1 Einleitung
Sprachliche Rechte, die für viele weitere Menschenrechte eine Grundbedingung darstellen (vgl. Phillipson/Skutnabb-Kangas 1995), sind weltweit von gesellschaftlichen Machtverhältnissen abhängig. Insbesondere Minderheitensprachen, die nicht als National- oder Amtssprache anerkannt sind, werden stark von soziopolitischen Faktoren geprägt. Diese wirken sich auf den allgemeinen Sprachgebrauch und den Erhalt der Sprache aus (vgl. Brehmer/Mehlhorn 2018: 34–35; Ghosh 2017: 91; Öpengin 2012: 152; Polinsky/Scontras 2020: 5), indem das gesellschaftlich zugeschriebene Sprachprestige Einfluss auf die individuellen Spracheinstellungen nimmt (vgl. De Swaan 2001: 6; Montrul 2016: 123).
Statistisch bleiben sprachliche Minderheiten oft unsichtbar: Auch in Deutschland wird in offiziellen Statistiken (z.B. des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge) nicht nach Ethnie oder Erstsprache, sondern meist nach Nationalität gefragt. Sprachliche Minderheiten wie Kurd*innen werden unter den Nationalitäten verschiedener Staaten subsummiert (z.B. türkisch, syrisch, irakisch) und dadurch politisch und gesellschaftlich meist nicht berücksichtigt.
Welchen Einfluss soziopolitische Bedingungen und Veränderungen im Herkunftsland auf eine Diaspora haben, ist in Art und Umfang noch weitgehend unbekannt (vgl. Kroon/Kurvers 2020: 445). Vermutet wird, dass unterschiedliche Grade der Toleranz und Diskriminierung in der Ausprägung der individuellen Spracheinstellung auch in der Diaspora sichtbar sind. Daher untersucht der vorliegenden Artikel den Einfluss verschiedener soziopolitischer Gegebenheiten in den Herkunftsländern auf die individuellen Spracheinstellungen der kurdischen Sprachgemeinschaft in Deutschland. Dafür wurden Kurd*innen der ersten und zweiten Migrationsgeneration zu ihren Spracheinstellungen gegenüber ihrer Erstsprache Kurmancî-Kurdisch befragt. Um herauszufinden, ob Unterschiede in Abhängigkeit vom Herkunftsland erkennbar sind, wurden die Teilnehmer*innen in drei unabhängige Gruppen (Herkunftsländer Türkei, Syrien und Irak) eingeteilt. Außerdem wurde analysiert, ob sich die soziopolitischen Voraussetzungen in den Herkunftsländern auf die Spracheinstellungen der ersten und zweiten Migrationsgeneration unterschiedlich auswirken.
2 Theoretischer Hintergrund
Kurdisch wird als nordwest-iranische Sprache (vgl. Sheyholislami 2015: 31) im westlichen Iran, Nord-Irak, der östlichen Türkei sowie Nord-Syrien von mindestens 25 bis 30 Millionen Menschen gesprochen (vgl. Öpengin 2020: 460). Auch als Makro-Sprache bezeichnet, werden unter dem Begriff Kurdisch verschiedene Varietäten zusammengefasst. Einen eindeutigen Konsens über die Abgrenzung der Varietäten und deren Status als eigenständige Sprachen oder Dialekte gibt es bisher nicht (vgl. Barry 2019: 40), weshalb im vorliegenden Artikel der Begriff der Varietät bevorzugt wird.
Eine gängige Einteilung der Varietäten des Kurdischen identifiziert fünf Hauptvarietäten: Kurmancî, Soranî, Südkurdisch, Zazakî und Goranî (vgl. Sheyholislami 2015: 30). Von diesen ist Kurmancî gemessen an der Anzahl der Sprecher*innen die größte Varietät (vgl. Öpengin 2020: 460) und wird in allen kurdischen Gebieten von ungefähr 65 % aller kurdischsprachigen Personen gesprochen (Sheyholislami 2015: 31). Der Fokus der vorliegenden Studie liegt daher auf dieser Varietät des Kurdischen.
2.1 Sprachprestige und Spracheinstellungen
Sprachen befinden sich weltweit in sozialen und politischen Machtgefügen (vgl. Öpengin 2012: 152). Gesellschaftliche Strukturen sowie historische Entwicklungen bedingen entscheidend das wahrgenommene Prestige einer Sprache (vgl. De Swaan 2001: 6). Zusätzlich prägt eine utilitaristische Sicht den wahrgenommenen Wert einer Sprache anhand der Verwertbarkeit auf dem „sprachlichen Markt“. De Swaan (2001: 4) stellt diese Dynamiken in einem Modell dar: Dazu teilt er die Sprachen in einen Kern und eine Peripherie ein, abhängig vom kommunikativen Wert und Prestige der Sprachen. Nach Schätzungen De Swaans (2001: 5) befinden sich 98 % aller heute gesprochenen Sprachen in der Peripherie und stellen somit Minderheitensprachen dar. Ihnen gegenüber stehen Mehrheitssprachen, die als aufgrund von zahlenmäßiger Überlegenheit und/oder politischer Machtposition als gesellschaftliche Norm angesehen werden (vgl. Limberger/Kürschner/Altenhofen/Mozzillo 2020: 894). Die marginalisierte Position der Minderheitensprachen kann sowohl historisch gegeben (autochthon) als auch durch Migration (allochthon) entstanden sein (vgl. O’Rourke 2020: 1). Für Sprecher*innen dieser Sprachen besteht meist die Notwendigkeit der Verwendung einer Mehrheitssprache zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wodurch sie selten monolingual bleiben (vgl. Limberger et al. 2020: 895).
Das Sprachprestige beeinflusst viele weitere Faktoren des Erwerbs und Erhalts von Minderheitensprachen. Da schon ab dem frühen Kindesalter die Minderheitensprache in Konkurrenz mit der Mehrheitssprache steht (vgl. Montrul 2008: 101), können bei Minderheitensprachensprecher*innen häufiger Attritionserscheinungen beobachtet werden (vgl. Schmid 2011: 73). Je höher das Prestige einer Sprache, desto leichter fällt die Weitergabe dieser über die Generationenfolge hinweg (vgl. Adegbija 2000: 82–83). Zusätzlich weist Brizić (2007: 335) nach, dass Minderheitensprachen im deutschsprachigen Kontext, die wie das Kurdische schon im Herkunftsland prestigearm sind, eher aufgegeben werden als im Herkunftsland anerkannte Nationalsprachen.
Montrul (2016: 119–123) identifiziert theoriegeleitet die durch das Sprachprestige beeinflussten individuellen Spracheinstellungen als entscheidenden Faktor für die Entwicklung der Minderheitensprache. Aus der sozialpsychologischen Einstellungsforschung in die Linguistik übertragen (vgl. Lee 2018: 124), werden Spracheinstellungen als erlernte bzw. erworbene positive und negative Vorurteile gegenüber einer Sprache und ihren Sprecher*innen definiert (vgl. Garrett 2010: 20; Ghosh 2017: 88). Der Grundannahme folgend, dass Einstellungen eine dauerhafte und relativ stabile Prädisposition gegenüber einem Gegenstand darstellen, können sie modelliert und messbar gemacht werden (vgl. Tucker 2020: 10). Dabei ist das Multikomponentenmodell, welches die Spracheinstellungen in drei Komponenten einteilt, besonders weit verbreitet (vgl. Soukup 2019: 90). Es besteht aus der affektiven Komponente, der kognitiven Komponente und der Verhaltenskomponente (vgl. Garrett 2010: 23). Gefühle und Emotionen wie Stolz oder Loyalität, die mit einer Sprache assoziiert werden, sind in der affektiven Komponente zusammengefasst. Überzeugungen und Wahrnehmungen der Sprecher*innen, die eher als objektive Informationen gelten können, fallen unter die kognitive Komponente. Diese zeigen sich z.B. in den wahrgenommenen Vor- oder Nachteilen der Sprache. Die Verhaltenskomponente fasst die tatsächliche Verwendung der Sprache (z.B. die Sprachwahl in Situationen, in denen eine freie Wahl möglich ist) zusammen (vgl. Garrett 2010: 23). Obwohl eine Abgrenzung der Komponenten in der Realität nicht aufrechtzuerhalten ist (vgl. König 2014: 26), bietet sich die o.g. Modellierung an, um der Komplexität des Phänomens Rechnung zu tragen.
Die Wichtigkeit der Spracheinstellungen für (allochthone) Minderheitensprachen und deren Erhalt und Weitergabe betonte Fishman bereits 1980 (zitiert nach Lee 2018: 126). Positive Einstellungen der Sprecher*innen einer Minderheitensprache tragen dazu bei, dass Maßnahmen zum Erhalt der Sprache ergriffen werden (vgl. Ghosh 2017: 91–92). Auf der anderen Seite führen negative Einstellungen gegenüber der Minderheitensprache dazu, dass die Sprachgemeinschaft aufgrund des fehlenden Zusammengehörigkeitsgefühls auseinanderbricht und die Sprache eher aufgegeben wird (vgl. Ghosh 2017: 92; Schmid/Yılmaz 2018).
Die oben beschriebenen hauptsächlich affektiven Faktoren sind v.a. für Herkunftssprachen entscheidend. Diese stellen einen besonderen Fall von Minderheitensprachen dar (vgl. Olfert 2019: 59). Definiert wird die Herkunftssprache als eine für Sprecher*innen besonders wichtige und mit dem kulturellen Hintergrund verbundene Sprache, die hauptsächlich zu Hause ungesteuert erworben wird und von der Mehrheitssprache abweicht (vgl. Rothman 2009: 156; Tucker 2020: 8). Herkunftssprachensprecher*innen bilden eine heterogene Gruppe bi- oder multilingualer Personen, die eine Minderheitensprache in einem mehrheitssprachlichen Kontext erwerben und im Erwachsenenalter meist in der Nationalsprache ihres Wohnortes dominant sind (vgl. Lohndal/Rothman/Kupisch/Westergaard 2019: 4; Montrul 2011: 159). Staatliche oder institutionelle Unterstützung ist dabei oft nicht vorhanden. Der Erwerb findet vornehmlich mündlich und in intimem Register statt (vgl. Montrul 2016: 122). Meist umfasst diese Definition die zweite oder spätere Migrationsgenerationen1. Größtenteils treffen die Bedingungen der Herkunftssprachen ebenfalls auf Sprecher*innen des Kurdischen als Minderheitensprache zu. Auch außerhalb des Migrationskontextes wird das Kurdische v.a. in den städtischen Gebieten der Herkunftsländer (mit Ausnahme von der Autonomen Region Kurdistan im Nord-Irak) unter den oben beschriebenen Bedingungen erworben. Deshalb lassen sich wichtige Erkenntnisse über die Bedingungen der Herkunftssprachen auch auf die Situation der kurdischen Sprachgemeinschaft übertragen.
