/Ebner/Schmölzer-Eibinger 2018: 131). Die Anforderungen an die schriftsprachlichen Kompetenzen und die Aspekte, die diese umfassen, steigen demnach mit zunehmendem Alter.
Unterschiedliche Faktoren nehmen Einfluss auf schriftsprachliche Leistungen. Sowohl für das Textverständnis als auch die orthographische Leistung werden Effekte der Schulform berichtet: zumeist bessere Ergebnisse von SuS am Gymnasium als an anderen Schulformen (vgl. Ruppert/Hanulíková 2022 für Orthographie; Weis/Doroganova/Hahnel/Becker-Mrotzek/Lindauer/Artelt/Reiss 2019 für Textverständnis). Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Richtung des Einflusses nicht eindeutig bestimmbar ist, da bessere Textverständnis- und Orthographieleistungen auch auf die Wahl der Schulform einwirken können. Ein weiterer Einflussfaktor ist das Geschlecht (zumeist mit höheren Leistungen von Mädchen im Vergleich zu Jungen; vgl. Klinger/Usanova/Gogolin 2019 für Textverständnis; Müller/Schroeder 2022 für Orthographie). Auch ein höherer sozioökonomischer Status (SES) steht häufig im Zusammenhang mit besseren Textverständnis- und Orthographieleistungen (vgl. Boneß/Sürig 2020; Korat/Arafat/Aram/Klein 2013). Dies kann mit dem familiären schriftsprachlichen Umfeld, welches in Familien mit höherem SES ausgeprägter ist, in Verbindung stehen (vgl. Niklas/Moellers/Schneider 2013; Zöller/Roos/Schöler 2006). Dieses schriftsprachliche Umfeld umfasst u.a. die Schriftsprachnutzung der Eltern, den Zugang zu Büchern sowie die elterlichen und eigenen Einstellungen zum Lesen und zur Rechtschreibung. So werden positive Zusammenhänge des Textverständnisses und der Rechtschreibung mit dem Buchbesitz (vgl. Jarsinski 2014; Rau/Schwippert 2015), dem eigenen und elterlichen Leseverhalten und der Lesemotivation beschrieben (vgl. Blatt/Frahm/Prosch/Jarsinski/Voss 2015; Gold/Nix/Rieckmann/Rosebrock 2010; Siekmeyer 2013). Darüber hinaus beeinflussen höhere allgemeine kognitive Fähigkeiten das Textverständnis und die Orthographieleistung positiv (vgl. Gresser 2018; Hesse et al. 2008; Khan 2018). Dies liegt u.a. darin begründet, dass bei geringen kognitiven Leistungen die basalen Fähigkeiten wie die Worterkennung beim Lesen weniger automatisiert sind und dadurch weniger kognitive Kapazitäten für hierarchiehohe Fähigkeiten wie das Erstellen eines mentalen Textmodells zur Verfügung stehen (vgl. Lenhard/Richter 2024; Philipp 2017b).
Eine besondere Stellung kommt dem Wortschatz in der Testsprache zu. Ein größerer Wortschatz wirkt sich zumeist positiv auf das Textverständnis aus, da mehr Wörter bekannt sind (vgl. Habben 2014; McKoon/Ratcliff 2016; Röthlisberger/Schneider/Juska-Bacher 2021). Doch auch hier ist zu beachten, dass die Beziehung von Wortschatz zu Textverständnis nicht einseitig ist: Ein größerer Wortschatz hilft zwar beim Textverständnis, aber Leseaktivitäten führen auch zu einem größeren Wortschatz (vgl. Lenhard 2019). Die Orthographieleistungen stehen ebenfalls im Zusammenhang mit dem Wortschatz in der Testsprache. So zeigen beispielsweise Betzel und Steinig (2016), dass Wortschatzumfang sowie Vielfältigkeit des Textvokabulars (gering) positiv mit der Rechtschreibleistung korrelieren. Auch andere Faktoren werden von ihnen mit Blick auf Wortschatz und Orthographie untersucht: In der Gruppe der SuS, die einen geringen Wortschatz aufweisen und eher rechtschreibschwach sind, sind vor allem Kinder mit einem niedrigen sozioökonomischen Status mit Hauptschulempfehlung vertreten.
Insgesamt zeigt sich, dass schriftsprachliche Kompetenzen sowohl von sozial-familiären Faktoren als auch von kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten abhängen. Diese Tatsache macht die Untersuchung solcher Fähigkeiten im Kontext von Mehrsprachigkeit zu einer besonderen Herausforderung, da Mehrsprachigkeit mit diesen drei Aspekten ebenfalls Zusammenhänge aufweist: Ein höherer SES wirkt sich positiv auf den generellen Spracherwerb und die allgemeine Sprachkompetenz aus, sowohl bei einsprachigen als auch mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen (vgl. Niklas/Schneider 2013), während ein niedriger SES sich im Vergleich negativ auswirken kann und sich z.B. in einem geringeren Wortschatz äußert (vgl. Chilla 2020: 120). Obwohl noch nicht eindeutig bewiesen, werden mehrsprachigen Personen teilweise höhere kognitive Kompetenzen zugeschrieben (vgl. Edwards 2013: 15–16); ihre sprachlichen Fähigkeiten, insbesondere wenn nur in einer Sprache getestet, liegen allerdings meist hinter denen einsprachiger zurück (vgl. Grosjean 2010: 22–24). Insbesondere der bereits hervorgehobene Faktor des Wortschatzes ist unter mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen zumeist geringer ausgebildet als bei einsprachigen, wenn nur eine Sprache (wie auch im Fall der vorliegenden Studie) berücksichtigt wird. Ergebnisse einer Metaanalyse zum Wortschatz mehrsprachiger Menschen deuten allerdings darauf hin, dass sich dies hauptsächlich auf sukzessiv mehrsprachige Gruppen bezieht und außerdem vom Testverfahren und dem erhobenen Wortschatz (rezeptiv, produktiv) abhängig ist (vgl. Bylund/Antfolk/Abrahamsson/Olstad/Norrman/Lehtonen 2023). Auch zeigt sich in Studien, die den Wortschatz untersuchen und in der Auswertung kontrollieren, dass sich durch die Berücksichtigung des Wortschatzes der Leistungsunterschied (insbesondere im Textverständnis) zwischen ein- und mehrsprachigen SuS deutlich verringert oder sogar vollständig schwindet (vgl. Nieminen/Ullakonoja 2017; Röthlisberger et al. 2021). Es ist daher schwierig, vorherzusagen, wie sich Mehrsprachigkeit auf schriftsprachliche Kompetenzen auswirkt, denn sowohl Fähigkeiten in der Testsprache (z.B. Wortschatz) als auch außersprachliche Faktoren wie das familiäre Umfeld können Einfluss auf diese Kompetenzen nehmen (vgl. Kalkavan-Aydın/Rauch 2023).
