Do things with words1, Sprache erfolgreich als Werkzeug gebrauchen, das ist das Ziel eines gelungenen Sprachunterrichts: Er soll Lernende sprachlich handlungsfähig machen. Diese sprachlichen Handlungen müssen angemessen vermittelt und trainiert werden.
Seit einigen Jahren finden sich immer mehr Publikationen, welche die sprachförderlichen Potenziale ästhetischen und performativen Lernens für den DaZ- und DaF-Unterricht betonen (vgl. z.B. Sonntag 2019; Moraitis/Mavruk/Schäfer/Schmidt 2018; Jentschke/Kölsch 2010; Patel 2008).
Das Lehr- und Praxisbuch der Autorinnen Doreen Bryant und Alexandra L. Zepter setzt es sich zum Ziel, diese unterschiedlichen performativ-orientierten didaktischen Ansätze auf Basis kognitionspsychologischer und spracherwerbstheoretischer Erkenntnisse in Form von konkreten Unterrichtsbeispielen zu präsentieren. Dabei werden Methoden verschiedener Arbeitsbereiche, wie beispielsweise der Theater- oder der Sprachheilpädagogik, vorgestellt, um unterschiedliche Zielgruppen anzuregen, diese für die Vermittlung und Förderung der deutschen Sprache zu nutzen. Zur Zielgruppe des Buches zählen neben Studierenden des Lehramtes und der Fächer Deutsch als Zweitsprache/Deutsch als Fremdsprache Referendar:innen und Lehrkräfte, sodass alle drei Phasen der Lehrer:innenbildung abgedeckt werden. Darüber hinaus richtet sich das Buch auch an Sprach- und Fachdidaktiker:innen, die in der Lehramts- und/oder DaZ-Ausbildung tätig sind und dieses z.B. als Begleitwerk für ihre universitären Veranstaltungen nutzen möchten. Insgesamt spricht das Buch also eine sehr breite Leserschaft an.
Die vorgestellten didaktischen Konzepte und Methoden wurden zum einen für Schüler:innen entwickelt, „die ihren Erstkontakt mit der deutschen Sprache erst im Schulalter hatten“ (S. 12), zum anderen fokussieren sie „Schüler:innen mit nicht deutscher Erstsprache, die in Deutschland aufgewachsen sind, aber in dem einen oder anderen sprachlichen Bereich Unterstützungsbedarf haben“ (S. 12). Positiv hervorzuheben ist, dass alle beschriebenen Konzepte und Methoden durch entsprechende Anpassungen nicht nur in Sprachförderkontexten (z.B. DaZ-/DaF-Unterricht) zur Anwendung kommen können, sondern beispielsweise auch im regulären Deutschunterricht oder im sprachsensiblen Fachunterricht im Rahmen einer durchgängigen Sprachbildung.
Das Buch gliedert sich in insgesamt 21 inhaltliche Kapitel, welche auf zwei Hauptteile aufgeteilt sind: Teil 1, bestehend aus den Kapiteln 1 bis 4, umfasst die theoretischen Grundlagen, beginnend mit einer Annäherung an den Begriff Performativität aus verschiedenen Blickwinkeln, wie der Sprachwissenschaft, der Kunst- und Theatertheorie oder der Sprachdidaktik. Als performativ gelten demnach Konzepte und Methoden,
wenn in ihnen der sich bewegende Körper, das eigene ästhetische Wahrnehmen, Fühlen, Handeln und Erleben oder auch das kreativ-spielerische Gestalten, Darstellen, Inszenieren von Sprache zentrale Bedeutung erhalten (S. 43).
Nach dieser Begriffsbestimmung werden in Kapitel 2 kognitionstheoretische Erkenntnisse herangezogen, die das Zusammenspiel zwischen Sprache und Körper bzw. Bewegung, Emotion und Denken verdeutlichen. Parallelen zwischen Embodied Cognition und Sprachverarbeitung (S. 53) werden den Leser:innen durch leicht verständliche Experimente erläutert und lassen anhand konkreter Beispiele wie Lokalpräpositionen erkennen, wie der Körper als Ressource zur Unterstützung von Sprachverarbeitungs- und -produktionsprozessen dienen kann.