Es zeigt sich, dass der Erhalt der Minderheitensprache zwar nicht auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Grin 2016: 37; Ubalde/Heyman 2021: 34; Wickström/Templin/Gazzola 2018: 20–21), aber dennoch für das Selbstbewusstsein und die mentale Entwicklung der Sprecher*innen eine große Rolle spielen kann (vgl. Sheyholislami/Sharifi 2016: 95). Ebenso kann der Erhalt der Herkunftssprache kognitive Ressourcen wie Problemlösekompetenz und Aufmerksamkeitssteuerung stärken (vgl. u.a. Bialystok 2009; Bialystok/Craik/Luk 2012; Emmorey/Luk/Pyers/Bialystok 2008; Moreno/Bialystok/Wodniecka/Alain 2010; Oomen-Welke 2006). Zusätzlich steht fest, dass eine aktive Unterstützung der Sprache durch den Staat wichtig ist, da die Sprachverwendung innerhalb der Familie oft allein nicht ausreicht, um den Erhalt der Sprache zu sichern (vgl. Grenoble/Singerman 2014: 6; Wee 2010: 48).
2.2 Kurdisch als Minderheitensprache
Das kurdische Volk ist eine in dem als Kurdistan bekannten Gebiet ethnische und linguistische Minderheit (vgl. Ahmed 2010: 76–77). Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ihr Siedlungsgebiet aufgeteilt, sodass die Kurd*innen heute v.a. in der Türkei, im Iran und Irak sowie in Syrien leben (vgl. Keskin 2017: 44). Diese kurdischen Gebiete werden auch nach den vier Himmelsrichtungen als Bakur (türkische Region, kurdisch „Norden“), Rojhilat (iranische Region, kurdisch „Osten“), Başûr (irakische Region, kurdisch „Süden“) und Rojava (syrische Region, „Westen“) bezeichnet. Zusätzlich leben kleinere Gruppen im Libanon, in Armenien, Aserbaidschan und Gebieten der ehemaligen Sowjetunion (vgl. Engin 2019: 5).
Obwohl die Kurd*innen im Mittleren Osten die viertgrößte Sprachgemeinschaft darstellen, mangelt es an offizieller Anerkennung und staatlicher Unterstützung (vgl. Haig/Mustafa 2019: 145). Als autochthone Minderheitensprache befindet sich Kurdisch nach De Swaans (2001) Modell in der Peripherie. Allein in der Autonomen Region Kurdistan im Norden Iraks ist Kurdisch Amts- und Mehrheitssprache. Im deutschen Kontext ist Kurdisch eine allochthone Minderheitensprache, die gesetzlich kein Recht auf staatliche Unterstützung besitzt.
In den verschiedenen Nationalstaaten haben die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen großen Einfluss darauf, wie sich die kurdische Sprache im jeweiligen nationalen Kontext entwickelt (vgl. Öpengin 2015: 2). Nachfolgend werden neben der Diaspora die verschiedenen politischen Entwicklungen in der Türkei, in Syrien und im Irak betrachtet, da diese die drei Staaten sind, aus denen die Teilnehmer*innen der untersuchten Stichprobe stammen.
2.2.1 Türkei
Innerhalb der Grenzen der heutigen Republik Türkei leben ca. 20 Millionen Kurd*innen (vgl. Institut Kurde de Paris 2017), die mit ca. 25 % der Gesamtbevölkerung die größte autochthone Minderheit im Land bilden (vgl. Nergiz 2019: 25; Öney 2015: 16). Von diesen sprechen ca. 8 bis 15 Millionen Menschen die Kurmancî-Varietät (vgl. Haig/Öpengin 2018: 157).
Die Behandlung der Kurd*innen in der Türkei geht u.a. auf die Gründungsideologie von 1923 zurück, deren Ziel die Etablierung eines neuen, rein türkischen Staates war (vgl. Ahmed 2010: 60). Dabei sollte die türkische Ethnie mit allen Mitteln geschützt und durch Homogenisierung und „Türkifizierung“ (Kaya 2011: 17) der Zusammenhalt im Land gesichert werden (vgl. Haig/Öpengin 2018: 224). Alle nicht-türkischen Ethnien wurden als Bedrohung dessen wahrgenommen (vgl. Jongerden 2017: 2). Fast über das gesamte 20. Jahrhundert hinweg bestand für die Kurd*innen in der Türkei ein Kontext der kulturellen und sprachlichen Unterdrückung (vgl. Strohmeier/Yalçın-Heckmann 2016: 265). Zusätzlich wurde den Kurd*innen ihre ethnische Identität mehrfach abgesprochen (vgl. Ciğerli 2000: 81). Skutnabb-Kangas und Phillipson charakterisieren die gesellschaftlichen und politischen Strukturen in der Türkei des 20. Jahrhunderts als Linguizid (2008: 677) und werden durch Arbeiten von Bayır (2013), Hassanpour (2012), O’Driscoll (2014) und Zeydanlıoğlu (2012) unterstützt.
Nach fast 70 Jahren des offiziellen Verbots fand seit den 1990ern bis heute auch aufgrund internationalen Drucks eine schrittweise Legalisierung der kurdischen Sprache statt (Güneş/Zeydanlıoğlu 2014: 9; Haig/Öpengin 2018: 223): Seit 2014 ist Unterricht auf Kurdisch in Privatschulen und vereinzelt als Fremdsprache im Schulsystem wieder möglich (vgl. Sheyholislami 2015). Auch Fernseh- und Radiosender dürfen auf Kurdisch senden. Die Sichtbarkeit des Kurdischen im öffentlichen Leben in der Türkei hat wieder zugenommen.
Dennoch bestehen weiterhin eher negative Einstellungen gegenüber der Sprache innerhalb der türkischen Bevölkerung (vgl. Öpengin 2012: 160). Coşkun, Derince und Uçarlar (2011) beobachten eine Stigmatisierung und Ablehnung gegenüber der kurdischen Sprache unter Schüler*innen und Lehrkräften. Zeyneloğlu, Sirkeci und Civelek stellen außerdem einen Sprachwechsel vom Kurdischen zum Türkischen v.a. unter gebildeten, jüngeren Kurd*innen in türkischen Großstädten fest (2016: 44). Eine Interviewstudie von Çağlayan (2014) dokumentiert, dass viele der Eltern, die selbst kurdisch-türkisch bilingual aufgewachsen sind, Kurmancî nicht an ihre Kinder weitergeben. Im Gegensatz dazu berichtet Çağlayan (2014: 105) aber auch von einem wachsenden Bewusstsein über die sprachliche Situation und die Zunahme der Maßnahmen, die zum Erhalt der Sprache ergriffen werden.
2.2.2 Syrien
In Syrien leben ca. 2 Millionen Kurd*innen, die die Kurmancî-Varietät des Kurdischen sprechen und ungefähr 10 % der Gesamtbevölkerung ausmachen (vgl. Öpengin 2020: 460).
Unter dem französischen Kolonialismus zwischen 1920 und 1941 wurden den Kurd*innen in Syrien zunächst einzelne sprachliche Freiheiten wie Radiosendungen und Veröffentlichungen auf Kurmancî gewährt (vgl. Strohmeier/Yalçın-Heckmann 2016: 171). Das Sprechen des Kurdischen wurde geduldet, Beschulung in dieser Sprache aber nicht ermöglicht (vgl. Hassanpour 2012: 56). Ab 1958 wurde unter einer dem Panarabismus folgenden Baath-Regierung ein Verbot der kurdischen Sprache erlassen, welches bis 2011 offiziell galt. Zusätzlich wurde die Staatsbürgerschaft vieler Kurd*innen in den 1960er Jahren mit neuer Gesetzgebung als unrechtmäßig erklärt, womit auch der Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung für die kurdische Bevölkerung erschwert wurde (vgl. Ahmed 2010: 192).
Im Zuge des Arabischen Frühlings ab 2011 übernahm die Kurdische Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat) die Macht in den kurdischen Gebieten im Norden des Landes (vgl. Strohmeier/Yalçın-Heckmann 2016: 178). 2012 konnte dort Kurmancî als Amtssprache, Unterrichtssprache und in den Medien eingesetzt werden (vgl. Sheyholislami/Sharifi 2016: 80). Nach der Verteidigung der Stadt Kobanê 2014 durch kurdische Truppen gegen Kämpfer des Islamischen Staates wurde eine Selbstverwaltung in der Region Rojava in Nord-Syrien ausgerufen (vgl. Keskin 2017: 57).
Die Situation der kurdischsprachigen Bevölkerung in Syrien hat sich v.a. nach 2011 im Hinblick auf Rechte und sprachliche Freiheiten verbessert. Die zukünftigen Entwicklungen sind jedoch noch unsicher. Während die syrische Regierung ihren Herrschaftsanspruch über die nordsyrischen Gebiete noch nicht aufgegeben hat, wird die autonome Region Rojava besonders seit 2016 immer wieder von der türkischen Armee angegriffen (vgl. Allsopp/Van Wilgenburg 2019). Linguistische Erkenntnisse über die Vitalität des Kurmancî in den kurdischen Gebieten Syriens fehlen bisher.