Hinzu kommt eine uneinheitliche Operationalisierung des Faktors ‚Mehrsprachigkeit‘ (für eine ausführliche Übersicht unterschiedlicher Operationalisierungen von Mehrsprachigkeit im Kontext von Schriftsprachfähigkeiten s. Bulut/Bredthauer 2022). In vielen Studien wird ein vorhandener Migrationshintergrund als Indikator für ein mehrsprachiges Aufwachsen verwendet (vgl. Blatt/Prosch/Jarsinski/Bos/Kanders 2021; Miyamoto et al. 2018). Andere Studien erfragen zur Operationalisierung von Mehrsprachigkeit die Sprache, die in der Familie gesprochen wird (vgl. Cobo-Lewis/Eilers/Pearson/Umbel 2002; Jarsinski 2014). Wieder andere erheben zusätzlich die Kompetenz in einer oder allen Sprachen der Teilnehmenden, meist über eine Selbsteinschätzung (vgl. Hesse et al. 2008). Daher ist es nicht verwunderlich, dass bisherige Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen zum Verhältnis von schriftsprachlichen Kompetenzen und Mehrsprachigkeit kommen. Im LAS-Projekt (Literacy acquisition in schools, vgl. Schroeder/Sürig/Bommes/Olfert/Şimşek/Mehlem/Boneß/Ayan/Koçbaş 2020) z.B. werden keine Unterschiede in den deutschen Orthographieleistungen von deutsch-einsprachigen und türkisch-deutsch mehrsprachigen Siebtklässler:innen (operationalisiert über die in der Familie gesprochene(n) Sprache(n), keine Differenzierung nach Erwerbsbeginn) festgestellt. In der DESI-Studie (Deutsch Englisch Schülerleistungen International, vgl. DESI-Konsortium 2008) hingegen weisen simultan mehrsprachige Neuntklässler:innen, d.h. solche, die Deutsch und eine andere Sprache in der Familie gelernt haben, höhere orthographische Leistungen als deutsch einsprachige auf. Sukzessiv mehrsprachige hingegen zeigen etwas geringere Leistungen als die beiden anderen Gruppen (vgl. Hesse et al. 2008: 217). In anderen Studien wiederum werden geringere deutsche Orthographieleistungen mehrsprachiger als einsprachiger Gruppen festgestellt (vgl. Maas/Mehlem 2003 zum Vergleich von deutsch-einsprachigen mit nicht weiter differenzierten mehrsprachigen SuS in der Grundschule und der SekI).
Besonders auffällig sind jedoch Unterschiede hinsichtlich des sprachlichen Hintergrunds im Bereich des Textverständnisses. Hier liegen die Leistungen mehrsprachiger SuS in den meisten Studien hinter jenen einsprachiger zurück. Gresser (2018) z.B. beobachtet geringere Leistungen im deutschen Textverständnis von sowohl simultan als auch sukzessiv mehrsprachigen im Vergleich zu einsprachigen Neuntklässler:innen (operationalisiert über Sprachverwendung in der Familie und mit Freunden). Die simultan Mehrsprachigen schneiden wiederum besser ab als die sukzessiv Mehrsprachigen. Gleiches gilt für die DESI-Studie (Hesse et al. 2008). Khan (2018) zeigt ebenfalls einen Nachteil mehrsprachiger gegenüber einsprachigen SuS der SekI im deutschen Leseverstehen. Die Sprachgruppen werden auch dort über die in der Familie gesprochenen Sprachen operationalisiert, allerdings ohne Berücksichtigung des Erwerbsbeginns.
Es wird ersichtlich, dass sich eine Unterscheidung zwischen simultan und sukzessiv mehrsprachigen SuS in der Schriftspracherwerbsforschung nicht immer findet, sodass die Rolle des Erwerbsbeginns nicht abschließend geklärt ist. Darüber hinaus können die wenigsten Studien alle hier genannten Faktoren in ihrer Analyse gleichzeitig miteinbeziehen. Die vorliegende Sekundäranalyse macht dies aber möglich und kann weitere Zusammenhänge zwischen (außer-)sprachlichen Faktoren und schriftsprachlichen Leistungen sichtbar machen.
3 Hypothesen
Bezüglich der ersten Frage nach der Entwicklung der schriftsprachlichen Fähigkeiten ist folgende Hypothese anzunehmen:
A. Das Textverständnis und die orthographische Leistung steigern sich in allen drei Sprachgruppen von der 5. bis zur 9. Klasse.
Diese Hypothese wird unabhängig vom sprachlichen Hintergrund formuliert, da die Leistungssteigerung im Verhältnis zum jeweiligen beginnenden Leistungsniveau der einzelnen Gruppen in der 5. Klasse von Interesse ist. Da sich die Sprachgruppen in ihrem Leistungsbild jedoch unterscheiden, gehen wir von folgender Hypothese in Bezug auf die zweite Frage aus:
B. Die sukzessiv mehrsprachigen SuS erreichen geringere Werte im Textverständnis und in der Orthographie als die simultan mehrsprachigen, welche wiederum geringere Werte im Vergleich zu den einsprachigen erzielen.
Bisherige Studien zeigen teilweise uneindeutige Ergebnisse sowohl im Textverständnis als auch in der orthographischen Leistung simultan und sukzessiv mehrsprachiger Populationen. Generell sind aber geringere Leistungen mehrsprachiger SuS im Vergleich zu einsprachigen zu beobachten (vgl. Maas/Mehlem 2003). Viele Untersuchungen deuten besonders auf geringere Leistungen sukzessiv mehrsprachiger Gruppen im Vergleich zu einer einsprachigen und simultan mehrsprachigen in der Schulsprache hin (vgl. Hesse et al. 2008).
Auf Grundlage aktueller Forschungsergebnisse (vgl. Boneß/Sürig 2020; Gresser 2018; Klinger et al. 2019; Weis et al. 2019) nehmen wir folgende Hypothese für Frage 3 an:
C. Kognitive Voraussetzungen, der deutsche Wortschatz, die familiäre schriftsprachliche Umgebung, der SES, die Schulform sowie das Geschlecht beeinflussen die fortgeschrittenen schriftsprachlichen Fähigkeiten.
4 Stichprobe
Für diese Untersuchung werden Daten der NEPS (National Education Panel Study, NEPS-Netzwerk 2024)1 herangezogen und analysiert. Dabei handelt es sich um längsschnittliche Daten zur Kompetenzentwicklung, die vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe erhoben und der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Die Teilnehmenden sind in Kohorten je nach Bildungsabschnitt zum Erhebungsstart organisiert. Die Datengrundlage für die vorliegende Untersuchung bildet die Startkohorte 3, d.h. SuS, die von der 5. Klasse (T1, 2010/2011) über die 7. Klasse (T2) bis zur 9. Klasse (T3) begleitet wurden. Diese SuS absolvierten Tests in unterschiedlichen Fächern wie beispielsweise Naturwissenschaften, Englisch und Deutsch und füllten regelmäßig Fragebögen zu ihrem sozialen Hintergrund aus. In dieser Studie werden Daten zum Textverständnis und zur Orthographie im Deutschen als abhängige Variablen sowie Angaben zum sozialen, ökonomischen und sprachlichen Hintergrund als unabhängige Variablen verwendet, um Zusammenhänge unterschiedlicher sprachrelevanter Faktoren untersuchen zu können. Die Stichprobe besteht aus 279 SuS, darunter 118 Jungen und 161 Mädchen (Ø 10;10 zu T1). Ein sonderpädagogischer oder speziell sprachlicher Förderbedarf wurde bei allen SuS ausgeschlossen.
