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Rezensionen

Freese, Anika & Völkel, Oliver Niels (Hrsg.) (2022): Gender_Vielfalt_Sexualität(en) im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. [LiKuM – Literatur Kultur Medien in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, 4]. München: iudicum, ISBN: 978-3-86205-737-5. 237 Seiten. 30,00 € (DE), 30,90 € (AT) [Open Access unter https://www.iudicium.de].

How to Cite:

Rezension: Freese, Anika & Völkel, Oliver Niels (Hrsg.) (2022): Gender_Vielfalt_Sexualität(en) im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. München: iudicum. Rezensiert von Alexandra Treder (2024): Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 29: 2, 397–404. https://doi.org/10.48694/zif.3984.

Die Berücksichtigung von Diversität erfährt im Kontext des (Fremd- und Zweit-)Sprachenlernens immer stärkere Beachtung. So lassen sich neben dem ursprünglichen verstärkten Blick auf kulturelle1 Vielfalt vermehrt Publikationen finden, die weitere Differenzkategorien sowie ihr Zusammenspiel im Sinne intersektionaler Verschränkungen in (Sprach-)Bildungskontexten berücksichtigen (vgl. z.B. Bönkost/Kaupp 2023 für rassismuskritischen Unterricht; Bündgens-Kosten/Blume 2022 für die Berücksichtigung von Neurodiversität; Feilke/Widhalm 2023 für Intersektionalität und eine machtkritische Perspektive). Der Sammelband Gender_Vielfalt_Sexualität(en) im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, herausgegeben von Anika Freese und Oliver Niels Völkel, ergänzt den Diskurs aufbauend auf vorherigen, vereinzelten Publikationen rund um Gender und (Fremd- und Zweit-)Sprachenlehren und -lernen im deutschsprachigen Kontext (vgl. z.B. Elsen 2018; Peuschel 2018; Schmenk 2016), um eine eingehende Diskussion der Diversitätsdimensionen sex, gender und desire in Bezug auf das Fach DaF/DaZ.

Der Sammelband gliedert sich in eine Einleitung sowie 14 fachliche Beiträge von insgesamt 17 Autor*innen und schließt mit einem Autor*innenverzeichnis ab. Auf eine explizite Einteilung in thematische Blöcke wurde von den Herausgeber*innen verzichtet, wohl aber zeigt die Reihung der Beiträge einen logischen Aufbau. Um Interessierten eine leichtere Orientierung zu bieten, werden die einzelnen Beiträge im Rahmen dieser Rezension in Themenblöcken vorgestellt. Der Beitrag von Jana Elena Koch wurde in diesem Zuge aufgrund der thematischen Passung dem ersten Block hinzugefügt und stellt daher eine leichte Abweichung von der Beitragsreihenfolge im Sammelband dar.

Im Rahmen der Einführung in den Band weisen Annika Freese und Oliver Niels Völkel auf die lebensweltliche Relevanz von Geschlecht sowie auf die Komplexität der Konzepte Geschlecht und Gender und ihrer gegenseitigen Verklammerungen hin (vgl. S. 7). Weiterhin verweisen sie auf „das späte und zunächst wenig systematische Eingehen von Forschungsansätzen und -ergebnissen der Gender Studies in das Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ (S. 8) sowie in Nachbardisziplinen und heben ihren Sammelband als den „erste[n], der sich explizit mit Gender und seinen Verknüpfungen mit Sexualität(en) und anderen Differenzlinien im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache beschäftigt“ (S. 11) hervor. Nach einer Vorstellung der einzelnen Beiträge des Sammelbandes, schließen die Autor*innen die Einführung mit Hinweisen auf den Entstehungshintergrund des Bandes sowie einer Danksagung ab.

Block I: Theoretische Hintergründe der Berücksichtigung von Gender und Sexualität im DaF/DaZ-Unterricht sowie sprachliche Implikationen

Nadine Bieker präsentiert im ersten Artikel des Sammelbands „Die Kategorie ‚Geschlecht’ im DaF/DaZ-Unterricht“ Möglichkeiten einer geschlechterreflektierenden DaF/DaZ-Didaktik. Geschlecht wird von Bieker als sozial konstruierte und diskursiv hervorgebrachte Kategorie verstanden (vgl. S. 20–21), deren Reflexion im Sprachunterricht besonders relevant ist (vgl. S. 23). Es werden sieben Werkzeuge vorgestellt, die Lehrkräfte nutzen können, um ihr eigenes Sprachhandeln zu reflektieren und Geschlechterreflexion im Unterricht zu fördern. Besonders im DaF/DaZ-Unterricht sieht Bieker ein großes Potenzial, da der Vergleich zwischen Erst- und Zweitsprache(n) Unterschiede in Grammatik, Semantik und Pragmatik aufdecken und die Konstruktion von Geschlecht bewusst machen kann (vgl. S. 23).