2.2.3 Irak
Im Irak gibt es ca. 7 Millionen Kurd*innen, die 20 % der Gesamtbevölkerung ausmachen (vgl. Jongerden 2017: 3). Sie sind in Sprecher*innen der beiden Varietäten Kurmancî und Soranî aufgespalten (vgl. Ahmed 2010: 80), von denen Erstere mit ca. 1 Millionen Sprecher*innen zahlenmäßig unterlegen sind (vgl. Haig/Mustafa 2019: 147). Zusätzlich sind die Soranî-Sprecher*innen über das letzte Jahrhundert hinweg stärker in der nationalen Politik aktiv gewesen als die Kurmancî-Sprecher*innen (vgl. Hassanpour 2012: 56).
In den 1920er Jahren wurde Soranî unter britischem Kolonialismus zunächst regional als offizielle Sprache zugelassen und Zeitungen sowie Grammatiken und Schulbücher konnten veröffentlicht werden (vgl. Strohmeier/Yalçın-Heckmann 2016: 126). Trotzdem kam es immer wieder zu Konflikten zwischen der arabischen und kurdischen Bevölkerung im Land. In den 1960er Jahren wurde den Kurd*innen das Recht auf die Verwendung der Muttersprache im Unterricht gewährt und eine kurdische Universität in Sulaimaniya gegründet (vgl. Öpengin 2015: 4). Allerdings blieb die offizielle Anerkennung der Sprache aus und die gesetzlich geltenden Rechte wurden nicht konsequent durchgesetzt. Der Höhepunkt andauernder brutaler Auseinandersetzungen zwischen der arabischen Regierung und der kurdischen Bevölkerung wurde 1988 mit dem Giftgasangriff auf die kurdische Stadt Halabdscha erreicht, welcher von Human Rights Watch als Genozid eingestuft wird (vgl. Strohmeier/Yalçın-Heckmann 2016: 140).
Nach Ende des dritten Golf-Krieges wurde schließlich eine regionale kurdische Regierung in der irakischen Autonomen Region Kurdistan eingesetzt (Öpengin 2015: 5), die 2005 in einer neuen nationalen Verfassung gestärkt wurde. Zusätzlich erhielt Kurdisch den Status als zweite Amtssprache. Da allerdings bis heute keine der beiden Varietäten offiziell als Standard festgelegt ist, konkurrieren Soranî und Kurmancî regional miteinander (vgl. Skutnabb-Kangas/Sheyholislami/Hassanpour 2012: 182). Innerhalb der Autonomen Region Kurdistan ist dabei die Kurmancî-Varietät, die dort eher als mündliche Varietät gilt (vgl. Haig/Mustafa 2019: 147; Hassanpour 2012: 66), benachteiligt.
Linguistische Erkenntnisse gibt es trotz der sprachlichen Freiheiten für Kurd*innen im Land wenige. Vermutet werden kann, dass die Vitalität des Kurdischen relativ hoch ist (vgl. Öpengin 2015: 5). Haig und Mustafa (2019: 163) weisen sprachliche Unterschiede zwischen den Generationen unter der kurdischen Bevölkerung in Duhok im Irak nach: Die ältere Bevölkerung verwendet weitaus weniger Kurdisch als die jüngere Generation. Bezüglich der Spracheinstellungen der Kurd*innen im Irak zeigte sich, dass zwar gute Kurdischkenntnisse für die kurdische Identität von der jungen Generation als sehr wichtig eingeschätzt werden. Im Gegensatz dazu wird aber die Notwendigkeit des Schulunterrichts in kurdischer Sprache als gering wahrgenommen (vgl. Haig/Mustafa 2019: 163).
2.2.4 Diaspora
Außerhalb der ursprünglich als Kurdistan bezeichneten Gebiete im Mittleren Osten bilden emigrierte Kurd*innen eine globale Diaspora (vgl. Wahlbeck 2019: 2). Entscheidend für die Bevölkerung in der Diaspora ist dabei der Bezug zum Heimatland (vgl. Kroon/Kurvers 2020: 444–445), welches ein existierendes Land aber auch eine gemeinsame Idee sein kann, die Zusammenhalt gibt (vgl. Wahlbeck 2019: 2). Für die kurdische Diaspora ist dies Kurdistan, welches kein offiziell anerkannter Staat ist, aber nach van Bruinessen (2000: 2) zu einem tatsächlichen politischen Ideal gewachsen ist.
Soziopolitische Veränderungen im Herkunftsland, im Aufnahmeland sowie in transnationalen Verbindungen können die Dynamiken innerhalb der Diaspora verändern (vgl. Alinia/Wahlbeck/Eliassi/Khayati 2014: 54; Kroon/Kurvers 2020: 445). Daher ist davon auszugehen, dass die (historischen) politischen Entwicklungen im Iran, Irak, in der Türkei und in Syrien v.a. in Form von Kriegen, Genoziden und Vertreibung die Kurd*innen in der Diaspora beeinflussen (vgl. Wahlbeck 2019: 21).
Die in Deutschland lebende kurdische Diaspora ist mit ungefähr 1,2 Millionen eine der größten kurdischen Gemeinschaften weltweit (vgl. Ünal/Uluğ/Blaylock 2020: 2), die nach den Türk*innen die zweitgrößte Migrationsgemeinschaft im Land darstellen (Düzel 2014: 7; Engin 2019: 9). Vermutlich begann die Migration der Kurd*innen nach Deutschland hauptsächlich mit dem Anwerbeabkommen 1962 mit aus der Türkei kommenden Menschen (Engin 2019: 10). Auch aus dem Iran und Irak kamen aufgrund von Kriegen v.a. in den 1980er Jahren vermehrt Kurd*innen nach Deutschland (vgl. Engin 2019: 10). Es wird angenommen, dass aus der Türkei die größte Zahl an Kurd*innen nach Deutschland kam (vgl. Wahlbeck 2019: 11). Allerdings nahm nach 2015 auch die Zahl der aus Syrien und dem Irak stammenden Kurd*innen zu. Insgesamt mangelt es an offiziellen Daten über diese Gemeinschaft (vgl. Ammann 2005: 1017; Düzel 2014: 40).
2.3 Forschungslücke und Forschungsfragen
International mangelt es an der systematischen Erforschung der kurdischen Sprache und deren Sprecher*innen. Die meisten Veröffentlichungen beschäftigten sich besonders seit den 1990er Jahren mit den legalen Gegebenheiten in der Türkei (vgl. z.B. Haig 2004; Haig/Öpengin 2014; Hassanpour 2012; Scalbert-Yücel 2006; Skutnabb-Kangas/Bucak 1995; Yeğen 1999). Zu den Kurd*innen in Syrien und Irak gibt es bislang in der Linguistik nur vereinzelte Veröffentlichungen (Haig/Mustafa 2019: 145). Ein systematischer Vergleich der Lage des Kurdischen in den verschiedenen Ländern wurde bisher nicht durchgeführt. Erkenntnisse über die Spracheinstellungen der kurdischsprachigen Diaspora in Deutschland fehlen.
Diese sollen daher in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Dabei werden ausschließlich Sprecher*innen des Kurmancî fokussiert. Fest steht, dass sich die Ausgangslage in den drei Herkunftsländern Türkei, Syrien und Irak unterscheidet: Über das letzte Jahrhundert hinweg wurde die Sprachpolitik der Türkei als die repressivste eingestuft (vgl. Hassanpour 2012), während die Kurd*innen im Irak offiziell und historisch die meisten sprachlichen Rechte genießen konnten (vgl. Öpengin 2020; Sheyholislami 2015). Unterschiede in Abhängigkeit vom Herkunftsland können daher vermutet werden. Die Forschungsfragen der vorliegenden Studie mit den dazugehörigen Hypothesen lauten:
1. Wie sind die Spracheinstellungen der Kurdischsprecher*innen der ersten und zweiten Migrationsgeneration in Deutschland ausgeprägt?
Da davon auszugehen ist, dass der Verwendungsraum des Kurdischen hauptsächlich familiär ist, kann eine hohe emotionale Bindung zur Sprache angenommen werden. So ist davon auszugehen, dass – trotz Mangels an gesellschaftlichem Prestige der kurdischen Sprache – die Kurdischsprecher*innen hohe Werte in der affektiven Komponente der Spracheinstellungen aufweisen, während die kognitive und die Verhaltenskomponente signifikant niedrigerer ausgeprägt sind.
2. Unterscheiden sich die in Deutschland lebenden Kurdischsprecher*innen in Abhängigkeit von ihrem Herkunftsland in den Spracheinstellungen gegenüber ihrer Erst- bzw. Herkunftssprache Kurmancî?
Es wird vermutet, dass die aus der Türkei stammenden Personen aufgrund der soziopolitischen Voraussetzungen im Herkunftsland signifikant niedrigere Spracheinstellungen gegenüber dem Kurdischen aufzeigen als die aus dem Irak und aus Syrien stammenden Personen.
3. Unterscheiden sich die in Deutschland lebenden Kurdischsprecher*innen in Abhängigkeit von der Migrationsgeneration in den Spracheinstellungen gegenüber ihrer Erst- bzw. Herkunftssprache Kurmancî?
Vermutlich besteht über die Generationenfolge hinweg ein starker affektiver Bezug zum Kurdischen. Anzunehmen ist, dass sich die erste Migrationsgeneration v.a. in der kognitiven und Verhaltenskomponente der Spracheinstellungen von der zweiten Migrationsgeneration unterscheidet: Erwartet wird eine Abnahme der Verwendungshäufigkeit der Sprache in der zweiten Migrationsgeneration.
4. Bestehen die Unterschiede zwischen den Herkunftsländern sowohl in der ersten als auch in der zweiten Migrationsgeneration?
Es ist davon auszugehen, dass Unterschiede in der kognitiven und Verhaltenskomponente hauptsächlich in der ersten Migrationsgeneration sichtbar sind und sich in der zweiten Migrationsgeneration eher angleichen. Vermutlich wirkt sich die sprachliche Diskriminierung aufgrund der politischen Gegebenheiten in den Herkunftsländern der Kurdischsprecher*innen v.a. Ende des 20. Jahrhunderts besonders auf die Sprecher*innen der ersten Migrationsgeneration aus, die selbst direkt davon betroffen waren. In der zweiten Migrationsgeneration wird aufgrund des geografischen Abstandes zu den Herkunftsländern sowie der gemeinsamen gesellschaftlichen Umgebung in Deutschland vermutet, dass sich die Unterschiede zwischen den Einflüssen der Herkunftsländer eher angleichen.