Die Proband:innen wurden im Rahmen dieser Sekundäranalyse in drei Sprachgruppen eingeteilt: einsprachig, simultan mehrsprachig und sukzessiv mehrsprachig. Die Einteilung erfolgt auf Grundlage von Angaben der SuS und der Eltern zur Sprachverwendung sowie zum Spracherwerb und orientiert sich an einer gebrauchsbasierten Auffassung von Mehrsprachigkeit (vgl. Gogolin et al. 2020: 3). In die Sprachgruppe ‚einsprachig‘ fallen, entsprechend dieser Auffassung von Mehrsprachigkeit, alle SuS, die in der frühen Kindheit (0 bis 3 Jahre) nur Deutsch gelernt haben und auch aktuell nur Deutsch in der Familie verwenden. Für die beiden mehrsprachigen Gruppen wurden zunächst SuS ausgewählt, die aktuell mit mindestens einem Familienmitglied (Mutter, Vater, Geschwister) ausschließlich eine andere Sprache als Deutsch oder Deutsch und eine weitere Sprache verwenden. Diese SuS wurden anschließend bei einem deutschen Erwerbsbeginn bis zum dritten Lebensjahr in die Gruppe ‚simultan mehrsprachig‘ und bei einem späteren Deutscherwerbsbeginn in die Gruppe ‚sukzessiv mehrsprachig‘ eingeteilt. SuS, die zwar in den ersten drei Lebensjahren eine andere Sprache als Deutsch erworben haben, aber aktuell nur Deutsch in der Familie verwenden, wurden nicht in die Untersuchung aufgenommen, da insbesondere die aktuelle Sprachverwendung im Fokus des gebrauchsorientierten Ansatzes steht.
Der SES wird durch den HISEI (highest international socio-economic index of occupational status) wiedergegeben. Dabei handelt es sich um eine Einteilung der Berufsgruppen der Eltern nach Ganzeboom (2010), die darauf abzielt, auf Grundlage von Ausbildung und Einkommen Berufe unterschiedlichen Statusgruppen zuzuweisen. Es wird von beiden Elternteilen der höhere Wert verwendet.
Tabelle 1 zeigt zunächst die Grunddaten der Stichprobe. Die drei Sprachgruppen unterscheiden sich nicht signifikant im Alter (χ2(2, 279) = 0,33, p = 0,85)2 oder in der Zusammensetzung der Geschlechter (χ2(2, 279) = 0,05, p = 0,97) oder dem SES (χ2(2, 279) = 4,94, p = 0,09). Alle SuS verbleiben über die drei Messzeitpunkte hinweg in derselben Schulform.
Tab. 1: Deskriptive Daten der Stichprobe
n (w) | Alter (zu T1) | Schultyp (Anzahl)* | SES | |||||||
Ø (SD) | Min. – Max. | HS | SmB | RS | iGS | Gym | Ø (SD) | Min. – Max. | ||
Ein-sprachig | 118 (69) | 10;10 (0;5) | 10;0–12;5 | 11 | 8 | 32 | 10 | 57 | 50,4 (21,7) | 14,2–88,7 |
Simultan | 124 (71) | 10;10 (0;6) | 9;4–12;7 | 6 | 2 | 31 | 8 | 77 | 48,1 (22,6) | 11,7–88,7 |
Sukzessiv | 37 (21) | 11 (0;7) | 9;11–12;8 | 8 | 2 | 5 | 4 | 18 | 41,4 (19,5) | 14,2–85,4 |
Gesamt | 279 (161) | 10;10 (0;6) | 9;4–12;8 | 25 | 12 | 68 | 22 | 152 | 48,2 (22) | 11,7–88,7 |
*HS = Hauptschule, SmB = Schule mit mehreren Bildungsgängen, RS = Realschule, iGS = integrierte Gesamtschule, Gym = Gymnasium
Die Gruppe der sukzessiv Mehrsprachigen ist deutlich kleiner als die anderen beiden Sprachgruppen, da die vorhandenen Daten in vielen möglichen sukzessiven Fällen widersprüchlich waren (Angaben zum Deutscherwerbsbeginn der SuS und der Eltern widersprachen sich z.T. oder die in der Familie verwendeten Sprachen wurden an verschiedenen Stellen im Fragebogen unterschiedlich angegeben). Es wurden für alle Gruppen nur eindeutige Fälle ausgewählt. Die unterschiedlichen Gruppengrößen sowohl der Sprachgruppen als auch der Schultypen werden entsprechend in der statistischen Analyse berücksichtigt (s. dazu Kap. 5).
5 Methode
Die Erhebungen fanden gruppenweise in der Schule statt. Soziodemographische Informationen sowie Aussagen zu Einstellungen und Lesegewohnheiten wurden über einen Eltern- und einen SuS-Fragebogen zu T1 gewonnen.
Die Leselust (‚Es macht mir Spaß, Bücher zu lesen‘), die Wichtigkeit des Lesens (‚Ich bin überzeugt, dass ich beim Lesen eine Menge lernen kann‘) sowie die Einschätzung von Rechtschreibung (‚Lohnt sich der Aufwand, Rechtschreibung zu lernen?‘) liegen als ordinale Werte auf einer Viererskala (1 für ‚stimme gar nicht zu‘ bis 4 für ‚stimme völlig zu‘) vor. Die Quantität des Lesens in der Freizeit (‚An einem normalen schulfreien Tag lese ich…‘) wurde von den SuS auf einer Fünferskala (1 für ‚gar nicht‘ bis 5 für ‚mehr als 2 Stunden‘) und von den Eltern als freie Angabe in Stunden und Minuten abgebildet. Die Anzahl der im Haushalt befindlichen Bücher gaben die SuS auf einer Sechserskala an (‚0–10‘ bis zu ‚mehr als 500‘).
Die kognitive Grundfertigkeit wurde ebenfalls zu T1 und zwar sprachunabhängig über zwei verschiedene Tests erhoben: einen zur Wahrnehmungsgeschwindigkeit und einen zum schlussfolgernden Denken. Der Erstgenannte forderte von den SuS in begrenzter Zeit so viele Zahlen wie möglich nach einem vorgegebenen Lösungsschlüssel einer Menge von Symbolen zuzuordnen. Das schlussfolgernde Denken wurde über einen Matrizentest erhoben. Dabei mussten die Teilnehmenden eine Abfolge von geometrischen Figuren gemäß der zugrundeliegenden logischen Regel vervollständigen (vgl. Haberkorn/Pohl 2013: 2).3 Beide Testergebnisse liegen als Gesamtanzahl korrekt gelöster Items vor. Für die weitere statistische Berechnung wird der Durchschnitt beider Werte pro Person verwendet.
