Skip to main content
Rezensionen

Rezension: Fohr, Tanja (2021): Integrierte Sprachbildung im Fach Kunst. Eine Studie zur Sekundarstufe I, Klasse 5. Berlin: Walter de Gruyter.

How to Cite:

Rezension: Fohr, Tanja (2021): Integrierte Sprachbildung im Fach Kunst. Eine Studie zur Sekundarstufe I, Klasse 5. Berlin: Walter de Gruyter (2023): Rezensiert von Nadja Stenzel. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 28: 2, 335–338. https://doi.org/10.48694/zif.3740.

Die Relevanz von Sprache und Sprachbildung für den schulischen Unterricht wurde in den letzten Jahren in verschiedenen Studien für unterschiedliche Fächer vielfach untersucht (vgl. u.a. Michalak/Lemke/Goeke 2015; Ahrenholz 2010). Ein zentrales Ergebnis hierbei ist, dass „Sprache und Fachunterricht untrennbar miteinander verbunden [sind]“ (Woerfel/Giesau 2018: 2). Die Aufgabe der Sprachbildung wird als „Querschnittsaufgabe aller an schulischer Bildung Beteiligten und durchgängiges Unterrichtsprinzip in allen Fächern, Lernbereichen und Lernfeldern“ (Kultusministerkonferenz 2019: 6) wahrgenommen. Als besonders wichtig wird hierbei erachtet, „die Herausforderung ernst zu nehmen, dass man die relevanten sprachlichen Anforderungen nicht ad hoc spezifizieren kann“ (Prediger 2019: 19) und dass „eine breitere und konsequentere empirische Fundierung gegenstandsspezifischer fach- und sprachintegrierter Lehr-Lern-Arrangements“ stattfinden muss (ebd.).

An diese Forderungen schließt Tanja Fohr mit ihrer Dissertation zum Thema Integrierte Sprachbildung im Fach Kunst an. In ihrer Arbeit verfolgt sie den Ansatz der Praxisforschung, indem sie nicht nur als Lehrende ihren Unterricht plant und umsetzt, sondern ebendiesen auch beforscht und reflektiert. Dabei steht die Frage im Fokus „inwieweit Sprachbildung in den Unterricht integriert werden muss und kann, damit alle Schüler/innen die fachlichen und damit verbundenen sprachlichen Bildungsziele erreichen können“ (S. 537). Die Arbeit gliedert sich in eine theoretisch fundierte Planung der sprachbildenden Unterrichtsstunden unter Berücksichtigung aller dafür relevanten Themenfelder und die Durchführung, Beforschung und Auswertung dieser geplanten Stunden. Der Fokus liegt dabei auf der Integration von Sprachbildung zum Erreichen der fachlichen und den damit verbundenen sprachlichen Zielen.

Im ersten Teil Planungsgrundlagen für den Kunstunterricht geht Tanja Fohr auf die beiden großen Teilbereiche Ihres Themas ‒ den Kunstunterricht und die Sprachbildung ‒ sowie Prinzipien und Merkmale guten Unterrichts und ihr methodisches Vorgehen ein. Der Kunstunterricht wird im Hinblick auf Inhalte und Bildungsstandards allgemein und des Landes Hessen im Konkreten beleuchtet. Hierbei wird die Entwicklung von Bildkompetenz(en) als zentrales Ziel des Kunstunterrichts beschrieben, die „durch den Umgang mit Bildern und [die] wechselseitigen, sich durchdringenden gestalterischen, rezeptiven und reflexiven Prozesse (…)“ (S. 42) entwickelt werden können. Dabei kommt den drei Handlungsfeldern Produktion, Rezeption und Reflexion eine besondere Rolle zu, da „[d]as schöpferische Handeln in allen drei Bereichen (…) zu einer Erweiterung der Bildkompetenz führen [kann]“ (ebd.). Auch der Zusammenhang zwischen Kunst und Sprache wird in diesem Kapitel behandelt und aktuelle Forschungsergebnisse, die als Grundlage für das Forschungsvorhaben herangezogen werden, beschrieben. Tanja Fohr macht hierbei deutlich, dass der Bereich der Kommunikation über und zu Bildern und Kunst im Allgemeinen noch immer wenig erforscht ist, zugleich aber als wesentliche Voraussetzung zum Verständnis der Inhalte im Kunstunterricht angesehen wird.