3 Methodik
Anhand einer schriftlichen Befragung wurden die Spracheinstellungen zur Erst- bzw. Herkunftssprache Kurmancî von in Deutschland lebenden Kurd*innen aus verschiedenen Herkunftsländern erhoben. Dazu wurden zunächst in qualitativen Interviews Hintergrundinformationen für die Entwicklung eines passenden Forschungsinstrumentes gesammelt (vgl. Dörnyei 2007: 171). Anhand eines Fragebogens wurden dann Daten erhoben, die im Kontext der Minderheitensprache Kurdisch neue Erkenntnisse über Spracheinstellungen generieren sollten.
3.1 Durchführung
Die Daten wurden im Rahmen eines Masterarbeitsprojektes erhoben, das teilweise ähnliche Fragestellungen behandelte (vgl. Möller 2022). Allerdings wurden dazu nur die Daten der ersten Migrationsgeneration ausgewertet. Die Erkenntnisse zur zweiten Migrationsgeneration sowie generationsübergreifende Fragestellungen im vorliegenden Artikel waren bisher unveröffentlicht.
Zunächst wurden drei halb-strukturierte Interviews mit jeweils einer Person aus der türkischen, der syrischen und der irakischen Region Kurdistans durchgeführt, um die Einstellungen explorativ zu untersuchen. Nachdem anhand der gesammelten Informationen eine Pilotversion des Online-Fragebogens von 33 Soranî-Sprecher*innen ausgefüllt wurde, konnte die finale Version von Juni bis August 2021 per URL an die Teilnehmer*innen der Hauptstudie verteilt werden.
Über bereits bestehende Kontakte zur kurdischen Sprachgemeinschaft im Ruhrgebiet und Großstädten deutschlandweit wurde die Rekrutierung der Teilnehmer*innen initiiert. Zusätzlich wurden Internetforen und kurdische Organisationen kontaktiert. Trotz des großen Interesses an der Umfrage gelang es bis zum Ende des Befragungszeitraumes nicht, Kurmancî-Sprecher*innen aus dem Iran zu erreichen. Wenngleich die Stichprobe ausreichend groß ist (N = 296), ist die externe Validität der Studie aufgrund der Art der Akquise der Teilnehmer*innen, die keine zufällige Stichprobe darstellen, sondern gezielt anhand des Interesses am Thema gefunden wurden, eingeschränkt.
3.2 Erhebungsinstrument
Zur Erhebung der expliziten Spracheinstellungen der Teilnehmer*innen wurde eine schriftliche Befragung mithilfe eines mehrteiligen Fragebogens auf der Online-Plattform LimeSurvey durchgeführt. Dieser enthielt 47 Multiple- und Single-Choice sowie Likert-Items, die an verschiedenen bereits bestehenden Messinstrumenten aus der Spracheinstellungs- und Minderheitensprachenforschung angelehnt wurden, die für die vorliegenden Fragestellungen als besonders geeignet empfunden wurden. Die Bearbeitung dauerte ca. 10 Minuten.
Zunächst wurden (sprach-)biographische Daten wie die gesprochene Varietät des Kurdischen, der aktuelle Wohnort und die Herkunftsregion erhoben, um die gewünschte Zielgruppe zu identifizieren. Zusätzlich wurden die Teilnehmer*innen der Studie zu einer Selbsteinschätzung ihrer Sprachkenntnisse im Kurdischen aufgefordert. Dies ist eine ökonomische Variante, die sowohl passive als auch gut ausgebaute Sprachkenntnisse gleichermaßen abzubilden, deren Zusammenhang mit den tatsächlichen Sprachkompetenzen nachgewiesen werden konnte (vgl. Kondo-Brown 2005: 567).
Die Fragen zur Erhebung der Spracheinstellungen sind teilweise an den von Achterberg (2005) entwickelten Fragen aus der Studie „Zur Vitalität slavischer Idiome in Deutschland“ angelehnt, die für Sprecher*innen von Minderheitensprachen im Migrationskontext konzipiert und bereits in einer ähnlichen Studie von Anstatt (2017) im Zusammenhang mit der Messung der Spracheinstellungen russischsprachiger Jugendlicher verwendet wurden. Alle Items wurden jeweils einer Komponente der Spracheinstellungen nach Garrett (2010) zugeordnet. Zusätzlich wurde die von Kasap (2020) entwickelte Mother Tongue Attitude Scale (kurz: MTAS) verwendet, die aufgrund der Aufteilung der Spracheinstellungen in drei Komponenten nach Garrett (2010) besonders geeignet schien. Kasap weist anhand einer konfirmatorischen Faktorenanalyse nach, dass mithilfe der MTAS die Spracheinstellungen von Individuen gegenüber ihrer Erstsprache bestimmt werden können (2020: 117). Die Skala, aus der sich eine Gesamtskala sowie drei Subskalen2 bilden lassen, wurde ins Deutsche übersetzt3 und angepasst. Von den ursprünglichen für allochthone Minderheitensprachen entwickelten Items4 wurden 9 Items ausgewählt, die sich auf autochthone Minderheitensprachen übertragen ließen. Die neue MTAS erreichte in der Gesamtskala ein Cronbachs Alpha von 0,85 sowie für die Subskalen jeweils ein ausreichendes Cronbachs Alpha von über 0,65 (vgl. Dörnyei 2007: 207). Für die untersuchte Stichprobe stellt die modifizierte MTAS also ein verlässliches Erhebungsinstrument der Spracheinstellungen dar.
3.3 Stichprobe
Es nahmen 303 Kurmancî-Sprecher*innen an der Umfrage teil. Von diesen wurden sieben Personen aufgrund fehlender Angaben ausgeschlossen. Die hier untersuchte Stichprobe umfasst somit 296 kurdischsprachige Personen in Deutschland zwischen 18 und 35 Jahren (M = 28,41, SD = 5,05), von denen sich 52,4 % dem weiblichen und 47,0 % dem männlichen Geschlecht zuordnen. Eine Person befindet sich außerhalb der binären Geschlechterzuordnung. Die Stichprobe besteht aus Teilnehmer*innen der ersten und zweiten Migrationsgeneration, deren Herkunftsländer die Türkei, Syrien und Irak sind.
Die wichtigsten Daten der in die drei nach Herkunftsland aufgeteilten Gruppen sind in Tab. 1 zusammengefasst. Zur Unterscheidung der drei Gruppen werden dabei die kurdischen Regionsbezeichnung verwendet. Die Anzahl der Teilnehmer*innen in den Gruppen konnte nicht stabil gehalten werden. Başûr ist mit Abstand die kleinste Gruppe.
Gruppe | N | Migrationsgeneration | Alter (M) | Geschlechteraufteilung |
Bakur (Türkei) |
160 | 1 = 31,88 % 2 = 68,12 % |
28,57 (SD = 5,01) |
w = 58,1 % m = 41,5 % |
Rojava (Syrien) |
117 | 1 = 79,49 % 2 = 20,51 % |
28,67 (SD = 4,72) |
w = 42,7 % m = 57,3 % |
Başûr (Irak) |
19 | 1 = 63,16 % 2 = 36,48 % |
25,42 (SD = 6,48) |
w = 63,2 % m = 31,6 % * = 5,3 % |
Insgesamt gehören 156 Teilnehmer*innen (52,7 %) der ersten Migrationsgeneration und 140 Teilnehmer*innen der zweiten Migrationsgeneration (47,3 %) an. Das durchschnittliche Alter ist mit 29,99 (SD 5,00) in der ersten und 26,64 (SD 4,49) in der zweiten Generation relativ ähnlich.
3.4 Analysemethodik
Die Auswertung der Daten erfolgte in mehreren Schritten. Zur besseren Interpretation der Daten zur Selbsteinschätzung der Sprachkompetenzen wurden trotz ihrer Ordinalskaliertheit Mittelwerte und Standardabweichung angegeben. Zudem wurden die Korrelationen zwischen dem erreichten MTAS-Mittelwert und den selbsteingeschätzten Sprachkompetenzen in den vier Modalitäten anhand des Spearman-Rho-Korrelationskoeffizienten ermittelt (vgl. Albert/Marx 2016: 134).
Die Mittelwerte der MTAS wurden als metrische Daten behandelt, während die einzelnen Likert-Items ordinalskaliert sind.6 Alle Items der MTAS wurden für die Analyse so kodiert, dass ein hoher Wert auch einer positiven Einstellung gegenüber dem Kurmancî entspricht. Zur Überprüfung eines signifikanten Unterschieds der Ausprägung der Mittelwerte in den drei Subskalen wurde eine zweifaktorielle Varianzanalyse für Ränge nach Friedman bei verbundenen Stichproben mit anschließenden paarweisen Vergleichen durchgeführt (vgl. Sheldon/Fillyaw/Thompson 1996: 222). Für einen Vergleich der Ergebnisse zwischen den Gruppen wurden diese zunächst anhand des Levene-Tests auf Varianzhomogenität überprüft. Die Mittelwerte in der MTAS wurden dann anhand einer einfaktoriellen Varianzanalyse (ANOVA bei Varianzgleichheit und Welch-Test bei Varianzungleichheit) auf signifikante Unterschiede bei getestet (vgl. Dörnyei 2007: 218; Mendeş/Akkartal 2010: 715).
Zur deskriptiven Analyse der ordinalskalierten sowie nominalskalierten Items wurden Häufigkeiten und Prozentränge ermittelt. Zur Prüfung der signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen wurden für die ordinalskalierten Items Kruskal-Wallis-Tests mit anschließenden Dunn-Bonferroni-Tests durchgeführt (vgl. Dinno 2015: 293; Reid 2013: 491). Für die nominalskalierten Items wurde anhand von Chi-Quadrat-Tests (Monte-Carlo-Simulationen bei erwarteten Zellhäufigkeiten kleiner als 5) mit anschließenden Bonferroni-Holm-Tests (Shaffer 1995: 569) jeweils überprüft, ob signifikante Zusammenhänge mit den Variablen Herkunftsregion oder Migrationsgeneration bestehen (vgl. Albert/Marx 2016: 138; Hemmerich 2018).