Im Beitrag „Genus, Geschlecht und Gender: Möglichkeiten und Grenzen im DaF/DaZ-Unterricht“ untersucht Erika Kegyes wie Geschlechterbilder in Lehrwerken konstruiert werden. Es werden problematische, da hauptsächlich binäre und stereotype, sowie asymmetrische Darstellungen (vgl. S. 49) auf verschiedenen sprachlichen Ebenen wie Morphologie, Syntax, Semantik und Pragmatik aufgezeigt. Um der Vermittlung eines stereotypen binären und vermeintlich anzueignendem Bild von Geschlecht(ern) entgegenzuwirken, stellt Kegyes vier konkrete Unterrichtseinheiten für das Niveau B1/B2 vor (vgl. S. 45–48), die zur Reflexion über den Zusammenhang von Sprache und Geschlecht bzw. Gender anregen sollen, und verweist auf die Möglichkeit der Adaption an unterschiedliche Motivationen und Sprachniveaus (vgl. S. 45).

Jana Elena Koch befasst sich im Beitrag „Das Thema Sexualität im DaZ-Unterricht: Voraussetzungen, Umsetzung, Probleme und Lösungsstrategien“ mit der Relevanz sowie Einbindungsmöglichkeiten von Sexualität in den DaZ-Unterricht für erwachsene Lernende. In der von Koch durchgeführten qualitativen Studie wurden DaZ-Kursleiter*innen in Deutschland und Österreich zu ihren Erfahrungen mit diesem Thema im Unterricht befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Einbindung des Themas Sexualität im DaZ-Unterricht bestimmte Voraussetzungen benötigt, wie fortgeschrittene Sprachkenntnisse und Interesse der Lernenden, Vertrauen innerhalb der Gruppe, die Fähigkeit der Lehrenden, ihre Grenzen zu wahren und andere Meinungen zu tolerieren, sowie das Vorhandensein unterstützender Materialien (vgl. S. 146). Insbesondere das Fehlen solcher Materialien wird von den Lehrenden beklagt (vgl. S. 143). Die Studie hebt zudem hervor, dass eine effektive Thematisierung von Sexualität im DaZ-Unterricht einen positiven Umgang mit eigenen Unsicherheiten, eine (konstruktive) Auseinandersetzung mit dem institutionellen Rahmen bzw. mit Vorgesetzten sowie geeignete Materialien erfordert (vgl. S. 146–147).

Kristina Peuschel und Laura Schmidt untersuchen in ihrem Beitrag „Gendergerechte Sprache in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: Einstellungen von Studierenden zu ihrem Gebrauch in Universität und Unterrichtspraxis“ die emotionalen Positionierungen von DaF/DaZ- Studierenden zu gender(un)gerechter Sprache. Im Rahmen der hier vorgestellten empirischen Untersuchung gaben Studierende (n = 51) nach dem Lesen von unterschiedlichen Fußnotentexten, die sich auf das Gendern in wissenschaftlichen Arbeiten bezogen, ihre emotionalen Reaktionen an, indem sie aus einem vorgegebenen Repertoire an positiven, neutralen und negativen Emotionen wählen und bei Bedarf weitere Emotionen benennen konnten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Studierenden unterschiedlich auf verschiedene Formen gender(un)gerechter Sprache reagieren und dass gendergerechte Sprache häufig leichte Skepsis, Überforderung oder Gleichgültigkeit hervorruft (vgl. S. 59–61). Dies deute darauf hin, dass eine Sensibilisierung für gendergerechte Sprache in der Lehrkräfteausbildung notwendig sei, um eine gendersensible DaF/DaZ-Vermittlung zu fördern (vgl. S. 67).