Der rezeptive deutsche Wortschatz wurde einmalig in der 6. Klasse (d.h. zwischen T1 und T2) erhoben. Die Aufgabe der SuS bestand darin, auditiv präsentierte Wörter dem passenden Bild aus einer Reihe von vier möglichen Bildern zuzuordnen. Insgesamt wurden 77 Wörter abgefragt (vgl. LIfBi 2018: 6). Die Ergebnisse liegen als Anzahl korrekt gelöster Items vor.
Das Textverständnis wurde zu jedem Testzeitpunkt anhand von fünf Texten verschiedener Textsorten überprüft. Die Aufgaben waren zum großen Teil im Multiple-Choice-Format angelegt, es wurden aber auch Entscheidungsfragen (d.h., ob eine Aussage im Sinne des Texts ist) und Zuordnungsaufgaben (Überschriften zu Textabschnitten) gestellt. Die Aufgaben erforderten, sowohl Informationen direkt aus dem Text wiederzugeben als auch Inferenzen zu ziehen und den Text zu reflektieren. Die Textlänge und Anzahl der Aufgaben stiegen kontinuierlich von der 5. bis zur 9. Klasse an (1238 Wörter und 32 Aufgaben zu T1, 1801 Wörter und 44 Aufgaben zu T3) (vgl. Gehrer/Zimmermann/Artelt/Weinert 2012: 5–6; Pohl/Haberkorn/Hardt/Wiegand 2012: 26). Das Textverständnis ergibt sich zu jedem Testzeitpunkt aus der Anzahl richtig bearbeiteter Aufgaben. Um die Vergleichbarkeit über die Klassenstufen hinweg zu gewährleisten, wird nicht der Rohwert für die statistischen Berechnungen verwendet. Stattdessen stehen weighted maximum likelihood estimates (WLEs) zur Verfügung. Diese basieren auf den skalierten Daten eines Ankergruppendesigns4 (vgl. Fischer et al. 2016: 10–13) und werden für die weitere Analyse genutzt.
Die orthographische Leistung wurde zu allen drei Testzeitpunkten über ein Lückentextdiktat und ergänzend einige ganze Sätze erhoben. Die Auswahl der Wörter orientierte sich an dem Curriculum der jeweiligen Klassenstufe. Ausgewertet wird die Ganzwortschreibung, welche binärcodiert vorliegt (Wort ist orthographisch richtig/falsch). Wörter mit geringer Aussage über orthographische Fähigkeiten (z.B. und) wurden nicht gewertet (vgl. Blatt/Prosch/Jarsinski 2017: 4). Um eine Vergleichbarkeit über mehrere Messpunkte hinweg zu gewährleisten, wurden einige Items von T1 zu T2 und T3 erneut abgefragt, ebenso einige Items von T2 zu T3 (vgl. Blatt/Prosch 2014: 4–5). Daraus ergibt sich ein sogenanntes Ankeritemdesign, welches eine Vergleichbarkeit der Werte über die drei Testzeitpunkte hinweg ermöglicht5 (vgl. Fischer et al. 2016: 4–5). Die Werte liegen in Prozent orthographisch korrekt geschriebener Wörter vor.
Die statistischen Analysen wurden mit R (R Core Team 2021) durchgeführt; speziell mit Hilfe linearer gemischter Modelle des R-Pakets lme4 (vgl. Bates/Maechler/Bolker/Walker 2015). Linear gemischte Modelle wurden ausgewählt, da in der longitudinalen Analyse mehrere Messungen für jede Person vorliegen (within-subject-Variable) und die Daten aufgrund unterschiedlicher Gruppengrößen in einzelnen Variablen unbalanciert sind (vgl. Cunnings 2012). In den Modellen fungiert die Teilnehmenden-ID als Gruppierungsvariable und das Textverständnis bzw. die Orthographieleistung als abhängige Variable. Alle anderen Faktoren (inklusive des Testzeitpunkts als Ordinalwert) dienen als unabhängige Faktoren im Modell.
Das R-Paket lme4 ist bereits dazu ausgelegt, mit unbalancierten Daten umzugehen (vgl. Kuznetsova/Brockhoff/Christensen 2017: 1–2). Um den unterschiedlichen Gruppengrößen der drei Sprachgruppen sowie der einzelnen Schulformen statistisch weiter gerecht zu werden, wird außerdem ein weighted effect coding als Kontrast für die beiden Variablen gewählt. Dieser ist speziell für unbalancierte Daten entwickelt worden und berücksichtigt die Gruppendurchschnitte in Relation zur Gruppengröße in der Berechnung des linearen gemischten Modells.6 Für das Geschlecht hingegen wird aufgrund ähnlich großer Gruppen der Summenkontrast gewählt. Für die ordinalen Variablen zu den Einstellungen und Lesegewohnheiten wird ein polynomischer Kontrast verwendet. Um die longitudinale Leistungsveränderung zu untersuchen, wird der Testzeitpunkt mithilfe eines successive differences contrast im Modell berücksichtigt, durch den jeder Testzeitpunkt mit dem jeweils vorausgehenden verglichen wird (d.h. T2 mit T1 und T3 mit T2).
6 Ergebnisse
Zunächst sollen die Daten deskriptiv vorgestellt werden, bevor im Anschluss die statistische Auswertung zur Überprüfung der Hypothesen folgt.
6.1 Deskriptive Datenanalyse
Grundsätzlich steigern sich alle drei Sprachgruppen bezüglich ihrer Orthographie- und Textverständnisleistung im Verlauf der SekI (siehe Abb. 1 und 2). Die einsprachigen SuS erreichen jeweils zu T1 (Klasse 5) und T3 (Klasse 9) durchschnittlich die höchsten Orthographie- und Textverständniswerte, gefolgt von den simultan mehrsprachigen und schließlich den sukzessiv mehrsprachigen (siehe Abb. 1 und 2). Innerhalb jeder Sprachgruppe ist allerdings große Varianz zu beobachten.
Eine Kendall-Tau-Korrelation zeigt außerdem, dass die Orthographieleistung und das Textverständnis zu jedem Messzeitpunkt signifikant miteinander korrelieren: τ = 0,39, p < 0,001 (T1); τ = 0,37, p < 0,001 (T2); τ = 0,32, p < 0,001 (T3).
Eine Übersicht über die weiteren Variablen ist in Abbildung 3 zu sehen. Es wird deutlich, dass sich die drei Sprachgruppen in ihren Einstellungen, Lesegewohnheiten und Büchern im Haushalt ähneln.7 Über 70 % der SuS in jeder Sprachgruppe beispielsweise erachten Lesen und Orthographie als wichtig (Skalenwerte 3 und 4) und lesen gern (Skalenwerte 3 und 4).
Die kognitiven Grundfertigkeiten weisen kaum gruppenspezifische, jedoch gruppeninterne Varianz auf. Insgesamt bleiben die Werte eher gering, nur knapp 3 % aller Proband:innen erreichen mehr als 75 % in der kognitiven Grundfertigkeit. Sprachgruppenunterschiede lassen sich allerdings für den Wortschatz erkennen. Darin erreichen die einsprachigen SuS die höchsten Werte, gefolgt von den simultan und schließlich den sukzessiv mehrsprachigen (siehe Abb. 4).