Die Bedeutung einer handlungsorientierten Herangehensweise wird anschließend durch die „spracherwerbstheoretischen Grundlagen“ (Kapitel 3) bekräftigt. Der vorgestellte gebrauchsbasierte Ansatz (u.a. nach Tomasello 2003) mit seinen zentralen Annahmen „meaning is use“ und „structure emerges from language use“ (Tomasello 2003: 5) spricht für den Einsatz performativ-orientierter Methoden, denn laut dieser Theorie sind sprachliche Handlungen in Kommunikationssituationen zentral für den Erwerb einer Sprache. Der kindliche Erstspracherwerb wird zudem durch Input begünstigt, der das Erkennen sprachlicher Muster und Systematik erleichtert. Da gebrauchsbasierte Ansätze davon ausgehen, dass dies ähnlich auch für den Erwerb einer Zweitsprache gilt, haben sowohl Art und Quantität des Inputs als auch die Sprachverwendung in konkreten Kommunikationssituationen maßgeblichen Einfluss auf den Zweitspracherwerb. Bezogen auf die sprachdidaktische Ebene (Kapitel 4) bedeutet dies, dass die Arbeit mit Chunks oder Textprozeduren in möglichst realen Handlungssituationen und entdeckendes Lernen den Zweitspracherwerb begünstigende Settings darstellen. Vor dem Hintergrund zu vermittelnder prozessbezogener Kompetenzen und einer Taskorientierung, die als logische Folge der zuvor dargelegten Erkenntnisse die Richtung für die konkreten Unterrichtsvorschläge vorgibt, werden so erste Handlungsempfehlungen angeboten. Damit schlägt das Buch eine nachvollziehbare Brücke zwischen aktueller kognitionstheoretischer, spracherwerbstheoretischer und sprachdidaktischer Forschung und interdisziplinären Impulsen für die praktische Umsetzung, ein wissenschaftlich begründetes Plädoyer für das Lernen mit allen Sinnen und dem ganzen Körper. Dieser erste Teil stellt nach Ansicht der beiden Hauptautorinnen zwar eine gute theoretische Basis für das Verstehen des zweiten Teils dar, sie betonen aber, dass das Buch so konzipiert ist, dass die Leser:innen je nach Wunsch und Bedarf auch direkt mit der Lektüre von Teil II beginnen und anschließend das Grundlagenwissen aus Teil I nachholen können, was ein flexibles Leseverhalten ermöglicht.
Der zweite Teil „Performative Zugänge“ stellt das Herzstück des Buches dar und enthält die Kapitel 5 bis 21, in denen sich neben den zwei Hauptautorinnen auch insgesamt 13 Gastautor:innen mit konkreten methodischen Umsetzungen beschäftigen. Diese teilen sich auf insgesamt vier Rubriken, welche aus unterschiedlichen Beiträgen bestehen: Die erste Rubrik setzt den Schwerpunkt auf die „Mediale Mündlichkeit“. Hier beschreiben Guylène Colpron, Mechthild Dörfler und Carmen Sorgler in ihrem Beitrag beispielsweise, wie Schüler:innen der Primarstufe spielerisch zum (mehrsprachigen) Erzählen mit Hilfe des Erzähltheaters „Kamishibai“ angeregt werden können. In der Rubrik „Medial Schriftlichkeit“ geht es in dem Beitrag von Alexandra L. Zepter z.B. um die Verknüpfung des Generativen Schreibens mit performativen Zugängen: Schüler:innen mit Deutsch als Zweitsprache erlernen durch das Produzieren eigener Texte auf Basis einer Textvorlage implizit grammatische Muster (z.B. Inversionsstrukturen), was z.B. durch das Inszenieren des Textes vor anderen Schüler:innen zusätzlich unterstützt wird. Wie Schüler:innen mit Deutsch als Zweitsprache durch das Erstellen und Vergleichen von Wortmodellen aus sog. Klemmbausteinen zu Wortbaumeister:innen werden können, erfahren die Leser:innen u.a. in der Rubrik „Wortgestalt, Rhythmus und Musik“ im Beitrag von Helga Gese. Unter dem Fokus „Bewegen und Handeln“ zeigt Alexandra L. Zepter in Form eines Staffellaufs, wie man mithilfe von Bewegungen die Verwendung der unterschiedlichen Kasus bei Wechselpräpositionen vermitteln kann, ein spielerischer Ansatz, der sicherlich vor allem auf Kinder motivierend wirkt. Anne Sass präsentiert mit der Szenariomethode Unterrichtsvorschläge, die sowohl in der Erwachsenenbildung, z.B. in Berufssprachkursen, als auch in der (Berufs-)Schule eingesetzt werden können. In mehrschrittigen realistischen Rollenspielen üben die Teilnehmenden sprachliche Mittel und Strukturen ein, die sie so auf reale Handlungssituationen der Alltags- und Berufswelt vorbereiten. In der letzten Rubrik „Dramapädagogische Grammatikvermittlung“ stellen Doreen Bryant und Nadine Schlockermann beispielsweise an einem Märchen die Inszenierungstechniken Statue und Standbild vor, mit denen Sprechanlässe zum Beschreiben geschaffen und Adjektive geübt werden können.
