1 Einführung
Die existentiellen, sich uns global stellenden Herausforderungen sind divers, multidimensional und höchst komplex. Sie stehen in vielerlei Hinsicht in unmittelbarer inhaltlicher und räumlicher Beziehung zu Hochschulen1, denn hier werden die mit diesen Herausforderungen verknüpften Fragestellungen diskutiert, debattiert und oft sogar initiiert. Hochschulen stellen zentrale Stätten des Diskurses dar. In ihren Kontroversen reflektieren und prüfen sie das Suchen nach und das Ringen um adäquate Lösungen im Wechselspiel mit den in Gesellschaft und Politik geführten Diskursen und entwickeln sie weiter. Das wirkt sich auf alle hochschulischen Tätigkeitsfelder Lehre, Forschung und Third Mission gleichermaßen aus. Seit seiner Wahl 2019/2020 entwickelt das Präsidium der Technischen Universität Darmstadt deshalb eine neue Gesamtstrategie. Sie besteht aus insgesamt sieben Teilstrategien, von denen die für die Bereiche Forschung, Internationalisierung und Transfer/Third Mission bereits verabschiedet wurden und in Kraft sind. Zusammen mit den zurzeit noch im Entstehen begriffenen Teilstrategien für die Bereiche Diversität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sowie den Grundsätzen für Studium und Lehre bilden sie das theoretische Fundament, auf dessen Grundlage sich die Universität erneuern will, um ihre Zukunftsfähigkeit zu gewährleisten.
Die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen und Transformationen spornen uns an, unsere Wissenschaft zukunftsorientiert weiterzuentwickeln und substanziell zu tragfähigen Lösungen beizutragen. Ob es um die Nachhaltigkeitswende oder Klimawandel, gesellschaftliche und politische Herausforderungen auch durch Post-Faktizität/Post-Truth, digitale Transformation oder sich beschleunigende technische Innovationen geht: als kooperationsstarke, interdisziplinäre Europäische Technische Universität gehen wir in den engen, produktiven Austausch mit Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur, um wissenschaftsbasierte Innovationen sowie hoch relevante Forschung und Lehre gleichermaßen zu initiieren und zu avancieren (TU Darmstadt 2022: 3).
Als Technische Universität steht die Wissenschaftsgemeinschaft der TU Darmstadt in besonderem Maße in politisch-gesellschaftlicher Verantwortung, denn die Entstehung und die Schaffung technologischer Innovationen sind heute in zunehmend engem Zusammenhang mit der Beantwortung ethischer Grundfragen zu stellen. Das betrifft beispielsweise Forschungsbereiche wie Künstliche Intelligenz, Big Data oder das TU Darmstadt-Forschungsfeld Information and Intelligence ebenso wie prinzipielle Möglichkeiten des Dual Use oder der Zulässigkeit von Abschlüssen bi-/multilateraler Kooperationsabkommen mit Partnern weltweit. Die dazu benötigte Expertise ist durch den speziellen Fächerkanon der TU Darmstadt in großem Umfang vorhanden und kann in die Entwicklung von Problemlösungen einfließen. Einen weiteren wichtigen Aspekt von politischer und gesamtgesellschaftlicher Relevanz stellen für uns die Erfahrungen aus nunmehr fast drei Jahren Corona-Pandemie dar, die dazu geführt haben, fundamentale Fragen der (Wissenschafts)Kommunikation stärker zu fokussieren und sich erneut bewusst zu machen, welche Rolle Faktizität sowie sprachliche Präzision und Wortwahl für Prozesse der Entscheidungsfindung, das Funktionieren, den Bestand und das Bestehen demokratischer Systeme spielen.2
Interdisziplinäres Lehren, Lernen und Forschen hat an der TU Darmstadt eine lange Tradition und bildet sich in der Zusammensetzung ihrer Fachbereiche mit 50 % Ingenieurwissenschaften, 35 % Naturwissenschaften sowie 15 % Sozial- und Geschichtswissenschaften ab. Die hiesige, durch das hohe Maß an Inter- und Transdisziplinarität bedingte, starke Innovationskraft spiegelt sich in den Teilstrategien wider, denn sie stellen die Aufgaben hochschulischen Agierens in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang – lokal, national und international. Dabei ist die Verstärkung der Bemühungen, die Internationalisierung der Universität zu steigern, auch an der TU Darmstadt ein Gebot der Stunde. Die Bezüge zu Europa sind ausgeprägt: In ihrer Definition als Europäische Technische Universität betont die TU Darmstadt ihre Verortung in Europa und expliziert ihre Verpflichtung den europäischen Grundwerten gegenüber (vgl. Das Präsidium der TU Darmstadt 2021: 14), was unter anderem in ihrem Auftrag, die Europäische Hochschulallianz Unite!, einen Verbund von neun führenden Europäischen Technischen Universitäten3, zu koordinieren4, sichtbar wird.
In den letzten Jahren wurden die Internationalisierungsbestrebungen der deutschen Universitäten rasant intensiviert. Die Gründe hierfür sind komplex und wurden von uns bereits an anderer Stelle ausgeführt (vgl. Bradlaw/Hufeisen/Nölle-Becker 2022). Was genau unter Internationalisierung zu verstehen ist, kann abhängig vom Blickwinkel unterschiedlich interpretiert werden. Diesen immanent, wenn auch nicht immer expliziert, sind jedoch stets Fragestellungen, die Regelungen des Sprachengebrauchs betreffen. In der Regel geht mit Internationalisierung an deutschen Hochschulen die Umstellung der Lehrsprache auf Englisch im Sinne eines English Only einher. So ist beispielsweise ein typisches Merkmal sogenannter Internationaler Studiengänge die Lehrsprache Englisch. Die Tatsache, dass Englisch in der Regel jedoch nicht die Mehrheits- und Umgebungssprache dieser Lehr-/Lernsituation ist, verdient besondere Aufmerksamkeit, denn es leiten sich daraus viele Fragen ab, wie zum Beispiel: Welches Englisch wird verwendet? Welche Englischkompetenzen werden (implizit) an einer Universität vorausgesetzt und wie wirkt sich das auf die Zulassungskriterien aus? Worin unterscheiden sich die Anforderungen an die Englischkenntnisse der jeweiligen Statusgruppen einer tertiären Bildungsinstitution? Und wie können, sollten oder müssten die Universitäten die Englischkompetenzen aller Mitglieder der Universitätsgemeinschaft ausbauen und professionalisieren? Fragen wie diese werden in der Regel weder an den Universitäten noch in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Des Weiteren vernachlässigt diese Fokussierung auf Englisch die tatsächlich vorhandene Vielfalt der sprachlichen Ressourcen, die unter anderem durch die Internationalisierung an Universitäten vorhanden ist, welche auch Herkunftssprachen, Zweit- und Drittsprachen sowie Varietäten und globale Mischformen einschließt. Die Tatsache, dass Englisch unbestreitbar zur Lingua franca/Lingua academica avancierte, darf nicht den Blick auf die faktische Mehrsprachigkeit der Gesellschaften im Allgemeinen und der Wissensgemeinschaften im Speziellen verstellen. Nicht zuletzt ist es eben diese Mehrsprachigkeit, die durch die ihr zugrundeliegende Diversität im Denken und in der Wahrnehmung genau jene Vielfalt zum Ausdruck bringt und befördert, die es unserer Überzeugung nach braucht, um die grundlegenden Transformationsprozesse anzustoßen und zu begleiten, die unsere Welt dringend benötigt, um das Überleben aller Lebensformen auf unserem Planeten zu sichern.5
Da diese Transformationsprozesse öffentlich und privat vorwiegend in Diskursform stattfinden, stellen sich grundsätzliche Fragen des Sprach(en)gebrauchs. Das gilt ebenso für Hochschulen als Orte meinungsbildender Diskurse und der höchstmöglichen Bildungsabschlüsse. Der letzte Aspekt ist insofern relevant, als dass die sich hier bietenden Möglichkeiten der wissenschaftlichen Qualifizierung unter anderem qua Publikationen eine direkte Beeinflussung ermöglichen. Darüber hinaus sind die hier erreichbaren Abschlüsse oft eine ‚Eintrittskarte‘ für hohe berufliche Positionen, mit denen wiederum teilweise erhebliche Entscheidungsfreiheiten verknüpft sind. Fragen, die sich hieraus ergeben, sind grundlegend: Wie und in welchen Sprachen führen wir Diskurse an unseren Hochschulen? Wie werden unsere Hochschulmitglieder und insbesondere unsere StudienanfängerInnen sprachlich und gedanklich darauf vorbereitet? Was bedeutet das für die Rolle der Schulen und für den Übergang von Schule zu Universität? Was muss der schulische Fremdsprachenunterricht in Zukunft leisten, um auf ein Studium in englischer Sprache und möglicherweise weiteren Sprachen vorzubereiten?