Block II: Sichtbarkeit und Bearbeitung der Vielfalt von gender und desire im Kontext DaF/DaZ

Robert Baar plädiert im Beitrag „Vielfalt sichtbar machen: Sexuelle Lebensweisen im DaF/DaZ-Unterricht“ aus einer schulpädagogischen Perspektive für die Thematisierung verschiedener sexueller Lebensformen im DaF/DaZ-Unterricht, um Diskriminierung offenzulegen und Selbst- sowie Fremdakzeptanz zu fördern. Ausgehend von Studien über Diskriminierung und Exklusion nicht-heterosexueller Lebensweisen, insbesondere im schulischen Kontext, betont Baar die Notwendigkeit, diese Themen im Unterricht zu behandeln. Es werden listenartig Vorschläge angeführt, wie die „Bildung für Selbstakzeptanz“ (S. 77) sowie die „Bildung für Fremdakzeptanz“ (S. 77) im Unterricht umgesetzt werden können, um die Pluralität und Heterogenität der (deutschsprachigen) Gesellschaft zu vermitteln (vgl. S. 79) und den Konstruktionscharakter von Ungleichheitsverhältnissen offenzulegen (vgl. S. 80–81).

Im Beitrag „Queering DaF/DaZ – queersensible Zugänge für den Sprachunterricht“ plädiert auch Oliver Niels Völkel für die Einbeziehung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im DaF/DaZ-Unterricht. Es erfolgt eine Diskussion darüber, wie im Unterricht binäre und heteronormative Vorstellungen hinterfragt (Queering) und die Bedürfnisse von queeren Lernenden berücksichtigt (queersensibel) werden können. Es werden Vorschläge für die Unterrichtspraxis angeführt, z.B. durch Vermeidung von Fremdpositionierung (vgl. S. 90–91), die Thematisierung queerer Geschichte(n) (vgl. S. 97–98) und den Einsatz von queerer Literatur (vgl. S. 104). Zudem betont Völkel die Notwendigkeit einer kritischen Rezeption von Lehrmaterialien und einer affirmativen Haltung der Lehrkräfte gegenüber Prozessen der Dekonstruktion normativer Vorstellungen, um queerbezogene Inhalte im Unterricht zu integrieren (vgl. S. 104).

Block III: Reflexion und Repräsentation von Geschlechtervielfalt sowie Vielfalt von Sexualitäten in und durch Literatur

Almut Hille untersucht in „An einem Tag für rote Schuhe. Ein queeres Textnetz im Unterricht Deutsch als Fremdsprache“ die Verwendung gendersensibler Literatur im DaF-Unterricht. Hille schlägt vor, Lernende mit Texten zu konfrontieren, die alternative Begehrensstrukturen und Geschlechtervorstellungen inszenieren, um sie an aktuelle gesellschaftliche Genderdiskurse heranzuführen. Das Potenzial von Textnetzen, bei denen verschiedene Texte und Diskursausschnitte aufeinander Bezug nehmen, wird betont und durch ein Lektüremodell in fünf Phasen für Lernende auf fortgeschrittenem Sprachniveau zu Werken von Kerstin Grether (2014) und Irmgard Keun (2020) illustriert. Dieses Modell ermögliche es Lernenden, durch die (z.T. nicht-lineare) Lektüre und Diskussion aktiv an Genderdiskursen teilzunehmen (vgl. S. 122).

Im Beitrag „‚von außen ist es nicht zu erkennen‘: Gender und seine (literarische) Interpretation“ präsentiert Kristina Kocyba ein Unterrichtsmodell, das mit der Erzählung „Das Wasser des Flusses Lot“ von Margarita Iov (2018) arbeitet. Durch die geschlechtlich nicht zu verortende Erzählfigur werden Lernende dazu angeregt, ihre eigenen Rollenvorstellungen zu hinterfragen und die soziale Konstruktion von Gender zu erkennen (vgl. S. 129–130). Kocyba zeigt, wie über die literarische Interpretation und die daraus resultierende produktive Irritation genderreflexives Denken gefördert werden kann (vgl. S. 133), und betont das Potenzial der Mehrsprachigkeit für eine tiefere Auseinandersetzung mit Gender und Identität auch in Kontexten, in denen Genderdiskurse abseits binärer und heteronormativer Perspektiven nicht explizit thematisiert werden können, wie hier beispielsweise in Ungarn (vgl. S. 135–136).