4 Ergebnisse
4.1 Selbsteingeschätzte Sprachkompetenzen im Kurmancî
Tab. 2 zeigt die mit Werten von 1 („geringe Kenntnisse“) bis 5 („sehr gute Kenntnisse“) selbsteingeschätzten Sprachkompetenzen in vier Modalitäten. Die Teilnehmer*innen schätzen ihre Kompetenzen im Hörverstehen mit 4,07 am höchsten ein. Am geringsten werden die Kompetenzen im Schreiben mit 3,16 eingeschätzt. Die Standardabweichung ist mit über 1,00 in allen vier Modalitäten relativ hoch. In der ersten Migrationsgeneration sind die selbsteingeschätzten Kompetenzen in allen Modalitäten signifikant höher7 als in der zweiten Migrationsgeneration, jeweils mit kleiner (< 0,3) oder mittlerer (0,3 – 0.5) Effektstärke.
Modalität | N | M | SD |
Hörverstehen | 294 | 4,07 | 1,18 |
Sprechen | 295 | 3,71 | 1,15 |
Lesen | 293 | 3,51 | 1,23 |
Schreiben | 293 | 3,16 | 1,33 |
Die Selbsteinschätzungen in den vier Modalitäten der Sprachkompetenzen weisen jeweils eine positive Korrelation mit dem erreichten Mittelwert der MTAS auf: Dabei ist der höchste Korrelationskoeffizient in der Modalität Sprechen mit einer starken positiven Korrelation zu finden (Spearmans ρ = 0,584, p < 0,001). Die anderen drei Modalitäten weisen jeweils eine moderate positive Korrelation mit den Mittelwerten in der MTAS-Gesamtskala auf.8
In den nach Herkunftsland aufgeteilten Gruppen weist die Gruppe Başûr durchgängig die höchsten Werte auf, während die Gruppe Bakur die Sprachkompetenzen in den Modalitäten Hörverstehen, Sprechen und Lesen am niedrigsten bewertet (siehe Tab. 3). Kruskal-Wallis-Tests zeigen, dass die Variable Herkunftsland in der Gesamtstichprobe einen signifikanten Einfluss auf die Modalitäten Hörverstehen (χ2(2) = 8,990, p = 0,011) und Sprechen (χ2(2) = 12,312, p = 0,002) nimmt. Anschließend durchgeführte Post-hoc-Tests (Dunn-Bonferroni-Tests) zeigen, dass sich in beiden Modalitäten die Gruppen Bakur und Rojava voneinander signifikant mit schwachen Effektstärken unterscheiden.9 Dabei sind die Mittelwerte in der Gruppe Rojava signifikant höher als die der Gruppe Bakur.
Bakur (n = 160) | Rojava (n = 116) | Başûr (n = 19) | ||||
M | SD | M | SD | M | SD | |
Hörverstehen | 3,90 | 1,22 | 4,25 | 1,13 | 4,42 | 0,84 |
Sprechen | 3,81 | 1,20 | 3,96 | 1,07 | 4,05 | 0,85 |
Lesen | 3,39 | 1,26 | 3,60 | 1,18 | 4,00 | 1,16 |
Schreiben | 3,13 | 1,34 | 3,11 | 1,30 | 3,78 | 1,35 |
Zusätzlich geben 43,9 % der Gesamtstichprobe an, mit ihren eigenen Sprachkenntnissen im Kurmancî zufrieden zu sein. In der ersten Migrationsgeneration ist die Zufriedenheit dabei mit 52,3 % höher als in der zweiten Migrationsgeneration mit 36,5 %. Ein Chi-Quadrat-Test zeigt, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Variable Migrationsgeneration und der Zufriedenheit mit den eigenen Sprachkenntnissen mit einem kleinen Effekt vorliegt (χ2(1) = 7,288, p = 0,007, Cramer-V = 0,159).
4.2 Spracheinstellungen der kurdischen Diaspora
Einen Gesamtüberblick über die Spracheinstellungen der Stichprobe (N = 296) geben die in der MTAS erreichten Mittelwerte. Der Mittelwert der Gesamtstichprobe liegt bei 4,16 (SD = 0,78). In den drei Subskalen der einzelnen Komponenten liegen die Mittelwerte bei 4,67 (SD = 0,77) in der affektiven Komponente, 4,06 (SD = 0,97) in der kognitiven Komponente und 3,78 (SD = 1,12) in der Verhaltenskomponente (siehe Abb. 1). Ein Friedman-Test zeigt signifikante Unterschiede zwischen den Komponenten an (χ2(2) = 190,794, p < 0,001, N = 296), die in den darauffolgenden Dunn-Bonferroni-Tests allerdings nicht durch bedeutsame Effektstärken bestätigt werden können. Innerhalb der ersten und der zweiten Migrationsgeneration gilt ebenfalls: In der affektiven Komponente werden die höchsten Werte erreicht, aber die Unterschiede, die in einem Friedman-Test angezeigt werden, können nicht durch bedeutsame Effektstärken in den Post-hoc-Tests nachgewiesen werden.
Wird der Mittelwert der Gesamtskala zwischen den nach Herkunftsland eingeteilten Gruppen verglichen, erreicht die Gruppe Rojava (n = 117) mit 4,43 (SD = 0,97) den höchsten Mittelwert, während der Mittelwert der Gruppe Başûr (n = 19) bei 4,20 (SD = 1,12) und der Mittelwert der Gruppe Bakur (n = 160) bei 3,97 (SD = 0,77) liegt. Aufgrund fehlender Varianzhomogenität (p = 0,012), ist eine Welch-ANOVA durchgeführt worden, die anzeigt, dass es signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen gibt (F(2) = 12,706, p < 0,001). Im Games-Howell-Test ist zu sehen, dass der Mittelwert der Gruppe Rojava signifikant höher ist als der Mittelwert der Gruppe Bakur (z = –0,461, p < 0,001). Da auch signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern10 sowie zwischen den Migrationsgenerationen11 zu finden sind, ist das oben berichtete Ergebnis mit einer Quade nonparametric ANCOVA kontrolliert worden (F(2) = 3,180, p = 0,043). Nach Bereinigung um die Variablen Geschlecht und Migrationsgeneration unterscheiden sich die Gruppen Rojava und Bakur weiterhin signifikant (t(292) = –2,348, p = 0,020) mit einer mittleren Effektstärke (d = 0,66).
Auch innerhalb der ersten12 und innerhalb der zweiten13 Migrationsgeneration ist der von der Gruppe Rojava erreichte Mittelwert der MTAS-Gesamtskala am höchsten, während die Gruppe Bakur den niedrigsten Wert erreicht. In beiden Fällen lassen sich allerdings anhand einer Welch-ANOVA keine signifikanten Unterschiede feststellen.14
4.2.1 Vergleich der affektiven Komponente
In der affektiven Komponente liegt der Mittelwert der MTAS-Subskala in der Gruppe Rojava (n = 117) bei 4,78 (SD = 0,65) und in den Gruppen Bakur (n = 160) und Başûr (n = 19) bei 4,60 (SD = 0,85; SD = 0,71). Da nach einem Levene-Test keine Varianzhomogenität der Gruppen angenommen werden darf (p = 0,002), ist eine Welch-ANOVA durchgeführt worden. Diese zeigt an, dass es keine signifikanten Unterschiede in den Mittelwerten der MTAS-Subskala zur affektiven Komponente zwischen den drei Gruppen gibt (F(2) = 2,274, p = 0,113). Auch zwischen den Mittelwerten 4,66 (SD = 0,81) in der ersten und 4,68 (SD = 0,74) in der zweiten Migrationsgeneration sind keine signifikanten Unterschiede festgestellt worden (t(294) = –0,206, p = 0,837).
Fast der gesamten Stichprobe (91,3 %) ist es wichtig, gut Kurmancî sprechen zu können. Es sind dabei keine signifikanten Unterschiede zwischen den nach Herkunftsland eingeteilten Gruppen (χ2(2) = 3,463, p = 0,177) oder den Migrationsgenerationen (U = 9985,5, Z = –0,844, p = 0,399) erkennbar.
Es geben 96,3 % der Gesamtstichprobe15 Kurmancî (allein oder in Kombination mit weiteren Sprachen) als ihre „Muttersprache“16 an. Zwischen den Herkunftsländern gibt es weder in der Gesamtstichprobe noch in den beiden Migrationsgenerationen signifikante Unterschiede.
Häufigkeit | Prozent | |
Kurmancî | 170 | 57,4 |
Kurmancî + weitere Sprache(n) | 115 | 38,9 |
Offizielle Sprache des Herkunftslandes | 7 | 2,4 |
Deutsch | 4 | 1,4 |
In der ersten Migrationsgeneration wird Kurmancî mit 66,0 % häufiger als alleinige „Muttersprache“ bezeichnet als in der zweiten Migrationsgeneration mit 47,9 %. Dagegen wird in der zweiten Migrationsgeneration häufiger Kurmancî noch mit einer oder mehreren weiteren Sprache(n) genannt. Der Zusammenhang zwischen der Migrationsgeneration und der Angabe der „Muttersprache“ ist anhand eines Chi-Quadrat-Tests (χ2(3) = 13,454, p = 0,002) mit einem schwachen Effekt (Cramer-V = 0,213) bestätigt worden.
Kurmancî wird von 54,4 % der Gesamtstichprobe als wichtigste Sprache bezeichnet. Darauf folgt Deutsch mit 36,2 %. Zwischen den Herkunftsländern gibt es keine signifikanten Unterschiede. In der ersten Migrationsgeneration geben 67,3 % Kurmancî als ihre wichtigste Sprache an und 20,7 Prozent nennen Deutsch. In der zweiten Migrationsgeneration verschiebt sich die Gewichtung: 40,1 % sehen Kurmancî als ihre wichtigste Sprache an, während 53,3 % Deutsch angeben. Der Zusammenhang zwischen der Migrationsgeneration und der Wahl der wichtigsten Sprache ist in einem Chi-Quadrat-Test (χ2(1) = 21,332, p < 0,001) mit einem schwachen Effekt (Cramer-V = 0.273) bestätigt worden.