Viele Lehrende gehen implizit von der Annahme aus, dass ihre Studierenden durch den Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung über für ein Hochschulstudium ausreichende Englischkenntnisse verfügen. Doch auch in Deutschland bildungssozialisierte Studierende erwerben in den in der Regel neun Jahren ihres fremdsprachlichen Schulunterrichts teilweise nicht hinreichende Kompetenzen und Fertigkeiten in den angebotenen Fremdsprachen für deren Gebrauch in wissenschaftlichen Kontexten. Die Orientierung an den Niveaustufen des GER ist deshalb bei Fragen der Hochschulzulassung insofern irreführend, als dass diese nicht zwischen den unterschiedlichen sprachlichen Ebenen unterscheidet, die für gelingende Kommunikationssituationen grundlegend sind (siehe exemplarisch Althaus 2018; Drackert/Mainzer-Murrenhoff/Soltyska/Timukova 2020).6 Das hat gravierende Folgen, denn den mitunter hohen (fremd)sprachlichen Anforderungen, die alle Angehörigen und Agierenden in hochschulischen Kommunikationssituationen zu bewältigen haben (zum Beispiel bei der schriftlichen Ausarbeitung von Hausarbeiten oder dem Abfassen von Abschlussarbeiten, wobei auch zu klären wäre, inwiefern Content-Teaching von Language-Teaching begleitet werden könnte)7, werden einerseits nicht immer alle gerecht, andererseits stellen gerade umgangssprachliche Anforderungen jenseits der Fachsprache die Sprechenden vor Herausforderungen, die ihnen aus ihrer/ihren Erstsprache/n zumeist unbekannt sind (vgl. z.B. Crystal 2021). Für die Pflege bzw. den Ausbau studentischer Englischkenntnisse ist in diesem Zusammenhang interessant, dass das Belegen von englischen Sprachenkursen in den Studiengängen Technischer Universitäten zunehmend curricular verankert oder angestrebt wird, um die Studierfähigkeit und den individuellen Studienerfolg zu unterstützen. Doch auch an den Englischkompetenzen der Dozierenden wird Kritik geübt, worauf wir ebenfalls an anderer Stelle hingewiesen haben (vgl. Bradlaw et al. 2022). Dilemmata dieser Art betreffen nicht nur die Statusgruppe der Studierenden, sondern durchaus auch die ProfessorInnenschaft sowie die Beschäftigten in der Verwaltung (vgl. exemplarisch Airey 2012; Earls 2014; Fandrych/Sedlaczek 2012). Sie in den nächsten Jahren im Zusammenhang mit gestiegener Internationalisierung stärker in den Blick zu nehmen, erscheint uns eine Notwendigkeit.
Sprachenpolitisch leistet die TU Darmstadt deshalb zusammen mit wenigen anderen Hochschulen in Deutschland Pionierarbeit, denn sie flankiert ihre Internationalisierungsstrategie mit einer Sprachenpolitik, die explizit und anhand von konkreten Maßnahmen Mehrsprachigkeit an Hochschulen implementieren und fördern möchte. In diesen Strategien adressiert sie die Problematik des English Only insofern, als dass sie in beiden das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit verankert und einen direkten Bezug zur Sprachenpolitik der Europäischen Union herstellt:
Wir streben an, die Internationalisierung an unserer Universität mit einer institutionellen Sprachenpolitik zu fördern. Damit stützen wir als Europäische Technische Universität die EU-Sprachenpolitik, die darauf abzielt, das gegenseitige Verständnis und die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Allen Mitgliedern der Universität und unseren Gästen ermöglichen wir, sich so fortzubilden, dass sie sich in den für sie relevanten Kontexten mit angemessenen Grundkenntnissen in mehreren Sprachen verständigen können. Die Gremien- und die Verwaltungssprachen werden so angepasst, dass auch internationale Gäste aktiv an den für sie relevanten Prozessen teilnehmen können (Das Präsidium der TU Darmstadt 2021: 18).
Die in der Strategie genannten Ziele „gegenseitiges Verständnis“ und „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ zitieren elementare Motive, die für den andauernden Europäischen Einigungsprozess ausschlaggebend waren und weiterhin sind. Dieser Einigungsprozess, begründet in den leidvollen Erfahrungen zweier Weltkriege, fußt auf Verzahnungen wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Dimensionen, die ökonomische und politische Aspekte mit sprachlichen verknüpfen und die in Form der verschiedenen Vertragswerke der EU konkret Gestalt annehmen. Von Anbeginn an standen sie in enger Bezugsetzung zu Grundsatzfragen des gesellschaftlichen und politischen Zugangs bzw. der Teilhabe und Mitgestaltungsmöglichkeiten aller Bewohnerinnen und Bewohner der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und involvieren Überlegungen bezüglich der dazu notwendigen Sprach(en)kompetenzen und deren Förderung. Diese Grundsatzfragen stehen ebenfalls in engem Zusammenhang mit den sehr fundamentalen Bemühungen, die demokratische und rechtsstaatliche Grundordnung Europas zu erhalten bzw. zu stärken (vgl. z.B. die Präambel des Maastricht-Vertrages in Beck 1993: 281). Die nichtsdestotrotz starke Ausgangsfokussierung auf wirtschaftliche Aspekte im Europäischen Einigungsprozess ließ bildungspolitische Überlegungen erst spät relevant werden. Heute steht die Schaffung eines einheitlichen Bildungs- und Forschungsraums in Europa weit oben auf der Agenda8, gestaltet sich jedoch in der Praxis als schwierig: „Über die finanzielle Förderung von Technik und Wissenschaft mag man sich wiederum rasch einigen, schwieriger wird es, einen Bildungs-, Universitäts- und Forschungsbereich so zu organisieren, dass tatsächlich Kompetenzen, Wissen und Erfindungen auf der Habenseite stehen“ (Di Fabio 2015: 208). Hochschulen als Stätten der höchstmöglichen Bildungsabschlüsse wurden dabei erstmals 1993 mit dem Vertrag von Maastricht in den Fokus genommen, durch dessen Artikel 126, 127, 149 und 150 „Bildungspolitik zum ersten Mal in den Primärbereich des Gemeinschaftsrechts [fällt]“ (Walter 2007: 24). Die Ausgestaltung der diversen Europäischen Bildungsprogramme für Hochschulen belegen diesen Konnex:
Geleitet von Herausforderungen der damaligen Zeit wie dem technologischen Wandel, den Anforderungen des Binnenmarkts an die Wirtschaft und gestützt durch die Interpretation von Hochschulbildung als Teil der Berufsbildung, hatte dieses erste Bildungsprogramm [COMETT 1986–1989 sowie 1990–1994] die Zusammenarbeit von Hochschule und Wirtschaft im Bereich der Technologie im Fokus (DAAD 2022: 9).
