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Aufsatz außerhalb des Themenschwerpunkts

Der Einsatz des gesamtsprachlichen Repertoires chinesischer Lernender im kooperativen Schreiben im DaF-Kontext

Abstract

Bisherige Forschungen, die vor allem im schulischen (Fach-)Unterricht durchgeführt wurden, weisen auf einen lernförderlichen Effekt des Einsatzes des gesamtsprachlichen Repertoires von Lernenden hin. Dies wird häufig als Translanguaging oder im Sinne des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GeR) als Sprachmittlung/Mediation bezeichnet. Im Kontext des institutionalisierten Deutsch-als-Fremdsprache-Unterrichts (DaF-Unterricht), dessen primäres Ziel der Erwerb der Zielsprache Deutsch ist, stellt sich die Frage, welche Funktionen durch den Wechsel in die Erst- oder weitere Fremdsprachen erfüllt werden und ob sich hieraus ebenfalls ein positiver Effekt für das Lernen ableiten lässt. Hierzu wird die sprachliche Interaktion von 32 erwachsenen fortgeschrittenen chinesischen Deutsch-als-Fremdsprache-Lernenden auf den GeR-Niveaustufen B1/B2 sowie C1/C2 während eines kooperativen Schreibauftrags analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Erstsprache der Lernenden sowie teilweise auch das Englische nicht nur an der sprachlich-formalen Dimension, sondern auch an den kognitiv anspruchsvollen epistemologischen Dimensionen des Schreibprozesses beteiligt sind. Dies spricht für eine gezielte Einbindung des gesamtsprachlichen Repertoires von Lernenden im DaF-Unterricht.

Chinese learners’ use of the entire language repertoire in cooperative writing tasks in the GFL classroom 
Previous research, which has mainly been carried out in school lessons, shows that the use of learners’ entire language repertoire has a positive effect on learning. This is often referred to as translanguaging or, in the sense of the Common European Framework of Reference for Languages (CEFR), as language mediation. In the context of institutionalized German as a foreign language teaching, whose primary goal is the acquisition of the target language German, the question arises as to which functions are carried out by switching to the first or other foreign languages and whether a positive effect on learning can also be derived from this. To this end, the verbal interaction of 32 adult advanced Chinese learners of German as a foreign language at CEFR levels B1/B2 and C1/C2 during a collaborative writing task is analyzed. The results show that the learners’ first language and, in some cases, English are involved not only in the linguistic-formal dimension, but also in the cognitively demanding epistemological dimensions of the writing process. This suggests that learners’ entire linguistic repertoire should be integrated into the German as a foreign language classroom.

Keywords: gesamtsprachliches Repertoire, kooperatives Schreiben, Translanguaging, linguistic repertoire, collaborative writing

How to Cite:

Koch, Nikolas & Pu, Beiqi (2024): Der Einsatz des gesamtsprachlichen Repertoires chinesischer Lernender im kooperativen Schreiben im DaF-Kontext. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 29: 2, 187–215. https://doi.org/10.48694/zif.3943

1 Einleitung

Im Fremdsprachenunterricht ist Mehrsprachigkeit ein gegebener Bestandteil. So verfügen die Lernenden über ihre eigene individuelle Mehrsprachigkeit, indem sie neben der zu lernenden Zielsprache bereits mindestens eine weitere Sprache, ihre Erstsprache (L1), beherrschen. Der Umgang mit Mehrsprachigkeit ist somit ein zentraler Faktor des Fremdsprachenunterrichts, dem in der Vergangenheit unterschiedlich begegnet wurde. Im Zuge einer zunehmenden Kommunikations- und Kompetenzorientierung erfolgte ein bewusster Einbezug vorhandener Sprachkenntnisse sowie Sprachlernerfahrungen (vgl. Hufeisen/Neuner 2003b: 5). Ein Konzept, das in diesem Kontext entstanden ist und in jüngerer Vergangenheit im Kontext der Sprachlehr- und Sprachlernforschung erheblich an Bedeutung gewonnen hat, ist das der Mehrsprachigkeitsdidaktik (vgl. García/Li 2014; Koch/Riehl 2024: 130–132). Im Gegensatz zur zielsprachenspezifischen Didaktik wird hier die Gesamtheit der sprachlichen Kenntnisse und auch der Lernstrategien berücksichtigt (vgl. u.a. Candelier/Grima/Castellotti/de Pietro/Lörincz/Meißner/Schröder-Sura/Noguerol 2009).

Ein Begriff, der in jüngerer Zeit enorme Beachtung erlangt hat und eng mit dem Konzept der Mehrsprachigkeitsdidaktik verknüpft ist, ist das sog. Translanguaging. Neben einer bloßen Anerkennung der sprachlichen Vielfalt wird hiermit im pädagogischen Verständnis des Begriffs eine aktive Nutzung dieser Vielfalt als Ressource für das sprachliche und fachliche Lernen gefordert. Hieraus resultieren die Berücksichtigung mehrsprachiger Praktiken im Unterricht sowie die Auffassung, dass es sich bei den sprachlichen Fähigkeiten Mehrsprachiger um ein gesamtsprachliches Repertoire handelt (vgl. Busch 2021; García/Li 2015; Matras 2020). Das Konzept des Translanguaging zielt somit auf eine stärkere Integration und Verknüpfung der verschiedenen Sprachressourcen ab. Gleichzeitig besteht allerdings insbesondere im schulischen Kontext die Befürchtung, mehrsprachige Lernende könnten ihre weitere(n) Sprache(n) dazu nutzen, sich primär über Dinge auszutauschen, die nicht Teil des Unterrichtsdiskurses sind (vgl. Duarte 2019).

Die bisherige Forschung zeigt das allgemeine lernfördernde Potenzial des Translanguaging auf (vgl. u.a. García/Li 2014). Hierbei werden nicht nur das gesamte Sprachrepertoire der Lernenden, sondern auch die durch verschiedene Sprachen repräsentierten Kenntnisse, Lernstrategien sowie -kompetenzen mobilisiert und gefördert. Translanguaging kann somit auch die Lernmotivation erhöhen und so zu einem effektiveren Lernprozess beitragen (vgl. Antón/DiCamilla 1999; Swain/Lapkin 2000; Redder/Krause/Prediger/Uribe/Wagner 2022). Der Großteil dieser Ergebnisse stammt jedoch aus Studien, die sich mit minderjährigen Lernenden im schulischen Kontext befassen (vgl. aber Kalkavan-Aydin 2023). Der Einsatz des Translanguaging in anderen Bildungskontexten sowie bei älteren Lernenden ist bisher vergleichsweise wenig untersucht worden. Die vorliegende Studie zielt darauf ab, erste explorative Erkenntnisse für den Einsatz von Translanguaging bei fortgeschrittenen erwachsenen Lernenden des Deutschen als Fremdsprache zu liefern, deren Erstsprache Mandarin ist. Die Auseinandersetzung mit dieser Gruppe soll Aufschluss darüber geben, ob und wie erfahrenere und in ihrer allgemeinen kognitiven Entwicklung weiter vorangeschrittene Lernende ihr gesamtsprachliches Repertoire (Mandarin, Deutsch sowie Englisch) im Schreibprozess zur Lösung einer kooperativen Schreibaufgabe nutzen.

2 Ausgangspunkt: Mehrsprachigkeitsdidaktik

Die Mehrsprachigkeitsdidaktik basiert maßgeblich auf psycholinguistischen Erkenntnissen (vgl. Riehl 2021), die nicht nur zeigen, dass die Sprachen im Gehirn miteinander vernetzt sind, sondern auch dass beim Erlernen weiterer Sprachen bereits bekannte Sprachen effektiv genutzt werden können. Bei der Mehrsprachigkeitsdidaktik handelt es sich somit um ein integratives Konzept, das die sprachlichen Fähigkeiten mehrsprachiger Individuen als ihr gesamtsprachliches Repertoire versteht. Im Wesentlichen werden damit Konzepte des Multicompetence-Ansatzes und der Dynamic Systems Theory berücksichtigt, wie sie u.a. von Herdina und Jessner (2002) und Larsen-Freeman (2012) vorgeschlagen wurden. Diese Ansätze gehen davon aus, dass, wenn ein mehrsprachiges Individuum ein bestimmtes Konzept oder ein sprachliches Muster in einer Sprache erwirbt, sich dies auch auf die Konzepte und Muster in den anderen Sprachen auswirkt. Im Kontext des Fremdsprachenunterrichts wird dabei häufig auf das Spannungsfeld eines potenziellen Nutzens der L1 für das weitere Sprachlernen bei gleichzeitiger Hinderung für solches hingewiesen. So formulieren etwa Swain und Lapkin (2000: 268): „[T]he use of the L1 should not be prohibited in immersion classrooms, but neither should it be actively encouraged as it may substitute for, rather than support, second language learning.” Somit stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen bzw. zu welchem Zweck Lernende auf ihre L1 zurückgreifen sollten. Im deutschsprachigen Raum wird dieser Frage vor allem im Kontext der Tertiärsprachenforschung nachgegangen, die den Einfluss bereits vorhandener Sprachen auf die Zielsprache untersucht (vgl. Aronin/Hufeisen 2009). Die Tertiärsprachendidaktik (u.a. Hufeisen/Neuner 2003a) schlägt dabei vor allem die Mobilisierung rezeptiver sprachlicher Kompetenzen zur Erschließung zielsprachlicher Strukturen vor. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang das Projekt EuroCom (für Interkomprehension europäischer Sprachen). Hier werden vor allem die lautlichen (und graphematischen) Ähnlichkeiten zwischen etymologisch verwandten Wörtern in verschiedenen Sprachen intensiv genutzt.