96,3 % der Gesamtstichprobe geben an, dass sie möchten, dass ihre Kinder auch einmal Kurmancî sprechen können. Nur eine Person (Gruppe Bakur der ersten Migrationsgeneration) verneint dies. Zwischen den Herkunftsländern und Migrationsgenerationen bestehen keine signifikanten Unterschiede.
23,4 % der Teilnehmer*innen geben an, dass es ihnen schon einmal unangenehm war, in der Öffentlichkeit Kurmancî zu sprechen. Der niedrigste Wert ist hier in der Gruppe Başûr zu finden (5,9 %), während die Gruppen Bakur mit 22,8 % und Rojava mit 27,1 % dies etwas häufiger angeben. Ein Chi-Quadrat-Test zeigt jedoch, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Variable Herkunftsland und dem Unwohlsein, in der Öffentlichkeit Kurmancî zu sprechen, gibt (χ2(4) = 4,496, p = 3,19). Trotzdem ist festzuhalten, dass die Gruppe Başûr in der ersten Migrationsgeneration als einzige Gruppe zu 100 % mit „nein“ antwortet.
4.2.2 Vergleich der kognitiven Komponente
Wird die MTAS-Subskala zur kognitiven Komponente zwischen den nach Herkunftsland eingeteilten Gruppen verglichen, erreicht die Gruppe Rojava (n = 117) mit 4,30 (SD = 0,88) den höchsten Mittelwert, während der Mittelwert der Gruppe Başûr (n = 19) bei 4,19 (SD = 0,76) und der Mittelwert der Gruppe Bakur (n = 160) bei 3,87 (SD = 1,02) liegt. Eine Welch-ANOVA zeigt an, dass es signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen gibt (F(2) = 7,422, p = 0,001). Im Games-Howell-Test ist der Mittelwert der Gruppe Rojava signifikant höher als der Mittelwert der Gruppe Bakur (z = –0,438, p < 0,001). Da auch signifikante Unterschiede zwischen den Migrationsgenerationen17 zu finden sind, ist das oben berichtete Ergebnis mit einer Quade nonparametric ANCOVA kontrolliert worden (F(2) = 1,373, p = 0,255), die keine Signifikanzen angezeigt hat. Die Unterschiede zwischen den Migrationsgenerationen sind anhand eines t-Tests überprüft worden (t(294) = 4,698, p < 0,001). Dieser zeigt an, dass der Mittelwert der MTAS-Subskala zur kognitiven Komponente in der ersten Migrationsgeneration mit 4,30 (SD = 0,93) signifikant höher ist als in der zweiten Migrationsgeneration mit 3,79 (SD = 0,95). Hierbei handelt es sich mit einem Cohens d von 0,94 um einen starken Effekt.
Ein signifikanter Unterschied zwischen den nach Herkunftsland eingeteilten Gruppen liegt in der Beurteilung vor, ob es den Eltern wichtig ist/war, dass die Teilnehmer*innen gut Kurmancî sprechen (χ2(2) = 13,897, p < 0,001). Die Gruppe Rojava bewertet dabei die Wichtigkeit der Kurmancî-Kenntnisse für die Eltern signifikant höher als dies in der Gruppe Bakur der Fall ist (z = –3,696, p = 0,001, r = 0,22).
In den Ergebnissen der ersten Migrationsgeneration bestätigen in der Gruppe Rojava (n = 93) 76,3 % und in der Gruppe Başûr (n = 12) 91,7 %, dass den Eltern die Sprachkompetenzen im Kurmancî sehr wichtig sind bzw. waren. Ein Drittel der Gruppe Bakur (n = 51) gibt an, „eher nicht“ oder „gar nicht“ zuzustimmen. Ein Kruskal-Wallis-Test zeigt, dass die Wichtigkeit gut Kurmancî zu sprechen für die Eltern durch die Zugehörigkeit zum Herkunftsland beeinflusst wird (χ2(2) = 24,63, p < 0,001, η2 = 0,148). Anschließend durchgeführte Dunn-Bonferroni-Tests zeigen, dass sich die Gruppe Bakur signifikant von der Gruppe Rojava (z = –4,52, p < 0,001, d = 0,78) und von der Gruppe Başûr (z = –3,51, p < 0,001, d = 0,59) mit einem jeweils mittleren Effekt unterscheidet. Diese Unterschiede sind in der zweiten Migrationsgeneration nicht vorhanden: Jeweils über die Hälfte der Teilnehmer*innen in allen drei nach Herkunftsland eingeteilten Gruppen stimmt hier zu oder voll zu (χ2(2) = 3,461, p = 0,177).
Das Ansehen im Herkunftsland (siehe Abb. 4) unterscheidet sich in der Gesamtstichprobe zwischen den nach Herkunftsländern eingeteilten Gruppen signifikant (χ2(2) = 46,49, p < 0,001). Dabei gibt die Gruppe Başûr das höchste Ansehen im Herkunftsland an und unterscheidet sich mit einem mittleren Effekt (r = 0,41) von der Gruppe Bakur (z = 5,215, p = 0,000) und mit einem kleinen Effekt (r = 0,22) von der Gruppe Rojava (z = 2,473, p = 0,04). Zusätzlich unterscheidet sich die Gruppe Bakur, die das Ansehen im Herkunftsland am niedrigsten einschätzt, mit einem mittleren Effekt (r = 0,34) signifikant von der Gruppe Rojava (z = –5,389, p = 0,000).
Innerhalb der ersten Generation schreiben 70 % der Gruppe Başûr (n = 10) dem Kurmancî in ihrem Herkunftsland ein hohes oder eher hohes Ansehen zu, während dies nur knapp ein Drittel (32,9 %) der Teilnehmer*innen aus Rojava (n = 82) tut. Zwei Drittel (65,9 %) der Gruppe Bakur (n = 44) gibt ein eher geringes oder geringes Ansehen des Kurmancî in ihrem Herkunftsland an. Ein Kruskal-Wallis-Test zeigt, dass das wahrgenommene Ansehen des Kurmancî im Herkunftsland sich zwischen den drei Gruppen signifikant unterscheidet (χ2(2) = 17,54, p < 0,001, η2 = 0,10). Anschließend durchgeführte Post-hoc-Tests (Dunn-Bonferroni-Tests) zeigen, dass sich die Gruppe Bakur jeweils signifikant von der Gruppe Rojava (z = –3,35, p < 0,001, d = 0,58) und von der Gruppe Başûr (z = –3,52, p < 0,001, d = 0,59) unterscheidet. Diese Unterschiede zeigen sich anhand eines Kruskal-Wallis-Tests weiter in der zweiten Migrationsgeneration (χ2(2) = 11,746, p = 0,003). Zwischen der Gruppe Bakur und Başûr (z = –3,059, p = 0,007) liegt mit r = –0,77 ein starker Effekt vor. Dabei bewertet die Gruppe Bakur das Ansehen im Herkunftsland am geringsten, während die Gruppe Başûr es weiter als am höchsten einschätzt.
Ein Unterschied, der nur in der ersten Migrationsgeneration signifikant ist, sind die wahrgenommenen Vorteile durch Kurmancî-Kenntnisse. Während in den Gruppen Bakur (n = 47) und Rojava (n = 88) jeweils knapp über die Hälfte zustimmen, tun dies in der Gruppe Başûr (n = 11) 90,9 %. Das Ergebnis der Monte-Carlo Simulation der p-Werte mit 10.000 Wiederholungen, um den Zusammenhang zwischen der Herkunftsregion und der Wahrnehmung der Vorteile im Herkunftsland zu überprüfen, ist signifikant (χ2 = 15,62, p < 0,001). Anschließende Post-hoc-Tests (Bonferroni-Holm-Korrektur) ergeben, dass sich die Gruppe Başûr signifikant von der Gruppe Bakur (χ2 = 15,62, p1 < 0,001) und der Gruppe Rojava (χ2 = 22,66, p < 0,001) unterscheidet. In beiden Fällen handelt es sich mit V = 0,37 und V = 0,34 um einen mittleren Effekt.
Situationen, in denen besser nicht Kurmancî gesprochen werden sollte, werden in der Gesamtstichprobe von den nach Herkunftsland eingeteilten Gruppen signifikant unterschiedlich wahrgenommen (χ2(4) = 14,924, p = 0,006). Dabei handelt es sich mit Cramer-V = 0,163 um einen schwachen Effekt, bei dem die Gruppe Bakur diese Situationen mit 51,0 % am häufigsten und die Gruppe Başûr mit 22,2 % am geringsten wahrnimmt.
Innerhalb der ersten Generation können sich die Teilnehmer*innen der Gruppen Bakur und Rojava zu 38,3 und 28,4 % Situationen vorstellen, in denen sie kein Kurmancî sprechen sollten, während dies in der Gruppe Başûr nur von 9,1 % bejaht wird. Eine Monte-Carlo Simulation der p-Werte mit 10.000 Wiederholungen bestätigt mit einen p-Wert von 0,035 (χ2 = 10,04) den Zusammenhang zwischen der Herkunftsregion und der Wahrnehmung von Situationen, in denen es besser ist, nicht Kurmancî zu sprechen. Die Post-hoc-Tests (Bonferroni-Holm- Korrektur) zeigen dabei aber keine signifikanten Werte an. Diese Unterschiede lösen sich innerhalb der zweiten Migrationsgeneration auf (χ2(6) = 4,039, p = 0,671), da dort auch 42,9 % der Gruppe Başûr das Auftreten solcher Situationen angeben.