Hilke Elsen analysiert im Beitrag „Gender, Stereotype und Text am Beispiel von Bilderbüchern“ die Vermittlung von Geschlechterstereotypen durch Sprache und Bild. Elsen verweist darauf, dass sprachliche Asymmetrien und Stereotypisierungen in Kinderbüchern das Denken und die Identitätsbildung von Kindern beeinflussen können (vgl. S. 155) und untersucht anhand von fünf Kinderbüchern der Reihe „Wieso Weshalb Warum“ von Ravensburger die Darstellung von Berufs- und Personenbezeichnungen, die sich als asymmetrisch und Männer bevorteilend erweist (vgl. S. 157–158). Die Untersuchung basiert auf einem exemplarischen Analyseleitfaden (vgl. S. 156), der für weitere Untersuchungen in Forschung und Unterricht genutzt und adaptiert werden kann. Obwohl der Bezug zum DaF/DaZ-Unterricht nur indirekt gegeben ist, betont Elsen, dass Kinderbücher als leicht zugängliches Material zur Genderreflexion im DaF/DaZ-Unterricht insbesondere zum Einstieg genutzt werden können (vgl. S. 153–154).

Franziska Thiel betrachtet im Beitrag „‚Un-/Doing Differences‘. Diversität im Bilderbuch – Literarische Sozialisation und kulturelle Bildung“ das Potenzial von Bilderbüchern zur Sprach- und Leseförderung sowie zur Vermittlung von Diversität. Sie stellt drei diversitätssensible Kinderbücher vor, die zur Identitätsbildung und zum plurikulturellen Lernen beitragen können, indem sie Unterschiede sichtbar machen oder aufheben (vgl. S. 170–176). Thiel weist darauf hin, dass Bilderbücher im DaF/DaZ-Kontext eine Lerngelegenheit für unterschiedliche Basisqualifikationen in einem spielerischen Kontext darstellen können (vgl. S. 163). Das Konzept des „Un-/Doing Differences“ (S. 166) wird hervorgehoben, um zu betonen, dass Bilderbücher durch ihre Darstellung und Un-/Sichtbarmachung von Diversität Empathie, (pluri-)kulturelle Bildung und ästhetische Kompetenz fördern können (vgl. S. 177). Die Diversitätskategorie Gender wird in diesem Beitrag zwar angesprochen, jedoch nicht in den Fokus gerückt, sondern steht gleichberechtigt neben anderen Kategorien und Differenzlinien (vgl. S. 168–170).

Maren Conrad präsentiert im Beitrag „Vokabelarbeit als Freundschaft? Vorschläge für eine strukturierte Analyse intersektionaler Leitdifferenzen im mehrsprachigen Bilderbuch“ Ideen für die Reflexion und den Umgang mit mehrsprachigen Kinderbüchern. Es wird eine von Conrad entwickelte Analysematrix vorgestellt, die auf intersektionalen und postkolonialen Theorien basiert und dazu dient, Stereotypisierungen und Hierarchisierungen in mehrsprachigen Bilderbüchern zu identifizieren (vgl. S. 183). Exemplarisch analysiert Conrad Cornelia Funkes „Fabers Schatz“ (2016), ein deutsch-arabisches Bilderbuch. Die Analyse zeigt marginalisierende Formulierungen sowie Darstellungen der Inszenierung fremder Kultur(en) und stereotypen Geschlechterbeziehungen sowie eine ungleiche Gewichtung der Sprachen auf, die sowohl in der Mikro- als auch in der Makrostruktur des Bilderbuchs zu verorten sind (vgl. S. 186–190). Trotz der Kritik an Funkes Bilderbuch hebt Conrad positiv hervor, dass die zugehörige Hörbuchausgabe für DaZ-Lernende geeignet sei (vgl. S. 186). Außerdem wird die Bedeutung der entwickelten Analysematrix für die Sensibilisierung von Lehrkräften betont (vgl. S. 183).

Block IV: Unterrichtsmaterialien und Praxisberichte in Bezug auf geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in DaF/DaZ

Almut Büchsel beschreibt in „Teilhabe durch Deutschlernen? Repräsentation von Vielfalt im Deutschunterricht. Materialien der Berliner Volkshochschulen“ die Entwicklung des Lehrmaterials „Vielfalt leben“ (Büchsel 2018). Ausgangspunkt war die Frage, welche gesellschaftlichen Realitäten im teilhabeorientierten DaZ-Unterricht bislang fehlen und wie diese Lücken geschlossen werden können, um ein inklusives und realistisches Abbild der deutschen Gesellschaft zu vermitteln. Das vorgestellte Lehrmaterial thematisiert verschiedene Lebens- und gesellschaftliche Diskriminierungsformen bereits auf Sprachniveau A1/A2 (vgl. S. 198). Die Entwicklung erfolgte in Zusammenarbeit mit Kursleiter*innen und queeren Migrant*innen-Selbstorganisationen. Büchsel betont die Notwendigkeit, den Inhalt und Ansatz des Arbeitsheftes in Standardlehrwerken zu implementieren und das Material regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren (vgl. S. 200). Zudem berichtet Büchsel von der Entwicklung einer Fortbildung für Kursleiter*innen, die der Sensibilisierung für die behandelten Diskriminierungsformen und intersektionale Überschneidungen dienen (vgl. S. 199).