Für die praktische Gestaltung von Kommunikation in mehrsprachigen Kontexten verweist der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) auf die Aktivität der Sprachmittlung/Mediation (Europarat 2001: Abschnitt 2.1.3). Mediationsaktivitäten werden dabei als eine Art sprachliche Umformungsstrategie beschrieben, durch die mündliche oder auch schriftliche Äußerungen übersetzt bzw. gedolmetscht werden – dies muss nicht zwangsläufig sprachübergreifend sein, kann es aber. Darauf, dass dies deutlich zu kurz greift, weist der Begleitband des GeR hin, dessen deutsche Version 2020 erschien (Europarat/Rat für interkulturelle Zusammenarbeit 2020).1 Hier wird die Aktivität der Sprachmittlung/Mediation als eine integrative Kompetenz definiert, die weit über die Handlungen Dolmetschen und Übersetzen hinausgeht (vgl. Europarat 2020: 42). So werden drei unterschiedliche Mediationsaktivitäten ausdifferenziert, nämlich die Mediation von Texten, Konzepten und Kommunikation (vgl. ebd.: 113). Während sich die Mediation von Texten noch stark an der Aktivität des Dolmetschens und Übersetzens orientiert, berücksichtigen die anderen beiden Aktivitäten stärker den Aspekt des gemeinsamen kooperativen Handelns (vgl. ebd.). Somit rücken soziale und kulturelle Aspekte stärker in den Vordergrund. Sprachkompetenzen werden damit eng an allgemeine interaktive und soziale Handlungskompetenzen geknüpft.

Dieses Konzept erinnert an Translanguaging. Im Gegensatz zur Mediation wird beim Translanguaging allerdings stärker der eigene, individuelle Nutzen des gesamtsprachlichen Repertoires in Lernprozessen betont als dessen Rolle zur Mediation (vgl. die Definition von Mediation im GeR 2020: 113). Im Lernkontext hat Duarte (2020) die Differenzierung verschiedener Funktionen von Translanguaging vorgeschlagen, die im Folgenden genauer betrachtet werden sollen, um anschließend ihre Übertragung auf den DaF-Kontext zu beurteilen.

3 Eine pragmatisch-pädagogische Perspektive zur Berücksichtigung des gesamtsprachlichen Repertoires: Das pädagogische Translanguaging

Mit dem Translanguaging erfährt ein Ansatz große Popularität, mit dem mehrsprachige Äußerungen beschrieben werden. Vor allem in der angewandten Bildungsforschung und Sprachdidaktik wird häufig von Translanguaging gesprochen, um den flexiblen Wechsel zwischen zwei oder mehreren Sprachen zu erfassen. Eine der gängigsten Differenzierungen stellt die Unterscheidung in ein pädagogisches und ein spontanes Translanguaging dar (vgl. Cenoz/Gorter 2017). Das pädagogische Translanguaging bezieht sich auf die bewusste Einbeziehung mehrerer Sprachen zugunsten eines bestimmten pädagogisch-didaktischen Zwecks. Hingegen fallen unter den Begriff des spontanen Translanguaging die gängigen mehrsprachigen Praktiken inner- und außerhalb des Lernkontexts. Hiermit wird das Konzept des Translanguaging verallgemeinert und auf die authentischen Erfahrungen mehrsprachiger Individuen erweitert. Sie ‚translanguagen‘ ständig und spontan, um ihre mehrsprachige Welt sinnvoll zu gestalten (vgl. García 2009: 45).2 Die Definition des spontanen Translanguaging steht damit erkennbar Konzepten und Modellen der Bilingualismus- und Sprachkontaktforschung gegenüber. So weist etwa Auer (2022) darauf hin, dass die Zusammenfassung verschiedener linguistischer Termini wie Code-Switching oder Transfer, deren Differenzierung auf jahrzehntelanger Forschung beruhen, zu einem übergeordneten Translanguaging mit einem Rückschritt in der Beschreibungs- und Erklärungsadäquatheit einhergeht. Aus diesem Grund steht im Folgenden nicht das sprachtheoretische Verständnis des Translanguaging-Ansatzes im Fokus, sondern dessen sprachdidaktisches Potenzial, das den Einsatz des gesamtsprachlichen Repertoires von Lernenden im Unterrichtskontext fordert. Dabei stehen der gezielte Einsatz mehrerer Sprachen und die Frage nach dem Nutzen im Fokus, den diese als Ressource beim Denken, Problemlösen und Lernen von Sprach- und Fachwissen haben.

Dem pädagogischen Translanguaging ist in jüngster Zeit viel Beachtung geschenkt worden (vgl. Kirsch/Duarte 2020), wenngleich der Nutzen des gesamtsprachlichen Repertoires für den Erfolg sprachlichen Lernens bereits eine lange Forschungstradition hat (u.a. Antón/DiCamilla 1999). Dabei greift der Ansatz erkennbar etablierte Konzepte der Mehrsprachigkeitsforschung auf, indem davon ausgegangen wird, dass Sprachkompetenzen zwischen den Sprachen variieren und Sprachsysteme nicht separat voneinander existieren, sondern stetig miteinander interagieren. So bewegen sich mehrsprachige Individuen fortwährend zwischen Sprachen und sprachlichen Domänen, die durch den Kontext, Themen oder auch die jeweiligen Gesprächspartnerinnen und -partner beeinflusst werden und unterschiedliche sprachliche Kompetenzen erfordern.3

Einen Meilenstein in der Untersuchung zu den Funktionen des Translanguaging stellt die Studie von Duarte (2019) dar. In ihrer Analyse sprachlich heterogener Gruppen konnte sie zeigen, dass ein nicht von der Lehrkraft gesteuertes Translanguaging für kooperatives Lernen im Sachunterricht nützlich ist. Die untersuchten Schülerinnen und Schüler nutzen im Aufgabenlösungsprozess ihr gesamtes Sprachrepertoire. Hierbei stellte Duarte (ebd.) zwei unterschiedliche Funktionen des Translanguaging fest: Eine organisatorische (social-managerial) sowie eine kognitive (cognitively oriented) Funktion. Durch das mehrsprachige Sprechen entwickelte sich das Gespräch zwischen den Schülerinnen und Schülern zu einem explorativen Diskurs (exploratory talk), in dem die Gesprächspartnerinnen und -partner ihr Wissen teilten und gemeinsam neues Wissen generierten (ebd.: 162). Ein Grund hierfür ist die sprachlich-prozedurale Natur des sprachlichen Wissens, die als einigermaßen unabhängig von dem jeweiligen Zeichensystem der einzelnen Sprache gesehen wird. Redder et al. (2022: 316) weisen auf eine sprachübergreifende Vernetzung solcher Prozeduren hin:

Prozeduren [gehen] über ihre einzelsprachliche Charakteristik hinweg in die sprachlich-mentale Prozessierung von komplexeren Äußerungen oder Diskursen [ein]. Ihre zweckbedingte Struktur wird also dynamisch genutzt – sprecher*innenseitig bei der Produktion, hörerseitig beim Verstehen.

Somit kann nach Redder et al. (2022) die Mehrsprachigkeit der Lernenden durch Translanguaging, also den Wechsel zwischen unterschiedlichen sprachlichen Ressourcen, für scheinbar sprachferne Fächer wie Mathematik Ressourcen freisetzen, indem zum Beispiel logische Zusammenhänge sowie die entsprechenden sprachlichen Äußerungen von einer Sprache auf eine andere übertragen, kognitiv bearbeitet und verinnerlicht werden.