Die verschiedenen EU-Institutionen waren und sind an diesem Prozess in unterschiedlicher Weise beteiligt. In unserem Zusammenhang ist der Europarat (Council of Europe)9 von besonderer Bedeutung, denn er verantwortet den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeR):
Der […] [GeR] ist eins der bekanntesten und meistbenutzten politischen Instrumente des Europarats. 50 europäische Länder verpflichten sich in der European Cultural Convention darauf, das Studium von Sprachen, Geschichte und Zivilisation anderer europäischer Länder bei Angehörigen der eigenen Nationalität zu fördern. Der GeR hat dabei eine wichtige Rolle gespielt, diese Vision von Europa zur Wirklichkeit werden zu lassen, und wird sie auch weiterhin spielen (Council of Europe 2020: 11; Kursivsetzung im Original).
Durch die Betonung integrativer und partizipativer Aspekte sprachlicher Regelungen erkennt das Präsidium der TU Darmstadt in seiner Internationalisierungsstrategie an, dass Sprache(n) in einem sozialen Kontext stehen. Sie sind das Medium der Bedeutungsaushandlung (Making Meaning), eben auch an einer Technischen Universität, also einem Hochschultypus, der gemeinhin als wenig sprachenaffin gilt. Versprachlichungen sind stets von Bedeutung, denn „Sprache ist das Medium der fachlichen Vermittlung und begleitet jeden Lernprozess“ (Drumm 2016: 1), beziehungsweise „Sprachen sind das Medium der fachlichen Vermittlung, ohne die gesteuerte Lernprozesse nicht möglich sind“ (Bradlaw in Vorb.: 9; Hervorhebung durch die Autorin).
Zur Ausgestaltung der institutionellen Sprachenpolitik der TU Darmstadt beauftragte ihr Vizepräsident für Transfer und Internationalisierung, in dessen Ressort die Zuständigkeit liegt, die Konzeption eines Sprachenkonzepts. Dies erfolgte durch ein Expertinnenteam, welches sein Konzept dem Präsidium im Juli 2022 zum Beschluss vorlegte und das positiv beschieden wurde. Der dazu gehörige Maßnahmenkatalog ermöglicht es, unmittelbar darauf in die konkrete Umsetzung erster Maßnahmen zu gehen. Das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit an der TU Darmstadt verfolgt dabei unterschiedliche Ziele. Die folgenden zwei fundamentalen Überlegungen mögen dies veranschaulichen: Unser Sprachenkonzept möchte die bei uns herrschende individuelle Mehrsprachigkeit zunächst in einem ersten Schritt sichtbarer machen und so zu einer Sensibilisierung im Sinne einer plurilingualen Bewusstheit (Awareness) beitragen. Das scheint uns insofern von grundlegender Bedeutung zu sein, als dass diese Sichtbarmachung einen wesentlichen Beitrag für den Erkenntnisgewinn darstellen könnte, dass Mehrsprachigkeit keine individuelle und gesellschaftliche Ausnahme darstellt (vgl. aber auch Eckkrammer 2020: 126), sondern den Regelfall heutiger Lebensrealitäten. Weiter begreift unser Konzept funktionale Mehrsprachigkeit als eine die Grenzen der linguistischen Fachdisziplin weit übersteigende (Lebens- und Denk)Einstellung, die Ausdruck größtmöglicher Toleranz ist. Gerade weil unsere Lebens- und Denkwelten voller Ambiguitäten stecken, ist es, auch um Missverständnisse wo gewollt auf ein Minimum zu reduzieren, hilfreich, auf alle uns zur Verfügung stehenden sprachlichen Ressourcen zugreifen zu können. Im Hochschulkontext ist dieser Aspekt von besonderer Bedeutung, denn die hier verhandelten Inhalte müssen in der Regel von maximaler sprachlicher Präzision sein, um größtmögliche Eindeutigkeit herzustellen.
Unter dem Begriff funktionale Mehrsprachigkeit verstehen wir ein flexibles, situationsbezogenes und dynamisches Sprachenhandeln, das sich den verschiedenen kommunikativen Anforderungen einer Gesprächssituation anpasst, um diese im Sinne einer höchstmöglichen Verständlichkeit gelingen zu lassen und so zu einem größtmöglichen gegenseitigen Verstehen zu führen.10 Es schließt dazu den Gebrauch aller vorhandenen sprachlichen Ressourcen der individuellen Sprachenrepertoires der Beteiligten ausdrücklich mit ein, die für den jeweiligen Kontext relevant sind, und beraubt so mehrsprachige Praktiken wie Code Switching oder Code Meshing ihrer immer noch häufig anzutreffenden Abwertung. Funktionale Mehrsprachigkeit ist unserem Verständnis nach ein Instrument mit hohem Inklusionsfaktor, das unsere gelebte vielsprachige gesellschaftliche Realität in einen linguistischen Terminus fasst.
Um der Komplexität unseres Auftrags zur Entwicklung einer die Internationalisierungsstrategie der TU Darmstadt flankierenden Sprachenpolitik gerecht zu werden, haben wir für unser Sprachenkonzept einen umfangreichen Maßnahmenkatalog entwickelt. Er umfasst derzeit insgesamt über 30 Vorschläge zu spezifischen Umsetzungsmöglichkeiten, wobei die Autorinnen diesen Katalog als Work in Progress auffassen. Den Prozess der Etablierung der funktionalen Mehrsprachigkeit begreifen wir als dynamisch, agil, flexibel und ergebnisoffen; eine Begleitforschung findet in Form zweier Dissertationsvorhaben und einiger Masterarbeiten statt. Die theoretische Einbettung erfolgte in einem Fachbeitrag, der unseren Ansatz wissenschaftlich verankert und kontextualisiert (vgl. Bradlaw et al. 2022). Den vorliegenden Text begreifen wir als Praxisbericht zur Erläuterung der Umsetzung des Sprachenkonzepts und als Ergänzung zu unserer wissenschaftlichen Verortung. Diese direkte Umsetzung, die durch einen Präsidiumsbeschluss institutionell legitimiert wurde und unmittelbar in konkrete Ausführungen mündete, ist das eigentlich Innovative unseres Sprachenkonzepts. Unser Konzept erschöpft sich nicht in schriftlichen Absichtserklärungen, sondern setzt abstrakte Ideen und Vorstellungen direkt in konkrete Maßnahmen und Umsetzungen praktisch um.