Die einzelnen Rubriken beginnen jeweils mit einer Aktivierung bestehend aus unterschiedlichen Aufgaben. Auch die einzelnen Kapitel des Buches folgen einem einheitlichen Aufbau: Jedes Kapitel wird von einem kurzen Abstract eröffnet, welches den Leser:innen einen schnellen Überblick ermöglicht. Anschließend wird – u.a. durch informative Erklärkasten und mit Bezug auf die theoretischen Grundlagen aus dem ersten Teil – erläutert, welche Fähigkeit (z.B. die Fähigkeit, flüssig zu lesen) wie bzw. mit welcher Methode (z.B. Vorlesetheater) gefördert werden soll, sodass die Leser:innen „einen möglichst breiten Fächer an Methodenvielfalt, die eine performativ orientierte Zweitsprachendidaktik bereithält“ (S. 13), zur Verfügung gestellt bekommen. Kern jedes Kapitels bildet eine konkrete Beispielstunde bzw. Unterrichtssequenz, bei der Zielgruppe, Jahrgangsstufe und Ziele der Stunde explizit genannt werden. Positiv hervorzuheben ist, dass die jeweiligen Stundenverlaufspläne zusammen mit unterschiedlichen Materialen (z.B. Arbeitsblättern) in der narr eLibrary einfach und unkompliziert heruntergeladen werden können. Am Ende eines jeden Beitrags finden sich Aufgaben mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden (Reproduktion, Anwendung und Vertiefung), die das Gelesene festigen und vertiefen sollen. Diese Aufgaben eignen sich sowohl für das Selbststudium als auch für den Einsatz in Lehrveranstaltung und ermöglichen das Arbeiten auf unterschiedlichen Anforderungsniveaus, was durch zusätzliche Literaturhinweise unterstützt wird. Das umfangreiche Register am Ende des Buches erleichtert das Nachschlagen, sodass sich Begriffe oder Fragestellungen schnell klären lassen.
Insgesamt überzeugt das praxisbezogene Lehrbuch vor allem mit seiner Vielzahl an unterschiedlichen performativ-orientierten didaktischen Ansätzen, welche ein hohes Sprachförderpotential aufweisen. Die ausführlich beschriebenen Unterrichtsbeispiele können sowohl direkt übernommen als auch den jeweiligen Bedürfnissen, der jeweiligen Lerngruppe etc. angepasst werden. Möglich ist auch, diese Beispiele ganz oder in Teilen in eigene Unterrichtsprojekte zu integrieren, sodass mit ihnen auf vielfältige Art und Weise gearbeitet werden kann. Bezüglich der Lehreraus- und -weiterbildung lässt sich das Buch aus unserer Sicht hervorragend zum einen in den DaZ- bzw. DSSZ-Modulen verwenden, welche in NRW mit dem Lehrerausbildungsgesetz (LABG NRW 2009) von allen Lehramtsstudierenden unabhängig von Studienfach und Schulform belegt werden müssen. Zum anderen eignet es sich für den Einsatz in DaZ-Weiterbildungsangeboten.
Notes
- In Anlehnung an J.L. Austin: How to Do Things with Words, Begründer der Sprechakttheorie. [^]
Literatur
Jentschke, Sebastian & Koelsch, Stefan (2010): Sprach- und Musikverarbeitung bei Kindern: Einflüsse musikalischen Trainings. http://www.stefan-koelsch.de/papers/Jentschke_Koelsch_Kinderstudien_final.pdf (01.12.2022).
Lehrerausbildungsgesetz (2009): Gesetz über die Ausbildung für Lehrämter an öffentlichen Schulen (Lehrerausbildungsgesetz LABG) vom 12. Mai 2009, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Februar 2022.
Moraitis, Anastasia; Mavruk, Gülsah; Schäfer, Andrea & Schmidt, Eva (Hrsg.) (2018): Sprachförderung durch kulturelles und ästhetisches Lernen. Sprachbildende Konzepte für die Lehrerausbildung. Münster, New York: Waxmann.
Patel, Aniruddh D. (2008): Music, language, and the brain. New York: Oxford University Press.
Sonntag, Katrin (2019): Der Rhythmus macht’s – Rap als Mittel der Sprachförderung von Schüler_innen mit Deutsch als Zweitsprache. In: Decker, Lena & Schindler, Kirsten (Hrsg.): Von (Erst- und Zweit-)Spracherwerb bis zu (ein- und mehrsprachigen) Textkompetenzen. [Kölner Beiträge zur Sprachdidaktik Bd. 13]. Duisburg: Gilles & Francke, 77–94.
Tomasello, Michael (2003): Constructing a language. A usage based theory of language acquisition. Cambridge, London: Harvard University Press.
Lena Decker, Universität Siegen
decker@germanistik.uni-siegen.de
Katrin Sonntag, Bergische Universität Wuppertal