Im Beitrag „Sensibilisierung von Germanistik-Studierenden für die Thematik Gender – Ein Workshop an der Universität Belgrad“ wird von Anika Freese über einen von ihr und Kolleg*innen durchgeführten Workshop zum Thema Gender für Germanistikstudierende in Belgrad berichtet. Der Workshop, der im Dezember 2018 stattfand, bestand aus drei Teilen: einer Einführung in wichtige Begriffe der Genderforschung, einer Sensibilisierung für die Beziehung zwischen Sprache und Gender, und der Anwendung dieses Wissens auf genderspezifische Fragen in den Berufsfeldern Übersetzung und DaF-Lehre. Freese beschreibt ausführlich die Methoden und Materialien, die genutzt wurden, um die Studierenden (auf fortgeschrittenem Sprachniveau) in den aufgeführten Bereichen zu fördern (vgl. S. 207–213). Die Ausführungen bieten praktische Anregungen für DaF/DaZ-Lehrende, die ähnliche Workshops oder Unterrichtseinheiten planen möchten.

Christiane Hohenstein, Liana Konstantinidou und Aleksandra Opacic präsentieren im letzten Artikel des Sammelbands „Diversität und Gender im DaZ-Unterricht für erwachsene Migrant*innen“ ein Projekt aus der Schweiz, in Rahmen dessen Unterrichtsmaterialien zur Förderung von Diversität, Gendersensibilität und (inter-)kulturellem Lernen für die Niveaus A1 bis B1 entwickelt wurden. Der Beitrag legt den Fokus auf die theoretischen Grundlagen der Materialien (vgl. S. 217–222) und stellt kurz ausgewählte Unterrichtseinheiten dar (vgl. S. 224). Zudem zeigt die Evaluation der Materialien, dass sie einen für alle (auch für Lehrende) produktiven Lernprozess schaffen können (vgl. S. 227), es jedoch besonders auf dem A-Niveau herausfordernd ist, das Thema Gender zu integrieren (vgl. S. 226).

Alles in allem bietet der Sammelband umfassende Einblicke in die Integration von Diversität sowie Gendersensibilität und -gerechtigkeit im DaF/DaZ-Unterricht. Auffällig ist, dass sich das Konzept der Diskursfähigkeit nach Altmayer sowie der handlungsorientierte Ansatz unter Bezug auf den Begleitband des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen durch einen großen Teil der Beiträge ziehen. Auch das immer wiederkehrende Konzept des Doing Gender (aber auch Doing Differences) unterstreicht die zentrale Rolle, die der Konstruktionscharakter von Geschlechtsidentitäten sowie Normvorstellungen in diesem Sammelband spielen. In Bezug auf das Konzept der Intersektionalität bleibt es trotz zahlreicher theoretischer Verweise oft bei abstrakten Beschreibungen intersektionaler Verschränkungen, was die Zugänglichkeit für Neueinsteiger*innen erschweren könnte. Es werden vielfältige Perspektiven, Methoden und Kontexte, hauptsächlich im Bereich der Erwachsenenbildung, aber auch in Bezug auf Kinderliteratur integriert. Der Band beinhaltet nationale und internationale Studien und berücksichtigt im analysierten Datenmaterial DaF/DaZ-Lehrende, Germanistik-, DaF/DaZ- sowie Lehramtsstudierende und Deutschlernende. Die Anerkennung einer Vielfalt von Perspektiven jenseits binärer, heteronormativer Sichtweisen und deren Relevanz für den DaF/DaZ-Unterricht zieht sich als Grundkonsens durch den Sammelband. Anzumerken ist, dass sich vereinzelt Verweise auf die Bedeutung der Akzeptanz aller Meinungsäußerungen finden lassen sowie betont wird, dass keine wertenden Vorgaben gemacht werden sollten bzw. dürfen (vgl. S. 139 und 142). Dies ist in Bezug auf den schulischen DaZ-Kontext aufgrund des ihm inhärenten Erziehungsauftrags zur Demokratie sowie zur Vermeidung von Diskriminierung kritisch zu reflektieren.