Im Folgenden stellen wir die einzelnen Maßnahmen vor und sprachentheoretische und -praktische Bezüge her. Sie sind im Maßnahmenkatalog unter anderem nach Zielgruppen sortiert. Das ist kein Zufall. Die Internationalisierungsstrategie der TU Darmstadt wurde in einem partizipativen Prozess erarbeitet, der alle Mitglieder unserer Universität adressierte und deren verschiedene Perspektiven einbezog. Dieser Prozess beinhaltete ebenfalls die Vorstellung des Konzepts der funktionalen Mehrsprachigkeit. Es war nicht unumstritten und wurde von den verschiedenen Statusgruppen unterschiedlich diskutiert. Insbesondere Angehörige der Gruppe der Verwaltungsmitarbeitenden wiesen explizit auf die Notwendigkeit der Schaffung von Englischkursangeboten hin, die ihre spezifischen Bedarfe erfüllen, zumal die Internationalisierungsstrategie die Etablierung von Englisch als zweite Gremiensprache vorsieht und in diesem Zusammenhang einräumt: „Bisher können nicht alle unsere Mitglieder in ihren Zuständigkeitsbereichen in Fremdsprachen (Englisch u.a.) selbstbewusst agieren“ (Das Präsidium der TU Darmstadt 2021: 74).11 Aus diesem Grund richten sich besonders viele Maßnahmen an die Statusgruppe der Verwaltungsangestellten/ Administrativ-Technischen Mitarbeitenden (ATMs). Dieser Aspekt ist dem Präsidium und auch der Arbeitsgruppe Sprachenkonzept sehr wichtig, weil die Verwaltung in der Regel die sprachenpolitisch am wenigsten beachtete Statusgruppe an einer Hochschule ist, tatsächlich aber eine ebenso relevante wie die anderen Statusgruppen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Verwaltungsabläufe wie Zulassungen und Einschreibungen von internationalen Studierenden betroffen, und oft stellen Studienbüros und Zentrale Einrichtungen wie Universitätsbibliotheken den ersten Kontaktpunkt zwischen Studierenden und Universitätsverwaltung dar. Darüber hinaus berühren sprachenpolitische Regelungen bezüglich der Statusgruppe der ATMs nicht unwesentliche Fragen der arbeitszeitlichen Regelungen (so zum Beispiel „Gilt das Absolvieren eines Sprachkurses als Arbeitszeit?“) und der Personalentwicklung („Sollte das Absolvieren von Sprachenkursen fester Bestandteil individueller Personalentwicklungspläne sein?“). Neben der Professionalisierung der Englischkenntnisse geht es hierbei aber vor allem auch um den Auf- und Ausbau weiterer Sprachenkenntnisse, so dass beispielsweise Deutsch als Umgebungs- und Unterrichtssprache auch in englischsprachigen Studiengängen erworben und gezielt gefördert werden soll.
Der Maßnahmenkatalog der TU Darmstadt ist als dynamisch zu verstehen, er muss kontinuierlich evaluiert und weiterentwickelt werden. Wir haben ihn an dieser Stelle ausschließlich in Bezug auf die verschiedenen Zielgruppen sortiert, weil damit am ehesten das Teilziel Professionalisierung deutlich werden kann. Wir gehen nicht auf sämtliche Einzelmaßnahmen ein, sondern verdeutlichen exemplarisch, in welche Richtung ein Maßnahmenbündel geht oder gehen könnte. Dabei konzentrieren wir uns auf Maßnahmen, die wir als beauftragte Entwicklerinnen und Autorinnen von Sprachenkonzept und Maßnahmenkatalog bezüglich der in der Internationalisierungsstrategie definierten Ziele für besonders bedeutsam, förderlich und interessant halten. Einige der Maßnahmen fußen auf Angeboten, die es bereits jetzt und teilweise schon länger gibt. Darauf werden wir an entsprechender Stelle verweisen, wie z.B. auf das bereits sehr gut ausgebaute Angebot des Herkunftssprachenzentrums am Sprachenzentrum der TU Darmstadt (HerSZ); manche Angebote sind bereits stärker konzeptioniert und können umgehend umgesetzt werden, andere sind derzeit noch reine Planspiele und Gedankenexperimente und harren der Umsetzung, die aufgrund des Umfangs des Maßnahmenkatalogs die Besetzung einer eigens dafür geschaffenen Stelle erfordert. Das, was wir noch sehr stark überlegen und abwägen, werden wir sprachlich mittels Konjunktiv verdeutlichen.
2 Maßnahmen, die sich an alle Mitglieder der TU Darmstadt und an ihre Gäste richten und in ihrer Summe vornehmlich auf die Sichtbarkeit, Dokumentation und Sensibilisierung der vorhandenen Mehr- und Vielsprachigkeit12 an unserer Universität zielen
2.1 Nennung der Sprachen, in denen man handlungskompetent ist und die das gegenseitige Verständnis fördern
Hiermit soll die Sprachenvielfalt, die mit den Handelnden an der Universität vorhanden ist, erst einmal dargestellt und ins Bewusstsein gerückt werden. Dies kann beispielsweise durch eine mehrsprachige E-Mail-Signatur, auf Stickern oder Buttons, mittels Aufklebern für Messen und Empfangstische oder mit Aufstellern auf Schreibtischen geschehen. Hilfreich sind auch vielsprachige Hinweise an Türschildern, damit Ratsuchende schon vor dem Eintreten erkennen können, welche Sprachen im dahinterliegenden Zimmer gesprochen werden. Ein Türschild zweier Kolleginnen am Sprachenzentrum der TU könnte also folgendermaßen aussehen:
Eine andere Gestaltungmöglichkeit könnte die folgende sein:
2.2 Dokumentation der Sprachenvielfalt bei Veranstaltungen
Buttons mit Sprachenangaben oder die Beschilderung in mehreren Sprachen könnten bereits mit in die Planung von Veranstaltungen aller Art aufgenommen werden, aber auch BesucherInnen dieser Veranstaltungen könnten ihr Namensschildchen mit Hinweisen auf ihre eigenen Sprachen, in denen sie handeln können und wollen, auflisten.
2.3 Broschüre „Funktionale Mehrsprachigkeit an der TU Darmstadt“ zur internen und externen Information
Das Sprachenkonzept samt Maßnahmenkatalog liegt durch das Präsidium verabschiedet vor. Nun gilt es, dieses Konzept mit Hilfe einer erläuternden und veranschaulichenden Infobroschüre in die Universität und ihre Verbünde13 hinein zu kommunizieren (dazu mehr weiter unten), aber auch in die Stadt Darmstadt und die Öffentlichkeit zu tragen. Dieser Text soll für die eigene Mehrsprachigkeit und die anderer sensibilisieren und auch den Spaß, der daran geknüpft ist, illustrieren. Diese Infobroschüre wird anhand zahlreicher Anwendungsbeispiele zeigen und weitere Ideen vorschlagen, wie man selbst funktional mehrsprachig agieren kann. Des Weiteren soll die Broschüre dazu beitragen, dass Ängste („Den Französischunterricht in der Schule habe ich gehasst. Das wöchentliche Vokabelabfragen vor der Klasse war der Horror“.) oder Befürchtungen, mit dieser Sprachenvielfalt extra Arbeit aufgebürdet zu bekommen („Soll ich jetzt etwa auch noch die Sprache xyz lernen?“), abgebaut werden können. Dass Englisch auch an unserer Universität stärker in den Fokus rücken wird, ist durchaus nicht von allen begeistert aufgenommen worden.
2.4 Etablierung von Coffee Breaks mit Beteiligung Studierender, wissenschaftlicher Mitarbeitender, Gäste: Die Rolle von Mehrsprachigkeit
Hier geht es in erster Linie um Informationen, Sensibilisierung und vor allem um die Entwicklung von mehrsprachigen Routinen: Wie fühlt es sich an, in einer Fremdsprache tatsächlich zu agieren? Wie funktioniert das, wenn in einem einzigen Gespräch mehrere Sprachen parallel gesprochen werden? Diese Form des polyglotten Dialogs kann sowohl bei bereits vorhandenen Veranstaltungsformaten angewendet als auch mit neu zu entwickelnden Diskursen etabliert werden.
2.5 Jährliche Beteiligung am Europäischen Tag der Sprachen (seit 2001 auf Initiative des Europarats jährlich am 26. September begangen)
Hier geht es um Aktionen, Aktivitäten und Veranstaltungen, die die gelebte Mehrsprachigkeit an der TU Darmstadt nach innen und nach außen verdeutlichen sollen. Sie können mit anderen Veranstaltungen kombiniert werden, aber auch eigene „Sprachen-Veranstaltungen“ sein. In kleineren Formaten wurde das im Rahmen von Tagen der Offenen Tür bereits mehrfach getestet, und die Resonanz sowohl von Mitgliedern der TU als auch von externen Gästen war in der Regel sehr positiv.