In der mehrsprachigen Rede kann das Translanguaging dementsprechend unterschiedliche Funktionen übernehmen. Duarte (2020) unterscheidet in einem lernbezogenen Kontext zwischen der symbolischen und der inhaltsbezogenen Funktion (s. Tab. 1). Durch die symbolische Funktion wird die mit Sprache verbundene Identität vermittelt und die Mehrsprachigkeit der Lernenden anerkannt. Dabei geht es weniger darum, was gesagt bzw. geschrieben wird, sondern eher um die Tatsache, dass bestimmte Sprachen neben der dominanten Sprache verwendet werden (dürfen). Die inhaltsbezogene Funktion ist hingegen durch ihre pragmatische Rolle in der Kommunikation gekennzeichnet. Dazu gehören die unterstützende, die kommunikative sowie die epistemologische Funktion. Durch die unterstützende Funktion wird die Entfernung zwischen vorhandenen Kenntnissen bzw. Lernerfahrungen und dem Lernziel überbrückt und eine sinnvolle Teilnahme am Lernprozess ermöglicht (vgl. García/Li 2015: 229–231). Ein Beispiel dafür ist das Scaffolding (vgl. Duarte 2020). Die epistemologische Funktion erfüllt das Translanguaging, indem es an kognitiven Bearbeitungsprozessen beteiligt ist. So können etwa die Lernenden bei der Besprechung einer Aufgabe ihr gesamtsprachliches Repertoire nutzen, um herauszufinden, wie sie bei der Lösung der Aufgabe vorgehen sollen. Die kommunikative Funktion des Translanguaging beschäftigt sich mit der organisatorisch-interpersonellen Seite des Lernens und wird realisiert, wenn zum Beispiel Lernende durch den Einsatz von Translanguaging ihre gemeinsame Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Thema lenken.

In der Praxis fällt es oft schwer, starre Grenze zwischen diesen Funktionen zu ziehen. In einer Sequenz oder sogar in einer Äußerung können mehrere Translanguaging-Praktiken vorkommen und mehrere Funktionen erfüllt werden. Die folgende Tabelle fasst die oben genannten Funktionen des pädagogischen Translanguaging nach Duarte (2020) zusammen:

Tab. 1: Funktionen eines pädagogischen Translanguaging

4 Translanguaging im DaF-Kontext unter Berücksichtigung des Schreibens in der Fremdsprache

Ein Großteil der bisherigen Forschung über den Einsatz von Translanguaging fand im schulischen Kontext statt und weist hier auf das lernfördernde Potenzial hin (s. u.a. Allgäuer-Hackl/Brogan/Henning/Hufeisen/Schlabach 2015). Dabei handelt es sich um kindliche oder jugendliche mehrsprachige Lernerinnen und Lerner, die neben der weiteren Ausdifferenzierung ihrer Sprachkompetenzen das jeweilige Fachwissen erwerben sowie ihre kognitiven Fähigkeiten erweitern. Für den Einsatz von Translanguaging im DaF-Unterricht mit erwachsenen Lernerinnen und Lernern sind einige Besonderheiten zu beachten. Zunächst kann hier aus einer monolingualen Perspektive argumentiert werden, dass im DaF-Unterricht nur das Deutsche sowohl Unterrichts- als auch Arbeitssprache sein sollte, um eine maximale Berührungszeit mit der Zielsprache zu ermöglichen. Allerdings sollte die Mehrdimensionalität des Lernprozesses im Blick behalten werden. Das Lernen erfordert nicht nur Übungen, sondern auch strategische Lernkompetenz sowie sinnvolle kognitive Beteiligung am Lernprozess, in dem die Lernenden als werdende Zwei- und Mehrsprachige (Emergent Bilinguals, vgl. García/Kleifgen/Falchi 2008) anzusehen sind. Die starre Trennung zwischen Sprachen sowie das Bestehen auf Einsprachigkeit im Unterrichtskontext sind insofern pädagogisch ungünstig. Dennoch ist es das primäre Ziel eines Fremdsprachenunterrichts, die Handlungskompetenz in der Zielsprache zu trainieren, und dafür müssen die Lernenden die Zielsprache verwenden. Translanguaging erscheint hier auf den ersten Blick wenig hilfreich. Die Frage ist also, ob es Bedingungen und Lernaktivitäten gibt, die den Einsatz von Translanguaging im Fremdsprachenunterricht sinnvoll erscheinen lassen. Dieser Frage geht die vorliegende Studie nach, indem untersucht wird, inwiefern die Berücksichtigung des gesamtsprachlichen Repertoires zur Lösung einer kooperativen Schreibaufgabe in der Zielsprache beitragen kann.

Beim kooperativen Schreiben handelt es sich um eine Schreibform, bei der mehrere Personen an demselben Schreibprozess teilnehmen und ein gemeinsames Schreibprodukt erstellen. Im Fremdsprachenunterricht ist das kooperative Schreiben eine gängige Lernaktivität, bei der sich die Lernenden zwischen der Rolle des Produzenten, also des Schreibers, und der des Rezipienten, also des Lesers, bewegen. Grundlage der Zusammenarbeit ist dabei die verbale Kommunikation, in der einerseits inhaltsbezogene Ideen und Konzepte diskutiert werden und andererseits der Schreibprozess koordiniert wird (vgl. Lehnen/Gülich 1997). Dies muss nicht zwangsläufig einsprachig geschehen, sondern kann auch im Sinne des Translanguaging durch den Rückgriff auf das gesamtsprachliche Repertoire erfolgen und somit organisatorische sowie inhaltsorientierte Aspekte übernehmen (vgl. Duarte 2019).

Wie Grießhaber (2018: 19) anmerkt, dient das Modell von Hayes & Flower (1980) nach wie vor als Referenzpunkt, um den Schreibprozess zu erfassen und zu bewerten. Darüber hinaus wurde es für das Schreiben in der Zweitsprache modifiziert (vgl. Grießhaber 2010: 220), wodurch es sich auch für die Betrachtung des fremdsprachlichen Schreibens eignet. Grießhabers (2010) Adaptation behält die grundlegenden Bereiche des Modells bei (Aufgabenumfeld, Langzeitgedächtnis der Schreiberin/des Schreibers sowie die Prozesswerkstatt mit den drei Teilprozessen Planen, Formulieren und Überarbeiten), fokussiert jedoch Spezifika und Herausforderungen des fremdsprachlichen Schreibens (vgl. Grießhaber 2018: 20). Dabei wird angenommen, dass Fremdsprachenlernende häufig bereits über Textproduktionsstrategien in ihrer L1 verfügen, was sowohl zu positivem als auch negativem Transfer führen kann. Börner (1989: 351–352) schlägt in diesem Kontext den Begriff der Regression vor, der die Diskrepanz zwischen dem Ausdruckswillen der Lernenden einerseits und ihren sprachlichen Fähigkeiten andererseits erfasst. Dieses Ungleichgewicht führt seiner Ansicht nach häufig auch zu Frustration im Schreibprozess (vgl. ebd.: 352). Darüber hinaus verfügen Fremdsprachenlernende laut Grießhaber (2010) im Langzeitgedächtnis sowohl quantitativ als auch qualitativ über weniger sprachliches und textschematisches Wissen in der L2, was für die Berücksichtigung von L1-Ressourcen spricht. Der eigentliche Schreibprozess stellt die Lernenden vor allem in den Teilbereichen des Formulierens und Überarbeitens vor Herausforderungen. Das liegt daran, dass bei Schreibenden in der Fremdsprache insbesondere die Bereiche des Wortschatzes und der Grammatik häufig weniger entwickelt sind und dies den Prozess des Formulierens blockieren oder verzögern kann.

Eine Schreibaufgabe in der Fremdsprache stellt somit für die Schreiberinnen und Schreiber eine zusätzliche Herausforderung dar: einerseits müssen sie einen Text produzieren und andererseits den Prozess der Textproduktion steuern, während sie oft über weniger ausgebaute sprachliche Fähigkeiten in der Fremdsprache im Vergleich zu ihrer Erstsprache verfügen. Der Einsatz von Translanguaging kann diesen Prozess unterstützen, da Schreiberinnen und Schreiber durch Translanguaging zusätzliche sprachliche und kognitive Ressourcen mobilisieren können, um den Planungsprozess voranzutreiben. Außerdem schaffen sich die Lernenden durch den Rückgriff auf ihr gesamtsprachliches Repertoire eine sichere sprachliche Basis und tragen somit wesentlich zur Gestaltung ihres Bearbeitungsprozesses bei. Für mehrsprachige Individuen besteht zusätzlich die Möglichkeit, durch Translanguaging ihre ganzheitliche Kompetenz, jenseits der sprachlichen Ressourcen, für das Management und die Durchführung des Schreibprozesses sprachübergreifend zu aktivieren und einzusetzen (vgl. Schmölzer-Eibinger 2011). Dies erweist sich vor allem für Schreiberinnen und Schreiber als sinnvoll, die über ausreichende Textkompetenz verfügen. Die kommunikative Funktion des Translanguaging kann somit dazu beitragen, die einzelnen Arbeitsschritte zu koordinieren, während die epistemologische Funktion es ermöglicht, die Gestaltung des Inhaltes des zu schreibenden Textes zu unterstützen. Inwiefern dies tatsächlich der Fall ist, soll in der nachfolgenden Fallstudie genauer untersucht werden.