6.2 Statistische Auswertung
Für die Orthographie und das Textverständnis wurde je ein lineares gemischtes Modell erstellt und die relevanten Variablen wurden schrittweise dem jeweiligen Modell hinzugefügt. Wenn eine Variable keinen signifikanten Beitrag zum Modell leistete oder das Modell durch Hinzufügen dieser Variable nicht signifikant mehr Varianz erklären konnte (überprüft durch eine ANOVA mit der Funktion anova() in R), wurde diese Variable nicht weiter berücksichtigt. Die beiden finalen Modelle sind in Tabelle 2 und 3 zu sehen.
Tab. 2: Finales lineares gemischtes Modell für Orthographie
Orthographie | ||
Predictors | Estimates | p |
Intercept | 84.04 (53.91 – 114.18) | <0.001 |
T1-T2 | 15.38 (14.10 – 16.66) | <0.001 |
T2-T3 | 6.07 (4.79 – 7.35) | <0.001 |
ST[Haupts.] | –20.43 (–26.03 – –14.83) | <0.001 |
ST[Reals.] | –4.29 (–7.12 – –1.46) | 0.003 |
ST[Int. GS] | –10.83 (–16.21 – –5.45) | <0.001 |
ST[Gym.] | 7.26 (5.71 – 8.81) | <0.001 |
Geschlecht X Wortschatz | –0.13 (–0.25 – –0.02) | 0.021 |
Wortschatz X Kogn. Grundf. | 0.01 (0.00 – 0.02) | 0.013 |
Random Effects | ||
σ2 | 59.33 | |
τ00 ID | 158.82 | |
ICC | 0.73 | |
N ID | 279 | |
Observations | 837 | |
Marginal R2 | 0.488 | |
Conditional R2 | 0.861 |
Tab. 3: Finales lineares gemischtes Modell für Textverständnis
Textverständnis | ||
Predictors | Estimates | p |
Intercept | –1.25 (–2.25 – –0.26) | 0.013 |
T1–T2 | 0.76 (0.63 – 0.89) | <0.001 |
T2–T3 | 0.43 (0.30 – 0.56) | <0.001 |
ST[Haupts.] | –0.59 (–0.89 – –0.29) | <0.001 |
ST[Gym] | 0.19 (0.10 – 0.27) | <0.001 |
Kogn. Grunf. | 0.02 (0.01 – 0.02) | <0.001 |
Geschlecht | –0.09 (–0.18 – –0.00) | 0.040 |
Wortschatz X Quant. Lesen | 0.02 (0.00 – 0.03) | 0.017 |
Wortschatz X HISEI | 0.00 (0.00 – 0.00) | 0.008 |
Random Effects | ||
σ2 | 0.61 | |
τ00 ID | 0.30 | |
ICC | 0.33 | |
N ID | 279 | |
Observations | 835 | |
Marginal R2 | 0.474 | |
Conditional R2 | 0.648 |
In Bezug auf die erste Fragestellung nach der longitudinalen Entwicklung der schriftsprachlichen Fähigkeiten zeigt sich, dass der Testzeitpunkt in einem positiven linearen Zusammenhang sowohl mit der Orthographieleistung als auch mit dem Textverständnis steht. Sowohl der Vergleich von T1 mit T2 als auch derjenige von T2 mit T3 ergibt in beiden Modellen signifikant höhere Werte zum jeweils späteren Testzeitpunkt. Hypothese A wird somit gestützt: Die SuS verbessern ihre orthographischen und Textverständnisleistungen signifikant innerhalb der SekI. Dies gilt unabhängig vom sprachlichen Hintergrund, da keine Interaktion von Testzeitpunkt und Sprachgruppe in den vorliegenden Daten nachgewiesen werden konnte.
Entgegen der deskriptiven Betrachtung kann Hypothese B in diesen Daten nicht bestätigt werden. Die Sprachgruppen (einsprachig, simultan und sukzessiv mehrsprachig) tragen nicht signifikant zur Varianzaufklärung bei, weder in der Orthographie noch im Textverständnis (p > 0,1 in beiden Modellen; aus diesem Grund ist die Variable in den finalen Modellen in Tabelle 2 und 3 nicht aufgeführt). Jedoch wird die Variable erst dann nicht signifikant, sobald der Wortschatz in die Modelle aufgenommen wird. Ein Kruskal-Wallis-Test zeigt, dass die Gruppen sich signifikant im Wortschatz unterscheiden (χ2(2, 279) = 19,3, p < 0,001). Die einsprachige Gruppe weist einen höheren Wortschatz als die simultan und die sukzessiv mehrsprachige Gruppe auf (Wilcoxon-Rangsummen-Test mit Bonferroni-Korrektur: p < 0,01 für beide Vergleiche). Letztere unterscheiden sich laut der Analyse jedoch nicht signifikant (p = 1) (siehe auch Abb. 4).
Der Wortschatz interagiert in beiden Modellen mit anderen Variablen. Es zeigt sich in diesen Daten lediglich eine positive lineare Korrelation des Wortschatzes mit der Orthographieleistung bei Mädchen, nicht aber bei Jungen. Darüber hinaus ist der Zusammenhang von Wortschatz und Orthographie stärker bei SuS, die mehr als 50 % im Test der kognitiven Grundfertigkeit erreichten. Ähnlich verhält es sich auch beim Zusammenhang von Wortschatz, Quantität des Lesens und Textverständnis. Unter SuS, die viel in ihrer Freizeit lesen, hat ein größerer Wortschatz eher einen positiven Einfluss auf das Textverständnis als unter SuS, die wenig in ihrer Freizeit lesen. In letzterer Gruppe unterscheidet sich das Textverständnis kaum nach Wortschatzgröße der SuS. Ebenso ist die lineare Korrelation von Wortschatz und Textverständnis deutlicher unter SuS mit hohem HISEI im Gegensatz zu solchen mit niedrigerem. Sowohl der HISEI als auch die Quantität des Lesens tragen in diesen Daten jedoch lediglich zum Textverständnismodell signifikant bei, nicht aber zum Orthographiemodell.
Das Geschlecht und die kognitive Grundfertigkeit interagieren, wie oben erwähnt, im Orthographiemodell mit dem Wortschatz, weisen aber im Textverständnismodell eine direkte, positive, signifikante lineare Korrelation auf. Das zeigt sich darin, dass Mädchen signifikant höhere Werte im Textverständnis erreichen als Jungen und SuS mit höheren kognitiven Grundfertigkeiten bessere Leistungen im Textverständnistest erbringen.
Die familiäre schriftsprachliche Umgebung (Anzahl der Bücher im Haushalt, eigenes und elterliches Leseverhalten, eigene und elterliche Einstellungen zum Lesen und zur Orthographie) hat insgesamt einen geringen Einfluss auf die schriftsprachlichen Leistungen in dieser Studie. Einzig die Quantität des Lesens der SuS trägt signifikant zum Textverständnismodell bei, im Orthographiemodell allerdings nicht. Keine der anderen Variablen der familiären schriftsprachlichen Umgebung (z.B. Anzahl der Bücher im Haushalt) hat einen signifikanten Einfluss auf das Textverständnis oder die Orthographie.