2.6 Einführung von Sprachenwochen begleitet von äquivalentem kulinarischem Mensa-Angebot (z.B. das Durchführen einer „Indischen Woche“)
Hier können Fachvorträge in verschiedenen Sprachen zu der/den Schwerpunktsprache/n dieser spezifischen Woche angeboten werden; eine Sprachen-Ringvorlesung kann populärwissenschaftlich über Sprachen informieren und so auch zur Verbesserung der Wissenschaftskommunikation in die Stadt hinein beitragen. Wenn es um Sprachenwochen geht, könnten entsprechende geistige Angebote mit kulinarischen Angeboten in der Mensa kombiniert werden, so wie es bereits „Bayrische Wochen“ gibt oder auf dem Darmstädter Weihnachtsmarkt die Partnerstädte mit nationalen kulinarischen Besonderheiten vertreten sind, könnte es auch in der Mensa durchgeführt werden. Ergänzend werden Informationen zu Ländern, Leuten, Kulturen und Sprachen gegeben.
2.7 Mehrsprachige Beschilderung/Wegweiser (neben Deutsch und Englisch jeweils mindestens eine weitere Sprache und bei neu zu beschildernden Bauvorhaben)
Eine Maßnahme, die hohe Sichtbarkeit, beträchtliche Signalwirkung, Einfachheit in der Umsetzung und einen erheblichen Spaßfaktor in sich vereint, ist die mehrsprachige Beschilderung von TU-Gebäuden und das Anbringen mehrsprachiger Wegweiser auf den Campus-Geländen. Angedacht ist, die Schilder und Wegweiser stets in den Sprachen Deutsch und Englisch zu gestalten und sie jeweils um eine dritte, von Schild zu Schild wechselnde, Sprache zu komplettieren. Inspiriert ist diese Idee durch die Gestaltung der Pariser Metrostation Franklin D. Roosevelt:
Ein erheblicher Teil des Charmes dieses Designs liegt in dem schmückenden Element nicht-lateinischer Schriftsysteme, aber auch in der Freude des Wiedererkennungswerts, der ihnen inne liegt, und Personen, die Lesekompetenzen in dieser Sprache haben, erfreut. Ergänzt werden können die dreisprachigen Beschilderungen und Wegweiser mit einem QR-Code, hinter dem Informationen zu der dritten Sprache hinterlegt sind (Name der Sprache, Herkunft, Verbreitung, Anzahl der Sprechenden u.v.m.). Diese dritten Sprachen könnten im Zuge der Ermittlung des Sprachenrepertoires aller Mitglieder der TU Darmstadt identifiziert und hier abgebildet werden, was die Verknüpfung zwischen der Universität und der sie beheimatenden Stadt stärkt. Da es sich hierbei um eine Maßnahme handelt, die im öffentlichen Raum stattfindet, könnte dies auch eine touristische Attraktion für Gäste und BesucherInnen Darmstadts darstellen. Dies gilt beispielsweise für das Schloss Darmstadt, das sich als Immobilie im Besitz der TU befindet und als mitten in der Stadt gelegener Anziehungspunkt für TouristInnen eine wichtige Rolle auch bei geführten Touren spielt. Die Umsetzung dieser Maßnahme würde zudem sehr prägnant die Weltoffenheit der Wissenschaftsstadt Darmstadt und ihrer Universität unterstreichen.
Ein weiterer Teil dieser Einzelmaßnahme wird die Überprüfung von Icons auf ihre (interkulturelle) Lesbarkeit hin sein. Die Berücksichtigung wichtiger Aspekte wie Leserichtung und Farbgestaltung können erheblich zur Wahrnehmung und faktischem Erzielen der von den Designern intendierten Interpretation beitragen. Farben als parasprachlichem Signal kommt hier sicherlich eine übergeordnete Bedeutung zu, sie stehen jedoch auch in Bezug zu Fragen internationaler Gepflogenheiten (zum Beispiel die Farbe Rot als Warn- und Aufmerksamkeitssignal), des Corporate Designs einer Hochschule (die Gebäude der TU Darmstadt sind anhand eines eigens geschaffenen Schildes deutlich erkennbar) oder auch des Denkmalschutzes (relevant bei historischen Gebäuden wie dem Darmstädter Schloss). Die Prüfung des Beschilderungsbestands hinsichtlich Sprachenvielfalt/Mehrsprachigkeit ist eine dem nachgelagerte Maßnahme; der Bestand könnte sukzessive angepasst werden.
3 Maßnahmen, die sich an Gremienbeteiligte richten, die beispielsweise Mitglieder im Senat oder der Universitätsversammlung sind
Hier nennen wir die, aus Sicht des Präsidiums, wahrscheinlich dringlichste Maßnahme, nämlich die Entwicklung und Ausbildung von Englisch als zweiter Gremiensprache. Dazu gehören bereits jetzt laufende Coachings, TANDEMs und andere Begleitmaßnahmen für Mitglieder dieser Gremien wie auch neu zu konzipierende Spezialkurse, die die für diesen Kontext relevanten Diskurs- bzw. Textsorten wie beispielsweise eine Senatssitzung oder das Erstellen von Präsidiumsvorlagen zum Gegenstand machen. Bei der Umsetzung dieser Maßnahme ist besonders der Umstand zu beachten, dass die verhandelten Inhalte zwar auf Englisch kommuniziert werden sollen, dass es sich aber auch weiterhin um die Sitzung eines Senats im deutschen und deutschsprachigen Hochschulraum handelt, die sich juristisch auf deutsche (und deutschsprachige) Textgrundlagen bezieht. Das gilt auch für mehrsprachige Diskurse, bei denen vielleicht englischsprachige Termini verwendet werden, die in englischsprachigen Ländern im Einzelnen auf andere juristische Tatbestände verweisen, als der englischsprachige Terminus im deutschsprachigen Zusammenhang.14
4 Maßnahmen, die Studierende, Lehrende, Forschende, Verwaltungsangestellte/ATM unterstützen
4.1 Verbesserung der Sprachenhandlungskompetenzen auf Englisch
Die meisten Hochschulangehörigen bestimmter Statusgruppen verfügen nach eigenem Verständnis über ausreichende bzw. gute und sehr gute Sprachenhandlungskompetenzen auf Englisch. Für sie wäre ein passgenaues Angebot auf Nachfrage zu erstellen. Alle anderen Gruppen können mit eigenen (Fach)Sprachenangeboten in Englisch unterstützt werden, die entweder im Rahmen der Weiterbildung, des Studium generale und damit extracurricular oder auch im Rahmen von curricularen Studienangeboten entwickelt und vorgehalten werden. Hier gilt es, derart passgenaue Angebote zu unterbreiten, dass sie die jeweilige Zielgruppe tatsächlich dort abholen, wo sie steht, und ihre Inhalte so zielgruppengerecht auszurichten und zu gestalten, dass sie tatsächliche Bedarfe stillen und einen echten Mehrwert generieren. Eine Möglichkeit, die erwähnten Weiterbildungsmöglichkeiten zu institutionalisieren, zu formalisieren und auch sprachen- und hochschulübergreifend zu organisieren, ist der gegebenenfalls kumulierende Erwerb von Micro Credentials (vgl. Bradlaw et al. 2022 sowie beispielsweise Hochschulrektorenkonferenz 2020 oder European Commission 2021), um auch einzelne fachsprachliche, sprachenübergreifende oder interkulturelle Kompetenzen nachzuweisen.