5 Fallstudie

5.1 Forschungsfragen und Hypothese

In der vorliegenden Fallstudie werden Translanguaging-Vorkommnisse untersucht, die von Lernenden in einem kooperativen Schreibprozess ohne Anweisung der Lehrkraft getätigt wurden. Dabei galt die Voraussetzung, dass der Wechsel zwischen Sprachen erlaubt ist und zur Bearbeitung einer Aufgabe eingesetzt werden darf. Der Schreibauftrag erfolgte einsprachig auf Deutsch und forderte ein Schreibprodukt, das ebenfalls in deutscher Sprache vorliegen sollte. Ziel der Untersuchung war es, Translanguaging-Praktiken zu dokumentieren und ihre Funktionen im Schreibprozess zu identifizieren. Dazu sind die beiden nachfolgenden Forschungsfragen untersucht worden:

  1. Welche Funktionen übernimmt das Translanguaging, insbesondere der Wechsel ins Mandarin, während des kooperativen Schreibprozesses?

  2. Finden durch Translanguaging vorgenommene Überlegungen tatsächlich Eingang in das Schreibprodukt?

Die erste Forschungsfrage ist von explorativer Natur, da die Rolle der Erstsprache (und des Englischen) im kooperativen Schreibprozess in der Fremdsprache Deutsch bisher wenig erforscht wurde. Als Einschränkung ist hier zu nennen, dass kein Vergleich zu den Funktionen der deutschen Äußerungen vorgenommen wird. Ausgangspunkt für eine Hypothese zu der ersten Forschungsfrage waren die zwei von Duarte (2019) formulierten Kategorien des on-task Translanguaging „organisatorisch“ (social-managerial) und „kognitiv“ (cognitively oriented) (s. Kap. 5.2.2). In Anlehnung daran ist anzunehmen, dass das Translanguaging organisatorische Funktionen zur Koordination des Schreibprozesses sowie kognitive Funktionen zur inhaltlichen Bearbeitung des Textes übernimmt. Weiterhin sind auch off-task Translanguaging-Praktiken in den Gesprächsdaten zu erwarten, deren Anteil im Hinblick auf die Ergebnisse aus Duarte (2019) als gering vermutet wird.

Die zweite Forschungsfrage untersucht exemplarisch, ob Überlegungen, die in Phasen von Sprachwechseln stattfinden, tatsächlich Eingang in das Schreibprodukt finden. Dies kann freilich nicht automatisch als ein lernförderlicher Einfluss des Translanguaging auf das Schreibprodukt gesehen werden, da hierzu ein Vergleich mit einem ausschließlich monolingualen Setting erfolgen müsste. Dennoch wird argumentiert, dass die Lernenden durch den Rückgriff auf ihre Erst- und weitere Fremdsprachen zusätzliche sprachliche und kognitive Ressourcen für den Schreibprozess mobilisieren können, die dann in das Schreibprodukt einfließen.

5.2 Methodik

5.2.1 Probandinnen und Probanden sowie Datenerhebung

Bei der ursprünglichen Studie4 handelt es sich um eine Querschnittstudie, an der insgesamt 52 Probandinnen und Probanden mit der Erstsprache Mandarin teilnahmen, die Deutsch als zweite oder weitere Fremdsprache lernten. Die Hälfte (N = 26) von ihnen befanden sich auf der Niveaustufe B1/B2, die andere Hälfte (N = 26) auf C1/C2-Niveau. Innerhalb der jeweiligen Niveaustufen wurden Lerntandems à 2 Personen gebildet, sodass es für jede Niveaustufe 13 Gruppen gab. Bei allen Lernenden handelte es sich um Studierende (weitere Angaben s. Tab. 2).

Tab. 2: Übersicht über die Probandinnen und Probanden

Parameter Beschreibung
Anzahl 52
Geschlechtsverhältnis 13 männlich (25 %), 39 weiblich (75 %)
Alter im Durchschnitt 23,8 Jahre
Verteilung der Studienfächer 25 (48,1 %) Sprach- und Literaturwissenschaft, 14 (26,9 %) Ingenieurwissenschaft, 8 (15,4 %) Wirtschaftswissenschaft, 5 (10,4 %) andere Geisteswissenschaft
Sprachkenntnisse 52 (100 %) L1 Chinesisch, 26 (50 %) Deutsch auf B1/B2-Niveau nach GER, 26 (50 %) Deutsch auf C1/C2-Niveau nach GER, 52 (100 %) mit Englischkenntnissen, 13 (25 %) mit Kenntnissen anderer Fremdsprachen neben Deutsch und Englisch

Die Probandinnen und Probanden bearbeiteten im Lerntandem kooperativ durch eine Videokonferenz einen Schreibauftrag, der ihrem Sprachniveau entsprach. Dabei wurde eine der Testpersonen aufgefordert, ihren Bildschirm freizugeben, damit das Dokument, in dem der Text geschrieben wurde, während der Bearbeitung sichtbar war. Währenddessen stand ein Versuchsleiter zur Behebung technischer Probleme sowie zur Kontrolle der Bearbeitungszeit im Hintergrund zur Verfügung. Die Schreibaufträge für die B1/B2-Gruppen sowie für die C1/C2-Gruppen wurden der standardisierten DaF-Prüfung ‚Goethe Zertifikat‘5 für Erwachsene entnommen und leicht modifiziert (s. Anhang).

In der ursprünglichen Studie dienten zehn Gruppen als Kontrollgruppen, in denen Translanguaging während der Bearbeitung nicht erlaubt war. Im Fokus der hier vorliegenden Studie stehen die Ergebnisse der restlichen 16 Gruppen. Dabei handelt sich um 8 Gruppen auf der Niveaustufe B1/B2 sowie 8 auf C1/C2. Ihre Gespräche sowie die Entstehung der Schreibprodukte wurden als Video aufgezeichnet und alle Translanguaging-Vorkommnisse nach dem Minimaltranskript des Gesprächsanalytischen Transkriptionssystems 2 (GAT 2) transkribiert.

5.2.2 Analysekategorien

Die Transkriptionen wurden mithilfe der Datenanalysesoftware MAXQDA in zwei Schritten codiert. Dabei liegt der Fokus auf Gesprächssequenzen, in denen mehr als eine Sprache gesprochen wird, nämlich auf den Translanguaging-Vorkommnissen6. Die primäre Codierung basiert auf der prototypischen Typologie in Duarte (2019) und gliedert sich in on-task und off-task Translanguaging. Das on-task Translanguaging wird darüber hinaus noch in ‚Arbeitsorganisation‘ und ‚inhaltsbezogen‘ (kognitionsorientiert) differenziert. Dabei entspricht die Kategorie ‚Arbeitsorganisation‘ Duartes (2019) Kategorie „sozial-organisatorisch“ (social-managerial) und die Kategorie ‚inhaltsbezogen‘ der Kategorie „kognitionsorientiert“ (cognitively oriented). Die beiden Kategorien wurden umbenannt, um den Spezifika des Schreibprozesses gerecht zu werden und ihre Unterkategorien inhaltlich genauer erfassen zu können. Die Differenzierung wird in Abb. 1 veranschaulicht:

Abb. 1: Funktionen von Translanguaging während der kooperativen Aufgabebearbeitung nach Duarte (2019)

Zudem wurde eine weitere Kategorie ‚Sonstiges‘ für schwer zuordenbare Translanguaging-Äußerungen erstellt, um das Problem der Übergeneralisierung zu vermeiden.

In einem zweiten Schritt sind explorativ neue Subkategorien des on-task Translanguaging abgeleitet worden, um die Funktionen der jeweiligen Translanguaging-Äußerungen differenzierter zu erfassen. Für die on-task Funktion ‚Arbeitsorganisation‘ ließen sich auf Grundlage der Daten vier Subkategorien ableiten, für das ‚inhaltsbezogene‘ Translanguaging sind sieben Subkategorien gebildet worden (s. Tab. 3):

Tab. 3: Funktionale Kategorien des on-task Translanguaging

Arbeitsorganisation inhaltsbezogen
Aufgabe voranbringen Argumente und Ideen
Bearbeitungsstrategie Wortschatz
Interpersonales Grammatik und Rechtschreibung
Umgebung Stilistik und Formulierung
Lautes Denken
Sprachreflexion
Struktur

Die Einheit der Codierung wurde funktional bestimmt, d.h. Gesprächssegmente, die als Ganzes eine Funktion realisieren, wurden als eine Einheit codiert. Demzufolge kann sich eine Einheit über Zeilen und Sequenzen erstrecken, sich aber auch nur auf ein Segment in einer Sequenz beziehen. Parallel zur Kategorienbildung fand eine interpretative Inhaltsanalyse der Translanguaging-Vorkommnisse statt. Auf diese Weise wurde die Auswirkung des Translanguaging auf den kooperativen Schreibprozess qualitativ untersucht.

5.3 Ergebnisse

5.3.1 Vorkommnisse von Translanguaging im kooperativen Schreibprozess

Insgesamt wurden 614 Vorkommnisse von Translanguaging in den Daten identifiziert. Hiervon kommen 55,37 % (N = 340) in der Gruppe B1/B2 und 44,63 % (N = 274) bei den C1/C2-Sprecherinnen und Sprechern vor. Von den 614 Translanguaging-Vorkommnissen waren 0,49 % (N = 3) off-task, 96,42 % (N = 592) on-task sowie 3,09 % (N = 19) sonstige Formen von Translanguaging.