Ein in beiden Modellen vertretener Faktor ist der Schultyp. Sowohl in der Orthographie als auch im Textverständnis schneiden SuS des Gymnasiums signifikant überdurchschnittlich ab, während SuS der Hauptschule Werte unterhalb des Durchschnitts erreichen. Im Textverständnis gleichen sich die weiteren Schultypen, SuS erbringen hier durchschnittliche Leistungen. In der Orthographie hingegen erreichen nur Gymnasiast:innen signifikant höhere Werte als der Durchschnitt der Stichprobe, alle anderen Schultypen liegen darunter.
Insgesamt zeigt sich, dass einige der in Hypothese C genannten Faktoren in diesen Daten zur Orthographieleistung und dem Textverständnis beitragen. Die Faktoren unterscheiden sich jedoch zwischen den beiden untersuchten schriftsprachlichen Fähigkeiten und interagieren in unterschiedlichem Ausmaß miteinander. Ein Vergleich der beiden Modelle zeigt neben unterschiedlichen Prädiktoren außerdem eine abweichende Varianzaufklärung. Die Orthographieleistung kann in diesen Daten mit weniger Variablen (fünf im Vergleich zu sieben unabhängigen Faktoren beim Textverständnis) und deutlich besser vorhergesagt werden (86,1 % Varianzaufklärung) als das Textverständnis (64,8 % Varianzaufklärung).
7 Diskussion
Die generelle positive Entwicklung der Orthographieleistung sowie des Textverständnisses über die drei Jahrgangsstufen hinweg stützt Hypothese A (Steigerung der Leistungen in der SekI). Trotz steigender Anforderungen in den jeweiligen Aufgaben ist eine deutliche Verbesserung in den Daten zu erkennen. Diese Steigerung findet sich in allen drei Sprachgruppen, unabhängig vom Schultyp oder weiteren Voraussetzungen (wie z.B. dem Wortschatz). Es ist daher anzunehmen, dass in den untersuchten Daten kein Faktor dem Lernzuwachs derartig im Weg steht, dass eine Verbesserung nicht möglich wäre. Unabhängig vom sprachlichen und sozialen Hintergrund sowie von kognitiven Fähigkeiten können alle untersuchten SuS von der vermehrten Produktion und Rezeption von Schriftsprache profitieren und ihre eigenen Fähigkeiten ausbauen. Diese Erkenntnis findet sich auch in anderen Studien zur schriftsprachlichen Entwicklung sowohl für Leseverständnis (vgl. Khan 2018) als auch für Orthographie (vgl. Nimz 2022; Schöber/Retelsdorf/Köller 2015). Allerdings zeigen die vorliegenden Daten auch eine große Varianz in allen drei Sprachgruppen und zu jedem Testzeitpunkt, was die Heterogenität der Schüler:innenschaft unterstreicht. Weitere Untersuchungen der Leistungsentwicklung sind nötig, um diese Varianz zu erklären. Denkbar wäre, dass sich insbesondere in der 5. Klasse bereits leistungsstarke SuS im weiteren Verlauf der SekI steigern, leistungsschwächere SuS dahingegen weniger, wie Betzel (2015) es für die satzinterne Großschreibung feststellt.
Hypothese B (geringere Leistungen der simultanen wie sukzessiven mehrsprachigen SuS) kann in diesen Daten nicht bestätigt werden. Der sprachliche Hintergrund - operationalisiert über aktuelle Sprachverwendung und Beginn des Spracherwerbs - macht keinen signifikanten Unterschied in der Orthographieleistung und dem Textverständnis aus. Die deskriptive Analyse zeigt zwar teilweise die erwarteten Unterschiede, unter Berücksichtigung weiterer Faktoren werden diese jedoch deutlich abgeschwächt, sodass in der statistischen Auswertung kein Einfluss durch die Sprachgruppe festgestellt werden kann.
Dies steht teilweise im Kontrast zu bisherigen Forschungsergebnissen, die geringere Leistung mehrsprachiger SuS im Vergleich zu einsprachigen in Orthographie und Textverständnis im Deutschen feststellen (vgl. Gresser 2018; Hesse et al. 2008; Khan 2018; Maas/Mehlem 2003). Allerdings wird nicht immer in simultane und sukzessive Gruppen unterschieden und auch der deutsche Wortschatz wird oft nicht berücksichtigt. Dieser ist aber in der vorliegenden Studie ausschlaggebend für Unterschiede in beiden schriftsprachlichen Bereichen. Außerdem besteht die Gruppe der sukzessiv Mehrsprachigen in der vorliegenden Stichprobe aus nur vergleichsweise wenigen SuS. Es ist zu vermuten, dass besonders diese Gruppe aufgrund ihres kürzeren Kontakts zur Testsprache geringere Leistungen im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen erzielt. Dies deutet sich in der deskriptiven Betrachtung der Daten auch an (s. Abb. 1 und 2). Obwohl in der vorliegenden statistischen Berechnung die kleinere Gruppengröße berücksichtigt wurde, könnte eine größere Anzahl von sukzessiv mehrsprachigen SuS einen umfangreicheren Einblick in die Leistungen dieser Gruppe geben. ‚Sukzessiv‘ umfasst darüber hinaus in diesen Daten sowohl einen Schulbesuch ausschließlich in Deutschland als auch einen zunächst ausländischen und späteren deutschen. Diese Gruppe weist daher eine äußerst heterogene Sprachbiographie auf. In beiden mehrsprachigen Gruppen stellt sich die aktuelle Sprachverwendung (mit wie vielen Familienmitgliedern welche Sprache wie oft gesprochen wird) außerdem ebenfalls uneinheitlich dar. Die Variable ‚Sprachgruppe‘ umfasst demnach eine große Menge unterschiedlicher sprachlicher Hintergründe, der in einer quantitativen Analyse wie der vorliegenden kaum Rechnung getragen werden kann.
Außerdem könnte auch eine differenzierte Analyse verschiedener orthographischer Fehlerarten statt der hier vorgenommenen Untersuchung der Ganzwortschreibung weitere wichtige Erkenntnisse bringen. So stellen z.B. Müller und Schroeder (2022) fest, dass SuS mit Russisch und Türkisch als Erstsprache besonders in der korrekten Wiedergabe der Vokalqualität in deutscher Orthographie Schwierigkeiten haben, in anderen orthographischen Bereichen jedoch ähnlich abschneiden wie einsprachig deutsche SuS.