Dabei sollen andere Sprachen nicht vernachlässigt werden; so sind beispielweise Italienischkenntnisse, auch und gerade fachsprachliche, weiterhin für diejenigen aus dem Fachbereich Architektur relevant, die sich zu Studien- oder Forschungszwecken oder auch im Rahmen von MitarbeiterInnenmobilität an unserer italienischen Unite!-Partneruniversität aufhalten.
4.2 Förderung und Professionalisierung der Sprachenhandlungskompetenzen in allen Unite!-Sprachen
Der geplante Metacampus von Unite!, dem europäischen Hochschulverbund, dem die TU Darmstadt angehört (vgl. Unite! o.J.), sieht Sprachenangebote innerhalb der Allianz vor. Dabei sind natürlich neben der Hauptkommunikationssprache Englisch auch die anderen Unite!-Sprachen Deutsch, Finnisch, Französisch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch, Schwedisch und Spanisch/Katalanisch ebenfalls auszubilden, weshalb einschlägige Angebote zu unterbreiten wären. Das Sprachenzentrum der TU Darmstadt hatte bereits vor dem Zusammenschluss in Unite! alle diese Sprachen im Portfolio und muss hier nun zielgruppenspezifisch nachschärfen. Das beinhaltet Überlegungen, die darauf abzielen, insbesondere hinsichtlich der Studierendenmobilität die Bedeutung interkultureller Kompetenzen als integralen Bestandteil des Sprachenerwerbs und -trainings stärker zu betonen. Der letzte Aspekt spielt im Hochschulkontext eine besondere Rolle, wenn es darum geht, implizite fremdsprachliche Textsortenkonventionen aus Lernendenperspektive anzuwenden bzw. aus Lehrendenperspektive zu vermitteln (vgl. Hufeisen 2002).
5 Maßnahmen für Personen, die sich in den Bereichen DaF und DaZ qualifizieren wollen
Hier geht es um die Förderung und Professionalisierung der Sprachenhandlungskompetenzen in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache mittels regulären Masterstudiengangs (vgl. Masterstudiengang Angewandte Linguistik Schwerpunkt DaF/DaZ o.J.), aber auch um fort- und weiterbildende sowie weiterqualifizierende Angebote des Fachgebiets Sprachwissenschaft Mehrsprachigkeit am Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft des Fachbereichs Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften sowie des Sprachenzentrums, für DaZ spezifisch auch das Herkunftssprachenzentrum. An dieser Stelle ist die besondere Förderung von Deutsch als Fremdsprache als Lehr- und Umgebungssprache und die damit verbundene Verbesserung der Studierfähigkeit und des Studienerfolgs zu erwähnen. Angemessene Deutschkenntnisse sind entweder in konkreten Arbeitssituationen unabdingbar oder werden von zukünftigen Arbeitgebern sogar erwartet15, weshalb Deutschförderung auch Vorteile bei der Praktikums- und Arbeitsplatzsuche internationaler Studierender bedeutet.
Das Fachgebiet Sprachwissenschaft-Mehrsprachigkeit hat zahlreiche einschlägige Erfahrungen sammeln können, beispielsweise mit der kurzfristigen Fort- und Weiterbildung von Lehramtsstudierenden aller Fächer, die sich ab 2015 in den Schulen engagieren wollten, um geflüchtete Kinder und Jugendliche bei der (sprachlichen) Integration zu unterstützen, oder auch mit der fachlichen Begleitung von Interessierten, die sich ab 2015 ehrenamtlich als DeutschlernhelferInnen engagieren wollten und heute noch möchten (vgl. Fachgebiet Sprachwissenschaft-Mehrsprachigkeit o.J.). Hier wurden bereits vielfältige Formate pilotiert und etabliert, die das reguläre DaF-/DaZ-Studium keinesfalls ersetzen können oder sollen, aber durchaus Ausweichangebote für Menschen darstellen, die ein Studium aus unterschiedlichsten Gründen nicht absolvieren können oder wollen.
Darüber hinaus richten sich weitere Angebote zur Förderung von Deutsch als Fremdsprache an GastwissenschaftlerInnen aus dem Ausland, um eine Partizipation über den Forschungsbereich hinaus an der universitären Kommunikation sowie die Integration in die neue Lebenswelt zu ermöglichen.
6 Maßnahmen für Beschäftigte der TU Darmstadt
6.1 Infobroschüre „funktionale Mehrsprachigkeit“ für die TU intern
Um das Sprachenkonzept der TU Darmstadt intern bekannter zu machen und für die aktive Mitwirkung aller Beschäftigten zu motivieren, soll eine Infobroschüre das Konzept allgemeinverständlich vorstellen und anhand konkreter Beispiele aus dem Hochschulalltag aufzeigen, was unter funktionaler Mehrsprachigkeit zu verstehen ist und wie sie gelingen kann. Dabei sollen anhand von FAQs auch wahrscheinlich zu erwartende Fragen aufgegriffen und etwaigen Vorbehalten begegnet werden. Neue Beschäftigte erhalten die Broschüre zum Dienstantritt und erhalten in Workshops die Gelegenheit, sprachenübergreifende Kommunikationsformen auszuprobieren.
6.2 Evaluation digitaler Sprachenlernangebote
Das in der Gründung befindliche „Zentrum für digitales Sprachenlernen“ (ZediS) am Sprachenzentrum der TU soll eine Anlaufstelle für die Identifikation und das Definieren von Einsatzmöglichkeiten digitaler Angebote zur Verbesserung individueller sprachlicher Kompetenzen sein. Marktgängige Sprach(en)lernprogramme sollen hier auf ihre Tauglichkeit für akademische und wissenschaftliche Zusammenhänge überprüft und bewertet werden. Betrachtet werden sollen allerdings nicht nur Spach(en)lernprogramme, sondern auch breit genutzte Übersetzungsprogramme, die zwar eine sicherlich befriedigende erste Unterstützung bieten, für das Erstellen professioneller akademisch-wissenschaftlicher Texte jedoch in der Regel den in dieser Domäne herrschenden hohen Anforderungen nicht genügen. Nachfragende Universitätsangehörige sollen hier eine hilfreiche Einschätzung erhalten, die sie bei der Entscheidungsfrage unterstützt, ob ihr maschinell übersetzter Text für die intendierte Zielsetzung ausreicht, oder ob er doch einer professionellen Übersetzung oder Überarbeitung durch Fachleute bedarf. Denn für eine erste (vorläufige) maschinelle Übersetzung im Sinne der Rezeption, also um einen Text in seinen Grundzügen zu verstehen und einordnen zu können, sind viele der marktüblichen Übersetzungsprogramme sicher gut geeignet. Ein tieferes Verständnis bezüglich von Metaphern, Ambiguitäten oder semantischen und pragmatischen Feinheiten können sie nicht leisten.
6.3 Erstellung eines Glossars gängiger Verwaltungsbegriffe
Das an der TU Darmstadt aktuell vorhandene Glossar, das Begriffe aus dem Universitätskontext in Deutsch und Englisch auflistet, dient als wichtige Arbeitshilfe für Belange der Verwaltung und die hier zu bewältigende allgemeine Kommunikation. Da die Internationalisierungsstrategie Englisch als zweite Gremiensprache festlegt, wird dieses Glossar kontinuierlich weiter ausgebaut, wobei insbesondere eine Kontextualisierung der einzelnen Begriffe mit Beispielsätzen angestrebt wird, wie dies bereits Glossare beinhalten, die in anderen Bundesländern zentral als Service für die Hochschulen verwaltet werden (u.a. Baden-Württemberg, Bayern) oder auch Online-Wörterbücher integrieren. Termini in weiteren Sprachen, die sich beispielsweise aus spezifischen Kontexten universitärer Kooperationen ergeben und/oder nationale Spezifika darstellen, können das Glossar nach und nach auf zusätzliche Sprachen ausweiten. Wir erweitern so nicht nur die Fokussierung auf das Englische auf andere (wissenschaftlich und darüber hinaus) relevante Sprachen, sondern greifen durch diese Vorgehensweise auch wissensgenerierende und erprobte Praktiken in Bezug auf Wortschatzarbeit auf. Der Aufbau eines mehrsprachigen Glossars beispielsweise nach finnischem Vorbild16 könnte sich dem deutsch-englischen in einem nächsten Schritt anschließen und Sprachen berücksichtigen, die in einer vorherigen Abfrage in den Fachbereichen und zentralen Einrichtungen als besonders relevant eingestuft wurden.