Die Bedeutung von Sprache, Sprachkompetenzen und Sprachbildung wird ebenfalls in einem Kapitel des ersten großen Teilbereichs der Arbeit dargestellt. Neben der allgemeinen Relevanz von Sprachkompetenzen für den Bildungserfolg und der Unterscheidung der im Bildungskontext relevanten sprachlichen Register stellt Tanja Fohr hier die Konzepte und Kriterien der durchgängigen Sprachbildung und des sprachsensiblen Fachunterrichts vor. Hieraus leitet sie drei Checklisten zur (I.) Sprachbildung im Allgemeinen, (II.) den sprachlichen Herausforderungen zur Bildungs-, Schul- und Fachsprache und (III.) den sprachsensiblen Unterricht nach den Leitlinien des Scaffoldings ab, um daraus die „Kriterien zur Planung und Auswahl der Unterrichtsstunden aus dem Bereich der fachintegrierten Sprachbildung“ (S. 168) für ihren Unterricht zu bestimmen und diesen fundiert und nachvollziehbar darzustellen.

Tanja Fohr schließt mit ihrer Forschung und der entsprechenden Auswahl der Methodik, die im vierten Unterkapitel genau beschrieben wird, an den Ansatz der Praxisforschung in Schule an, der das grundlegende Ziel der „Verbesserungen in der Praxis“ (Klewin/Tillmann 2019: 3) zugrunde liegt. Ziel ist die Lösung von Problemen der pädagogischen Praxis, die Einbindung der Forschenden in die Praxis, die praktische Verwendung der Ergebnisse sowie das Verständnis der Ergebnisse als Möglichkeiten der Professionalisierung von Lehrkräften (vgl. ebd.). Diese Kriterien charakterisieren auch die Arbeit von Tanja Fohr. In diesem Kapitel werden die beiden Instrumente zur Beurteilung des Sprachstandes der Schüler/innen vorgestellt, durch die die Auswahl der Lernenden für die Lerngruppen, in denen der sprachbildende Unterricht durchgeführt werden soll, getroffen wird. Hierbei wird in drei fünften Klassen jeweils die Profilanalyse nach Grießhaber und ein C-Test durchgeführt und drei Gruppen aus jeweils acht Lernenden mit einem sprachlichen Förderbedarf gebildet. Auf Grundlage der Aspekte zum Kunstunterricht und zur Sprachbildung werden Ziele, Lernschritte und die konkrete Planung der Unterrichtsphasen in den jeweiligen Stunden beschrieben, reflektiert und analysiert. Darüber hinaus stellt Tanja Fohr in diesem Kapitel schriftliche sowie künstlerische Produkte ihrer Schüler/innen vor, die als Datenquelle zu konkreten Fragen nach Verständnis und Umsetzung der Aufgabenstellungen dienen.

Die Planung und Durchführung der fachintegrierten Sprachbildung stellt den zweiten großen Teil der Arbeit dar, der im Oberkapitel Unterrichtsforschung zur integrierten Sprachbildung im Fach Kunst Rechnung getragen wird. Die Rahmenbedingungen der Forschung werden hier systematisch beschrieben, indem zum einen eine genaue Aufstellung ausgewählter Merkmale der Schüler/innen erfolgt und zum anderen das Thema der Unterrichtseinheit analysiert und im Hinblick auf die konkrete Planung zur Einbettung des Inhalts beschrieben, reflektiert und analysiert wird. Der Darstellung der didaktisch-methodischen Überlegungen und der Planung sowie der Reflexion und Analyse wird hierbei differenziert für die beiden Bereiche der (Bild-)Rezeption und der (Bild-)Produktion sehr viel Raum gegeben, wodurch nicht nur der geplante und der tatsächliche Ablauf der Stunden transparent gemacht wird, sondern auch die dahinterstehenden fachlichen und didaktischen Überlegungen transparent werden. Tanja Fohr gib einen detaillierten Einblick in ihre Unterrichtsstunden, indem sie unter anderem Gesprächsausschnitte aus den Stunden, die konkreten Arbeitsaufträge sowie die (veränderte) Raumgestaltung bei verschiedenen Arbeitsformen, die verwendeten Materialien und dazugehörigen Aufgaben und die Ergebnisse der Schüler/innen ausführlich beschreibt und durch Abbildungen, Tabellen und Übersichten ergänzt. Dadurch erhalten die Leser/innen einen umfangreichen Einblick in die Stunden und damit in das Forschungsfeld. Abgeschlossen wird dieses Kapitel durch die Darstellung und Reflexion der Ergebnisse der Praxisforschung unter Berücksichtigung der Zusammenführung der beiden Bereiche Sprachbildung und Kunstunterricht. Hierbei geht Tanja Fohr noch einmal explizit auf ihre Planung und Umsetzung der fachintegrierten Sprachbildung im Unterricht ein und reflektiert ihr methodisches Vorgehen. In der Schlussbetrachtung wird die Bedeutung von Sprache als eine wichtige Voraussetzung für die Rezeption und Produktion von Inhalten im Kunstunterricht noch einmal deutlich hervorgehoben und die Notwendigkeit der Integration einer fachintegrierten Sprachbildung beschrieben, damit alle Schüler/innen erfolgreich am (Kunst-)Unterricht teilnehmen können.