Der geringe Einfluss der Sprachgruppe auf die untersuchten schriftsprachlichen Leistungen kann darüber hinaus auf die Kontrolle weiterer Faktoren zurückgeführt werden, die in anderen sprachwissenschaftlichen/sprachdidaktischen Studien nicht immer berücksichtigt wurden (vgl. z.B. Fix 2002). Diese wurden unter Hypothese C untersucht. Entgegen der darin formulierten Annahme finden sich allerdings nur wenige Faktoren mit signifikantem Einfluss auf die schriftsprachlichen Fähigkeiten in den Daten. Zunächst ist festzuhalten, dass die Orthographie und das Textverständnis deutlich über alle drei Klassenstufen hinweg miteinander korrelieren. Daher kann angenommen werden, dass diese als Beispiele schriftsprachlicher Fähigkeiten auf ähnlichen (kognitiven) Ressourcen aufbauen. Dies deckt sich mit den Annahmen anderer Autor:innen (vgl. Jiménez/García/Naranjo/de León/Hernández-Cabrera 2020; Kim 2020). Nichtsdestotrotz können auch Unterschiede zwischen den beiden untersuchten Fähigkeiten festgestellt werden. Abbott/Berninger und Michel (2010) z.B. finden keine signifikanten Beziehungen zwischen Rechtschreibung und Leseverständnis. Die Studie untersucht jedoch jüngere Proband:innen (Primarstufe) und ist im englischen Sprachraum durchgeführt worden, sodass Unterschiede in der Tiefe der orthographischen Struktur sowie der Vertrautheit mit orthographisch korrektem Schreiben die unterschiedlichen Ergebnisse erklären könnten.
Dass es sich trotz gefundener Korrelation in den vorliegenden Daten um unterschiedliche Fähigkeiten handelt, spiegelt sich z.B. in den Faktoren wider, die zur Varianzaufklärung in beiden Modellen beitragen. Die Orthographie ist besser und durch weniger Faktoren in diesen Daten vorhersagbar als das Textverständnis. Da es bisher an Studien mangelt, die das Textverständnis und die Orthographie gemeinsam untersuchen und dabei eine Bandbreite von Einflussfaktoren berücksichtigen, steht noch aus, diesen Unterschied in Anzahl an Prädiktoren und Stärke der Vorhersagbarkeit zu überprüfen. Die vorliegende Studie bietet dahingehend allerdings erste Erkenntnisse.
Ein weiterer Unterschied zwischen der Orthographie und dem Textverständnis ist im Zusammenhang mit den Schulformen zu beobachten. Gemäß den Erwartungen erbringen Gymnasiast:innen in beiden Kompetenzen höhere Leistungen als SuS der anderen Schulformen. Allerdings unterscheiden sich die Leistungen je nach Schulform deutlicher in der Orthographie als im Textverständnis. Dies kann unter anderem an dem stark schulisch orientierten und expliziten Charakter des Erwerbs liegen. Orthographie wird in der Schule erlernt, geübt und gefestigt (vgl. Bredel et al. 2017: 71; Maas/Mehlem 2003: 459). Textverständnis hingegen ist weniger auf die Schule begrenzt, sondern spielt auch im Alltag eine Rolle und kann dort implizit trainiert werden (vgl. Bredel et al. 2017: 128–129; Nold/Willenberg 2007: 23). Dadurch ist das Textverständnis weniger an die schulische Laufbahn gebunden als die Orthographie. In Bezug auf die Schulform ist jedoch generell zu beachten, dass die Stichprobe nicht gleichmäßig über alle Schulformen verteilt ist. Obwohl die unterschiedliche Gruppengröße in der statistischen Analyse berücksichtigt wurde, kann, ähnlich wie in Bezug auf die Gruppe der sukzessiv Mehrsprachigen, eine größere Anzahl von SuS in den meisten Schulformen weitere Hinweise auf den Zusammenhang von Beschulungstyp und schriftsprachlichen Leistungen geben.
Das Geschlecht ist ebenfalls ein oft untersuchter Faktor in Analysen sprachlicher Fähigkeiten und zeigt auch in diesen Daten einen Einfluss. Mädchen erreichen signifikant höhere Werte im Textverständnis als Jungen. Allerdings zeigt sich dieser Zusammenhang nur in Bezug auf das Textverständnis, nicht aber in der Orthographie (s. Nimz 2022). In der vorliegenden Studie ist das Geschlecht für die Orthographie nur indirekt relevant, nämlich bei der Betrachtung des Wortschatzes (s. unten).
Darüber hinaus bleibt entgegen bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen das eigene Leseverhalten der einzige familiär-schriftsprachliche Faktor, der einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse in diesen Daten hat. Studien, die die Relevanz der familiären Umgebung hervorheben, untersuchen aber zumeist Kinder im Elementar- und Primarbereich und somit im beginnenden Schriftspracherwerb (vgl. Carroll/Holliman/Weir/Baroody 2019; Korat et al. 2013; Van Steensel 2006). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie deuten darauf hin, dass der familiäre Einfluss mit zunehmendem Alter und mit fortschreitender schulischer Bildung abnimmt (vgl. auch Dannerer 2012 zu Leseeinstellung und Textproduktion in der SekI und SekII). Allerdings muss auch an dieser Stelle auf die Erhebungsmethodik hingewiesen werden: Die Daten zum familiären schriftsprachlichen Hintergrund (Anzahl der Bücher, elterliches Leseverhalten, Einstellung gegenüber dem Lesen etc.) stammen ausschließlich aus Selbsteinschätzungen von zehnjährigen Kindern (zu T1).
Einer der interessantesten Faktoren in der vorliegenden Untersuchung ist der Wortschatz. Nicht nur erklärt er vermutlich die deskriptiv zu beobachtenden Leistungsunterschiede zwischen den Sprachgruppen, sondern sein Einfluss auf die Orthographie und das Textverständnis ist auch nur indirekt in Interaktion mit anderen Faktoren zu finden. Mit der Textverständnisleistung steht der Wortschatz deutlich ausgeprägter unter jenen SuS, die viel lesen, und unter jenen mit einem hohen SES im Zusammenhang. Dies liegt nicht etwa an dem grundsätzlich geringeren Wortschatz der wenig lesenden oder mit geringem SES aufwachsenden SuS. Auch in den Gruppen herrscht große Varianz in Bezug auf die Größe des Wortschatzes. Doch diese beiden Faktoren scheinen durch ihren Einfluss den des Wortschatzes zu verringern. So könnte man aus diesen Daten vermuten, dass ein geringer SES bereits in einem Maße zu geringeren Leistungen im Textverständnis führt, sodass auch ein größerer Wortschatz diesen Unterschied nicht ausgleichen kann. Dieselbe Vermutung kann für das Lesen aufgestellt werden: SuS, die wenig lesen, zeigen ein deutlich geringeres Textverständnis, welches unabhängig vom Wortschatz ist. Daraus lässt sich in diesen Daten schließen, dass der Wortschatz zwar relevant für ein erfolgreiches Textverständnis ist, jedoch eine schlichte Steigerung des Wortschatzes nicht zwangsläufig zu besserem Textverständnis führen würde. Die Kompetenz, aus einem Text Bedeutung zu erschließen, geht also über reines Wortwissen hinaus und erfordert u.a. Übung, z.B. in Form von Lesen als Freizeitaktivität (vgl. z.B. das Lese-Situationsmodell in Lenhard 2013: 15). Auch spezifische Lesetrainings – möglicherweise in Kombination mit Wortschatzübungen – könnten das Leseverständnis nachhaltig steigern (vgl. Philipp 2015).
Für die Orthographieleistung spielt der Wortschatz ebenfalls eine wichtige Rolle; allerdings auch dort nur in Interaktion mit anderen Faktoren. Warum nur Mädchen von einem größeren Wortschatz in Bezug auf Orthographie profitieren, lässt sich aus diesen Daten nicht eindeutig erschließen.