Von den 592 on-task Translanguaging-Vorkommnissen tragen 40,37 % (N = 239) arbeitsorganisatorische Funktionen und 59,63 % (N = 353) inhaltsbezogene Funktionen. Dabei zeigen sich einige Unterschiede im Gebrauch des Translanguaging je nach GeR-Niveaustufe.

In den B1/B2-Gruppen wurden insgesamt 325 Translanguaging-Vorkommnisse identifiziert. Davon dienen 43,08 % (N = 140) der Arbeitsorganisation, während 56,92 % (N = 185) inhaltsbezogen sind. In den C1/C2-Gruppen traten insgesamt 267 Translanguaging-Äußerungen auf, wovon 37,08 % (N = 99) arbeitsorganisatorisch und 62,92 % (N = 168) inhaltsbezogen sind. Tab. 4 fasst diese Ergebnisse zusammen:

Tab. 4: Übersicht über die Translanguaging-Vorkommnisse

Translanguaging erfüllt also zu einem Großteil eine on-task Funktion. Dies bestätigt die Ergebnisse von Duarte (2019). Auch im Kontext von Deutsch als Fremdsprache wird Translanguaging primär eingesetzt, um den produktiven Lernprozess zu steuern und die Produktionsaufgabe inhaltlich zu bearbeiten. Für den Arbeitsauftrag irrelevante Translanguaging-Äußerungen kommen nur vereinzelt vor.

5.3.2 Funktionale Kategorien von Translanguaging im kooperativen Schreibprozess

Die qualitative Analyse des on-task Translanguaging hat deutlich gemacht, dass sich dieses noch differenzierter kategorisieren lässt als in die Bereiche ‚Arbeitsorganisation‘ und ‚inhaltsbezogen‘ und dass dies auch vom sprachlichen Kompetenzniveau der Probandinnen und Probanden abhängt. Tab. 5 veranschaulicht die Verteilung der explorativ generierten Subkategorien des on-task Translanguaging. Dabei zeigt sich, dass die Funktionen ‚Wortschatz‘ (14,19 %, N = 84), ‚Argumente und Ideen‘ (14,02 %, N = 83) und ‚Interpersonales‘ (13,34 %, N = 79) die häufigsten Formen des on-task Translanguaging sind.

Tab. 5: Verteilung der on-task-Translanguaging-Funktionen

B1/B2 C1/C2 gesamt Prozentsatz
Arbeitsorganisation Aufgabe voranbringen 23 17 40 6,76 %
Bearbeitungsstrategie 37 29 66 11,15 %
Interpersonales 49 30 79 13,34 %
Umgebung 31 23 54 9,12 %
gesamt 140 99 239 40,37 %
inhaltsbezogen Argumente und Ideen 41 42 83 14,02 %
Grammatik und Rechtschreibung 20 31 51 8,61 %
Lautes Denken 22 11 33 5,57 %
Sprachreflexion 11 11 22 3,72 %
Stilistik und Formulierung 20 33 53 8,95 %
Struktur 19 8 27 4,56 %
Wortschatz 52 32 84 14,19 %
gesamt 185 168 353 59,63 %

Zwischen den Lerngruppen sind Unterschiede in der Frequenz verschiedener Translanguaging-Funktionen zu bemerken. Im Vergleich zu den B1/B2-Gruppen wird bei den C1/C2-Gruppen Stilistik und Formulierung häufiger während der Bearbeitung thematisiert. Der Grund dafür mag sein, dass der C1/C2-Schreibauftrag höhere Anforderungen in Bezug auf die Ausdrucksfähigkeit sowie auf die stilistische Angemessenheit beinhaltet. Die C1/C2-Lerngruppen diskutieren mittels Translanguaging zudem häufiger über Grammatik und Rechtschreibung im Vergleich zu ihren B1/B2-Kommilitoninnen und Kommilitonen. Dies könnte daran liegen, dass die C1/C2-Gruppen beim Schreiben häufiger mit komplexeren grammatischen Phänomenen konfrontiert sind, bei denen sie für eine effizientere Kommunikation auf andere Sprachen, vor allem das Mandarin, zurückgreifen wollen oder müssen. Die Funktion ‚Wortschatz‘ wird hingegen auf B1/B2 häufiger als auf C1/C2 realisiert. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Lernenden auf der Niveaustufe C1/C2 bereits einen umfassenderen Wortschatz erworben haben.

Die Gegenüberstellung der Funktionen der Translanguaging-Vorkommnisse in den Lerngruppen beider Niveaustufen weist darauf hin, dass die Funktion von Translanguaging von der Herausforderung des Schreibauftrags und der Sprachkompetenz der Schreibenden abhängt. Beim Erwerb weiterer, fortgeschrittener Sprachkompetenzen verändert sich also auch die Art und Weise, wie man ‚translanguaget‘.

5.3.3 Funktionen der Kategorien im kooperativen Schreibprozess

Im Folgenden werden die einzelnen Kategorien genauer beschrieben und durch Beispiele erläutert. Die angeführten Beispiele sind als Prototypen der jeweiligen Kategorien anzusehen, die die Kernmerkmale der Kategorien veranschaulichen. Beide Funktionen, ‚Aufgabe voranbringen‘ und ‚Bearbeitungsstrategie‘, beziehen sich auf die Steuerung des Schreibprozesses. Äußerungen in der Kategorie ‚Aufgabe voranbringen‘ beschäftigen sich mit dem unmittelbar nächsten Schritt der Bearbeitung und treiben somit den Schreibprozess voran, wie Beispiel 1 zeigt:

1 EV: ämm 然后 (.) 还有 (.) 还可以写啥呢 (.) 就是 (-) 我们写了两个例子
übersetzt: und, noch, was können wir noch schreiben? also, wir haben zwei Beispiele genannt
FC: hmm
EV: ämm
FC: 然后就应该写下一个问题了吧我们应该 (-) 就正好一半的时间
ü.: dann sollten wir die nächste Frage aufschreiben, sollten wir, genau die Hälfte die Zeit
EV: okay

Tanslanguaging-Äußerungen, die sich der Subkategorie ‚Bearbeitungsstrategie‘ zuordnen lassen, erstrecken sich über den aktuellen Moment hinaus und legen die weiterführenden Methoden und Strategien im Schreibprozess fest, indem etwa die Sprecherin die Aufgabe aufteilt wie in Beispiel 2:

2 DC: […] 然后 (.) 你可以 (.) 你可以做这个 (.) 纺织品和那个布的 (-) 还有这个(.) plastik 写这一段吧 然后我把这一段写完之后写einleitung 和那个 (.) 那个schluss
ü: dann, kannst du, kannst du das machen, Textilien und das Tuch, und die, Plastik, schreib bitte diesen Abschnitt, und wenn ich mit diesem Abschnitt fertig bin, schreibe ich die Einleitung und den, den Schluss
DB: okay (.) okay

In der Kategorie ‚Interpersonales‘ richtet sich die Äußerung direkt an den Gesprächspartner. Translanguaging wird hier für die interpersonale Kommunikation eingesetzt, um den Gesprächspartner direkt anzusprechen, Hilfe, Bestätigung oder Rückmeldung zu erbeten bzw. diese zu geben oder eine freundliche Stimmung während der Zusammenarbeit zu erzeugen. Für den Schreibprozess sind solche Äußerungen zwar nicht essenziell, sie sind aber aufgrund der Kommunikationsorientierung charakteristisch für das kooperative Schreiben. Dies zeigt sich in Beispiel 3.

3 FM: […] 但是 (.) 这个生词你觉得你能写出来吗 (.) 或者你有 (.) 你有什么更好的想法 (.) 去写
ü.: aber denkst du, du kannst es ausdrücken, mit diesen fremden Wörtern, oder hast du andere bessere Idee für das Schreiben?