Die Arbeit von Tanja Fohr gibt einen detaillierten und zugleich sehr gut verständlichen Einblick in die Möglichkeiten der Sprachbildung im Kunstunterricht. Durch die genaue Beschreibung ihrer beiden zugrundeliegenden Themenfelder Kunstunterricht und Sprache und Sprachbildung in ebendiesem, ermöglicht sie es, die Grundlagen ihrer Forschung gut nachzuvollziehen – auch für fach- oder schulfremde Leser/innen. Auch die genaue Beschreibung ihres methodischen Vorgehens und der konkreten Planung und Umsetzung ihres Unterrichts, in der die Rahmenbedingungen wie die Schülerschaft, der Unterrichtsgegenstand der ausgewählten Stunden und die zugrundeliegenden unterrichtlichen Überlegungen erläutert werden, tragen dazu bei, die Ergebnisse der Arbeit gut zu verstehen und in einen sinnvollen Kontext einordnen zu können. Die Dissertation von Tanja Fohr gibt eine gute Orientierung, wie gelungene Praxisforschung aussehen kann, in der die forschende Person ihren eigenen Unterricht betrachtet und dabei alle Grundlagen und Schritte ihrer Planung, Umsetzung und Reflexion für außenstehende Leser/innen transparent und begreiflich macht. Tanja Fohr leistet damit einen wichtigen Beitrag im Forschungsfeld der Sprachbildung im schulischen Fachunterricht, mit dem sie nicht nur die Relevanz ebendieser für alle Schulfächer unterstreicht, sondern gleichzeitig auch fundiert und gut nachvollziehbar konkrete Möglichkeiten und Herausforderungen der Integration von Sprachbildung im Fachunterricht ‒ am Beispiel des Fachs Kunst ‒ darstellt.

Literatur

Ahrenholz, Bernt (Hrsg.) (2010): Fachunterricht und Deutsch als Zweitsprache. 2. Aufl. Tübingen: Narr Francke Attempto.

Klewin, Gabriele & Tillmann, Klaus-Jürgen (2019): Lehrer*innenforschung, Praxisforschung und Forschendes Lernen – Ein Bericht über Bielefelder Erfahrungen. PraxisForschungLehrer*innenbildung 1 (1), 1–19.  http://doi.org/10.4119/pflb-3172.

Kultusministerkonferenz (2019): Bildungssprachliche Kompetenzen in der deutschen Sprache stärken. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2019/2019_12_05-Beschluss-Bildungssprachl-Kompetenzen.pdf (10.07.2023).

Michalak, Magdalena; Lemke, Valerie & Goeke, Marius (2015): Sprache im Fachunterricht. Eine Einführung in Deutsch als Zweitsprache und sprachbewussten Unterricht. Tübingen: Narr Francke Attempto.

Prediger, Susanne (2019): Welche Forschung kann Sprachbildung im Fachunterricht empirisch fundieren? In: Ahrenholz, Bernt; Jeuk, Stefan; Lütke, Beate; Paetsch, Jennifer & Roll, Heike (Hrsg.): DaZ-Forschung. Deutsch als Zweitsprache, Mehrsprachigkeit und Migration. Band 18. De Gruyter: Berlin, 19‒40.

Woerfel, Till & Giesau, Marlis (2018): Sprachsensibler Unterricht. Köln: Mercator-Insti- tut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache (Basiswissen sprachliche Bildung).

Nadja Stenzel, Universität Paderborn

nadja.stenzel@uni-paderborn.de

Authors

  • Nadja Stenzel (Universität Paderborn)

Download

Issue

Information

Rubrik

ZIF 28: 2
Rezensionen

Metrics

  • Views: 272
  • Downloads: 58

File Checksums

(MD5)
  • XML: 5f75de8e30bff76635e6ae0e10e860c0
  • PDF: 774d4c4698ac810d476eee21b5b7e847

Table of Contents