Darüber hinaus ist spannend, dass SuS mit höheren kognitiven Leistungen eher von einem größeren Wortschatz in Bezug auf die Orthographie profitieren als SuS mit geringeren kognitiven Leistungen. Auch hier liegt es nicht an einem durchweg geringen Wortschatz bei geringen kognitiven Grundfertigkeiten, da auch in der SuS-Gruppe mit geringeren kognitiven Leistungen eine große Varianz besteht. Vielmehr ist in diesem Fall ebenso wie beim Textverständnis zu vermuten, dass ein großer Wortschatz zwar positive Auswirkungen auf die orthographische Leistung hat; u.a. dadurch, dass die Schreibung von mehr Wörtern bekannt ist und dass orthographische Regeln aus mehr Wörtern erschlossen werden können (vgl. Hoffmann-Erz 2016: 76–77; Winkes 2021: 119). Allerdings erfordert die Tätigkeit, in einem Diktat Wörter orthographisch korrekt wiederzugeben, weit mehr als die pure Kenntnis vieler Wörter. Weitere kognitive Voraussetzungen wie die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses sind von Bedeutung. Es kann vermutet werden, dass erst, wenn bestimmte kognitive Prozesse, die für diese Tätigkeit nötig sind, automatisiert ablaufen können (durch höhere kognitive Grundfertigkeiten), ein größerer Wortschatz einen Vorteil bietet. Denn erst dann sind Kapazitäten frei, diesen zu nutzen (vgl. Blatt/Prosch/Jarsinski 2021: 19). Das bedeutet auch, dass Orthographieunterricht mit mehrsprachigen Gruppen nicht allein durch Wortschatzarbeit erfolgreicher werden kann. Stattdessen könnte schwächeren Schüler:innen Wortschatzarbeit in Kombination mit kognitiven Entlastungsstrategien wie Visualisierungen helfen. Beispielsweise unterbreitet Nimz (2020), in Anlehnung an Bredel (2009) und Röber (2011), einen didaktischen Vorschlag zur Doppelkonsonantenschreibung, der mit den in der Schriftstruktur gegebenen visuellen Informationen arbeitet.
Der SES schließlich hat insgesamt einen geringeren Einfluss auf die Ergebnisse in diesen Daten als angenommen. In vielen Studien stellt der SES einen wichtigen Faktor dar, insbesondere in großen Schulleistungsstudien wie PISA (Programme for International Student Assessment, OECD 2019) oder DESI (DESI-Konsortium 2008). Anders sieht es jedoch in der vorliegenden Untersuchung aus, da der SES nur für das Textverständnis, nicht aber für die Orthographie ein signifikanter Prädiktor ist und auch dort nur, wie bereits erwähnt, in Interaktion mit dem Wortschatz. Womöglich liegt die geringe Relevanz des SES in diesen Daten an der Menge weiterer berücksichtigter Faktoren. Insgesamt konnte Hypothese C in diesen Daten nur zum Teil gestützt werden. Zwar zeigen sich einige wichtige Faktoren, die die schriftsprachlichen Leistungen beeinflussen, doch insbesondere der SES und die familiäre schriftsprachliche Umgebung weisen hier nur sehr geringe Relevanz auf.
Die Ergebnisse dieser Studie betonen die bereits mehrfach vorgebrachte Kritik (vgl. Becker/Nimz 2023: 85; Ruppert/Hanulíková 2022: 182), ein eindimensionaler Vergleich von einsprachigen und mehrsprachigen SuS bilde nicht das verwobene Geflecht von Faktoren ab, die die schriftsprachlichen Leistungen beeinflussen. Sprachbezogene Faktoren wie der Wortschatz sind zwar von großer Bedeutung, doch ebenso spielen viele außersprachliche Faktoren eine wichtige Rolle. Besonders die Gruppe mehrsprachiger SuS ist äußerst heterogen in ihrer Sprachbiographie, welche auch nicht allein durch die hier vorgenommene Gruppeneinteilung in simultan und sukzessiv mehrsprachige SuS ausreichend differenziert abgebildet werden kann. Ein zusätzlicher qualitativer Blick auf die sprachlichen Voraussetzungen, insbesondere auch die mehrsprachigen Fähigkeiten im Gegensatz zur üblichen und auch hier angewendeten Betrachtung der einzelsprachlichen, kann in zukünftigen Studien helfen, weitere Erkenntnisse im Bereich der fortgeschrittenen schriftsprachlichen Entwicklung zu erlangen.
Notes
- Die NEPS wird vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi, Bamberg) in Kooperation mit einem deutschlandweiten Netzwerk durchgeführt (für weitere Informationen s. Blossfeld/Roßbach 2019). [^]
- Es handelt sich um die Werte zu T1, es besteht jedoch zu keinem Messzeitpunkt ein signifikanter Unterschied. Zur Überprüfung dieser Gruppenunterschiede wurden nicht-parametrische Tests verwendet, da keine Normalverteilung vorlag. [^]
- Die in NEPS eingesetzten Testinstrumente sind zwar ausführlich dokumentiert, aber nicht veröffentlicht. Deshalb ist es leider für keine der hier beschriebenen Variablen möglich, Beispiele für Testitems anzugeben. [^]
- Für eine ausführliche Erläuterung dieser Berechnung s. Fischer/Rohm/Gnambs und Carstensen (2016). [^]
- s. Fußnote 4. [^]
- Für eine genauere Diskussion, warum weighted effect coding bei unbalancierten Daten sinnvoll ist, s. Nieuwenhuis/te Grotenhuis und Pelzer (2017); te Grotenhuis/Pelzer/Eisinga/Nieuwenhuis/Schmidt-Catran und Konig (2017). [^]
- Die Gruppenvergleiche mittels Chi-Quadrat-Tests für alle kategorialen Variablen und einer ANOVA für ‚Quantität Lesen Eltern‘ sind nicht signifikant. [^]
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Kurzbio
Alina Bachmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Germanistik der Universität Osnabrück. Zuvor schloss sie ein sprachwissenschaftliches Bachelorstudium sowie ein auf Spracherwerb, -variation und -wandel ausgerichtetes Masterstudium ab. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Literacy und Spracherwerb im Kontext von Mehrsprachigkeit.
Katharina Nimz ist Professorin für Angewandte Sprachwissenschaft des Deutschen an der Universität Osnabrück und (Co-)Leitung der dort angesiedelten Forschungsstelle Mehrsprachigkeit. Im Rahmen des Projekts „Sprachlernassistenz Osnabrück“ (2022-2025) arbeitet sie verstärkt zum Spracherwerb ukrainischer Kinder und Jugendlicher; ihr besonderes Interesse gilt dabei der Schnittstelle zwischen Phonetik und Orthographie.
Anschrift:
Alina Bachmann
Institut für Germanistik
Universität Osnabrück
Neuer Graben 40
D-49074 Osnabrück
alina.bachmann@uni-osnabrueck.de
Prof. Dr. Katharina Nimz
Institut für Germanistik
Universität Osnabrück
Neuer Graben 40
D-49074 Osnabrück