Die letzte Subkategorie im Bereich ‚Arbeitsorganisation‘ betrifft die ‚Umgebung‘. Zur Umgebung des Schreibprozesses gehören nach Hayes und Flower (1980: 11) äußere Komponenten wie der Schreibauftrag, der bisher geschriebene Textentwurf, das Schreibmedium und Hilfsmittel sowie andere Rahmenbedingungen. In die Kategorie ‚Umgebung‘ fallen somit Translanguaging-Äußerungen, die solche Themen beinhalten. Beispiel 4 veranschaulicht dies:

4 DH: okay (.) 没有字数限 (.) 没有字数要求 (.) 有字数要求h°
ü.: keine Wortanzahlgrenz-, keine Wortanzahlanforderung, gibt es eine Vorgabe zur Wortanzahl?
DU: 没有吧
ü.: ich glaube nicht
DH: (lacht)

Translanguaging-Äußerungen, die sich unmittelbar mit dem Textinhalt befassen, gehören zur Kategorie ‚inhaltsbezogen‘. In die Subkategorie ‚Argumente und Ideen‘ fallen dabei Äußerungen, in denen inhaltliche Stichpunkte wie Meinungen, Beispiele und Konzepte zum Ausdruck gebracht werden. Die Schreiberinnen und Schreiber stimmen miteinander ab, worüber sie in dem Text schreiben, und überprüfen die Vorschläge auf Logik und Relevanz (s. Beispiel 5):

5 CG: es gibt auch einen vorteil (1,5) emm (.) es ist billig
CF: emm oder günstig
CG: <<auf Englisch> yes> (-) [ämm]
CF: [aber](.) es ist schlecht für die umwelt
CG: ja_a (1,5) ämmm aber (.) aber (.) ämmm (.) wenn man (-) ämm (mit/nicht) (.) wenn man nicht_amm plastik benutzt (.) kann man auch (--) ämm (1,5) ämm (---) 布袋子7 benutzen
ü.: Stofftasche, Jutebeutel
[…]
CG: ja (2) oder (1,5) äm (.) kann man (.) ämm kann man (.) ämm (.) ämm (.) wenn äm (-) jedes mal (-) ins (.) supermarkt gehen (--) ämm (.) bringen sie (1,5) eine (1) ämm (2,5) eine (2) tasche (.) selbst

In die Subkategorie ‚Wortschatz‘ fällt die Vokabelsuche (was ist das Wort für X) sowie Diskussionen über die semantische Bedeutung eines Wortes (was bedeutet das Wort X; s. Beispiel 6):

6 CD: sehr (-) hygenisch8
BX: was
CD: emm (.) 卫生的 (1) also
ü.: hygienisch
BX: 怎么拼呀
ü.: wie buchstabiert man das?
CD: hy-ge-ni-sch (1,5) em nein (.) hy <<überrascht> eh>
BX: ah (.) hee (.) hy (.) okay
CD: hy

In Beispiel 6 wird zwar auch die Schreibweise des Wortes thematisiert, dies ist allerdings als organischer Teil der Diskussion über das für Proband BX unbekannte Wort hygienisch anzusehen. Aus diesem Grund wird die Diskussion als eine holistische Einheit der Subkategorie ‚Wortschatz‘ zugeordnet.

Die Subkategorie ‚Grammatik und Rechtschreibung‘ umfasst Äußerungen, die der Frage nachgehen, ob das Geschriebene der grammatischen und/oder orthographischen Norm der deutschen Sprache entspricht. Kennzeichnend für diese Kategorie ist die Richtig-oder-falsch-Diskussion (s. Beispiel 7).

7 EL: denn的后面是直接接
ü.: Nach „denn“ kommt direkt…
(2,5)
ED: hmm
EL: 主语对吧
ü.: das Subjekt, oder?
(1,5)
ED: 对 (-) 直接一个新句子
ü.: ja, einfach ein neuer Satz

Wenn der Fokus der Diskussion auf der Angemessenheit des Ausdrucks liegt, wird die Äußerung in die Subkategorie ‚Stilistik und Formulierung‘ eingegliedert. In solchen Äußerungen (s. Beispiel 8) hat die Sprecherin oft zum Ziel, sich auf eine stilistisch geeignete und abwechslungsreiche Weise auszudrücken:

8 AT: wie sagen wir (3) die (.) 老人 (--) wie können wir (--)(mit)
ü.: Senior, älterer Mensch
AB: (lacht)
AT: anderem wort ältere menschen sagen

In solchen Äußerungen dient Translanguaging auch häufig dazu, eine Idee zum Ausdruck zu bringen, die dann in die Zielsprache übertragen werden kann. Somit befindet sich diese Kategorie an der Schnittstelle zwischen Inhalt und Ausdrucksweise. Dies zeigt noch einmal Beispiel 9:

9 FC: nach sie ämm rente (---) 他们退休之后怎么说 nach sie
ü.: wie sagt man „wenn sie in Rente sind“
EV: hmm
FC: in einem bestimmten alter in rente gehen

Zur Subkategorie ‚Lautes Denken‘ gehören Äußerungen, die der Schreiber beim Denken unbewusst tätigt. Solche Äußerungen begleiten den Denkprozess und gewähren damit einen Einblick in die mentale Aktivität des Sprechers. Manche dieser Äußerungen signalisieren lediglich, dass sich der Sprecher mental im Schreibvorgang befindet, während andere hingegen konkretere Informationen darüber liefern, wie der Schreiber mit dem zu lösenden Problem umgeht. Im Beispiel 10 spricht FH mit sich selbst:

10 FH: (schreibt auf den Bildschirm) neuen (---) um (1,5) welt (-) freund (-) liche (.) stoffe (3) 唉不对 (---) ämm 那个是什么 (.) verpackungen
ü.: ach nein, es stimmt nicht. was ist das?

Diese Äußerung veranschaulicht die Tatsache, dass FH nach einem Wort oder einer geeigneten Formulierung sucht. Wie sie zur der Schlussverfolgung „es stimmt nicht“ kam, ist anhand der Äußerung nicht herauszufinden. Im Vergleich dazu ist der Denkprozess von DH in Beispiel 11 deutlicher zu erkennen. Beim Schreiben fällt ihr ein, dass das Wort Alter neutral ist, und sie korrigiert dementsprechend ihren Text.

11 DH: ämm 不对不对alter刚才说是 (.) 中性的ein bestimm (---) te eine bestimm (---) tes (--) rente (---) alter (--) festgesteʔ
ü.: nein nein, wir haben gerade gesagt, „Alter“ ist neutral

Die Subkategorie ‚Sprachreflexion‘ beinhaltet Translanguaging-Äußerungen, in denen die Sprecherin über den aktuellen Schreibauftrag hinausgeht und über Sprache generell sowie ihre eigene Sprachverwendung und das Sprachlernen auf einer Metaebene reflektiert. Solche Äußerungen sind Belege dafür, dass Sprachbewusstheit Teil des Schreibprozesses ist. Dies lässt sich an Beispiel 12 erkennen:

12 FC: […](1,5) <<lächelnd> 我这有点错乱> (.) 对 (1,5) 很多词 (.) 忘记了 (.) 但是就是那个 (.) 对
ü.: ich bin ein bisschen durcheinander ja, viele Wörter habe ich vergessen, aber das ist, ist dieses, ja
EV: okay

Schließlich beschäftigen sich Translanguaging-Äußerungen auch mit Aspekten des Textaufbaus sowie der Kohärenz. Hierfür ist die Subkategorie ‚Struktur‘ gebildet worden. In solchen Äußerungen kommunizieren die Schreiberinnen und Schreiber über die Reihenfolge der Sätze sowie der Abschnitte und prüfen den Text auf Kohärenz, wobei sie kaum neue Inhalte in den Text einführen. Konnektoren, Floskeln sowie Übergangssätze werden in solchen Aushandlungsprozessen auch mit einer Betonung der logischen und sprachlichen Kohärenz verbunden. Beispiel 13 belegt einen solchen Fall:

13 DZ: welche meinung (-) 接下来就是 (3,5) meinung (4)
ü.: und dann kommt es zu
EE: 这个是可以是其他的 (.) andere möglichkeiten (-) 吗
ü.: kann es hier andere, sein?
DZ: oder (-) ämm 我们再写一句 (.) 关于这种现象的meinung
ü.: wir schreiben noch einen Satz über unsere Meinung zu solchem Phänomen

Wie dargelegt wurde, erfüllt das on-task Translanguaging ein breites Spektrum unterschiedlicher Funktionen. Dabei greifen diese im Schreibprozess in den meisten Fällen ineinander und sind somit nicht losgelöst voneinander (für eine detaillierte Analyse hierzu vgl. Pu 2023). Es wird deutlich, dass Tanslanguaging, also der flexible Wechsel vom Deutschen in die Erstsprache Mandarin (und teilweise auch ins Englische) zum einen vor allem zur Übersetzung und Aushandlung von Inhalten genutzt wird. Dies ähnelt stark der im GeR (Europarat/Rat für interkulturelle Zusammenarbeit 2020: 129) vorgeschlagenen Kompetenz der Mediation von Konzepten. Zum anderen zeigen sich mit den inhaltsbezogenen Kategorien ‚Lautes Denken‘ und ‚Sprachreflexion‘ auch vor allem für den Schreibprozess relevante Funktionen, die stärker den Nutzen des gesamtsprachlichen Repertoires für das Individuum betonen.

5.3.4 Der Einfluss des Translanguaging auf das Schreibprodukt

Translanguaging tritt oftmals nicht in isolierten Äußerungen auf und ist nicht auf funktionale Einheiten beschränkt, sondern verbindet diese häufig miteinander. Damit trägt der Sprachwechsel oft dazu bei, die Diskussion dynamisch voranzubringen, den Schreibprozess zu steuern und so Einfluss auf das Schreibprodukt zu nehmen. Durch Translanguaging werden zusätzliche sprachliche sowie kognitive Ressourcen für beide Gesprächspartnerinnen und -partner zur Verfügung gestellt, die bei der Fokussierung auf Einsprachigkeit inaktiv bleiben würden. Dies soll exemplarisch anhand zweier Beispiele erläutert werden, die prototypisch für die Daten sind.