4.2.3 Vergleich der Verhaltenskomponente
In der Verhaltenskomponente liegt der Mittelwert der MTAS-Subskala in der Gruppe Bakur (n = 160) bei 3,43 (SD = 1,17), in der Gruppe Rojava (n = 117) bei 4,19 (SD = 0,93) und in der Gruppe Başûr (n = 19) bei 3,82 (SD = 0,78). Ein Levene-Test zeigt, dass für die drei Gruppen keine Varianzhomogenität angenommen werden darf (p = 0,002). Daher ist eine Welch-ANOVA durchgeführt worden, die zeigt, dass es signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen gibt (F(2) = 17,812, p < 0,001). Der Games-Howell-Test zeigt, dass der Mittelwert der Gruppe Rojava signifikant höher ist als der Mittelwert der Gruppe Bakur (z = –0,76, p < 0,001). Allerdings gab es für die Mittelwerte in der MTAS-Subskala zur Verhaltenskomponente auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowie zwischen den Migrationsgenerationen. Daher ist das oben berichtete Ergebnis mit einer Quade nonparametric ANCOVA kontrolliert worden (F(2) = 2,52, p = 0,082), die keine Signifikanzen angezeigt hat. Auch innerhalb der ersten (F(2) = 1,97, p = 0,142) und der zweiten Migrationsgeneration (F(2) = 1,935, p = 0,173) sind keine signifikanten Unterschiede zwischen den nach Herkunftsland aufgeteilten Gruppen aufgedeckt worden.
Anschließend sind die Unterschiede im Mittelwert der MTAS-Subskala zur Verhaltenskomponente zwischen den Geschlechtern sowie zwischen den Migrationsgenerationen anhand von t-Tests überprüft worden. Der Mittelwert ist mit 3,55 (SD = 1,13) bei den weiblichen Teilnehmerinnen mit einem starken Effekt (d = 1,1) signifikant niedriger als bei den männlichen Teilnehmern mit 3,97 (SD = 1,07) (t(292) = –3,269, p < 0,001). Zusätzlich ist der Mittelwert der MTAS-Subskala zur Verhaltenskomponente mit 4,25 (SD = 0,92) in der ersten Migrationsgeneration signifikant größer als in der zweiten Migrationsgeneration mit 3,21 (SD = 1,07) (t(294) = 8,983, p < 0,001). Auch hier liegt mit d = 0,99 ein starker Effekt vor.
Im Alltag wird Kurmancî von 79,5 % der Gesamtstichprobe verwendet. Von den nach Herkunftsland aufgeteilten Gruppen gibt Bakur die tägliche Verwendung des Kurmancî am seltensten an, während die Gruppe Rojava dies am häufigsten tut.
Dieser Unterschied ist anhand eines Kruskal-Wallis-Tests (χ2(2) = 29,794, p < 0,001) und anschließenden Post-hoc-Tests (Dunn-Bonferroni-Tests) mit einem mittleren Effekt (r = 0,32) als signifikant einzustufen (z = –5,352, p = 0,000). Zusätzlich unterscheidet sich die Verwendungshäufigkeit auch mit einem kleinen Effekt (r = 0,19) nach Migrationsgeneration signifikant (z = –3,191, p = 0,001).
Zur Verwendungshäufigkeit des Kurmancî innerhalb der ersten Migrationsgeneration gibt die Gruppe Rojava (n = 91) mit 94,6 % am häufigsten die tägliche Verwendung des Kurmancî an. In der Gruppe Başûr (n = 12) verwenden 83,3 % täglich das Kurmancî und der Gruppe Bakur (n = 47) 72 %. Ein Kruskal-Wallis-Test zeigt, dass die Verwendungshäufigkeit des Kurmancî durch die Zugehörigkeit zum Herkunftsland beeinflusst wird (χ2(2) = 14,01, p < 0,001, η2 = 0,08). Anschließend durchgeführte Dunn-Bonferroni-Tests zeigen, dass sich die Gruppe Bakur signifikant von der Gruppe Rojava (z = –3,72, p < 0,001; d = 0,64) unterscheidet. Auch in der zweiten Migrationsgeneration ist dieser signifikante Unterschied der Verwendungshäufigkeit des Kurmancî zwischen den Gruppen Bakur und Rojava vorhanden (χ2(2) = 9,498, p = 0,009; z = –2,595, p = 0,028, r = 0,23).
Die Verwendung weiterer Sprachen in der Familie ist innerhalb der ersten Migrationsgeneration signifikant unterschiedlich. Dort gibt die Gruppe Bakur (n = 51) mit dem größten Anteil der drei Gruppen an, dass in der Familie weitere Sprachen außer des Kurmancî verwendet werden, während Rojava (n = 93) dies mit 53,8 % am stärksten verneint. Ein Chi-Quadrat-Test zeigt die Korrelation zwischen der Variable Herkunftsland und der Verwendung weiterer Sprachen innerhalb der Familie an (χ2(2) = 18,05, p < 0,001, Cramer-V = 0,34). Post-Hoc-Tests (Bonferroni-Holm-Korrektur) zeigen an, dass es signifikante Unterschiede zwischen der Gruppe Bakur und der Gruppe Rojava gibt (p < 0,008). In der zweiten Generation wird kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen angezeigt (χ2(10) = 11,682, p = 0,307).
Ein weiterer Unterschied, der nur innerhalb der ersten Migrationsgeneration sichtbar ist, ist die Sprache, in der die Alphabetisierung stattfand. Dies hängt in der ersten Migrationsgeneration signifikant mit der Herkunftsregion zusammen (χ2(8) = 204,79, p < 0,001). Die Gruppe Bakur ist die einzige Gruppe, in der niemand auf Kurmancî alphabetisiert wurde. Die Teilnehmer*innen der Gruppe Başûr (n = 12) geben zu 91,7 % an, an einer Form von Kurdischunterricht teilgenommen zu haben, während dies die Gruppen Bakur (n = 51) und Rojava (n = 93) jeweils nur zur Hälfte angeben. Ein Chi-Quadrat-Test zeigt die Korrelation zwischen der Variable Herkunftsland und der Teilnahme an einem Kurdischunterricht an (χ2(2) = 7,49, p = 0,024). Post-hoc-Tests (Bonferroni-Holm-Korrektur) ergeben, dass sich die Gruppe Başûr signifikant von der Gruppe Bakur (χ2 = 5,06, p = 0,048) und der Gruppe Rojava (χ2 = 7,27, p = 0,021) unterscheidet. In beiden Fällen handelt es sich mit V = 0,28 und V = 0,26 um einen schwachen Effekt.
5 Diskussion und Fazit
Das Ziel der Studie war die Untersuchung der Spracheinstellungen von Kurdischsprecher*innen der ersten und zweiten Migrationsgeneration in Deutschland. Nach den Herkunftsländern Türkei, Syrien und Irak aufgeteilt, wurden zusätzlich die Unterschiede zwischen den Spracheinstellungen der Teilnehmer*innen betrachtet. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden anhand eines Online-Fragebogens erhobene Daten von 296 Kurdischsprecher*innen aus Deutschland ausgewertet.
Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf die Forschungsfragen Folgendes festhalten:
1. Die Spracheinstellungen der Kurdischsprecher*innen der ersten und zweiten Migrationsgeneration in Deutschland sind überwiegend positiv ausgeprägt. Dies wird in den hohen Mittelwerten der MTAS-Skalen sichtbar. Tendenziell konnte die Hypothese bestätigt werden, dass die affektive Komponente positiver ausgeprägt ist als die kognitive und die Verhaltenskomponente. Allerdings fehlen hier signifikante Nachweise, Insgesamt ist eine starke emotionale Verbindung zum Kurmancî in der Gesamtstichprobe zu erkennen. Kurmancî wird von fast allen Teilnehmer*innen als „Muttersprache“ bezeichnet und wird überwiegend als wichtig empfunden. Die emotionale Bedeutung der Sprache zeigt sich über die Herkunftsländer und Migrationsgenerationen hinweg konstant.
2. Obwohl die Spracheinstellungen der Gesamtstichprobe überwiegend positiv sind, zeigte sich, dass die Spracheinstellungen in den drei nach Herkunftsland aufgeteilten Gruppen nicht identisch sind. Die Mittelwerte der MTAS-Gesamtskala geben einen ersten Überblick über die Unterschiede: Die Spracheinstellungen in der Gruppe Rojava sind signifikant positiver ausgeprägt als die der Gruppe Bakur. Dieser Zusammenhang lässt sich nach Kontrolle der Variablen Geschlecht und Migrationsgeneration signifikant auf die Variable Herkunftsland zurückführen. Mit diesem Ergebnis wird die zuvor aufgestellte Hypothese, dass die aus der Türkei stammenden Kurdischsprecher*innen negativere Spracheinstellungen aufweisen als die syrisch- und irakischstämmigen Personen teilweise bestätigt. In fast allen Gruppenvergleichen sind die Werte in der Gruppe Bakur tendenziell am niedrigsten. In der kognitiven Komponente zeigt sich, dass die Gruppe Bakur das Ansehen im Herkunftsland am geringsten einschätzt, während in der Gruppe Başûr die höchsten Werte angegeben werden. Dieser Unterschied bestätigt sich auch signifikant über beide Migrationsgenerationen hinweg. Weitere signifikante Unterschiede zeigen an, dass teilweise die Spracheinstellungen der Gruppe Rojava, teilweise die der Gruppe Başûr in einzelnen Items in den verschiedenen Komponenten die am deutlichsten positiv ausgeprägten sind. Die Einstellungen der Gruppe Bakur sind in keinem der Items signifikant positiver ausgeprägt als die der anderen beiden Gruppen.
3. Die Spracheinstellungen der Kurdischsprecher*innen unterscheiden sich auch im Hinblick auf die Migrationsgeneration. Es kann bestätigt werden, dass sowohl in der ersten als auch in der zweiten Migrationsgeneration die affektive Komponente der Spracheinstellungen überwiegend positiv ausgeprägt ist. Auffällig ist, dass in der zweiten Migrationsgeneration signifikant häufiger eine weitere Sprache (hauptsächlich Deutsch) zusätzlich zum Kurmancî als „Muttersprache“ bezeichnet wird. Weiter kann bestätigt werden, dass v.a. die kognitive Komponente und die Verhaltenskomponente in den beiden Migrationsgenerationen unterschiedlich ausgeprägt sind. Die Mittelwerte der entsprechenden MTAS-Subskalen sind jeweils in der ersten Migrationsgeneration positiver ausgeprägt als in der zweiten Migrationsgeneration. Besonders im Sprachverhalten lassen sich dabei starke Effekte nachweisen. Die erste Migrationsgeneration verwendet Kurmancî wie vermutet signifikant häufiger als die zweite.