7 Maßnahmen für Beschäftigte der TU Darmstadt mit Fokus Hochschulverwaltung
Hier gilt es, besonders sorgfältig Englischkurse, speziell auch für die Zielgruppe der Hochschulverwaltung, zu entwickeln, nicht nur, weil Englisch als zweite Gremiensprache in der Internationalisierungsstrategie definiert wurde und diese Zielgruppe bei vielen Internationalisierungsüberlegen ungenügend prominent im Fokus steht, sondern auch, weil sie für alle Internationalisierungsumsetzungen von hoher Relevanz ist. Hochschulverwaltende sorgen im Idealfall für die reibungslose Koordinierung der Interaktion von Lehre und Forschung, indem sie beispielsweise Räume buchen, Termine koordinieren, Reisen planen, administrative Studiengangsfragen klären oder, vielleicht am wichtigsten von allem, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Parteien herstellen oder gar ermöglichen. Dass die Teilnahme an spezifischen und zielgerichteten Sprachenkursen als reguläre Arbeitszeit im besten Sinne der Weiterbildung gilt, soll hier – aus unserer Sicht heraus – als selbstverständlich betont werden.
8 Maßnahmen für DoktorandInnen der TU Darmstadt
Workshops für Ingenium, der Aus- und Weiterbildungsinstitution für Prä- und Post-Docs an der TU Darmstadt, sollen aufzeigen, wie die Mehrsprachigkeit für die eigene Forschung sowie deren Kommunikation genutzt werden kann. Dabei soll Englisch, wie von der Hochschulleitung gewünscht, im Vordergrund stehen. Gleichzeitig soll verdeutlicht werden, dass es über das Englische hinaus viele weitere Sprachen gibt, in denen Forschung betrieben und kommuniziert werden kann bzw. wird. Englisch mag derzeit die Lingua franca/ Lingua academica darstellen; ob sie dies in (naher) Zukunft noch so sein wird, wissen wir heute noch nicht.
9 Maßnahmen für Herkunftssprechende
Die Unterstützung bei der Aufrechterhaltung und dem Erhalt der jeweiligen eigenen Herkunftssprache(n), auch zur Förderung der sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen, ist bereits am Herkunftssprachenzentrum am Sprachenzentrum der TU Darmstadt situiert und etabliert (vgl. Herkunftssprachenzentrum o.J.). Die damit in Zusammenhang stehenden Angebote werden kontinuierlich weiter ausgebaut. Gleichzeitig soll der Bereich des Deutschen als Zweitsprache intensiviert werden, um DaZ-Sprechende und -Schreibende bei ihrer Professionalisierung und Routinisierung ihrer Zweitsprache Deutsch bestmöglich zu unterstützen. Die hier bestehenden und weiter auszubauenden Angebote begreifen wir auch als einen Ausdruck der an der TU Darmstadt als Europäischer Technischer Universität herrschenden Willkommenskultur, die die bei uns heute schon herrschende Diversität wertschätzt und fördert.
10 Maßnahmen für Lehrende
Hier nur kurz erwähnt werden sollen Angebote zur sprachlichen Qualifizierung von Lehrenden, die beispielsweise sprachenübergreifende Konzepte und CLIL in der universitären Lehre vermitteln sollen sowie innerhalb des Unite!-Verbunds im Rahmen von Teaching and Learning Activities (TLA) weitere Qualifizierungsmöglichkeiten anbieten. Dies werden wir an anderer Stelle weiter ausführen.
11 Maßnahmen zur Begleitforschung und Evaluation des Maßnahmenkatalogs der TU Darmstadt
Die Maßnahmen bzw. ihre Wirkung zu eruieren und zu erforschen, betrachten wir als eine der Hauptaufgaben des Fachgebiets Sprachwissenschaft-Mehrsprachigkeit, aus welchem heraus auch das Sprachenkonzept und der Maßnahmenkatalog im Auftrag des Vizepräsidenten für Internationalisierung entstand. Hier werden Teilthemen als Masterarbeiten und Dissertationen vergeben und bereits bearbeitet, darüber hinaus möchten wir weitere AkteurInnen der TU Darmstadt ansprechen, forschungsbegleitend die Wirksamkeit und den Erfolg der Maßnahmen zu untersuchen. Dazu könnten das Referat für interne Weiterbildung, das Qualitätsmanagement oder das Dezernat Internationales, aber auch andere wissenschaftliche Einheiten der TU Darmstadt gehören. Hier werden sich im Laufe der Umsetzung der im Maßnahmenkatalog beschriebenen Initiativen Interessen und Notwendigkeiten ergeben, die sich in eigenen Evaluationsmaßnahmen ausdrücken werden.
11.1 Linguistische Begleitforschung
Einerseits ist es aus linguistischer Sicht bedeutsam, mehrsprachige Diskurse des täglichen Hochschulalltags zu untersuchen, weil es die Gelegenheit zu einer derart großen Feldforschung bislang nicht gab (wenn man von Diskursforschung in mehrsprachigen Ländern wie Luxemburg oder Belgien absieht). Andererseits gilt es herauszufinden, ob ein so großes Projekt, wie es das Sprachenkonzept der TU Darmstadt darstellt, überhaupt umfassend gelingen kann, oder ob sich Einzelmaßnahmen als zu idealistisch oder schlicht als unrealistisch erweisen. Rein linguistische Fragen könnten z.B. sein: Wie funktioniert die funktionale Mehrsprachigkeit ganz generell? Verändert sich durch sie etwas im Laufe des Diskurses bei Menschen? Wenn ja, was und wie? Wenn nein, warum nicht? Welche Sprachen sind solche, die Diskurse tragen können? Wie weit reicht Englisch als Lingua franca? Die Dimensionen der Erforschung reichen von kleineren und größeren Projekten in entsprechenden Seminaren, über Seminarprojekte, Drittmittelprojekte, Dissertationen und auch Habilitationen.
11.2 Veröffentlichung von einschlägigen Forschungsergebnissen, auch von Erfahrungsberichten von GastwissenschaftlerInnen (Incoming und Outgoing)
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung sind sowohl von grundlegender Bedeutung für die Mehrsprachigkeitsforschung als auch für Fragen des Sprachenmanagements an deutschen und europäischen Hochschulen. Ihre Veröffentlichung ist daher von hoher Relevanz für die zukünftige Gestaltung hochschulischer Sprachenpolitiken (vgl. Dovalil/Šichová 2017: 25–28; Hettiger 2019: 43–67; Kaplan/Baldauf Jr 1997: 59–83).
11.3 Fachspezifische Diskussionen auf von der TU Darmstadt organisierten und durchgeführten Veranstaltungen zur Rolle von Sprachen
Hier könnten, hochschulinterne aber auch öffentlich angebotene, Diskussionsrunden zu Themen wie „Meine Fachsprache auf Deutsch, meine Fachsprache für die Schule“ oder „Reicht Englisch tatsächlich für alle Kommunikationsarten?“ zur allgemeinen Debatte und (Fort)Entwicklung der Sensibilisierung für den Komplex Mehrsprachigkeit beitragen. Dies könnte auch über die Einbindung weiterer (wissenschaftlicher) Partnerinstitutionen (zum Beispiel die in Darmstadt ansässige Schader-Stiftung) oder anderer Hochschulen in Darmstadt und darüber hinaus erfolgen.