Weiterhin wäre denkbar, dass eine stärkere thematische Strukturierung des Sammelbands (wie bspw. im Rahmen der Rezension erfolgt) zur leichteren Orientierung hätte beitragen können, dennoch ist die Reihenfolge der Beiträge logisch aufgebaut. Die hohe Zahl an Querverweisen unterstützt eine nicht-lineare Lesbarkeit und betont die thematische Kohärenz des Bandes. Bezüglich der Thematik des Sammelbandes ist anzumerken, dass einige Beiträge nicht spezifisch auf DaF/DaZ oder Gender fokussiert, jedoch stark in intersektionalen Ansätzen verankert sind. Der Sammelband eignet sich dementsprechend für angehende und praktizierende DaF- und DaZ-Lehrkräfte im In- und Ausland sowie Personen, die in der Lehrendenprofessionalisierung tätig sind. Interessant kann er sicherlich auch für Lehrende im Fach Deutsch sowie anderer Fremd-/Zweitsprachen sein, da sich viele Vorschläge adaptieren lassen. Insbesondere die Artikel zu Bilderbüchern können auch für Personen, denen eine diversitätssensible Erziehung wichtig ist, von Interesse sein.

Notes

  1. Der Begriff Kultur kann aufgrund unterschiedlicher Definitionen und oft homogenisierender Zuschreibungen kritisch hinterfragt werden. Zur Begriffsgeschichte und Entwicklung in DaF/DaZ siehe Altmayer 2023. [^]

Literatur

Altmayer, Claus (2023): Kulturstudien. Eine Einführung für das Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Berlin: J.B. Metzler.

Bönkost, Jule & Kaupp, Steffen (2023): Rassismuskritische Bildung im DaF/DaZ-Unterricht und Repräsentation in Lehrmaterialien. Fremdsprache Deutsch – Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts 68, 20–23.

Büchsel, Almut (2018): Vielfalt LEBEN. Deutsch als Zweitsprache (A1 – A2). München: Hueber.

Bündgens-Kosten, Jules & Blume, Carolyn (2022): Neurodiversität– (k)ein Thema für die Fremdsprachendidaktik? Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 27: 2, 225–247. https://zif.tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/article/id/3501/.

Elsen, Hilke (2018): Gender in Lehrwerken. Feministische Studien. Zeitschrift für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung 36: 1, 178–187.

Feilke, Julia & Widhalm, Corinna (2023): Intersektionalität – Zur Notwendigkeit einer machtkritischen Perspektive in DaF/Z. In: Fritz, Thomas; Sorger, Brigitte; Schweiger, Hannes & Reitbrecht, Sandra (Hrsg.): Sprachenpolitik und Teilhabe [IDT 2022: *mit.sprache.teil.haben, 5]. Berlin: Erich Schmidt, 189–196.

Funke, Cornelia (Erzählung) & Gröhlich, Susanne (Illustration) (2016): Fabers Schatz. Hamburg: Aladin Verlag. (Hörbuch (2016), gelesen von Rainer Strecker und Marianne Wagdy. Hamburg HHV GmbH. Übersetzung von Mahmoud Hassanein).

Grether, Kerstin (2014): An einem Tag für rote Schuhe. Mainz: Ventil.

Iov, Margarita (2018): Das Wasser des Flusses Lot. In: Muzur, Lina (Hrsg.): Sagte sie. 17 Erzählungen über Sex und Macht. München: Hanser Berlin, 63–72.

Keun, Irmgard (2020) [1931]: Gilgi – eine von uns. Berlin: Ullstein.

Peuschel, Kristina (2018): Aspekte von Gender in der Sprach(aus)bildung Deutsch (als zweite, dritte und Folgesprache). In: Dirim, İnci & Wegner, Anke (Hrsg.): Normative Grundlagen und reflexive Verortungen im Feld DaF_DaZ*. Opladen/Berlin/Toronto: Barbara Budrich, 344–362.

Schmenk, Barbara (2016): Geschlecht. In: Burwitz-Melzer, Eva; Mehlhorn, Grit; Riemer, Claudia; Bausch, Karl-Richard & Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. [6., vollst. neu bearb. und erw. Aufl.]. Tübingen: Narr Francke Attempto, 254–257.

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  • Alexandra Treder orcid logo (Universität Paderborn)

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