4. Ebenfalls sind die Unterschiede, die in der kognitiven und Verhaltenskomponente der Spracheinstellungen vorkommen, hauptsächlich in der ersten Migrationsgeneration sichtbar und nähern sich in der zweiten Migrationsgeneration eher an. Insgesamt sind innerhalb der zweiten Migrationsgeneration weniger signifikante Unterschiede aufzufinden als in der ersten. Zusätzlich ist nicht durchgängig Bakur die Gruppe mit den tendenziell niedrigsten Werten wie dies innerhalb der ersten Migrationsgeneration der Fall ist. Dies bestätigt teilweise die Vermutungen in der Forschungsliteratur, dass sich die unterschiedlichen Bedingungen der Herkunftsländer in den jüngeren Generationen in der Diaspora mit der Aufenthaltsdauer in Deutschland angleichen (vgl. Ammann 2005: 1016). Allerdings bleiben die Unterschiede der Mittelwerte in der MTAS-Gesamtskala bestehen. In beiden Migrationsgenerationen zeigt die Gruppe Rojava das positivste Gesamtergebnis, während in der Gruppe Bakur der niedrigste Wert zu finden ist.
Zusätzlich entsprechen die selbsteingeschätzten Sprachkompetenzen im Kurmancî der vorliegenden Stichprobe den Erwartungen an Sprecher*innen einer Minderheitensprache, deren Erstspracherwerb zum Großteil ohne schulische Bildung abläuft (vgl. Montrul 2016: 180). Die Modalitäten Hörverstehen und Sprechen werden signifikant höher eingeschätzt als die Modalitäten Lesen und Schreiben. Die hohen Standardabweichungen in allen vier Modalitäten zeigen zudem die große Varianz innerhalb der Stichprobe. Weniger als die Hälfte der Teilnehmer*innen sind mit ihren Sprachkompetenzen im Kurmancî zufrieden. Der Erhalt der Minderheitensprache als individuelle Anstrengung entgegen dem gesellschaftlichen Druck wird hier deutlich (vgl. Little 2020: 200).
Die Ergebnisse unterstützen das Bild der mehrsprachigen Realität für die Sprecher*innen einer Minderheitensprache: Die affektive Komponente ist stark ausgeprägt und zeigt eine hohe emotionale Bedeutung der kurdischen Sprache. Aber Kurmancî konkurriert in der Diaspora nicht nur mit der Umgebungssprache Deutsch, sondern auch mit den familiär aus den Herkunftsländern mitgebrachten Mehrheitssprachen (hier Arabisch und Türkisch). So lässt sich die Abnahme der Verwendungshäufigkeit des Kurmancî in der zweiten Migrationsgeneration erklären. Hier werden Effekte der Zugehörigkeit zu verschiedenen Migrationsgenerationen sichtbar, die in soziolinguistischen Untersuchungen zum Spracherhalt bereits nachgewiesen wurden (vgl. u.a. Benmamoun/Montrul/Polinsky 2013; Hansia 2014; Kristen/Seuring/Stanat 2019; Nagy/Kochetov 2013). Es zeigt sich insgesamt, dass – trotz hohen emotionalen Stellenwerts – den Teilnehmer*innen das niedrige Prestige des Kurmancî bewusst ist.
In der vorliegenden Studie ist eine erste Annäherung an die Spracheinstellungen der Kurdischsprecher*innen in Deutschland gelungen, über die es bisher wenig soziolinguistische Erkenntnisse gibt. Die Ergebnisse bereichern die Minderheitensprachenforschung nicht nur um eine weitere, bisher wenig untersuchte Perspektive, sondern geben auch Hinweise auf Einflüsse des gesellschaftlich zugeschriebenen Sprachprestiges auf die individuellen Spracheinstellungen.
Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass die Gruppengrößen in der Studie ungleich verteilt waren. Besonders Personen aus dem Irak sind selten vertreten, weshalb die Vergleiche zu den beiden anderen Gruppen weniger aussagekräftig sind. Insgesamt kann das Verhältnis der Gewichtung des Einflusses der Variablen Herkunftsland und Migrationsgeneration nicht endgültig ausgemacht werden, da in den vorliegenden Daten nicht anhand parametrischer Methoden auf Kovariaten hin analysiert werden kann. Dazu wäre eine Überprüfung der hier gewonnenen Erkenntnisse anhand einer ausgeglicheneren Stichprobe notwendig. Zusätzlich sollten Variablen wie der sozio-ökonomische Status und der Wohnort in der Herkunftsregion (ländlich vs. städtisch) kontrolliert werden, die durchaus Einfluss auf die Spracheinstellungen nehmen können (vgl. z.B. Öpengin 2012). Hier stößt die Interpretation der Ergebnisse in der vorliegenden Untersuchung an ihre Grenzen.
Des Weiteren zeigen die Ergebnisse an, dass die in der MTAS verwendeten Items im Migrationskontext nicht sensibel genug sind, um genaue Nuancen v.a. in der kognitiven und Verhaltenskomponente erkennen zu können. Wünschenswert wäre die Entwicklung eines auf allochthone Minderheitensprachen abgestimmten Fragebogens mit kritischen Items zum Prestige der Sprachen im Herkunfts- und Aufnahmeland.
Notes
- Entscheidend für die Zugehörigkeit zur Migrationsgeneration ist das Alter, in dem eine Person in das Aufnahmeland eingereist ist: Personen, die nach dem Erreichen des 12. Lebensjahres in das Aufnahmeland eingewandert sind, gehören nach Krefeld (2004) der ersten Migrationsgeneration an. Insgesamt weisen Studien zu verschiedenen Minderheitensprachen nach, dass innerhalb der ersten Migrationsgeneration der Minderheitensprache eine höhere Bedeutung zukommt und häufig positivere Einstellungen der Sprache gegenüber vorliegen und die Bedeutung der Minderheitensprache in der Generationenfolge abnimmt (vgl. u.a. Benmamoun/Montrul/Polinsky 2013; Hansia 2014; Hoffman/Walker 2010; Kristen/Seuring/Stanat 2019; Nagy/Kochetov 2013). [^]
- Jeweils 4 Items, die die affektive, kognitive und Verhaltenskomponente abbilden. [^]
- Entscheidende Signalwörter wie believe, think, feel wurden in die deutschen Entsprechungen „glauben“, „denken“, „fühlen“ übertragen, um den Satzinhalt möglichst unverändert beizubehalten (vgl. Kasap 2020: 113). [^]
- Für die gesamte MTAS mit 12 Likert-Items gibt Kasap (2020: 111) einen Cronbachs Alpha von 0,87 an. Der Cronbachs Alpha der drei Subskalen liegt jeweils über 0,7. [^]
- Die Subskala der affektiven Komponente erreicht einen Cronbachs Alpha von 0,75, die Subskala der kognitiven Komponente 0,63 und die Subskala der Verhaltenskomponente 0,67. [^]
- Da innerhalb einer Likert-Skala die einzelnen ordinalskalierten Rating-Items zu einer Gesamtskala zusammengefasst werden, um ein Phänomen wie im vorliegenden Fall die Spracheinstellungen zu messen, plädieren Forscher*innen wie Fittkau (2021) für die Behandlung der Likert-Skala als intervallskaliert (13). Auch Döring und Bortz beschreiben die Likert-Skalen als psychometrische Skalen und ordnen diese aufgrund der Aufsummierung der Rating-Items als intervallskaliert ein (2016: 269). [^]
- Hörverstehen: U = 7743,50, Z = –4,48, p < 0,001, r = –0,26. Sprechen: U = 6338,50, Z = –6,39, p < 0,001, r = –0,37. Lesen: U = 7758,00, Z = –4,19, p < 0,001, r = –0,25. Schreiben: U = 8397,00, Z = –3,26, p = 0,001, r = –0,19. [^]
- Hörverstehen: Spearmans ρ = 0,476, p < 0,001. Lesen: Spearmans ρ = 0,45, p < 0,001. Schreiben: Spearmans ρ = 0,34, p < 0,001. [^]
- Hörverstehen: z = –2,737, p = 0,019; r = 0,165. Sprechen: z = –3,310, p = 0,003; r = 0,199. [^]
- t(292) = –2,03, p = 0,04; d = 0,78. [^]
- t(294) = 5,92, p < 0,001; d = 0,74. [^]
- Rojava (n = 93): M = 4,53 (SD = 0,67); Başûr (n = 12): M = 4,38 (SD = 0,53); Bakur (n = 51): M = 4,18 (SD = 0,92). [^]
- Rojava (n = 24): M = 4,03 (SD = 0,62); Başûr (n = 7): M = 3,90 (SD = 0,49); Bakur (n = 109): 3,86 (SD = 0,74). [^]
- Erste Migrationsgeneration: F(2, 33,04) = 2,82, p = 0,07; zweite Migrationsgeneration: F(2) = 0,531, p = 0,589. [^]
- 97,4 % der ersten und 95,0 % der zweiten Migrationsgeneration. [^]
- Die Teilnehmenden wurden explizit nach der Muttersprache gefragt, da dieser Begriff emotional aufgeladen ist und Fachbegriffe wie Erst- und Herkunftssprache vermutlich unbekannt sind. [^]
- t(294) = 4,698, p < 0,001; d = 0,94. [^]
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Kurzbio
Franziska Möller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei g.a.s.t. / TestDaF-Institut der Ruhr-Universität Bochum. Im Masterstudium zur Empirischen Mehrsprachigkeitsforschung in Dortmund und Bochum lag ihr Forschungsschwerpunkt auf soziolinguistischen Fragestellungen zu Minderheitensprachen im Migrationskontext. Zurzeit betreibt sie Grundlagenforschung zum Konstrukt des C-Tests im Zweitsprachenerwerb.
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