Im nachfolgenden Beispiel 14 stößt Probandin EL beim Äußern ihrer Meinung zunächst auf ein ihr unbekanntes Wort (schattierter Bereich in den Zeilen 13 und 14). Mittels Translanguaging nennt sie zunächst das gesuchte Wort auf Englisch und nutzt dieses erneut, indem sie sich an Probandin ED wendet. In Zeile 15 führt EL ihre Formulierung zu Ende, indem sie das englische Wort community als Platzhalter für das gesuchte deutsche Wort Gemeinschaft verwendet. Nach kurzer Überlegung und möglicherweise mithilfe der Paraphrasierung in Zeile 15 fällt ED das Wort Gemeinschaft ein (Zeile 19), und die Lernenden können die Diskussion abschließen und ihr Ergebnis verschriftlichen.

14 im Gespräch:
13 EL: ämm ich (.) ich würde sagen (.) in eine (---) <<auf Englisch> community> (.) was ist community auf deutsch
14 ED: community (-) waʔ wa ist es
15 EL: ah vielleicht daʔ das giʔ das giʔ da das gibt (---) den älteren menschen auch eine geFÜHL (.) sie sind in einer (--) community (.) [aber nicht allein] (.) sie sind
16 ED: [hmm]
17 ED: ahh [(unverständlich, 0,2)]
18 EL: [aber] (-) ich weiß nicht
19 ED: <<fragend> gemeinschaft>
20 EL: ah gemeinschaft (.) ja
Im geschriebenen Text:
Deshalb wenn die älteren Menschen etwas Interesses miteinander zusammen machen, gibt es ihnen ein Gefühl der Gemeinschaft, statt sich allein zu füllen [sic!].

Beispiel 15 fängt ebenfalls mit der Suche nach einem Wort an. In den Zeilen 38 bis 40 diskutieren beide Probanden durch den Wechsel ins Mandarin über ein Wort, bei welchem es sich um ein Adjektiv handelt und das die Bedeutung von „Geld“ hat. In Zeile 42 wechselt ED vom Deutschen ins Mandarin und versucht so mittels Translanguaging, den Satz neu zu formulieren. An dieser Stelle hilft das Translanguaging den Probanden, ihr Formulierungsproblem in zwei Teilprobleme zu zerlegen. Sie können durch Translanguaging auf ihre gemeinsame Erstsprache zurückgreifen und ihre Ideen austauschen und danach zu dem sprachlichen Problem zurückkehren. In Zeile 46 übernimmt EL dann die Formulierungsaufgabe und macht einen Vorschlag, der auch für EL akzeptabel ist.

15 im Gespräch:
38 EL: ämm 金钱 (.) 金钱的 (.) <<lachend> 金钱怎么说>
ü.: Geld, monetär, wie sagt man monetär
39 ED: 金钱 (.) geld吗9
ü.: monetär, meinst du Geld?
40 EL: ahh 形容词(lacht) [ahh 经济10 ahh
ü.: Adjektiv Wirtschaft, wirtschaftlich
41 ED: [ämmmm]
42 ED: weil sie schon eine (--) 你说衣食无缺那种
ü.: du meinst etwa, dass man keine Sorge um Essen und Kleidung hat?
43 EL: ja
44 ED: ämmm
45 (2,5)
46 EL: <<fragend> wirtschaftliche sicherung>
47 ED: hmm
48 EL: h° [(das ist nicht)] eine (1,5) eine (2,5) ämm sicherung
49 ED: [(lacht)]
50 EL: [hat]
51 ED: [ah (unverständlich, 0,2)]
52 EL: eine was
53 ED: über eine sicher (--) sichere (--) sicher mit (--) adjektiv (-) und
54 EL: (sicher) (.) (sichere)
55 ED: ämm (-) [grundlage]
56 EL: [leben]
57 ED: grundlage für die familie
58 EL: ahhh (so) (schreibt auf den Bildschirm)
Im geschriebenen Text:
Danach muss man nicht regelmäßig arbeiten, weil sie schon ein sicheres Leben und Grundlagen für die Familie hat.

Die Beispiele zeigen, dass Translanguaging zur Problemlösung im kooperativen Schreibprozess wirksam eingesetzt werden kann und tatsächlich Eingang ins Schreibprodukt findet. Wenn der Wechsel zur Erstsprache und weiteren Fremdsprachen erlaubt ist, haben Lernende die zusätzliche Möglichkeit, auf einen großen Teil ihres sprachlichen Repertoires zurückzugreifen und dadurch weitere Ressourcen zur Bearbeitung der Schreibaufgabe zu nutzen.

6 Diskussion und Ausblick

Der große Teil der Translanguaging-Vorkommnisse konnte als on-task Translanguaging bestimmt werden. Somit lassen sich die mehrsprachigen Äußerungen klar einem pädagogischen Translanguaging zuordnen, mit dem das Ziel verfolgt wird, die Aufgabenstellung zu lösen. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Beobachtungen aus Duarte (2019) und kann erneut die Befürchtung als unbegründet zurückweisen, mehrsprachige Lernende würden ihre weitere(n) Sprache(n) dazu nutzen, sich primär über Dinge auszutauschen, die nicht Teil des Unterrichtsdiskurses sind. Allerdings standen die Studienteilnehmerinnen und ‑teilnehmer während des Schreibens unter zeitlichem Druck und wurden somit indirekt dazu aufgefordert, die on-task-Kommunikation zu priorisieren, um am Ende der Bearbeitungszeit ein fertiges Schreibprodukt abliefern zu können. Bei einer zeitlich freier gestalteten Lernaktivität sind Abweichungen in der Herangehensweise der Lernenden an den Auftrag und dementsprechend in ihrer Kommunikation zu erwarten. Dies gilt allerdings genauso für die monolinguale Kommunikation in der Zielsprache.

Weiterhin konnte die Untersuchung zeigen, dass sich die on-task-Funktionen des Translanguaging in Arbeitsorganisationsfunktionen und inhaltsbezogene Funktionen unterteilen lassen. Dies entspricht Duartes (2019) Kategorisierung in die zwei Subkategorien „sozial-organisatorisch“ und „kognitionsorientiert“. Diese Parallele zeigt, dass eine solche Unterscheidung zwischen den on- und off-task-Funktionen des Translanguaging eine gewisse Allgemeingültigkeit besitzt und auf weitere Lernkontexte übertragbar ist.

Eine differenziertere Analyse der Arbeitsorganisationsfunktionen führte zu vier Subkategorien, nämlich Aufgabe voranbringen, Bearbeitungsstrategie, Interpersonales sowie Umgebung, während sich die inhaltsbezogenen Funktionen in weitere sieben Subkategorien differenzieren ließen: Argumente und Ideen, Grammatik und Rechtschreibung, Wortschatz, Stilistik und Formulierung, Lautes Denken, Struktur sowie Sprachreflexion. Diese aus der qualitativen bottom-up Analyse hervorgegangene Differenzierung erscheint insofern schlüssig, als sich hierin die Bestandteile des Schreibprozessmodells (v. a. Hayes/Flower 1980 sowie Grießhaber 2010 und 2018) widerspiegeln. So lassen sich die verschiedenen Funktionen des Translanguaging im Schreibprozess den Phasen der Planung, der Umsetzung und der Überarbeitung zuordnen. Dabei bewegen sich die Probandinnen und Probanden während des Schreibens flexibel von einer Phase zur nächsten und ‚translanguagen‘ jeweils zweckgemäß.

Die Vielfalt der inhaltsbezogenen Funktionen des Translanguaging zeigt weiterhin, dass es an verschiedenen kognitiv anspruchsvollen epistemologischen Aktivitäten beteiligt ist. Der Rückgriff auf das gesamtsprachliche Repertoire, vor allem auf die L1 Mandarin, erfolgt nicht nur in Form einer Übersetzung von einer Sprache (hier entweder Mandarin oder Englisch) ins Deutsche, sondern auch durch die Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache in einer anderen Sprache sowie durch die introspektive Reflexion über Sprache und den eigenen Sprachgebrauch. Die Schreiberinnen und Schreiber formulieren, kommentieren und verbessern ihre Phrasen, Sätze und Textteile, die sie auf Deutsch geschrieben haben, hinsichtlich der Grammatikalität und der Sprachangemessenheit, aber führen solche Sprechakte in einer anderen Sprache (oder durch das Mischen mehrerer Sprachen) durch.

Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass die durch Translanguaging mobilisierten Ressourcen die Basis für die weitere Bearbeitung sowie Problemlösung bieten und in das Schreibprodukt einfließen können. Dabei überschreitet die Diskussion oft die Grenzen zwischen Sprachen und verschiedenen Aspekten des Schreibprozesses. Dies deutet darauf hin, dass die Sprachkenntnisse, selbst die sprachspezifischen Sachkenntnisse wie Wortschatz und grammatische Regeln, für mehrsprachige Individuen mehrdimensional miteinander vernetzt sind. Translanguaging stellt für sie kein monofunktionelles Werkzeug zur Lösung einer einzelnen Aufgabe dar, sondern ermöglicht es ihnen, über die Grenzen zwischen Sprachen sowie zwischen deren Teilaspekten hinauszugehen und den Schreibprozess als ganzheitlichen Prozess zu steuern. Für die unterrichtliche Praxis bedeutet es auch, dass Translanguaging ein vielversprechender Ansatz für die Förderung der allgemeinen sprachübergreifenden Schreib- sowie Lernkompetenz darstellt.

Die vorliegende Untersuchung lässt allerdings eine Vielzahl von Fragen unbeantwortet. So konnten zwar erste Einblicke in die Rolle von Sprache(n) als soziale Denkweise und Werkzeug des Lehrens und Lernens gegeben werden und hier das Tranlanguaging als wichtige Strategie identifiziert werden, allerdings ließe sich die Analyse der Gespräche noch vertiefen. So könnten mittels einer soziokulturellen Diskursanalyse (Mercer 2004) die in den Translanguaging-Äußerungen realisierten Sprechakte erfasst und kategorisiert werden. Dies könnte weiteren Aufschluss darüber geben, wie Wissen (mehr)sprachlich konstruiert wird, eine gemeinsame Verständnisebene etabliert wird und so eine Problemstellung kooperativ gelöst wird.

Darüber hinaus wird nur ein Teil des Denkprozesses im kooperativen Schreiben verbalisiert, und zwar, wenn die Schreiberinnen und Schreiber miteinander kommunizieren. Somit ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl der kognitiven Aktivitäten in der vorliegenden Studie unberücksichtigt bleiben. Diese könnten ebenfalls aufschlussreich für die Erklärung der Rolle des Translanguaging im Schreibprozess sein. Um diese zu analysieren, wäre eine qualitative Studie anhand von Laut-Denken-Protokollen sinnvoll. Schließlich konnte durch die vorliegende Analyse nicht beantwortet werden, ob das Translanguaging tatsächlich zu qualitativ hochwertigeren Schreibprodukten geführt hat. Hierzu hätte der Vergleich mit den Ergebnissen der Kontrollgruppe im Fokus stehen müssen.

Primäres Ziel der Studie war es, zu untersuchen, welche Funktionen Translanguaging während des Schreibprozesses mehrsprachiger Schreiberinnen und Schreiber mit der Erstsprache Mandarin erfüllt. Dazu war es auch von Interesse, ob durch Translanguaging vorgenommene Überlegungen tatsächlich Eingang in das Schreibprodukt finden. Es hat sich gezeigt, dass durch den Rückgriff auf das Mandarin (sowie in einigen Fällen auch auf das Englische) unterschiedliche organisatorische Funktionen zur Koordination des Schreibprozesses sowie kognitive Funktionen zur inhaltlichen Bearbeitung des Textes unterstützt werden. Weiterhin ist exemplarisch gezeigt worden, dass Überlegungen, die in Translanguaging-Phasen auftraten, als generierte Schreibinhalte Eingang in das Schreibprodukt fanden oder auch als Hilfsmittel zur Steuerung des Schreibprozesses dienten. Gerade die Funktionen der Reflexion des Prozesses und die Sprachreflexion auf einer Metaebene bieten Ansätze, zukünftige Schreibaufgaben im DaF-Unterricht prozessorientiert zu gestalten.

Notes

  1. Der Begleitband ist das Ergebnis eines von der EU geförderten Projekts (2014-2016), das zur Weiterentwicklung und Überarbeitung des GeR in seiner Version von 2000/2001 diente. Es wurden zahlreiche Skalen korrigiert und teilweise auch neue Skalen entwickelt. Hierzu zählt u.a. auch die Entwicklung von Deskriptoren für Mediation (s. auch Reimann 2019). [^]
  2. Aus Sicht der Befürworter eines solchen Verständnisses von Translanguaging handelt es sich nicht nur um eine neue Theorie zweisprachiger Erziehung und des Bilingualismus, sondern um ein neues Verständnis von Sprache (vgl. Otheguy/García/Reid 2015: 284). Statt von Sprache als einer sozial-historisch konstruierten Entität auszugehen, steht deren Rolle als Wissensrepertoire im Fokus (vgl. ebd.). Dabei wird davon ausgegangen, dass das Konzept von Sprache für das Individuum nicht existiert. Hierzu haben sich eine Reihe einflussreicher Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler kritisch positioniert (s. die Beiträge in MacSwan 2022). [^]
  3. Während in diesem Punkt innerhalb der Mehrsprachigkeitsforschung Einigkeit besteht, wird die Frage kontrovers diskutiert, inwiefern die verschiedenen Sprachen Mehrsprachiger eine eigene kognitive Realität aufweisen. Dies kann hier nicht weiter vertieft werden. Die unterschiedlichen Positionen hierzu finden sich u.a. bei García (2017) sowie Auer (2022). [^]
  4. Die Daten sind im Zuge des Masterarbeitsprojekts von Frau Pu erhoben worden (vgl. Pu 2023). [^]
  5. Online verfügbar unter: https://www.goethe.de/pro/relaunch/prf/materialien/B2/b2_modellsatz_erwachsene.pdf (B1/B2), https://www.goethe.de/pro/relaunch/prf/materialien/C1/c1_modellsatz.pdf (C1/C2) [Stand: 15.02.2024]. [^]
  6. Die Sprachmischungsäußerungen und ihre Funktionen hätten auch im Kontext der Sprachkontaktforschung als (funktionales/psycholinguistisches) Code-Switching, ad-hoc Entlehnung oder Transfer analysiert werden können. Dies ist bewusst nicht gemacht worden, um die von Duarte (2019) für den Lernkontext vorgeschlagenen Kategorisierungen auf ihre Übertragbarkeit auf den DaF-Kontext zu überprüfen. [^]
  7. Eine wortgetreue Übersetzung wäre ‚Tuch-Tasche‘. [^]
  8. Die Testperson meinte das Wort hygienisch, hat aber das Wort abweichend ausgesprochen. [^]
  9. 吗 kennzeichnet, dass es ein Fragesatz ist. [^]
  10. Vom Kontext her kann die Wortart nicht erschlossen werden. [^]

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Anhang

Der Schreibauftrag für die B1/B2-Gruppen lautet:

Sie schreiben einen Forumsbeitrag zur Verschmutzung der Umwelt.

  • - Äußern Sie Ihre Meinung zu Plastikverpackungen im Alltag.

  • - Nennen Sie andere Möglichkeiten, Dinge im Alltag zu verpacken.

  • - Vergleichen Sie: Welche Verpackung ist besser? Warum?

Schreiben Sie zusammen mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin einen vollständigen Text.

Bearbeiten Sie alle drei Teilaufgaben.

Denken Sie an eine Einleitung und einen Schluss.

Sie haben für diese Aufgabe zirka 30 Minuten Zeit.

Der Schreibauftrag für die C1/C2-Gruppen lautet:

Auch nach dem Eintritt ins Rentenalter gehen viele ältere Menschen einer Beschäftigung nach. Äußern Sie Ihre Meinung dazu. Gehen Sie dabei auf folgende Punkte ein:

  • - Warum üben Ihrer Meinung nach Rentnerinnen und Rentner noch eine Beschäftigung aus?

  • - Halten Sie starre gesetzliche Regelungen, nach denen man in einem bestimmten Alter in Rente gehen muss, für sinnvoll? Warum?

Schreiben Sie zusammen mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin einen vollständigen Text.

Berücksichtigen Sie alle Inhaltspunkte.

Denken Sie an die Struktur des Textes.

Sie haben für diese Aufgabe 30 Minuten Zeit

Kurzbio

Dr. Nikolas Koch ist Akademischer Rat a. Z. am Institut für Deutsch als Fremdsprache der Ludwig-Maximilians-Universität München und vertritt dort die Professur für Deutsch als Fremdsprache mit dem Schwerpunkt Spracherwerb in mehrsprachigen Kontexten. Im Zentrum seiner Forschung steht die Untersuchung sprachlicher Muster in mehrsprachigen Spracherwerbsszenarien und die didaktischen Implikationen, die sich daraus ergeben.

Beiqi Pu (M.A.) hat an der Ludwig-Maximilians-Universität München Deutsch als Fremdsprache studiert und sich im Rahmen ihrer Masterarbeit mit dem Thema Translanguaging im kooperativen Schreibprozess beschäftigt. Ihr Forschungsinteresse liegt in der Mehrsprachigkeitsdidaktik.

Anschrift:

Ludwig-Maximilians-Universität München

Institut für Deutsch als Fremdsprache

Ludwigstr. 27

80539 München

Koch@daf.lmu.de

Authors

  • Nikolas Koch orcid logo (LMU München)
  • Beiqi Pu

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