11.4 Formative und summative Evaluation der Maßnahmen
An der Ausarbeitung formativer und summativer Evaluationsmöglichkeiten als eine der umzusetzenden Maßnahmen arbeiten wir im Team aktuell. Wir werden unsere diesbezüglichen Überlegungen und gegebenenfalls ersten Ergebnisse mittels weiterer Publikationen der kritischen Fachöffentlichkeit zur Diskussion stellen.
12 Schlussbemerkung
Wir haben versucht, deutlich zu machen, dass die mit unserem Sprachenkonzept verbundene Planung, deren Umsetzung darüber hinaus außerordentlich dynamisch abläuft, umfangreich und langfristig ist. Sie kann deshalb nicht auf der Durchführung von wenigen Workshops und dem Anbieten von einigen Weiterbildungsangeboten fußen. Vielmehr handelt es sich hier um eine langfristige Daueraufgabe für zahlreiche AkteurInnen, sich flexibel und agil auf Bedarfe und neue Situationen einzustellen. Es gilt, fortwährend zu überprüfen, inwiefern die Maßnahmen bei den Zielgruppen auf Resonanz stoßen, ob und wie sie greifen und welche Korrekturen und Weiterentwicklungen vorzunehmen sind. Dabei setzen wir durch die Sichtbarmachung von Sprachen auch auf Kommunikationsimpulse, die nicht als Maßnahme von oben herab im Sinne eines Top Down initiiert werden, sondern sich aufgrund des Interesses an der Sprache, der kulturellen Hintergründe oder auch der angestrebten Erweiterung des eigenen Wissens im Sinne eines Bottom Up ergeben. Menschen tauschen sich über ihre Sprachen aus, gehen selbstbewusster mit ihren diversen Herkünften um und erleben so Teilhabe und eine Verbindung, die über die lokale Institution hinausgeht und überregionale, europäische sowie globale Dimensionen berührt. Die in diesem Beitrag vorgestellten Maßnahmen können einen Ansatzpunkt bilden, um diese übergeordneten Ziele zu erreichen.
Notes
- Der Terminus Hochschule ist in diesem Aufsatz als Sammelbegriff zu verstehen für sämtliche Institutionen des tertiären Bildungssektors. [^]
- Siehe hierzu exemplarisch Fukuyama 2019: 189–191 und McIntyre 2018: 5–8. [^]
- Die Großschreibung der Adjektive ist eine Kennzeichnung ihres Kontextes. Initiativen, die in Bezug zu Strategien, Initiativen oder Maßnahmen offizieller EU-Organe stehen, werden durch die Majuskel „E“ im Adjektiv europäisch kenntlich gemacht. [^]
- Die Universitätspräsidentin der TU Darmstadt hat derzeit ebenfalls das Amt der Präsidentin von Unite! inne. [^]
- In diesem Zusammenhang weist die Ökonomin Maja Göpel auf die Notwendigkeit einer „Zweiten Aufklärung“ hin: „In the decades to come, the old and alternative paradigms will be struggling to fit the shape taken by what could become the Second Enlightenment. Our task is to fill the reservoir of social and cultural inventions with ideas, norms, principles and values that support a de-commodified view of human needs, nature and money, based on twenty-first century natural and social sciences that include many non-quantifyable variables” (Göpel: 2016: 5). [^]
- Die wesentliche Unterscheidung von Cummins (1979) in Umgangssprache (BICS, Basic Interpersonal Communication Skills) und Bildungssprache (CALP, Cognitive Academic Language Proficiency) blieb bei der Definierung der Niveaustufen des GER unberücksichtigt. [^]
- Diesem Umstand wird in der „Rahmenordnung über Deutsche Sprachprüfungen für das Studium an deutschen Hochschulen“ (RO-DT) beispielsweise Rechnung getragen, indem beim Prüfungsformat DSH explizit die „wissenschaftssprachlichen Strukturen“, die Bestandteil der Prüfungsleistung sein müssen, benannt werden (HRK 2015: 3). [^]
- Zum Prozess der Schaffung eines einheitlichen Bildungs- und Forschungsraums haben Toens (2007) und Walter (2007) konzise Darstellungen publiziert. [^]
- Der Europarat (Council of Europe) ist nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat (European Council), obgleich letzterer als beispielsweise das Barcelona-Abkommen verantwortendes Gremium ebenfalls sprachenpolitisch relevant ist. [^]
- Erste Überlegungen zu funktionaler Mehrsprachigkeit haben wir bereits an anderer Stelle ausgeführt und werden sie in noch folgenden Aufsätzen weiter vertiefen. [^]
- Zwei Formulierungen erscheinen uns hier bemerkenswert: das Adjektiv selbstbewusst verweist auf metasprachliche Aspekte des Sprachengebrauchs wie beispielsweise die Verbindung sprachlicher Faktoren mit emotionalen; die Verwendung unter anderem weitet das Verständnis bezüglich der Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit des Sprachengebrauchs jenseits des English Only. [^]
- Mehrsprachigkeit bezieht sich in unserer Verwendung auf das Individuum, Vielsprachigkeit auf eine Gesellschaft. [^]
- Die TU Darmstadt ist sowohl über den Verbund der Rhein-Main-Universitäten (RMU) mit Partneruniversitäten in Frankfurt und Mainz regional, als auch über die Europäische Hochschulallianz University Network for Innovation, Technology and Engineering (Unite!) international bzw. europaweit vernetzt. [^]
- So bezeichnet beispielsweise das englische „Critical Incident“ Situationen, die im medizinischen Sinne kritisch sind, in denen es also um Leben und Tod geht, wie beispielsweise Evakuierungspläne im Falle eines Terroranschlags. Im Deutschen hingegen werden hierunter Situationen gefasst, die unangenehm sind und ein Eskalationsrisiko bergen, wie beispielsweise kommunikative Konfliktsituationen, die Angestellte städtischer Behörden im Umgang mit BesucherInnen bewältigen müssen. [^]
- Beispielsweise sind unserer Beobachtung nach Baustellen derzeit ein lebendiges Beispiel für gelingende Kommunikation in funktionaler Mehrsprachigkeit mit einem meist breit gestreuten Mix aus Sprachen, oft verschiedenen osteuropäischen, aber immer auch unter Einschluss des Deutschen und seiner Varianten. Diese Kommunikation muss gelingen, weil ansonsten die Folge Bauschäden sein könnten. [^]
- Siehe hierzu das finnische „Higher Education Glossary“ (https://valter.sanakirja.fi/content/valter/korkeakoulusanasto?linkType=inner-link) mit Termini in den Sprachen Finnisch, Schwedisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Russisch. [^]
Dank
Wir danken unserer (mehrsprachigen) wissenschaftlichen Hilfskraft Jihyeon Lee, M.A. für die Unterstützung bei der formalen Gestaltung des Beitrags und für die sorgfältige Überprüfung der Kohärenz von Verweisen im Text und im Literaturverzeichnis. Alle verbliebenen Fehler haben wir natürlich selbst zu verantworten.
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Kurzbio
Die Autorinnen arbeiten und forschen an der TU Darmstadt. Sie beschäftigen sich unter anderem mit Mehrsprachigkeit, Schreiben in der Fremdsprache, Linguistic Landscapes, Sprachenpolitik und Interna-tionalisierung der Hochschulen.
Anschrift:Technische Universität Darmstadt
Fachgebiet Sprachwissenschaft – Mehrsprachigkeit,
Hochschulstr. 1
64289 Darmstadt.
constanze.bradlaw@tu-darmstadt.de